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Ursprünglich gedacht für die 
Seiten 39 – 47 WA Mit Sonetten bestücken

Sonett: Späte Form der Humanität (2288) bis (2379)

Was sollte ich - und wen? - da kritisieren?
Die Menschen sind nun mal nicht rational.
Selbst wenn sie ein sich lassen auf die Zahl:
Sie müssen Illusionen sich verlieren.

Zumal auch längst entwöhnt zu reflektieren.
Das wäre für die meisten eine Qual.
Und Angstquell: Ist doch alle Einsicht schal,
muss ihrem Wesen nach an Scheitern rühren.

So spreche ich mich aus für Illusionen,
für Kindereien und Verdrängungsketten …
Für alles, was uns kann mit Spaß belohnen.

Denn auch die Einsicht wird uns nicht mehr retten.
Wir sind nicht fähig, geistig uns zu schonen.
Sind Macher trauerdichter Daseins-Stätten.

Ohnmacht (Sonett) (2289)
Der Dinge Kerne wesenhaft zu fühlen:
Als dauerschwankend und uns streng entzogen,
macht, dass wir, auf uns selbst zurückgebogen,
notwendig werden auf das Unsre zielen …
Und so das Ganze, was uns schützt, verspielen.

Und es erklärt, warum wir, Trance gewogen,
uns trösten müssen mit Bedeutungsdrogen,
uns also Traum, Idee und Wert einwühlen.

Doch kann uns derlei Ungreifbares tragen?
Wohl kaum. Doch das, das gilt es zu verschweigen.
Schon um nicht überhaupt schon zu verzagen.
Was nämlich hieße, sich Verzweiflung neigen.

Wir müssen also schönen unsre Lagen:
Bis ihre Ausweglosigkeit sie zeigen.

Innenwelt-Zersetzung (Sonett) (2290)

Erbärmlichkeit und Stumpfsinn zu vermeiden,
das ist nicht leicht in einer Welt der Daten,
der Zahlen, news und aufgeblasen faden
Verzückungschancen sinnverlassner Zeiten.
Man muss sich wappnen vor den Niedrigkeiten,
in die man ziemlich schnell doch kann geraten,
weil, ausgesetzt Entwirklichungs-Diktaten,
man, bodenlos, sich wird berauscht entgleiten.

Wir sind die Opfer einer hochsubtilen 
Zersetzung wertgetränkter Innenwelten.
Verführt, uns sittlich selber zu verspielen
und zu verschreiben Posen, Spaß und Gelten. 
Wir haben nichts mehr, das uns noch bezelten
und retten könnte vor Entseelungs-Kühlen.

Die anonyme Misere/Sonett (2291)

Vergänglichkeit, Vergeblichkeit und Scheitern
sind das, was oftmals aus uns macht im Ganzen;
sind gleichsam homotypische Instanzen,
uns doch geworden zu Gefühls-Begleitern.

Entlasten mag‘s, zu klettern auf den Leitern
sozialen Aufstiegs zu Erfolgsbilanzen,
weil dann als Sieger man sich darf umtanzen.
Obwohl’s nie reicht, sich so nur zu erweitern.

Man kann nur hoffen, dass man jene meide,
wodurch auch immer einem sei‘s gewährt;
so dass nicht dauernd man ihr Werk erleide,

wohl wissend, dass es in die Kerne fährt
und einen hilflos von sich selbst abscheide,
wenn dann sich einem dieses Dasein klärt.

Kapitalismus, Technik und Naturwissenschaften/Sonett (2292)

Dass meines Daseins Souverän ich sei,
das anzunehmen wäre doch vermessen.
Vielmehr: Mein Dasein ist Organdrang, dessen
Bedeutung objektiv ist einerlei.

Ist es doch Spielball jener Großen Drei:
die’s Reiz, Objekt und Abstraktion einpressen.
Und als Begehr-Gewalten gar nicht messen,
ob ich ein Würdeträger sei und frei.

Allein: Es wäre ganz absurd zu glauben,
das wäre steuerbar durch uns zuletzt.
Nein. Unsre Ratio zwingt uns, uns zu rauben
- ob’s diese Welt nun schont, ob’s sie verletzt -,
was sich verwerten lässt als Fortschritts-Trauben …
Von Rücksichtslosigkeit und Macht gehetzt.

Getrieben/Sonett(2293)

Wer kann denn sagen, ihm sei es gelungen,
sein Dasein ohne Bruch und Angst zu führen?
Wer wäre nicht verfallen manchmal schieren
Verkommenheiten platter Anfechtungen?

Wer wäre so weit in sich vorgedrungen,
dass er erfasste all die kleinen Schmieren,
die ganz subtil ihn heimlich korrumpieren?
Charakterlich und auch sozial erzwungen.

Wohl niemand kann das. Schon weil schwer zu fassen
persönliche Motive sind, die treiben.
Sei es in Hybris, sei’s in rohes Prassen.

Wohin auch immer. Stets doch wird man bleiben
Getriebener, sich selber überlassen:
Verfügt, Vergeblichkeit sich aufzureiben.

Tabu/Sonett (2294)

Wenn ich das Ganze unverstellt bedenke,
dann muss ich es für durchweg sinnlos halten.
Da uns Gewalt und Illusionen spalten,
Pleonexie und Macht uns schmieden Ränke.

Auch ist es falsch, dass die Vernunft uns lenke:
Sind wir verwiesen doch auf Umgestalten
von Welt durch technisches Verstandeswalten.
Uns fehlen längst die geistigen Gelenke.

Und dennoch könnte ich’s zuletzt erdulden,
wenn nur nicht diese reißerisch diktierte
Schaumschlägerei der Zeitgeisthybris wäre.

Mit ihren hedonistisch faden Kulten
als trivialnarzisstisch dumpf blasierte
Enthemmungsmystik trancenpraller Leere.

Unaufbrechbare Fremdheit/Sonett (2295)

Der andern Wesen auch nur anzufühlen
- als Fremde uns ganz substantiell entzogen -,
bedeutet, dass wir nie auf diese zielen.
Vielmehr, dabei auf uns zurückgebogen,
sowohl die andern als auch uns nur spielen.
Und das erklärt, warum wir, Traum gewogen, 
uns trösten müssen mit Gerede-Drogen,
die andern uns ein wenig aufzuwühlen.

Und dass auch selber wir uns nur erscheinen,
uns förmlich selber auch nur konstruieren,
das hat zur Folge, dass wir uns nur meinen,
wenn wir uns andern psychisch präsentieren.
So ist denn niemand je mit sich im Reinen,
gezwungen, sprachlich sich zu delirieren.

Vollendungsformen/Sonett (2296)

Vollendungsformen gibt’s für uns nur vier:
Gott, Einsichtsgnade, Eros und Gedicht.
Der Rest ist Ichsucht, Konzession ans Tier.
Indes von absolutem Seinsgewicht.

Ist’s doch der Stoffdurst, der uns ausmacht: Gier,
zusammen mit der Perspektiven Sicht,
sich einzufühlen hochprekärem Wir.
So zu beschützen. Auch durch Selbstverzicht.

Wer sich in Gott versenkt, ist allgetragen,
kann Einsicht sich in das, was ist, dann leisten.
Wen Eros treibt, darf sich in Du-Rausch wagen.

Und Kunst mag trösten die sich selbst Verwaisten.
Erlaubt, sich jenes Stoffdursts zu entschlagen,
sich, Geist geborgen, Selbstsein zu erdreisten.

Verwertet, getrieben, entmächtigt/Sonett (2297)

Was soll ich dir von mir denn groß erzählen?
Von einem Selbst, dem, wertbasal vermittelt,
durch Rechtserlass, der’s als Person betitelt,
bestätig wird, es könne frei sich wählen.

Indes kann ich mir selber nicht verhehlen,
dass objektiv ein Gier-Prozess mich schüttelt
und ohne Rücksicht kommandierend drittelt
in Kunde, Normen-X und Sinn-Verfehlen.

Als Marktteilnehmer muss ich mich verraten,
geistig verneinen, um als Exponent
des faden Allgemeinen mich sei’s Daten,

sei es Prozenten oder Zeitgeist-Trend
verfügt dann hinzugeben und zu waten
durch diesen Humbug, der Substanz nicht kennt.

Das hypertrophe Hirn/Sonett (2298)

Wenn ich es auch nur ungefähr beachte,
bemerke ich den allgemeinen Willen,
die Wohlstandsproduktion noch zu verstärken.
Wohl auch, weil niemand mehr mag darauf wetten,
dass es noch etwas gäbe, das nicht sachte
auf Untergang, das heißt des Nichtseins Stillen …
auf Barbarei zuliefe und Verzwergen
sapienter Ratio vor den Elendsketten.

Doch falls wir wirklich sollten uns zerstören,
dann wäre das der Preis der Bipedie:
Das ihr verdankte Hirn muss uns versehren,
sich selber stürzen in die Agonie.
Wohl außerstande seiner selbst zu wehren:
Zwang sekundärer: technischer Magie.

Das ist’s/Sonett (2299)

Mein Sinn für Fakten konnte nie versiegen,
weil immer ich um unser Dasein wusste:
Dass es Begehren ist und Selbstverluste,
tristesse und Niedertracht an allen Tagen.
Es auch ganz sinnlos sei, nach Schuld zu fragen.
Die gibt es nämlich nicht. Nur dies gemusste,
ernüchternde Durchstoßen einer Kruste.
Auf die kein Kern folgt, sich nach ihm zu biegen.

Die tote Masse neuronal durchdringen,
innovativ sie untertan zu machen
dem vorgegebnen Antrieb, Stoff in Sachen 
durch technische Verfahren dann zu zwingen …
Das ist’s: Gewaltprozesse zu entfachen,
die ihren Meister dann in sich verschlingen.

Unfrei in sich selbst gefangen/Sonett (2300)

Materiell sind alle Hirnvorgänge.
Das heißt, den freien Willen gibt es nicht.
So ist’s absurd, sich Freiheit einzuräumen.
Die sich auch sonst nur als Phantom lässt greifen.
Das Handeln ist ein Resultat der Zwänge,
die subjektiv sind: Genbefohlne Schicht.
Und gegen’s eigne Selbst sich aufzubäumen,
wär Wahn: Man kann nicht vor sich selber kneifen.

Strikt einsam, ist man selbst sich überlassen: 
Sich selbst - wie Zeit auch, Stoff und Wir - verfügt.
Vollzieht sich so im Tausch mit Alltagsklassen
von Fremden, denen man sich klug verbiegt. 
Sich Freiheit heuchelnd, um nicht zu erfassen, 
dass man, wie sie, sich um sich selbst rumlügt.

Diese Sonette/Sonett (2301)

Sie gönnen keine Emotionszufuhren,
sie, diese analytischen Sonette.
Sind nicht gedacht für gängig menschlich Nette
mit doch diffusen Existenzkonturen.

Noch sind sie Intellektuellen-Suren
in idealbegrifflicher Stafette.
Noch auch Empörungs- oder Medien-Glätte,
sich schwankendem Bewusstsein einzuspuren.

Sie bündeln vielmehr Spätzeitillusionen
im Widerschein von harschen Kämpfen gegen
die Zeitgeistkräfte und die Macherdrohnen,

die sich entfalten auf verschlungnen Wegen
und, angetrieben auch von Unpersonen,
die Wohlstandslunten an sich selber legen.

Selbstbewahrung (So) (2302)

Ich sitz hier rum und frage mich ganz offen,
warum ich überhaupt Sonette mache.
Was sinnlos ist in dieser Reizwelt-Lache,
die, von Exzessen ihrer selbst betroffen,
gibt kaum noch Anlass, Zukunft zu erhoffen …
Mal abgesehen jetzt von dieser Sache:
Dass kulturell sie grad global verflache.
Von Schlichtheitsschund und Kindlichkeit besoffen.

Um mich an jener Trug nicht zu verlieren.
Um mich als Geistperson nicht aufzugeben.
Um nicht zu imitieren Marktallüren.
Um nicht in Mittelmaß mich zu verstreben.
Um mich nicht zynisch selber zu verführen,
mich zu verschreiben kommandiertem Leben.

Des Nutzlosen Vollendungsträchtigkeit/Sonett (2303)

Umsonst hab ich sie allemal geschrieben,
all die Sonette hier auf diesen Seiten.
Doch keine Stunde musste ich das leiden.
Ich folgte dabei nämlich Geistantrieben,
die, selber sich genug, in sich verblieben.
So niemals kreuzten Kreatürlichkeiten,
profanem Dasein Nutzen zu bereiten,
um sich aus dem dann Zweck und Ziel zu sieben.

Meint Dasein doch, sich selber zu bestehen.
Als Drangsal-Einheit also einzufügen:
Gesellschaft, Staat … Einem Gesamtgeschehen.
Dass dessen Einrichtungen einen trügen,
bewahrten auch vor Zufall und Versehen,
vor Selbstverlusten und vor Lebenslügen.

Naiver Glaube/Sonett (2304)

Ich strebe, wenn ich die Sonette schreibe,
nach was ich nennen will Bedeutungsdichte.
Ich will Komplexes wissen wie das Schlichte,
will, dass der Gang der Welt sich an mir reibe,
mich ahnen lasse, was der Kortex treibe,
wenn er uns vormacht, dass er alles lichte.
Sich selbst und auch noch seine Vorgeschichte.
Sogar die Qualen seiner Geistesbleibe.

Zumal ich außerstande bin, zu glauben
an tragende - intakte - Wertgefüge
in diesem Kosmos planer Ichsucht-Lauben,
der Selbstvermarktungszwänge und der Kriege
der Gossen-, Mammon-, Zeitgeist-, Trickser-Trauben,
uns zu versüßen manche Lebenslüge.

Realitätsüberschreitung/Sonett (2305)

Als eitel, primitiv und daueröde
empfand ich immer diese Spaßzwang-Wogen,
Reklamesog und Tugenddemagogen,
die Tyrannei der Einheitsgottheit Kröte.

Auf dass erregt man und begriffsfaul schnöde
den Lüsten lebe, nur auf sich bezogen.
Wiewohl grad das ist objektiv verlogen:
Folgt man doch hochsubtiler Zeitgeist-Lethe.

Ganz anders will mir selber Welt aufscheinen,
wenn ich Sonette mache, frei von Zwängen,
mich aufzureiben Ich und Wir und Scheinen.

Dann bin entronnen ich sozialen Engen:
Narzissmus, Schäbigkeit, absurdem Meinen.
Darf geistig mich aus Faktenquanten sprengen.

Zwecke/Sonett (2306)

Ich werde von Reklame angegangen,
die mich umgarnen will mit tausend Zungen.
Von ihrer Propaganda längst gezwungen,
sie gleichzusetzen mit Sakralbelangen.

Der Zeitgeist überhaupt sagt unbefangen, 
wie man, zum Marktkern erst mal vorgedrungen,
ihn meistere: Als Kunde sich gelungen
in der Magie verzerrter Traumwelt-Wangen.

Von all dem will ich freilich gar nichts hören.
Sonette will ich schreiben in den Stillen,
die keine Messen von Verbrauchern stören.

Ich will mich Einsamkeit und Wort einhüllen,
will auf die Einsichtsmacht des Geistes schwören;
nicht auf genetisch kommandierte Füllen.

Von sich berauschte Selbstzerstörer/Sonett (2307)

Wie oft schon saß ich hier vor diesen Blättern,
auf Worte sinnend, um mich abzuscheiden
von dieser Welt der Lust und goldnen Zeiten,
dem Ort, an dem selbst Übel sanft zerfleddern.

An dem die Börsenkurse ständig klettern.
Wo man betrauern kann noch fernstes Leiden.
Um endlich, intellektuell bescheiden,
in Meinungssudelei sich zu verheddern.

Indes die Worte lassen auf sich warten.
Ist’s doch nicht einfach, diese Welt zu greifen.
Von uns zertrampelter, komplexer Garten

von gleichungstechnisch uns geschaffnen Schiefen:
Ein Trümmerfeld, stets wachsend auf den Karten,
von Wüsten, Öden und erschöpften Tiefen.

Umsonst noch einmal/Sonett (2308)

Darüber war ich immer mir im Klaren,
dass ich umsonst all die Sonette schriebe.
Sie niemand läse. Auch weil sie doch Hiebe
auf das sind, was sich nicht mehr kann bewahren:
Ersatzweltglücke für Verbraucherscharen
und ihre technisch austarierten Triebe.
Verfügungsmassen für die Wohlstandsschübe,
die sich nun nähern ihren letzten Jahren.

Ich zögerte indes nicht zwei Momente,
es wieder so zu machen: Sie zu schreiben,
um geistig auszumachen dies Gelände.
Von dem nicht einem irgendwas kann bleiben.
Weil es ihm rinnen muss durch beide Hände:
Um ihn zurück in Gas und Staub zu treiben.

Zufälliger Selbstgewinn (Gott)/Sonett (2309)

Geläut, vertraut aus frühsten Kindertagen,
lässt mich noch immer in sich untergehen.
Auf dass es nehme mir die Seelenplagen
und Widersprüche unsrer Daseinswehen.

Will mich in ihm doch dieser Daimon tragen,
mich kommandierend von hier wegzudrehen
in weltentwirrte transzendente Lagen.
Selbst mir muss ich dann nicht mehr widerstehen.

Er war’s, der mich im Sog von Zufallswürfen
bestimmte einem Dasein ohne Ruten:
Mich selbst zuweilen nur aus ihm zu schürfen.

So zu entkommen all den Warenfluten,
die trugsubtil doch würden aus mich schlürfen
und unterwerfen marktsterilen Knuten.

Noch einmal Gott (Gott)/Sonett (2310)

Ich frage gar nicht, ob er existiere.
Er wirkt aus seelentiefen Seins-Bereichen.
Der Niedrigkeit des Menschlichen enthoben,
verbleibt er, mystisch nur berührbar, Leere.

Der reinen Güte Träger, ist er schiere
Verneinung aller triebgebundnen Zeichen,
die in den Leibern als primäre toben:
Als Stoffgefängnis und Bedürfniskehre.

Geniales Nichts, ist er mir Kindheitsschemen:
Ein Trost aus Ähren, Winden, Tieren, Sanden:
Durchgottungsstrom und Nu-Husch ohne Hämen.

Ein Sehnsuchts-X aus solchen Unbekannten,
die wir nicht fassen können, weil uns lähmen
der Hyle Zwänge, die uns ontisch* bannten.

*ontisch: seiend, empirisch, tatsächlich, faktisch …
Deutschbürgerliche Idealanfälligkeit/Sonett (2311)

Die Fähigkeit zu denken geht zu Ende.
Verstand ersetzen Einfall und Gefühle,
das Ideelle und das Infantile.
Man ethisiert und denkt an Sommerstrände.

Der Wirklichkeitsverlust wird Seelenwende,
raunt von Errettung aus dem bösen Spiele
der Welt und Mensch zerstörenden Kalküle:
Gefühligkeiten schüren Herzensbrände.

Wühlt da der deutsche Hang zum Idealen?
Die Lust, sich ins Gewissenslicht zu stürzen?
Sich loszureißen vom Diktat der Zahlen?

Grandios-pathetisch sich heraus zu kürzen
aus diesem praktisch-realistisch schalen
Verhängnis geldzentrierter Wohlstandswürzen?

Heimatlos (Deutschland)/Sonett (2312)

Das Land kann mir nicht Heimat sein im Heute
der kränkelnden Parteien, die es schwächen.
Erpicht, die letzten Brücken abzubrechen
zum Handlungsrealismus kleiner Leute.

Die in der Wirtschaft machen sich zur Beute
der KPC. Und das, das wird sich rächen.
Denn China will mit Weltherrschaft bestechen.
Die ist sein Ziel. Wenn ich es richtig deute.

Was böte auch dies Land der Spaßanbeter,
die staatsvergessen sich in Ichsucht sonnen,
erlebnistrunken starlike mit Gezeter

sich knechtisch outen als die Hauptkolonnen?
Vor Primitivem zumal Leisetreter,
Reklamemoralismus ausgesponnen.

Meinem geistlabilen Herkunftsland (Deutschland)/
Sonett (2313)

Ich sehe kritisch deutsche Wertgewänder.
Ich halte sie für eitlen Tugendmohn.
Geschichtsverwirrte Scheingewissensfron. 
Die dann im andern sieht den Würdeschänder.
Kein pseudointellektueller Sender,
kein Augenblicks-Helot am Mikrophon
der nicht aus wäre auf Empörungshohn.
Mir schlägt entgegen ein diffus-latenter
Radikalismus ohne Geisteshelle:
Man überlässt sich so Gesinnungsschwaden
und übersieht die eigne Seelendelle.
Und doch will man im Teich der Tugend baden,
um sittlich sich zu stärken auf die Schnelle,
konform dem Zeitgeistterror zu geraten.

Der Weg ins Abseits (Deutschland)/Sonett (2314)

Verächtlich. Gleich, worauf den Blick ich wende,
Gedanken richte oder Zeit abfühle.
Erbärmlich mittelmäßiges Gewühle
von Ich-Kult, Urlaub und Erregungs-Spende,
Pleonexie-Gewalt und Würde-Blende.
Da greift ein Niedergang durch hehre Ziele,
durch Selbstverachtung und Gemeinheits-Stile …
Es falten sich Gewissenloser Hände.

So wird das Land wohl keine Zukunft haben:
Bespaßungsjunkies. Wohlstandsdeprimiert.
Gesinnungsorthodoxe, die sich graben
durch Werte, die ihr Mittelmaß negiert.
Inkompetente ohne Führungsgaben,
die ein verdinglichter Verbraucher schmiert.

Dilettanten-Stadel (Deutschland)/Sonett (2315)

Man drückt sich vor der eignen Niedertracht,
indem man sich in Wert-Sophismen flüchtet,
geistig korrupt sich schuldstolz selbst bedichtet,
man sei des Seinsgewissens Tugendmacht.
Bereit, sie durchzufechten, diese hehre Schlacht.
Bis sich der Hang zum Bösen selber richtet.
Kurz: homo sapiens der Vernunft sich lichtet.
So bläst sich auf nur eitle Selbstandacht.

Deutschkollektiver Scheingewissens-Stadel:
Hie Sieger, die Bespaßung inszenieren.
Dort weltgeistkundiger Gesinnungsadel.
Und Amtsinhaber, die es nicht kapieren
(das zeigt die kulturelle Kompassnadel),
dass sie ein wirres Land ins Abseits führen)

Der allfällige Niedergang (Deutschland)/Sonett (2316)

Subtil verworrene Politeliten:
Gesinnungsethiker, bereit zu brechen
das positive Recht durch Hochmoral …
Bereit, sich Selbstaufgabe zu ergeben.
Ideologenfeigheit duldend Nieten,
die sich entziehen dürfen Spiegelflächen
der Monopolgewalt und illegal
nach eignen Normen von Verbrechen leben.

Politisches Fundamentalversagen.
Dem Rechtskonzept von Würde auch geschuldet.
Entglitten sind auch alle Geisteslagen
dem Laisser-faire, das Psychenwirren duldet.
Dem muss man Ratio dann diskret versagen,
zumal der Markt Verwahrlosung verkultet.

        *
(2317

Dann Wirtschaftsführer, die sich überbieten,
sich manchmal Gaunerei gar zu verzechen.
Sakralisierend sich und Absatzzahl …
Narzissten, die Erfolg an sich erstreben.
Doch solchen ist es geistig nicht beschieden
zu ahnen, dass sie faktisch sich erfrechen
als Technokraten-Hirne agonal 
ihr Werk in Selbstzerstörungssog zu heben.

Sie tragen freilich Untergang in sich:
Kapitalismus, Technik, Wissenschaften.
Sie sind des Kortex destruktiver Stich,
den weder Spezies noch Natur verkraften.
Evolutionszwang. Unabänderlich.
Und Sapiens schuldlos: Kann nicht für sich haften.

        *
(2318)

Zumal der Souverän ist außerstande,
vernünftig für sich selber einzustehen.
Er dient als Hilfskraft am Vergnügungs-Rande,
wo er sich, ichschwach, soll in Lust ergehen.
Und dazu lösen möglichst alle Bande,
um ihn als Mittel jener zu erhöhen.
Indes auch das ist letztlich keine Schande,
dient’s doch dem Ganzen als Funktionskonstante.
Er will ja dieser Einsicht selbst entrinnen,
dass ihn schon längst Verhältnisse doch treiben,
die seine menschliche Substanz ausdünnen.
Die, nihilistisch, Halt und Sinn aufreiben,
in einem Spiel, das niemand kann gewinnen.
Am Ende schleifen wird auch letzte Bleiben.

Fremdgesteuerte Sozialschauspielerei/Sonett (2319)

Was mich so deprimiert, ist, dass ich spüre,
heteronom an fremder Macht zu kleben.
Und das, das kann nur eine Zeit eingeben,
die wirkt als permanente Ouvertüre
zum Zwang, dass man sich dauernd inszeniere,
um sich Gepflogenheiten einzuweben,
die stützen selbst berufliches Bestreben,
zumal auch dienen als Sozialscharniere.

Man kann sich kaum noch vor der Show bewahren.
Zumal bei vielen fehlt schon dieser Boden
der sittlich und vor allem psychisch klaren
und festen Anstands- und Verhaltens-Knoten.

Da greifen Selbstentmächtigungsverfahren
als strenger Ausdruck jener Zeitgeistmoden.

Ich I/Sonett (2320)

Ich glaube nicht, wie doch die allermeisten,
dass ich was Nennenswertes beizutragen,
was Wesensschweres gar zu sagen hätte,
wenn’s darum ginge, unser Los zu deuten.

Was sollte renommieren ich mit dreisten
Versicherungen, die, im geistig Vagen,
sich es erlaubten, dieser Warenstätte
ein Quäntchen Sinn vom leeren Herz zu häuten?

Mir steht’s nicht zu. Noch ist es mir gegeben,
in diesem Dasein etwas zu gewinnen:
Ich wollte immer nur für mich es leben.

Zumal wir alle auf uns selber sinnen,
Monaden sind, die in sich selber kleben.
Verknechtet außen und verknechtet innen.

Ich II/Sonett (2321)

Mitnichten meiner Existenz Gebieter,
entwirre hilflos ich die Wohlstandsfäden,
die man mir auswirft noch vor Billigläden:
Mich Kauflust zu verführen immer wieder:
Ich bräuchte nur zu fassen all die Güter,
mich sehnend beugen ihren zeitlos steten
Genusszufuhren und Objektgebeten …
Ich lebte lustzentriert, ja: kniete nieder.

Doch aus Erfahrung kann ich das nicht glauben.
Man säuselt mir von Glücken ohne Boden.
Man will mich einfach meines Gelds berauben.
Und dass ich tanze nur nach jener Noten. 
Mir anzudrehen eher saure Trauben: 
Enthemmungs-Tinnef* für naive Schoten*.

Tinnef (hebr-.jiddisch): Schund, dummes Zeug. 
Schote (hebr-.jiddisch): Narr, Einfaltspinsel

Ich III/Sonett (2322)

Ich würde gern mal etwas Zartes schreiben.
Was anderes als diese monotonen
Entlarvungsschreie, die sich gar nicht lohnen,
weil eben doch die Menschen gleich sich bleiben.
Da sind die einen, die sich Macht aufreiben,
indes die anderen sozialen Zonen.
Und wieder andere, die sich betonen,
indem erfolgreich sie Geschäfte treiben.

Doch was ist zart? Das ist nur schwer zu sagen.
Ist es die Liebe? Oder doch die Güte?
Vielleicht gar Ehrfurcht oder Scham und Zagen?
Die Anmut schaffen, niemals frech und rüde …
Ich weiß es nicht, Muss immer weiter fragen.
Obwohl schon lange unsrer Rohheit müde.

Ich IV - Erfolgreich durchlaviert/Sonett (2323)

Hat sich’s gelohnt für mich, den Preis zu zahlen:
Zu tun als ob. Das Schauspiel aufzuführen,
ich würde gern mich an die Welt verlieren?
Um so getarnt tatsächlich sie zu meiden?

Mich also nicht in Wichtigkeit zu aalen,
mit Macht und Tüchtigkeit mich nicht zu küren;
nicht gängig äußerlich mich aufzuführen -
und dennoch nicht ins Abseits abzugleiten?

Ja. Hat’s für mich. Was nämlich überböte
die Einsicht in dies gramerfüllte Rennen
erlebnisüberreizter Endzeitnöte;
um gleichsam überscharf auch zu erkennen,
dass da getriebnes Menschtum sich erhöhte,
entgleister Kortexlast lasziv zu brennen?

Ich V/Sonett (2324)

Ich leugne gar nicht, dass ich ganz gut lebe,
weil mir dies Waren-All manch Vorteil bringt.
Lässt es doch zu, dass mir ein Selbst gelingt,
grad wenn ich gegen seine Zwänge strebe.

Und’s nicht verachte, wenn ich mich entwebe
dem Toben, das in allen Gassen klingt
und rücksichtslos sich seiner Gier verdingt.
Was täten wir, wenn’s keinen Wohlstand gäbe?

Ich teile deshalb gar nicht diesen Glauben,
dass man die Existenzsucht mindern könne.
Wir müssen Ich, Natur und Welt uns rauben.

Naiv, wer hofft, dass da Vernunft gewönne.
Die sich doch auch nur kann aus Sprache klauben
Wie wär’s da möglich, dass sie Halte gönne?

Ich VI/Sonett (2325)

Was sollte ich denn von mir selber sagen?
Zumal die Artgenossen sich verbohren
in Medienwelten, wo sie sind verloren,
weil die sie stets auf ihre Spuren jagen.

Dass ich verfüge über feinste Ohren,
die Stillen höre aus den Zeitgeistporen,
die immer lauter schreien, dass die Lagen
substanzprekär schon nicht mehr nach uns fragen?

Nun dies vielleicht: Dass mich die Glücke suchen,
weil ich sie ohne Drängen weiß zu schätzen.
Ich daher muss mein Dasein nicht verfluchen.
Und nicht nach Flachweltsurrogaten hetzen.
Noch brauche ich das größte Stück vom Kuchen.
Kann ich doch Spätzeitlast in Geist umsetzen.

Realitätszersetzung/Sonett (2326)/2317 Seite 44 erl.

Wenn ich es distanziert und kalt betrachte,
auch von Beschönigungen Abstand nehme,
dann spüre ich die intellektuell bequeme,
durch technische Magie zumal entfachte
Realitätszersetzung in verflachte,
Enthemmung hechelnde Gefühlsextreme -
Ein Kernzwang nihilistischer Systeme:
Dass man, vereinzelt, das System anschmachte.

Das ist das Schicksal von uns Zeitgenossen:
Dass psychisch wir, verkommen, sind frigide
und, leeren Sollens-Hülsen ausgeflossen,
dasselbe wollen ohne Unterschiede …
Uns zu verwandeln, Stumpfsinn eingeschlossen,
zu Reizverwertern ohne Selbstwertblüte.

Tote Sehnsucht/Sonett (2327)

Ich habe möglichst abseits mich gehalten.
Kaum was gesagt. Schon gar nicht, was ich denke.
Damit die Meinung andrer mich nicht lenke.
Ist doch der Mensch perfide: Seine kalten
Gelüste muss er sich doch auch gestalten.
Ob er sich nun mit Rachsucht-Spaß beschenke,
ob er zu seiner Freude listig kränke …
Es wird ihm tiefen Machtgenuss entfalten.

Doch ich will weiter es in mir verschließen,
was mich da ausmacht nah am Boden
der Seelenschäume, die ins Vage schießen:
Bis in der Irrsal wirre Alptraumnoten,
der Barbareien mystisches Verfließen,
ekstatisch toter Sehnsucht sich zu roden.

Annäherungen an den Souverän/Sonett (2328)

Ein Konkurrenzkampf von Konsummonaden,
den die Funktionseliten konzertieren
mit Rechtsverfahren und mit Tugendschlieren.
Im Dienst von Mammon, Kapital und Daten.
Sie alle schleichen auf den gleichen Pfaden.

Auch darum geht es: Raunend zu flankieren
den Sinn des Souveräns mit lauten Schwüren,
man werde weiter steigern Wachstumsraten.

Und eben das, das wollen ja die Leute.
Die sich um Widersprüche kaum noch scheren:
Sie wollen optimale Glücksausbeute,
sich Freizeit, Urlaub, Kicks und Lüste mehren.
Auch dass man zeitgeistnah korrekt sich deute
als Schnäppchenjäger ohne Daseinsschweren.

Durchschnittliche Politiker/Sonett (2329)

Nicht jedem scheint der Glanz des Resoluten.
In diesem dann sich selbst zu überragen.
Aus Anfechtung und Ichsucht sich zu tragen.
Entschlossen, sich zu beugen Geistesgluten.
Sich möglichst klar zu machen, dass uns fluten
Gewissenlosigkeiten und Versagen.
Um, ist es so, sich selbst zu hinterfragen:
Warum verdränge ich mir derlei Knuten?

Doch kann gewählter Hochmut es auch greifen,
dass jene Zeilen grad an ihn sich richten …
Die Überschätzung seiner selbst zu schleifen,
sich keine Fähigkeiten anzudichten,
die er nicht hat. Auch davor nicht zu kneifen,
sich seine Mittelmäßigkeit zu lichten.

Politagonie I/Sonett (2330)

Es fehlen Selbstdistanz und Leidenschaften.
Es fehlt die Kraft, sich nicht zu überschätzen.
Ganz fehlt die Geistesmacht, um diese Fetzen
sozialen Niedergangs noch zu verbinden.

Doch niemand kann mehr für die Lagen haften,
die kulturell und psychisch uns zersetzen.
Weshalb Verblendungswahn und Ethikgötzen
als Handlungssurrogate sich begründen.

Man ahnt das Ende dieser Wohlstandswelten
gewissenlos entschämter Ichmonaden,
die Machtberauschten nur als Mittel gelten,
Symbolbeschwörern, die narzisstisch baden
in Selbstergriffenheit und Traumweltdaten.
So gar nicht merken, dass sie schon verschwinden.

Politagonie II/Sonett (2331)

Instinktlos, diese autoruinösen
Erzeuger unpolitischer Visionen.
Die völlig unverständlich sind Millionen:
Man kumuliert abstrakte Ethikgrößen,
benennt die Guten und, empört, die Bösen.

Das ist kein Handeln aber, nur Betonen
von Werten ideeller Geltungszonen.
Doch grad politisch gar nicht einzulösen.

Weshalb ich offen mir muss eingestehen,
dass alles das wird wohl schon bald verschwinden:
Die Volksherrschaften werden untergehen.
Global wird Staatsmacht Tyrannei einmünden.
Und wieder werden dann, in tiefen Wehen,
Verzweiflung, Angst und Barbarei sich gründen.

Politagonie III/Sonett (2332)

Erlebniskomödiantisch längst verfallen,
an Sprache und Gehabe abzulesen,
erstrebt die Politik Problemsynthesen,
empörungssakrosankt ins Blaue dann zu lallen,
um allen gleichermaßen zu gefallen.

Es gibt sie nicht mehr: Gut durchdachte Thesen.
Man will an Floskeln und an Shows genesen.
Und das genügt als Leitstern eben allen.

Verantwortliches Handeln? Längst verschwunden.
Ersetzt wird es durch Propagandaposen
in geistlos infantilen Fernsehrunden.
Da sitzen Ahnungslose, die sich kosen.
Die, zeitgeistklamm einander tief verbunden,
der Volksherrschaft den Untergang erlosen.

Politagonie IV/Sonett (2333)

Sie gehen unter nun, die Volksparteien,
verachtet sei’s von deprimierten Massen,
sei es von Radikalen, die sie hassen.

Weshalb sie ja mit ihren Litaneien
stets sachlich hilflos um die Wette schreien,
sie seien unverzichtbar, wenn’s um Kassen,
um Ausgleich zwischen den sozialen Klassen,
vor allem gehe um die eignen Weihen.

Längst grölen sie wie die in Sportarenen,
der Unterhaltungsindustrie ja Teile.
Wobei sie, von sich selbst ergriffen, wähnen,
dass ihnen Macht und Zukunft nicht enteile.
Schlicht geistig außerstande, eine Weile
sich auszumalen rohe Zukunftsszenen.

Politagonie V/Sonett (2334)

Ob sie sich schon nach Übernahme sehnen
- Erlebnis-Konsumismus aufgerieben -,
die Massen, die von Ahnungen getrieben,
empört sich gegen Politik auflehnen?

Die sie dem Untergang bestimmte wähnen
- vermessen ethisierend, machtgetrieben -.
weil selbstlobfrech dem hehrsten Ziel verschrieben,
Realitäten weiter sich zerdehnen.

Da geht was Wesentliches doch zu Ende:
Die Fähigkeit, pragmatisch zu gestalten,
was Psychen dann an Recht und Staatsform bände.

Sich an Erfahrungshandeln strikt zu halten.
Damit Phantasmen-Sud nicht alles wende
zur Anomie von Urzustandsgewalten*.

Im „Urzustand“ (ein Zustand, in dem es noch kein Recht gibt) herrscht nach Thomas Hobbes ein bellum omnium contra omnes … Ein Krieg aller gegen alle

Politagonie VI/Europa/Sonett (2335)

An hehren Werten will’s zugrunde gehen:
Europa, das, erschöpft, muss von sich lassen.
Ein Kontinent von liberalen Massen,
die sich Erregung und Bombastik blähen,
nicht fähig, für sich selber einzustehen.
Es will sich zudem lieber selbst verprassen,
als die zu distanzieren, die es hassen.
Zu feige, Fakten unverstellt zu sehen.

Nun China wird Europa überholen. 
- Amerika sich selber ruinieren? -
Und Chinas Machtgier wird dann unverhohlen
die Menschenrechte, die es nicht berühren,
versenken unter dann schon morschen Bohlen
posteuropäischer Kultur-Allüren.

Politagonie VII/Sonett (2336)

Das deutsche Wesen, aus aufs Absolute,
mystifiziert ergriffen nun Agápe*.
Nicht Übermensch, nicht Vaterlandsgehabe.
Nur tiefste Menschenliebe als das Gute.

Soll ich nun etwa sagen, das sei krude,
sei apolitische Entlastungs-Labe,
die faktisch nichts zu tun doch habe
mit Handeln, stellend sich der Machtspielknute?

Ich muss es. Fürchte ich doch das Verschwinden
des genuin Politischen als Wollen
von Selbstdistanz, Verantwortung, Verbinden,
von Können, Weitsicht, kalkuliertem Sollen,
Gewalt, Erpressen … Frieden zu begründen.
Nicht tugendblind in Agonie zu rollen.

*ἡ ἀγắπη (deutsch: Die Menschenliebe) hier - wie im Griechischen auf der 2. Silbe zu betonen: Agápe; aber - entgegen dem Griechischen - mit langem a, wie in „Habe“; das zweite Alpha ist im Griechischen kurz: ᾰ, wie in „Latte“)

Launige Selbstbeweihräucherung/Sonett (2337)

Klopft Sprüche. Grinst. Verweist auf seine Schramme.
Schält Spargel. Schleimt. Mimt große Kompetenz.
Tritt ab vom Sprechpult dann in Richtung Benz.
Verkündet noch, dass er aus Dortmund stamme.
Borussia, die sei seine größte Flamme.
Von seiner Frau mal abgesehn - Wie brenn’s
in seinem Herzen, denk er an die Fans.
An die von Schalke freilich auch! Er ramme
für’s ganze Land sich doch in Amt und Pflicht …

Ein fader Redner, der auf Kumpel macht,
Effekte kalkulierend dumpf besticht
mit seiner gönnerhaften Nullwortschlacht:
Versimpelnd gestenreich, was seine Sicht
von nichts sei … Pomp. Zur Emotion verflacht.

Ein Beispiel auch für das, was ich „geistig korrupt“ nenne. So auch das folgende Gedicht.

Polit-Groteske/Sonett (2338)

Die Inhalte? Doch viel zu kompliziert!
Infolgedessen speichelt man Effekte,
die man erhaschte - Eine indirekte 
Bestätigung, dass man nur dilettiert.
Genauer: Flachrhetorisch phantasiert,
um aufzuladen Unmut und Affekte.
Gerissne Schliche, stümpernd ausgeheckte,
sodass sich das Bewusstsein bald verliert,
worum’s denn geht - Nun, worum geht es denn?

Um Macht. Um Ämter, Ruhm, sich aufzublähen.
Um Phrasenkokain auch für den Fan.
Um Sachprobleme geht es nicht. Und wenn,
dann um in Trickserei sich zu ergehen.
Ich, Kapital und Zeit Spalier zu stehen.

Substanz-Gebrechen/Sonett (2339)

Die Fähigkeit zu Selbstdistanz zu haben,
Verantwortung durch Können einzulösen,
intuitiv zu fassen diese Größen:
Hass, Niedertracht und Schein, die krud zerschaben
Charakter, Feinsinn und Verstandesgaben,
zwecks wirklichkeitskonformer Anamnesen …
Das schüfe Handeln nach Vernunftsynthesen:
Gelichter Handlungsspielraum abzugraben.

Doch das sind faktisch nur Voraussetzungen,
uns selbst nicht dumpfnarzisstisch aufzusitzen.
So nicht zu frönen unsren Niederungen,
die, deutungslos, uns schon im Kern doch ritzen.
Und meist verhindern, dass wir, Ich gedungen,
nicht Schäbigkeit und Lug allein aufblitzen.

Nach Genesis 8,21/Sonett (2340)

Man wird es sich im Alltag klug verhehlen,
dass weder gut wir sind noch planvoll böse,
im Durchschnitt Triebdruck- und Sozial-Synthese.
Wir meistens uns nur für uns selbst abquälen.
Und uns belügen, wenn wir uns verfehlen.
Indes ist Ichsucht eine Daseinsgröße,
uns wesenseigen wie der Drang der Schöße.
Man kann sie nicht verwerfen oder wählen.

Wir glauben nur, wir seien rational.
Sind deshalb angewiesen auf Fiktionen,
auf Wertgefüge und auf Lebenslügen.
Zumal auch Opfer mancher Seelenqual:
Ergebnis Lüste klügelnder Neuronen.
Wodurch wir, schuldlos, selber uns erliegen.

Genesis 8,21: … „weil das Trachten des Menschenherzes böse ist von seiner Jugend an …“

Gesellschaft heute/Sonett (2341)

Gesellschaft heute? Zahme Barbarei.
Streng wirtschaftlich fundierte Strategie
im Banne technologischer Magie.
Verbraucherhort, umfassend diese drei:
Lust, Wohlstand und geplantes Einerlei
nach künstlicher Erregungsmelodie.
In einem eskapistisch toten Wie 
von gleicher Iche krampfendem Geschrei.

Die Umsatzpriester tummeln sich ganz oben.
So auch die stets bigotten Würdepfaffen,
die permanent sich lächelnd selber loben.
Indes sie schleichend Recht und Staat abschaffen.
Die doch, auch tugendmanisch aufgehoben, 
nicht mehr den Zugriff auf sich selber schaffen.

Scheitern/Sonett (2342)

Wie muss da Kreatürlichkeit bedrängen,
die Endlichkeit durch Ruhm zu überwinden.
Um seinem Dasein Dauer abzuschinden
und seine Nichtigkeit* sich zu verdrängen.

Was legt man dafür sich nicht auf an Zwängen?
Betrügt sich selbst mit Ich-Verrat und Finten.
Nur um sich von der Einsicht abzubinden,
dass Macht und Ehre auch nicht Fakten sprengen.

Indes wem wär’s gegeben, nicht zu scheitern?
Man mag mit Verve versuchen, zu gestalten,
sei es sich selbst, sozial sich zu erweitern,
sei’s Risse, Widersprüche und Gewalten
wie sie aus Psychen und Gesellschaft eitern …
Am Ende steht man doch vor Trümmerhalden.

*Nichtigkeit? Kurze, sehr allgemeine, Bemerkungen: Diese ist ein objektives Faktum (eine Tatsache):
(1) Wir sind reine Materie-Gebilde, existierend ein paar Jahrzehnte zwischen - für uns - Nichts und Nichts 
(2) Wir sind nicht das Resultat einer göttlichen Schöpfung (sind ohne Geist-Seele, ohne Vernunft, ohne autonome: freie/selbstgewählte Moral; es gibt kein Leben nach dem Tod
(3) Uns kommt keine Würde zu; es sei denn, man versteht darunter die Schonung der kreatürlichen (tierischen) Subjektivität aufgrund ihrer von ihr nicht meisterbaren lebenslangen Allausgesetztheit an Staat (besonders Diktatur, Tyrannei, Willkür …), Gesellschaft, Recht, sich selbst sogar durch Wahn, Krankheit, Angst, Mittellosigkeit …)
(4) Rein formal sind wir Bedürfen, Trieb, Zeit, Verfall, Deuten, Werten (Perspektivieren: Schaffen von Bedarfsfiktionen als Entlastungen von der völligen Sinnlosigkeit der eigenen Existenz = allfälligem Nihilismus … bis hin zur Idealbildung, wobei gilt: Wir sind idealbedürftig, aber nicht idealfähig)
(5) Gattung: Homo (ca. 2,5 Millionen Jahre alt, in Afrika entstanden: biped, mit von Fortbewegungsaufgaben freien, motorisch immer feiner: besser, leistungsfähiger gewordenen Händen (Außenstellen des Gehirns), des Gehirns, das sich progressiv vergrößerte (von 650/700 Gramm, rein quantitativ, auf 1350 Gramm im Schnitt heute und „komplex neuronal verschaltet“) immer leistungsfähiger wurde (wir waren Techniker von Anfang an: Schufen natürliche Gegebenheiten um für unsere Zwecke mittels Werkzeugen/zweckmäßig behauenen Steinen (Voraussetzung: Fleischverzehr … natürlich nicht der Steine, sondern der Hominiden: der Menschlichen). Und: Wir bildeten Schweißdrüsen aus, die als Kühlsystem uns erlaubten lange Zeit zu laufen/zu hetzen
(6) Einmalige Auszeichnung: Die menschliche Lautsprache (wie alt?)
(7) Alle Arten (Z. B. homo sapiens, das sind wir) sind endlich, d. h. wir werden irgendwann völlig verschwunden sein (mag sogar sein durch uns selbst: einseitige Überspezialisierung, bei uns: technische)
(8) Wir - evolutionsbiologisch betrachtet - sind Tiere (und zwar ganz besondere: Der Natur aus der Hut gesprungen, um dann auf uns selbst als Techniker gestellt/verwiesen, die Natur nach unseren Bedürfnissen umzugestalten (woraus folgt, dass sich die Natur, sollten wir sie weiter umgestalten, dezimieren, aus dem Lot bringen usw., unserer wird - selbstverständlich - irgendwann entledigen müssen; man glaube nicht, dass an uns was läge: an uns liegt nichts; wir mögen uns noch so sehr in vielerlei Hinsicht selbst glorifizieren (was freilich andeutet, dass wir - wir verdrängen es - eine Ahnung von unserer objektiven Nichtigkeit in uns zu tragen scheinen …
Das Leben ist eine wunderbare Sache - aber auch der Tod ist es: Er befreit uns von Lasten, Schmerzen, Ungerechtigkeiten, Irrtümern, Versagen usw. jener wunderbaren Sache, die eine solche ist, weil sie
unüberbietbar reiche Momente schenkt, z. B.:
(a) Die sehnsuchtsfundierte Vorstellung („einsichtsirrationale“) Gottes 
(b) Die Selbstbegegnung und Selbstübersteigung seiner in und durch Kunstschaffen 
(c) Die tiefste Nähe zu einem Du durch Erotik - ein, sehr seltenes, Geistphänomen als Transzendenzrausch (Ich-Überschreitung), gebunden an tiefe, sich schamlos hingebende: unbedingt schenkende Du-Leiblichkeit
(d) Der absolute Frieden mit sich selbst, allen Existenzwirren, den anderen, der Gesellschaft, dem Menschen überhaupt im trauerlosen Bewusstsein kosmischer Erhabenheit trotz völliger Gleichgültigkeit

Eliteversagen/Sonett (2343)

Mir irgendwelche Relevanz zumessen,
dass kann ich nicht. Es wäre ja gelogen.
Von objektiven Mächten aufgesogen,
muss ich mich seelisch-geistig selbst zerfressen.

Das heißt: Verfügen ihren schalen Blässen:
Der Tyrannei der Wohlstandstechnologen,
dem Stumpfsinnramsch von Net-Ideologen:
Realität entstellenden Exzessen.

Wie kann ich mich noch an Eliten halten,
die sich doch handlungsschwach und dreist gerieren,
die die Gesellschaft phrasenmystisch spalten
und immer inbrunstsiecher ihre Schmieren
in ein Versagensnetz von Blindgewalten,
korrupt weil geistlos, dämmernd überführen?

Konjunktive/Sonett (2344)

Ich wäre hilflos ohne Konjunktive
Denn die verfeinern, klären, unterscheiden.
Indem Nuancen sie des Umstands weiten,
in seine Schwierigkeiten in der Tiefe
und seiner Widersprüche Perspektive
sprachdialektisch viel genauer gleiten.
Mit ihrer Hilfe lässt sich auch vermeiden,
dass einen Ungenauigkeiten leiten,
man sprachlich nicht gewahrt dann ihre Schiefe.

Weshalb Politiker sie nicht gebrauchen.
Auch gar nicht könnten. Nun, es bringt ja Stimmen!
Beschönigungen muss man simpel hauchen,
will man sich einfaches Bewusstsein trimmen.
Muss mit Gefühlen auch Begriffe stauchen,
damit die Phrasen nebulöser glimmen.

Der Mensch/Sonett (2345) in (2332) eingefügt

Kannst du ihn tadeln ob der Lebenslügen,
die er doch braucht, um halbwegs zu bestehen
dies Dasein, das als höchstes Gut wir sehen,
berauscht von Ichsucht und erhofften Siegen?

Die aus dann bleiben. Doch sich zu betrügen,
mögen sie taugen, sie als Traumgeschehen,
das kompensieren mag reale Wehen.
Und mehr als das ist meistens nicht zu kriegen.

Nein kann ich nicht. Obwohl dem Geist verschworen,
der nichts sich hinbiegt, um sich vorzumachen,
man sei, sich zu vollenden doch geboren.

Der weiß, man meistert nie des Daseins Lachen;
dass man, sich selbst verstrickt, ist stets verloren:
Bedürfen unterworfen, Wir und Sachen.

Das Leben/Sonett (2346)

Ich mag wie oft auch immer es bedenken,
stets komm ich zu den gleichen Resultaten:
Man leidet’s von der Wiege bis zum Spaten.
Doch außerstande, selber es zu lenken.

Und manchmal wird es einen tief auch kränken.
Sei es, dass andre wollen einem schaden,
sei’s dass man selbst verloren hat den Faden.
Und nur ganz selten hat es was zu schenken.

Doch wenn, dann greift’s vielleicht mal in die Fülle,
um einen über sich hinauszutreiben.
Dann sitzt man da und lauscht in seine Stille
und sieht Vollendung hinter seinen Scheiben:
Wie man entkomme dieser Wohlstandshülle,
um nicht nur ihr allein sich aufzureiben.

Zeitgeist II/Sonett (2347)

Man mag blasiert ihn, gar verwerflich finden,
als Wurzel infantiler Protzereien
und intellektsteriler Selbstwertweihen.
Sogar begreifen, dass er müsse münden
in Halbgebildeter Erlebnisfinten:
Auch, sich als Würdeträger auszuschreien.
Obwohl doch Spiegel aller Daseins-Laien …
Und dennoch: Hochmut soll hier nicht sich künden.

Den meisten Menschen ist es nicht gegeben,
über sich selbst luzide zu verfügen.
Sie müssen, ichschwach, nach Ersatzkult streben,
um sich um sich und Welt herum zu lügen:
Sich einer Seelenbleibe einzuweben …
Und die heißt Zeitgeist: funcool sich betrügen.

Existieren - heute/Sonett (2348)

Was heißt, genau genommen, existieren?
Zumal im Bann abstrakter Tauschgaleeren,
die einen treiben, doch auch Zweck gewähren,
der hindert, dass wir uns in uns verlieren.

Und so vielleicht an Daseinsleeren rühren,
die wir so fürchten müssen, weil sie zehren
an Mut und Kraft, dem Alltagsdruck zu wehren
und unser Leben ohne Bruch zu führen:

Gesund zu meistern die Vollzugsroutinen,
Probleme, Sorgen, die wir alle kennen.
Sich psychisch auszurichten jener Schienen.

Und so gewachsen bleiben diesem Rennen,
Bedürfnis und Gesellschaftsdruck zu dienen.
Uns so dann von Verfall und Zeit zu trennen.

Unfruchtbarkeit des Geistigen/Sonett (2349)

Was Freiheit sei, bestimmt das Kapital.
Der Jubelkunde übernimmt sie nur.
Erfährt sie freilich nicht als Diktatur.
Vielmehr im Gegenteil als rauschbasal:

Beglückend und erhöhend; gar sakral.
Beständig schmeichelnd seiner Gier-Natur.
Und in der Tat: Sie ist die Traumtinktur,
ihn zu entreißen tiefster Daseinsqual.

Raunt da nicht arrogantes Geistmensch-Kritteln,
das sich auf Gaben stützt, die gar nicht tragen,
die auch im Alltag sind nicht auszumitteln?

Begrifflichkeiten, die, scheint’s, nichts besagen,
schon weil sie niemals an den Fakten rütteln.
Und deshalb nutzlos sind vor deren Plagen?

Dunkle Seiten/Sonett (2350)

Soll ich der Redlichkeit die Krone reichen
und Dinge sagen, die zutiefst verletzen,
uns würden gar uns vor uns selber hetzen
und Halte sprengen, Lebensmut und Weichen?

Ich will beschränken mich auf Hinweiszeichen
und nicht auf Tugend und Empörung setzen.
Zappeln wir alle doch in Lügennetzen,
aus Nichtigkeit und Zeitfluss uns zu schleichen.

Wir haben nicht die Größe, Schuld zu tragen,
sind unfrei, laufen in die eignen Messer,
sind öfter als wir denken nur Erpresser:

korrupte Eitle, mit sich selbst geschlagen.
Und müssen uns auch gegenseitig plagen.
Wir können’s nun mal, ichverzückt, nicht besser.

Kapitalismus V/Sonett (2351)

Nur noch prosaisch alles und stupide.
Ein Wechsel zwischen Leistung, Schlaf und Spaß.
Da spült verarmungsroh ein Hominide
Entlastungseskapismen* in sein Glas.

Da wirkt ein Typus, der sich nie besaß:
Flexibel, rechenhaft und markthybride*.
Der rücksichtslos das Wie stellt über Was 
Als ob das Wie, was ist, versiert entschiede.

Ein Selbstvergottungsdrang von Mittelmaß,
das wirtschaftsrational potent nicht müde
noch klug gar wird. Es träumt sich als Elite.
Sich freilich tröstend auch mit bestem Gras.

Und all das wird, wie’s aussieht, noch viel dreister,
bleibt’s Kapital doch Sinn- und Seelen-Meister.

*Eskapismus: Flucht vor der Lebens-Wirklichkeit 
Kapitalismus VI
*hybrid: hochmütig

Kapitalismus VI/ Sonett (2352)

Im Allgemeinen hab ich schon durchschaut
uns heutige Monaden - Mich nicht minder:
Etwa, dass wir als egomane Kinder
Scham und Gewissen haben abgebaut.
Uns selbst so immer weniger vertraut.
Wir sind von Emotionskonsum Begründer
und auch von scheingemachtem Glück Erfinder -
Marodes Ich, das seine Trümmer kaut.

Das ist ein Selbstverfall. Nicht aufzuhalten.
Weil doch systembedingt und schwer zu greifen.
Er zwingt dazu, sich von sich abzuspalten.
Um unbedingt auch vor all dem zu kneifen,
was lichten könnte unsre Psychen-Halden.
Wohl ahnend, dass die nicht mehr sind zu schleifen.

Kapitalismus VII/Sonett (2353)

Bei dieser Putzfrau da hält niemand inne.
Die meisten tun, als wäre sie nicht da.
Wieso auch nicht? Wer ist schon Helga K.?
Ne Sechzigjährige, nicht mehr ganz dünne.

Es lohnt auch kaum, dass man mit ihr beginne
ein tieferes Gespräch. Sie ist … na ja …
Nur manchmal klagt sie, niemand steh ihr nah.
Ihr Mann sei tot. Dann hält sie traurig inne.

Es sei denn, dass die Firmenaufsicht prüft,
ob sie noch schnell genug die Räume kehre.
Dann müht sie sich, wenn sie den Besen hievt,
dass ihr erhalten bleibe - so die Lehre - 
die Putzerei, die ihr das Geld einbringt,
mit dem ihr halbwegs dann ihr Sein gelingt.

Kapitalismus VIII/Sonett (2354)

Es wäre lächerlich, es zu bestreiten:
Mein Leben liegt nicht mehr in meinen Händen.
Global vollzogen sich komplexe Wenden.
Auch anonyme, die mein Dasein leiten.

Ich weiß das, ohne dass sich Wege fänden,
Verfallsgegebenheiten zu entgleiten:
Zynismus, Kicksucht, kalkulierten Pleiten
durch Hochkorrupte, die mich mit verschwenden.

Tatsächlich muss man die Details nicht wissen.
Realitätssinn reicht, um zu erfassen:
Dass nicht mehr zeitgemäß ist das Gewissen.

Dass keine Werte brauchen mehr die Massen,
weil sie im Wohlstandstaumel Reize küssen,
die sie verführen, Markt sich zu verprassen.

Kapitalismus IX/Sonett (2355)

Ob es sich einfach sagen lässt, das Ganze?
Wohl ja. Banal doch unterm Kapital.
Zugleich bequem und friedlich wie noch nie:
Der Existenzwert stieg zu höchstem Plus.

Mediokrität beherrscht die Medienstanze.
Politgeschwafel bleibt abstrakt neutral.
Das Ich meint kommandierte Onanie:
Der Phrase Mystik und der Phrase Stuss.

So bricht man seinesgleichen eine Lanze.
Im Starsystem z. B., das basal
sich inszeniert ergeht in Irgendwie
und nebenbei setzt kulturellen Schluss.

Das Ganze? Unterscheidungs-Erosion
und immer formelhafter sanfte Fron.

Kapitalismus X/Sonett (2356)

Die schönsten Augenblicke? Bleibend tiefen?
Nicht Sex. Der wird gewöhnlich überschätzt.
Zumal der Zeitgeist das Erotische zersetzt
und Sex strategisch soll auch Kauflust steigern.

Auch dass die Psychen indirekt sich hieven
in Massenlebenswerte: Trug als Jetzt,
der als Erlebnis den Entschluss zersetzt,
sich Ich-Standardisierung zu verweigern.

So hat man jene im Begreifen dessen,
was uns vereinnahmt und uns kommandiert
in diesen magischen Effekt-Exzessen,

in denen sich auch Würde dementiert.
Grad weil sie daran hindern zu ermessen,
dass man in ihnen dingflach sich verliert.

Kapitalismus XI/Sonett (2357)

Das Ego-Banking hat sich eingeschlichen
in diese haltlos rechenhaften Seelen.
Die Instant-Reize aus Momenten schälen
und, neidbedrückt einander angeglichen,
sich leidenschaftslos eher wunderlichen 
und künstlichen Vollzugsvorgaben stählen:
Dem Wohlstandsplus und pseudofreiem Wählen
von Glücks-Reflexen aus den Daseinsbrüchen.

Doch was ist daran wunderlich? Es ist
Verhalten, angepasst Gegebenheiten,
die Fragmentierung fordern und die List,
sich nach diffusem Faktendruck zu leiten,
damit man so sich als Sozialstatist
im Eigeninteresse lernt zu meiden.

Kapitalismus XII/Sonett (2358)

Nicht mehr als Durchgang bin ich, bin es nur
in einem Allgemeinen ohne Wahl.
Zwar ändert sich die Form der Diktatur,
doch bleibt das Wesen: Hyle, Lust und Zahl.

Ich hab es gut getroffen, wenn auch schal
und dürftig mir erscheint die Signatur,
die sich der Markt gibt via Tribunal
apparativ gesteuerter Dressur
zu Knechtschaft hin als Kunden-Bacchanal.

Auch dies indes verlangt die Triebnatur:
Sich selbst zu maximieren rational
und ein zu hausen technischer Tortur.

Beruhigt bin ich bloß, weil ich schon bald
entrinne dieser wachsenden Gewalt.

Kapitalismus XIII/Geld/Sonett (2359)

Gediegner Reichtum fühlt sich trauter an
als all der Bettel unsrer Selbstwertsüchte.
Geld bietet eben mehr als kick und run.
Lenkt es doch Liebe, Macht und Weltgeschichte.
Beeinflusst Wertgefüge und Gerichte.
Und wirkt auch ständig. Nicht nur dann und wann.
Berührt so indirekt auch noch Gedichte -
Der ganze Affe steht in seinem Bann.

Ganz unten sorgt das Geld nur für mehr fun.
Indes es oben schenkt Sozialgewichte.
Denn Selbstwert misst an Geld fast jedermann -
Ein Existenzbefehl für geistig Schlichte.

Zuletzt stützt Geld auch noch den Frieden
und zwingt selbst Anstand ab an sich Perfiden.

Kapitalismus XIV/Cooles Bethlehem/Sonett (2360)

Die Allmacht flacher Phraseologie 
verleidet mir den Umgang mit den Leuten.
Die zudem zwanghaft sich und Zeit ausbeuten.
Als seien sie nur Auftragnehmer, die
gedrillt vollziehen rechenhaftes Wie.
Um sich Bilanzen-Diktatur zu häuten
und technisch provozierten Eingangsfreuden
in eine Knechtschaft lähmender Magie.

Mag ich das Kapital auch noch so hassen
- ist’s doch der Herr im Limbischen System -,
so lässt’s doch wachsen Selbstwertschub und Kassen,
ergießt medial sich und gewährt so dem,
der sich ihm einträumt, sich zu fassen
in börsenmystisch coolem Bethlehem.

Kapitalismus XV/KI*/Sonett (2361)

Da schafft sich wohl ein neuer Priesterstand. 
Aus Kader-Plebs und den KI-Auguren.
Der noch erfassen wird den Seelenbrand
in rauschverdeckten Existenz-Abfuhren.
Sogar in Selbstversagen ohne Schuldgewand -
Perfekte Algorithmen-Diktaturen
mit Kerkern ohne irgendeine Wand.
Das ist das Ende aller Hochkulturen.

Und auch das Ende ist es der Person.
Auf sie folgt dieses kollektive Ich:
Der Standard-Mensch. Nicht mal sich selbst zum Hohn.
Und ohne je zu spüren einen Stich,
der ihn erinnerte an jenen Daseinslohn
von Einsichtstragik auf dem Schicksalsstrich.

KI = Künstliche Intelligenz

Kapitalismus XVI/Fundamentale Wahrheit (2362)

Der Marx verbundne Intellektuelle
erträumte sich vom Proletariat,
dass es Geschichtssubjekt sei, dessen Tat
uns führe in gesellschaftliche Helle.
Heraus aus Ausbeutung und dem Gefälle
von Klassen und von Kapital-Primat,
das die Gerechtigkeit mit Füßen trat
und Menschen einzig sah als Mehrwertquelle.

Ich nehme an, dass sie nicht immer bleibt
des Kapitals entfesselte Schlaraffe,
die in Verstand sich und in Seele schreibt.

Auch wenn sie bitter nötig hat ein Affe,
den Leib- und Illusions-Bedarf antreibt,
dass Rausch ihn immer wieder neu erschaffe.

        *
Sonett (2363)

Indes was wird an ihre Stelle treten?
Es ist nicht allzu schwer, es zu erraten.
Entweder eines Neuen Menschen Taten,
der spannen wird sich seine eignen Fäden,
sich zu bewahren vor den groben Schäden
der Selbst-Objektivierung des Primaten
durch Technik, um vielleicht in Blut zu waten …
beraubt dann aller Seins-Prioritäten?

Oder - weil jener Mensch ein Traum muss bleiben -
ein Übermensch des Intellektuellen,
dem es gelänge sich durchs All zu treiben,
zu nutzen auch galaktisch ferne Quellen,
die Chancen seiner Spezies fortzuschreiben,
entsprechend programmierend Helix-Stellen?

Karl Marx (1818-183). Deutscher Philosoph, Hauptwerk: Das Kapital, Berlin 1975, 3 Bände. Auf seiner Philosophie beruh(t)en die realen  Mächte: Sowjetunion (1991 untergegangen), China (2029 100 Jahre KPC) strebt heute nach der Weltherrschaft: ökonomisch, politisch, militärisch, wissenschaftlich-technisch, kulturell, sportlich), DDR (1989 untergegangen), Kuba, Vietnam u. a.

Kapitalismus XVII/Sonett (2364)

Wenn irgend möglich, will für mich ich sein.
Lehn ich doch ab, was ist. Ganz radikal.
Und nehme hin, dass man verlacht dies Nein
zum hoch gelobten Wohlstandsideal.

Warum? Weil’s ruinös ist. Obendrein
den Menschen daran hindert ganz basal,
sich zu verweigern spaßgetränkter Pein:
Verknechtungs-Hedonismus durch die Zahl.

Na ja, ich rede da naiv ins Leere.
Auch weil ich, redlich, offen sagen müsste,
dass, selbst wenn Wohlstand psychisch uns versehre,

er doch der Träger sei der Hauptgerüste,
die uns vor uns bewahren: Der Misere,
dass, schwände er, uns Barbarei bald küsste.

Kapitalismus XVIII/Was trifft die Sache?/Sonett (2365)

Ich ginge lieber psychisch vor die Hunde,
als dass ich diesen Terror akzeptierte:
Mich zu verjüngen wie der coole Kunde,
auf dass ich mich als Zeitgeistträger spürte.
Der, Teil dann einer Gleichgesinnten-Runde,
sich alterseitel wie ein Hahn aufführte.
Gar noch als Mainstreamkumpel junger Spunde.

Doch ist’s nicht besser, wenn man sich verzecht,
sich fraglos treiben lässt von Nu zu Nu?
Ist doch das Ganze schäbiges Gefecht
um Kohle, Spaß und trancegespicktes Du …
Man hängt sich auf an Haben und Geschlecht
und führt sich Mohn und Surrogate zu.

Kapitalismus XIX/Auf sich gestellt/Sonett (2366)

Man steht allein, wie gegen sich so alle,
ist jedenfalls ganz auf sich selbst gestellt.
Geht Normen, Ich und andern in die Falle.
So Anerkennung, Sex, Erfolg und Geld.

Und weil man so viel auf sich selber hält,
bemerkt man nicht, dass man zuletzt Gelalle
subtilen Zeitdrucks auch anheim noch fällt:
Der Tugenddespotie und ihrer Kralle.

Längst hab ich das begriffen und vermeide,
mich nur an Wohlstandsgrößen auszurichten.
Damit ich nicht durch diesen Stumpfsinn gleite
der technologisch deklassierten Schlichten,
mich nicht Entlastungstingeltangel weite,
um mich nach Marktbefehl dann zu gewichten.

Kapitalismus XX/Finanzkrise 2008/09 (2367)

Dies Gaunerstück macht aggressiv und rüde.
Es sucht mich heim mit Wut und Überdruss.
Ich wünsche derlei Dreck nur noch Verdruss.

Warum? Es machte mich zur Ohnmachtsniete
der Mammonismus der US-Elite,
heißt: Hochkorrupter Oligarchen Plus.
Ein dreister Gangster-Clan aus einem Guss.
Mit cooler asozialer Attitüde.

Da tobt gezielt sich aus doch Barbarei,
der jede Scham vor ihrem Treiben fehlt.
Sie braucht auch keine. Es ist einerlei,
ob, was da vorging, als Verbrechen zählt.
Gilt doch als smart fast jede Sauerei,
die Geld mit Macht, Gewalt und Sex vermählt.

Kapitalismus XXII/Psyche und Geld/Sonett (2368)

Gelänge denn so was wie Seelenprägung, die
sich lesen ließe als Funktion der Geldwirtschaft?
Ich glaube schon. Und denke da an die Magie,
die ausgeht von Produkten mit geheimer Kraft:
Die, konsumiert man sie, es, heißt es, magisch schafft,
dass andere erhöhen einen irgendwie.
Sie glauben dann, man sei was Besseres als sie.
Man wird als der Produkte Aura angegafft.

Man hört ja oft, dass es was Rationales sei,
was uns mit Geld verbindet: Etwa ein Kalkül,
Gewinnaussichten und Geschäftsvorteile, frei
von Risiken, Spekulation und Zufallsspiel.
Und übersieht dabei, dass Geld ist einerlei
mit Ich-Aufschein in metaphysischem Asyl.

Kapitalismus XXIII/Zwangsrausch rationaler 
Großhirnakte/Sonett (2369)

Mir geht es nicht um sachlich obsolete
Subjektphantasmen, die zu Lügen führen.
Dass wir für Freiheit würden alle frieren -
Als ob uns die, was wir begehren, böte:
Uns Spannungsräuschen, Spaß und Stargerede
und Marktkommandos ichstumm zu verlieren.
Uns dabei permanent auch zu düpieren,
in Glücke träumend um uns das Konkrete.

Was flüstern denn die kollektiven Takte,
Systemgewalten, die uns aus sich richten,
wie Gleichung, Technikfortschritt und das nackte
uns selbst auch ökonomische Gewichten
im Zwangsrausch rationaler Großhirnakte?
Dies, dass wir uns geistig still vernichten.

Freiheit ist/wäre (gäbe es einen freien Willen) Resultat von Ich-Verzichten, also Resultat eines asketischen Aktes. Freiheit beruhte auf Selbstzwang. Und zwar immer. Was sonst Freiheit genannt wird (z. B. in der Werbung) ist ein diffuses Gefühl ungehinderten Situations-, Ich- und Du-Konsums, also: Ich-Knechtschaft; aber nicht Freiheit. Dann: Freiheit meint oft auch nichts anderes als ein Nicht-Verbot. Aber das ist keine Freiheit, sondern ein erlaubtes Verhalten, gewährt abstrakten Rechtssubjekten, die es als konkrete Individuen realisieren dürfen, aber sich dabei nicht als moralische Personen bewähren müssen

Kapitalismus XXIV/Höchste Güter/Sonett (2370)

Warum denn immer mehr dasselbe denken,
das Gleiche wollen und identisch fühlen?
Das ist Ergebnis rationaler Kühlen,
die konsumtiv geprägte Psychen lenken
nach dem Gebot, sich selber zu beschenken.

Man nutzt das Angebot an Spaß und Spielen,
Effektmagien und Berauschungszielen,
Routine-Emotion sich einzusenken.

Nun: Wohlstandssicherung ist drauf verwiesen,
das Kindliche der Menschen auszubeuten,
sie dazu anzuhalten, zu zerfließen
in solchen Glücken und in solchen Freuden,
die sie als Daseinszwecke dann begrüßen
und sich als Gral der Höchsten Güter deuten.

Kapitalismus XXV/Der Endzweck/Sonett (2371)

Vom ersten bis zum letzten Atemzug
geht’s - so die Werbung - nur um Wohlbefinden.
Nicht nur Gesundheit, nein, ganz offenbar 
um wellness, sich gestylt zu amüsieren.
Mit Salben, Pillen und Effekt-Betrug -
sich Jugend, Schönheit und Begehr zu gründen.

Reklame lenkt, als wäre sonnenklar:
Das Ziel muss sein, sich smart zu optimieren.

Indes ich will das keineswegs verachten.
Noch kritisieren es als Idiotie.
Solange nämlich Menschen danach schmachten,
sich Träumen zu verlieren und Magie,
darf ungestört ich anderes betrachten:
Die Allmacht des Diktats von Ich und Wie.

Kapitalismus XXVI/Systemversagen durch Realitätsverweigerung?/Sonett (2372)

Damit wir uns nicht etwa gänzlich missverstehen:
Kapitalismus ist, was sogar ich selbst stütze.
Zeigt er doch nicht einer Partei Prophetenhitze,
man müsse ganz allein es ihr nur zugestehen,
die Dinge und den Weltlauf so genau zu sehen,
dass es dem Land und auch dem Volk auf immer nütze. 
Zurzeit erfolgreiches chinesisches Geschehen.

Und deshalb mache ich mir nicht grad wenig Sorgen.
Denn Chinas Führung kennt genau doch unsre Lagen:
Dass wir uns längst schon Tugend-Illusionen borgen,
Realität uns zu verweigern, um zu sagen:
Uns Europäern wird gehören auch das Morgen.
So dass uns jenes China nie wird überragen.

*China versteht sich als den westlichen Demokratien überlegen. Es will Genugtuung für erlittene Schmach durch Europäer im 19. Jahrh., will eine homogene, sich selbst als auserwählt betrachtende, disziplinierte, leistungswillige, geschichtsstolze technophile Bevölkerung, die ihr Land als Hochkultur betrachtet, den anderen bestehenden Kulturen weit überlegen, will direkt oder indirekt Weltherrschaft (politisch, ökonomisch, militärisch, technologisch, kulturell, sportlich), will sich beweisen als Land eines neuen kollektiven Übermenschen, der als solcher berufen ist (sei), jene Weltherrschaft zu etablieren und zu festigen. Allerdings sprach sein Führer Xi anlässlich des 100. Geburtstages der KPC (1.7.21) von „der immer Recht habenden Partei“ - eine Hybris und eine Verblendung, die eines Tages gerade das Scheitern Chinas begründen könnte. Man vergl. hierzu das Sonett „Hybris und Verblendung“, das ich Kritias von Athen gewidmet habe (XX/YYYY)

Kapitalismus XXVIII/Kapitalismus und Kultur/Sonett (2373)

Was soll denn das Gerede von Kulturbemühen?
Ich nenne es Bewirtschaftung von Emotionen.
Entspannung abgetrotztes Wohl: Entlastungsglühen 
für doch primär Zerstreuung suchende Millionen.

Die manchmal ihrem Alltag wollen so entfliehen,
von Stress gebeutelt, Arbeitsdruck und Schreibtischzonen.
Für sie geht es um unverbindliche Magien,
sich für Büroroutinen etwa zu belohnen.

Es geht nicht um Kultur, denn die ist elitär.
Ein Wertgefüge, nur durch Handeln auszuweisen.
Pleonexie fern, fraglos, geistessolitär.

Verzicht sich abzufordern und luzid zu kreisen
um Traditionsgefüge, von Ideen schwer …
Vernunftaffekt verpflichtet, nicht sein Ich zu preisen.

Kapitalismus XXIX/Erlaubt er noch ein selbstbestimmtes (geistiges) Leben?/Sonett (2374)

Ist Dasein möglich jenseits des normalen?
Meint das doch wohl, im Hauptstrom mit zu schwimmen.
Und also diesem langsam zu verglimmen:
Dem Alltagswerkeln unten am Basalen.
Sich hilflos dem Erwünschten ein zu malen.
Was auch meint, der Gesellschaft sich zu krümmen,
auf ihre Mittelmäßigkeit sich einzustimmen:
Sei’s Niedertracht, sei’s Diktatur von Zahlen.

Nicht ist es möglich jenseits der Geleise,
die Zeitgeist, Wirtschaft und die Medien legen,
noch so zu leben, dass man sich erweise
als jemand, der auf selbstverfügten Wegen 
entschieden meiden könne jener Spleiße* …
Wie sollten vor der schützen Träumer-Hegen?

*Spleiße: Splitter

Kapitalismus XXX/Diffuse Wege des Kapitalismus/Sonett (2375)

Das Kapital kennt weder Maß noch Mitte.
Muss so den Menschen und sich selbst verbrämen,
dass es die Richtung nimmt in Gegen-Würde.
Es kann auch gar nicht wählen seine Schritte,
muss sich am Ende faktisch selbst aufheben,
grad weil es über sich hinaus muss streben.
Und so verschleiern sich die große Bürde,
dass es sich selber wird die Wurzeln nehmen …

Muss er Natur doch technisch niederringen,
zur toten Masse (zur Ressource) machen:
Zu wandeln diese in begehrte Sachen.

Nur so kann Wohlstandssteigerung gelingen.
Wird freilich indirekt Gewalt entfachen.
Zunächst als Auswuchs kultureller Schlingen.

Variante (zu „Diffuse Wege des Kapitalismus“)/Sonett (2376)

Das Kapital kennt, kann’s nicht, weder Maß noch Mitte.
Und muss für seine Zwecke Menschen krass entschämen.
Insinuieren ihnen, goldne Zeiten kämen;
als Folge auch genialer Digitalfortschritte.
Vor allem muss es sich und jenen dies verbrämen
dass es Vernunft zerstört und unterwandert Sitte.

Erlösung bietend, kann’s den Sinn für Fakten lähmen,
d. h. im Klartext, Kunden hedonistisch zähmen.

Mir kommt das vor als fast vollendeter Prozess.
Der mehr und mehr nun drastisch umschlägt gegen sich.
Schon autodestruktiv sich zeigt in mancher Weise.
Man feiert hemmungslos Verwahrlosungs-Ivresse,
verheiligt so das haltlos-rohe Standard-Ich:
Subjekt verschwindender Halt- und Gewissensgleise.

Kapitalismus XXXI /Schundlawine/Sonett (2377)

Es ist ein Faktum, dass ich täglich diene
dem Kapitalsystem als Reizmonade,
Bedürfnisträger und Verbrauchswertrate.
So ausgeliefert seiner Wohlstands-Kline*.

Nun ja ich mache dazu gute Miene,
auf dass ich nicht mir selber auch noch schade.
Doch das erfordert feinste Maskerade
und striktes Meiden seiner Schundlawine.

Dass das naiv ist, muss ich zugestehen.
Man kann sich nämlich nicht vor ihr bewahren.
Rauscht sie inzwischen doch schon durch Ideen,
Gedanken, Grundaffekte, Trieb-Kandaren.
Schreibt Gang und Richtung vor den Daseinswehen.
Und zwingt die Sprache, sich mit ihr zu paaren.

Kapitalismus XXXII/tricky humbug*/Sonett (2378)

Kapitalismus meint auch, Wahrheit sich versagen.
Sie zu verdecken durch erlebnisintensive
Phantasmenzufuhr (meint: zerstreuungskonsumtive),
gewissensbrach sich zu verweigern eignen Lagen
und Fake in seiner tricky Täuschungsmacht zu wagen.
Die ihn entlarvte auch als geistesdestruktive
Heraufbeschwörung einer kulturellen Schiefe:
Entmündigt sich als Zeitgeisträtsel auszutragen.

Dass ich entrinnen durfte seinen faden Zwängen,
etwa sich hinzugeben seichten Freizeitglücken
und ihren hochsubtil betrügerischen Engen,
wie Selbstverlust, Entfremdung, Schundsucht, Drogentücken,
das hat mich letztlich doch bewahrt vor seinen Fängen.
Auch davor, Scham und Selbstverachtung zu ersticken.

*tricky humbug (eng.): Pfiffiger, gerissener Schwindel

Kapitalismus XXXIII/Leere und Langeweile/Sonett (2379)

Der Leere und der Langeweile Knolle,
die Medien wollen chronisch uns verdecken
(egal, ob seelisch-geistig wir verdrecken),
die ist real. Und spielt auch eine große Rolle.

Man treibt etwa auf seines Iches Scholle
durch Du und Wir, um ziellos abzuzwecken
auf ihre Indolenz und ihr sich Recken
Verflachungskindereien und Geprolle.

Auch ich muss sie zuweilen distanzieren,
um ihr nicht spaßekstatisch zu verfallen.
Genauer: Sie und ihren Grund verdrängen:

Des resignierten Nihilismus Krallen.
Denn ist man erst mal Spielball seinen Zwängen,
wird man sich gehen lassen und verlieren.


Rausgenommene Gedichte:

Europäer: Ausgebeutet, angelogen, verdummt …/
Sonett (66/3387)53
Verdummt doch werde ich nach Strich und Faden
von Wirtschaft, Medien und Parteiengrößen;
und kann nicht ansatzweise mich erwehren
der hinterlistig feigen Trickserei.
Da gibt es viele Weisen mir zu schaden:
Durch Lügen, Geldverschwendung, und den bösen
Versuch, mir umzudeuten die Miseren …
Man wegsieht bei so mancher Sauerei:
Den Wirklichkeitsverweigerungen und 
der Suggestion von hehren Idealen
wie Einigkeit und Stärke und dass bunt
Europas Welt sei - Glückshort ohne Qualen …
Tatsächlich Träumerei und Werte-Schund,
der sich als Weltgeist-Wahrheit tut gern kund.
Ein illusionslos resigniertes Werturteil (66/3388)54

Eine von Phrasenkaskaden,
machtstrategischem Werthandeln 
einer Parteienoligarchie,
Tugendfundamentalismus,
masochistischer Kniefälligkeit,
Emotionsknechtschaft,
selbsthassfundierter Orientierungslosigkeit 
und Verbrauchernarzissmus 
hedonistisch deklassierte 
und panentpflichtete Einheitsmasse 
unsolidarischer Marktnaiver,
die - freizeiterpicht, vertrauensarm, 
rechenhaft und selbstbestimmungsplump 
dienstunwillig -
sich immer mehr zeigt als erlebnissüchtig,
prestigehörig,
kulturell verarmt,
sprachlich verkümmert,
verwahrlosungsselig,
behelfsgeil,
inszenierungslüstern,
urlaubserlöst,
rohherzig,
gewissensarm,
inszenierungsinfantil,
beziehungsdesorientiert,
psychisch leer,
dekadent,
weinerlich …

die Deutschen …

schundschwärmerisch alles vermeidend,
was sie selbst in ein besseres Licht
zu stellen geeignet wäre:
geschichtsneurotisch belämmerungsbedürftig.

Gegen Charakterlose, Inkompetente, Narzissten 
und Selbstsuchtbüttel (3611)39/Sonett der radikalen Verdächtigungen und der subjektiven Affekthypertrophie

Verdummen freilich lasse ich mich nicht,
sei es polit-, sei’s tugendmonoman:
Doch unleugbar ein klerikaler Wahn.
Rhetorisch platt und ohne Faktensicht.

Hysterisches Getue vorm Gewicht 
der Wählerschaft, die selber ohne Plan
zieht ihre wirtschaftlich bedingte Bahn:
Den meisten ausweglos erlebnisschlicht.

Indes ich werde immer radikaler,
mich in Verachtung, Hohn, gar Hass ergehend.
Als Stimmvieh, Umsatzgröße, Netto-Zahler.

Als dieser für Gemüts-Ochlos* einstehend:
Charakterlose, fade Traumwelt-Maler,
narzisstisch ihrem leeren Selbst verwehend.

*Kant: Geist sei "das Belebende im Gemüt." 
Ochlos = Pöbel

 

 

 

 

 

 

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