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Diese Seite enthält 56 Gedichte, 15 Prosa-, Reim-Gedichte und 41 Sonette
Randständig unternommene, was Veränderungen anbelangt hoffnungsfreie Versuche über das Fakten-Ganze eines sich nicht selbst verantworten könnenden (an sich selbst völlig unschuldigen) Zufalls-Wesens (gemeint ist der Mensch) im Würgegriff notwendiger moderner Selbstzerrissenheit in einer sich mehr und mehr seinem Zugriff entwindenden digitalen Welt globaler Ungreifbarkeit und diktatorischer Macht unterworfener Unsicherheit.
Das sich wohl selbst analytisch und verfahrensrational einst in die Falle laufende, hirn-hypertrophe Selbstbewusstseins-Tier, das sich mit einer Würde schmückt, die ihm nur die metaphysische Fiktion einer ihn behütenden und vor sich selbst schützenden Gottheit gewähren könnte. Sie sich selbst zu verschaffen, setzt eine kommandierende geistige Begabung voraus, die freilich, zumal auch genetisch fundiert, sehr, sehr selten ist ...
41 Sonette und 14 Gedichte
Resignation (3811)1/Sonett
Hab faktisch alles Interesse doch verloren
an Staat und Recht, sogar an Würde und an Macht;
in einen Rauschzustand von Lethargie verbracht,
aus Einsicht auch in die Systemgewalt geboren.
Die macht, dass sich in Dauer-Kinderei verbohren,
in Selbstentmächtigung als Rausch und Spaß-Andacht
hilflose Menschen, flüchtend sich in Stumpfsinn-Pracht,
apathisch-traumweltlüstern in sich selbst erfroren.
Demokratie und Rechtsstaat gehen wohl zu Ende,
zumal schon immer elitäre Geist-Vorhaben,
die nichts vermögen gegen Menschen-Grundbestände:
Wie technisch-hyperintellektuelle Gaben,
Pleonexie dann und der Sprache Deutungs-Spende:
An Groß-Fiktionen sich: Entlastungs-Trance zu laben.
Innenweltverkümmerung (3812)2/Sonett
Der Mensch wird immer mehr charakterlos,
will andre überragen, gar verachten.
Er braucht das, um sich selber was zu sein:
Grad weil die Fakten ihn was andres lehren.
So hält er Haben hoch, Macht, Geltung, Schoß,
muss drastisch nach Prestigegehabe trachten,
zumal in jedem Augenblick allein:
Ein Sklave von Natur in Deutungs-Leeren.
Doch will ich gerne auch mich wiederholen:
Schuld, Freiheit, Würde kann es gar nicht geben.
Sind wir doch nur Materie-Gebilde,
verdammt, in Widersprüchen uns zu polen,
uns zu verhehlen, dass wir sinnlos streben …
Doch ohne Gott, Moralkraft, Scham und Milde.
Der sich selbst entlaufende Westen? (3813)3/
Auch spekulatives Sonett
Es brächen wirklich an des Westens letzte Jahre:
Die einer kollektiv verinnerlichten Gosse?
Fakt ist, man tobt sich aus als Freizeit-Konsument:
verdinglichungsbeseelt, meint auch: entpflichtungsgeil.
Man kalkuliert sich unbewusst schon selbst als Ware,
erfährt sich als von Spaß getragne Dauer-Posse:
Als coole Existenz, die smart sich überrennt,
sich selbst nur noch als Hedonismus-Beute feil.
Vielleicht dann die, die irgendwann nach Lenkung gieren,
nach populistisch klar verbrieften Sicherheiten.
Den Despotismus gar als Selbst-Gewinn verspüren,
weil müssen dann sich nicht als Marktausschuss erleiden:
als personal bedeutungslose Umsatz-Schlieren,
die, dekadent, sich können nicht mehr selber leiten.
Massive Wirklichkeitsverluste (3814)4/Sonett
Der Wohlstandsrausch, nun, musste letztlich ruinieren
die psychoethischen und geistig-kulturellen
Bestandsgrundlagen einer festen Volksherrschaft,
die als Erlebnis-Paradies nicht greifen kann …
Erzieht sich Marktmonaden, die auf sich nur stieren,
gefallen sich in schieren Hedonismus-Wellen:
Totalitärer Freiheit Unterdrückungs-Kraft,
die des Bewusstseins Prägung nunmehr ganz gewann.
Indes auch die Funktions-Eliten kaum was taugen:
Narzisstisch-arrogante Zeitgeist-Führungs-Kreise,
die freilich alles tun, sich selber abzuschaffen ...
sich machtstrategisch Halt aus leeren Worten saugen:
historisch-faktisch längst schon tote Deutungs-Gleise …
So hilf- und einsichtslos auf Untergänge gaffen.
Faktische Gegebenheiten und eine naive metaphysische Hoffnung (3815)5 /Sonett
Nun ja: Man hängt an seinen großen Idealen.
Hat man vor allem selbst sie nötig doch,
sich unsres Daseins Faktenwirren zu entziehen,
die man nicht sehen will, weil könnte nicht ertragen.
Sie lassen hoffen uns, zu lösen unsre Qualen,
zu meiden letztlich aller Kreaturen Joch,
dass sie nicht Gott, ausschließlich Stoff nur sind gediehen,
ihm wieder hinzusinken einst an späten Tagen.
Wir waren immer - und wir werden sie auch bleiben -
des Stoffes Laune, seine Zufalls-Übertiere,
uns objektivem Nihilismus aufzureiben:
Brutalität, Gewalt, Husch einer Sehnsuchts-Schliere,
der auch, wie jene, muss uns in Versagen treiben,
nur dass er sanft mit Lebenslügen uns verführe.
Das Verschwinden des Geistigen (3816)6/Sonett
Die geistige und die gesellschaftliche Welt
sind völlig fremd sich, können nicht vermittelt werden.
Die geistige, die will sich metaphysisch erden,
indes die andere bestimmen Macht und Geld,
durch die allein sie faktisch sich zusammenhält:
Zumal sie radikal bestimmt auch alles Werten,
definitiv legt fest die relevanten Fährten:
Wer es nach oben schafft und wer in sich verfällt.
Das Geistige kann keine Relevanz mehr haben,
zumal’s den Konsumenten auch ein Rätsel ist.
Die wollen sich an Ichsucht, Vorteil, Spaß-Mohn laben,
verlängern ihrer Freizeit-Süchte Zeitgeist-Frist,
verachtend Bildung, Einsicht, personale Gaben,
die ihnen deuten könnten ihres Rausch-Kults List.
Trancewelt-Körper (3817)/Für homo sapiens bambergensis
Immer häufiger
vergesse ich
Namen,
Telefonnummern,
Termine,
überhaupt Daten
alltäglicher
Erledigungsvollzüge.
Vergesse ich zumal,
die kommende Last
zu bedenken,
die über mir schwebt …
Als Kraft-, Denk-
und Geist-Verlust,
Krankheit und
seniles
in sich selbst-Versinken.
Allein deinen
hellhäutigen Körper,
der Düften vertaumelnd
Vollendung versprach:
Blond behaartes,
gottgefälliges Gier-Feld,
lustnischenübersäte,
feuchtende Drangsal war,
zeitlose Gegenwart,
Räusche zauberte,
weltfrei für sich seiend …
den
werde ich
nie vergessen.
Prosafetzen (138) (3818)8
Die genetische Lotterie beiseitegelassen,
bin ich auch ansonsten,
verschließe ich nicht kindisch die Augen davor,
das Ergebnis komplexer Vermittlungen:
geschichtlicher, kultureller, gesellschaftlicher
und ökonomischer.
Und so denn habe ich gelernt, ist's angebracht,
auf mich selbst zu verzichten:
Mich los zu machen von meinem Eigensinn,
meiner Eitelkeit,
meinen Selbstüberschätzungsanwandlungen ...
Von mir, dieser Zufalls-Einheit, abzusehen,
diesem Selbst-Konstrukt, hin und her geworfen
zwischen fragwürdigen eigenen Seelenlagen,
einer unwählbaren Körperlichkeit
und jenem unablässig mich kommandierenden Nicht-Ich.
Und ich bin nicht schlecht damit gefahren,
erlangte gar ein wenig Geschick im Vermeiden derer,
die wähnen, ihr Schicksal autonom zu gestalten,
die sich für mächtig, geschickt und intelligent genug halten,
ihr Dasein gar als sinnträchtiges ausformen zu können.
Ich selbst indes glaube nicht
an die Selbstmächtigkeit des Individuums,
seine Existenz nach eigenen Träumen, Wünschen,
Sehnsüchten und Plänen meistern zu können.
Ich sehe in mir eher einen Spielball der Verhältnisse,
die mich rastlos treiben, konditionieren, zwingen
und mich so letztlich zu ihrem von ihnen
bis in seine Kerne geformten
psychophysischen Abklatsch machen.
Die Handlungs-Hemmnisse zeitgenössischer deutscher Machteliten: 3 Sonette
(3819)9/Sonett
Sie merken gar nicht, diese deutschen Machteliten,
dass linkisch-seelenwund sie an sich selber scheitern,
an Sachlichkeitsverlust und an Moral-Fiktionen:
an deren klerikaler Null-Wort-Litanei.
Zumal sie, unbeholfen, haben nichts zu bieten,
heißt: klettern notgedrungen auf des Zeitgeists Leitern,
sind so versessen drauf, nur selbst sich zu betonen,
auf dass Applaus die Nahrung ihrer Ichsucht sei.
Sind sie doch nicht mal ansatzweise in der Lage,
irgend Verantwortung für sich zu übernehmen;
zumal auch außerstande, sich für sich zu schämen …
Stehn ihre Ehre und Person doch außer Frage.
Sie bleiben unberührt von jeder Schicksalswaage;
so wie ihr Glaswortspiel gewissensarmer Hämen.
(3820)10/Sonett *
Indes man darf auf keinen Fall vergessen
die ichschwachblind geprägten Innenwelten;
die kruden Selbstentfesselungsanfälle;
die Sucht nach Unernst und nach Show-Gehabe.
Zumal, rhetorisch arm, sie Phrasen pressen,
um ihre Geistesarmut abzugelten
durch eine leere Propaganda-Welle,
als Mär von ewig sichrer Wohlstands-Wabe.
Der Zeitgeist? Nun: ist autodestruktiv,
hat eine aggressive Furcht vor Fakten,
verteidigt alle die Verknechtungs-Öden,
in die man, Kunde, freiheitsgierig lief,
um sich nach Zwangsvorgaben high zu takten,
als ob die nicht nur Selbstverluste böten.
(3821)11/Sonett *
Was sich hier anbahnt, ist ein schleichender Verfall
von Freiheit, Selbstverpflichtung und Gerechtigkeit …
kurzum: von Rechtsstaat und von Volksherrschaft zuletzt:
Reflex auf kommandierenden Narzissmus-Drall.
Der provoziert, sich zu ergehn in Formel-Schwall,
auch weil man nicht erkennt die Fallen dieser Zeit:
Erlebnissucht, die in ein Trance-Bedürfnis hetzt;
und zwar notwendig … dürrer Seelen Widerhall.
Wie kann man da noch irgend Hoffnung für sich hegen,
dass grade dieses Deutschland eine Zukunft habe,
sich von den eignen Blößen könne noch erholen:
wie Selbsthass, Feigheit, Dekadenz, Entpflichtungs-Trägen,
Parteien-Ohnmacht: Staatsversagen anbefohlen …
bevor es Selbstentmächtigung in sich begrabe?
Späte Weisen existenzieller Nichtigkeit (3822)12/
Sonett
Es handelt sich um drängende Verwahrlosungen:
Den schleichenden Verfall von Selbstmacht und von Ehre,
um eine geistig-kulturelle Grundmisere …
Man mag auch sagen: faktisch um Verpöbelungen.
Um innre Brüche, egorational gedungen
von jener marktbanninduzierten innren Leere,
die sich entwickelt als die anonyme Schwere,
die Seelenwogen treibt in Ich-Entfesselungen.
So wird das Individuum sich selbst nur Ziel:
narzisstisch-faktenfremd und selbstsuchdrastisch schal,
verliert an Status sich, Prestige, Applaus und Deal,
erlebt als mächtig sich, als Mittelpunkt, gar Gral,
sich zu verkennen dann in jenem Hochgefühl,
man sei sein eigner Herr statt nur System-Labsal.
Ampel-Coole - Verwum(m)sungsanfälligkeit, totalitär Feministende, zährenlinkisch-zwangsbegrinstes Versagensstolpern, kreisklassenrhetorisches Aktivitätskeuchen, intentionslos-absichtliches Vergessen, drogenunterfüttertes Recht auf Erlösungsersatz und die evolustionsbiologische Polit-Losung: "You'll always walk alone" - ob mit oder ohne Schuldenbremse - fragwürdiges Ergebnis eines geradezu maßlosen Wutanfalls
(3823)13/Sonett
Gewissensarm belehrend, voll blasierter Kälte,
Rechthaberei, weil linkisch auch sich selbst verfallen,
als Blasen-Wesen sachunkundig auf dem Felde
der Selbstwahrnehmung von gelernten Markt-Vasallen…
agieren sie, als ob ihr Urteil fraglos gälte,
entspränge einem einsichtsklaren Welt-Nachhallen,
sei gar systemkonform exaktes Grundgemälde,
devot als solches hinzunehmen dann von allen.
Sich selbst Beweihräuchernde, maßlos penetrant,
auch weil nur Fachmenschtum- und Selbstgenießer-Stand*,
und so von Wirklichkeitsverlusten schwerstgelähmt …
Auch Ruhmsucht, Ichdrangrausch und Hochmut ausgebrannt,
so in sich selbst durch Faktenblindheitsdruck gelähmt …
verfehlen sie Gesellschaft, Wählerschaft und Land.
*Fachmenschen ohne Geist und Genussmenschen ohne Herz.“ (F. Nietzsche?/M. Weber)
Unvermeidliches Trauerspiel (3824)14/Sonett
Was sich da abspielt, ist für uns ein Trauerspiel.
Es konnte freilich letztlich nur ein solches werden:
Man kann sich des Systembetrugs nicht mehr entwöhnen:
Denn seine Wirksamkeit ist künstlich inszenierte.
Wie also könnte sich da Geistanspruch noch erden,
der sich doch selbst nur haben kann als Wahrheitsziel:
Als die Instanz, allein von Sachlichkeit geführte,
als Kernbefehl, sich Faktenlagen nie zu schönen.
Weshalb das Wort vom Trauerspiel nicht so recht passt,
ist’s letztlich doch deterministisches Geschehen:
Evolutionszufall, vor dem die Mär vom Selbst verblasst.
Fakt ist, dass, unfrei, wir von Nichts zu Nichts verwehen,
befreit für immer dann von der prekären Last,
heteronomem* Leib einst wieder einzugehen.
*heteronom: unfrei, fremdbestimmt
Das Geschenk des Realitätssinnes (3825)15/
Sonett
Ein Außenseiter war ich, war’s von vornherein;
und wusste, dass ich es nicht würde ändern können.
Weil: Man entkommt sich nicht, ist zumal ganz allein,
ein Leben lang verfügt doch diesem Drangsal-Rennen.
Kein Wunder, dass man’s meistens nicht genau will kennen,
weil’s sinnlos ist, verdrängte, oft ganz simple Pein;
auch heimlich bitter-infantil gequältes Flennen.
Indes: Wofür? - Für ein substanz-absurdes Sein.
Ich glaube schon, dass ich’s recht gut begriffen habe:
dies Dasein, heutzutage meistens Phrasen-Finte
in einer marktdiktierten Emotionen-Wabe.
Meint: einer Welt, geprägt von Digital-Gesinde,
das man berauscht mit Werbung und mit Fun-Gehabe,
auf dass in dieser Sause es human verschwinde.
Die ideologische Mär von der Freiheit* (3826)16/
Sonett
Das, was man psychoethisch sollte sein,
wird einem in der Regel nicht gelingen,
weil Spaß-Terror und Propaganda zwingen,
dass man sich nicht mehr auf sich selbst lässt ein.
Doch grade die sind Zeitgeist-Widerschein:
Autonomie-Zerstörer, die verfingen:
Man müsse nicht mehr um die Freiheit** ringen:
Sie sei systemgegeben - gar allein.
Indes verkam die Freiheit zum Gerede,
weil doch ersetzt durch Außensteuerungen:
Erlebnis-Kult als Quelle von Gefühlen,
die sanft verfügen der Verbraucher-Lethe***,
dass man allein in Lust sich sei gelungen …
beschützt von Markt-, Polit- und Medien-Mühlen.
*Die sich, trotz der eindeutigen Ergebnisse der neurobio-logischen Forschung, als ideologische hartnäckig (als Entlastungsleerformel) durchhält; insbesondere aber auch als politisches Versprechen: Was freilich Sinn macht, denn die rechtsstaatlich verstandene Freiheit ist keine ethische, sondern eine Freiheit als Nicht-Verbot.
**Die, wäre sie überhaupt möglich, unbedingt rückgebun-den wäre an Selbstzwang: Selbstüberwindung. Freiheit ist notwendigerweise immer auch eine solche als Überwin-dung und Distanzierung seiner als Bedarfs- und Trieb-Wesen.
***Lethe, griech.: Vergessen. Später: Ein Ort des Vergessens in der Unterwelt. Im Buch 6 von Vergils Aeneis trinken die Seelen, die gerade reinkarniert (wieder mit Leibern und Bewusstsein versehen/ ausgestattet) werden, das Wasser der Lethe, um ihre frühere Existenz zu vergessen.
In der heutigen Zeit könnte man die Lethe begreifen als eine Art Freizeit-Traum-Ekstasen-schenkenden/ermöglichenden Zustand realitätsflüchtiger Entlastungs-Narkose, die den Individuen Belämmerungs- und Vergessensräusche provoziert, indem sie diese sich in die panhedonistisch aufpeitschenden Asyle verknechtender Verantwortungslosigkeit begeben lässt, um sich, auch drogengestützt, ihrer Orientierungs-, Hilf- und Sinnlosigkeits- Anwandlungen zu entledigen … durch Selbst-Auslöschung: Kollektiv-Umnachtung und Verwahrlosungs-Orgiastik … heutzutage für viele - und immer mehr - Menschen die intensivsten Formen von so was wie Glück, das als Freude von immer mehr Individuen nicht mehr gefunden werden kann: Glück ist heteronom-physisch-sexuell, Freude autonom-geistig-erotisch …
Die Seelen - notwendig: niemand trägt daran Schuld - verkümmern, die Sprache wird primitiv, die Individuen regredieren zu allein gelassenen System-Monaden, die ethischen Widerstandskräfte gegen die Selbstverdinglichung und Selbstentfremdung brechen weg, der Mammon wird zum Haupttrost einer im Grunde armselig-sensationslüsternen, hysterischen, feindselig-aggressiven, zwangslüsternen, zumal narzisstisch-dumpfen und sich mehr und mehr dem bloßen Stumpfsinn ergebenden, zumal vulgär-atheistischen Existenz …
Tiefenwirren deutscher Innerlichkeit/Andeutungen (3827)17/Sonett
Was soll ich - hilflos - denken oder gar noch sagen?
Ich meine angesichts diverser Stümpereien
der Machtbetörten - oft nur bloße Ich-Lakaien -,
dabei, die Volksherrschaft vielleicht ins Grab zu tragen.
So nicht sich scheren um den tiefen Ernst der Lagen ...
vielleicht zu schwach, sich selber sich nicht zu verzeihen ...
weil man doch erst muss von sich selber sich befreien,
egozentrische Anomie* dann zu zerschlagen,
um dann, pragamatisch handelnd, Sachlichkeit zu wagen.
Indes ist's Brauch, auch andre Völker zu belehren
mit typisch deutschen Tugend- und Gesinnungs-Schlieren. Mit Hilfe derer dann die Fakten zu verkehren,
um dann, weil die dann ihre Prägekraft verlieren,
im Ideal-Rausch rücksichtslos sie zu negieren.
*Egozentrische Anomie: Ein Grundproblem der deutschen Gegenwarts-Gesellschaft/hier einige Stichworte:
(a) Auto-Monadisierung (Zwanghafter Rückzug auf sich selbst aufgrund des systeminduzierten Innenweltzerfalls); also: Rückzug auf nur eigene, in der Regel hedonistische oder Weltflucht ermöglichende Interessen: „Erlebnishorten“ als Dauer-Belämmerung
(b) Selbstverdinglichung (man macht sich selbst zur Sache, zum Mittel seiner selbst; Zweck: Autokonsum/Selbstkonsum)
(c) Soziale Gleichgültigkeit
(d) Noch mal: Erlebnissucht, auch aufgrund massiver Desorientierung, Haltlosigkeit und, vor allem, des anonym grassierenden Nihilismus, Atheismus, Materialismus, Infantilismus, Eudämonismus und frenetisierenden Aktionismus („Leib-Wow!“) durch Reklame, Sport, Pop-Musik usw.
(e) „Oben“ (nicht durchgängig, aber sich immer häufiger zeigend/bemerkbar machend): Ideologen- und Mittelmaß-Arroganz, Missachtung des Mehrheits-Willens, linkisch-seelenlose Selbstbeweihräucherung, maßlose Selbstüberschätzung, lächerlich-pampig-clowneske Selbstdarstellung (bis zum Selbstverrat), Indolenz gegenüber Fakten bzw. Feigheit, diese wahrheitsgemäß zu benennen, mangelhaftes Deutsch, schwere Wirklichkeitsverluste, Machtsucht als pathologische, narzisstische oder effekt-weinerliche usw. usw.
Offen gesagt (3828)18/Sonett
Ein Kosmos plattester Verbrauchs-Gehalte:
Ein Warenreich als Diesseits-Paradies,
getaucht in eine oberflächlich kalte
Verkümmerungs-Gesellschaft - exzessiv.
Klamauk und rechenhafte Herz-Basalte
in selbstsuchtkommandiertem Ich-Verlies.
Das heißt: Was immer sich auch hier gestalte,
dreht sich um Sex, um Macht, Prestige und Kies.
Indes ein unabänderlicher Lauf
von Zufall, Hirnzwang und Gelegenheit,
von mir zu nehmen ganz devot in Kauf:
Es gibt kein Dasein, das nicht wäre Leid,
ist es an sich doch Allvergeblichkeit …
Entlastungstraumgebilde ohne Knauf.
Urerfahrungen (3829)19/Sonett
Nicht ich war’s, der sich hätte zu sich selbst gemacht.
Im Gegenteil: Ich war mir selber vorgegeben.
Genetisch; auch zu einem reichen Geistesleben,
zumal von Einsamkeit geprägt und Krankheits-Macht.
So dass dem Tag ich vorziehn würde stets die Nacht,
war auch schon klar: entstellt wird man nach Schatten streben,
wird förmlich ängstlich fliehen aller Helle Pracht,
um im Verborgenen sich leise wegzuheben
von Kindern, die zuweilen roh und hämisch sind,
Erwachsenen, geübt in Bosheit und Verachten.
Sich beide gleichend darin, dass sie, herzensblind,
sich selber werden zu der Art von Daseinsschlachten,
die tief verbittern, weil sie niemand je gewinnt …
Indes mich Katzen bargen, Stillen, Gott und Wind.
In Zeiten wie diesen (3830)20/Sonett
Es ist recht niederschmetternd, etwas zu erleiden,
wenn man ihm völlig hilflos ausgeliefert ist.
Wie ich schon lange diesen anspruchslosen Zeiten,
die ihre eigne Ohnmacht immer mehr auffrisst:
Da kommen Unbegabte hoch mit plumper List,
mit leeren Worten, Show-Moral, Charakterpleiten:
Entwirklichungs-Geschacher, das Fiktionen misst,
um zu vertun so alle guten Möglichkeiten.
Nun ja: Die Wählerschaft weiß auch nicht, was sie will.
Es sei denn Wohlstand, Sicherheit und Urlaubstage,
als höchstes Gut entfesselnden Erlebnis-Drill.
Inzwischen weiß man freilich um den Seelen-Müll,
sieht, dass Moral die Menschen doch nicht trage,
ahnt, dass was kommt, wird sein wahrscheinlich Niederlage.
Andeutungen über mich selbst I (3831)21/Sonett
Nur Durchschnitt bin ich; und primär gelernter Kunde.
Und musste - wie die meisten - täglich ab mich strampeln,
mir wenigstens das Allernötigste zu sichern:
Ein kleines Eigenheim und eine Geldrücklage.
Man weiß ja nie, was einem bringt die nächste Stunde,
zumal versucht ist oft, sein Leben zu verhampeln
mit Drogen, Rauschanfälligkeit und trunknem Kichern,
um nicht verstockt nur hinzubringen seine Tage.
Und dann war das noch, was das Ganze letztlich krönte:
Ich wollte immer wissen, wie es um uns steht:
Ob’s so was gibt wie Freiheit, Würde, Lebenssinn.
Mit Hilfe andrer fand ich’s raus - und es versöhnte.
Weil es mich lehrte, dass um gar nichts es hier geht …
ich Machtspreu, Amoral, Fiktion und Zwang* geh hin.
*Das sind Tatsachenaussagen(!), frei von Emotionen,
Weltanschauungsmomenten und ideologischen oder
Gesinnungs-Perspektiven. Es i s t so, man denke, fühle,
wünsche, brauche was auch immer.
Selbstverlust durch Macht (3832)22/Sonett
Wer denn vermöchte es, sich selbst zu widerstehen?
Besonders dann, wenn Beifall, Macht und Schein verlocken;
wenn andrer Untertänigkeit sich selbst lässt sehen
als Übermenschen, dem gar läuten goldne Glocken.
Was zumal jene lässt vor ihm verzagt verstocken,
die, ihren Kopf gesenkt, auf leisen Sohlen gehen.
Weil sie nur Mittel sind: so was wie Schicksalsflocken,
die sich als solche ihm aus Furcht und Zwang hindrehen.
Doch Macht ist die subtilste Form von Sklaverei,
wenn haltlos ichberauscht man ihr zum Opfer fällt,
sich seiner selbst benommen wird ihr zum Lakai,
der dann an ihrer Doppeldeutigkeit zerschellt …
Verkennend, dass die Macht ist zugleich Selbstwertschrei,
man ihr so angehört als Knecht, den sie sich hält.
Entlastende Selbstentfesselungs-Umtriebe (3833)23/
Sonett
Es ist die Zeit der außenprovozierten Zwänge,
der Psychenbrüche und Bewussteinssteuerungen,
der aggressiven Einsamkeit und stummen Zungen …
die Zeit der anonymen Innenwelt-Gemenge:
Als ob man brunftstier nur noch um Entfesslung ränge,
bis man entlastungsgierig sich sei so gelungen,
dass man sich werfen dürfe in die Niederungen
der Selbstaufgabe-Orgien plumper Wahn-Gedränge.
Wobei die Körper takten sich nach Kult-Vorgaben:
Entwirklichungs-Befehlen, sich als Rausch zu glühen,
sich rücksichtslos nur noch als Trieb-Effekt zu haben,
um so als Zeitgeist-Unperson sich zu entrücken
in Spaß-Vollzügen, Drogen-Trance und Gossen-Waben
als Selbstentmächtigungs- und Nihilismus-Tücken.
Der Westen (3834)24/Sonett
Ihm ist nunmehr der Aufklärungs-Elan entglitten.
Objektiv-wissenschaftlich muss man das so sehen:
Person und Würde zeigten sich als Illusionen* …
das heißt man kann auf sie nicht bauen irgend Recht.
Sind also jene Lebenslügen, die zerrütten,
ethische Fassaden nur für Mammon-Krähen?
Und nicht für die nur, auch für uns Millionen,
doch selbst nur noch subtil gesteuertes Geflecht?
Falls ja: Was sollen dann noch Sachlichkeit und Geist?,
Was Faktensinn, Verzichtsleistungen und Askese?
Für mich Voraussetzungen doch der Volksherrschaft.
Zumal ich sehen kann, was heute Dasein heißt:
Verwahrlosungsgelüste, weder gut noch böse,
und Eskapismus**, der sich dann als Ich-Rausch preist.
*Illusionen: Sie sind mit dem naturalistischen Determinismus unvereinbar, also was uns selbst betrifft: wir sind Quarks-Elektronen-Gebilde, nicht in Anschlag zu bringen für so was wie Autonomie (Selbstgesetzgebung),
Würde, Vernunft usw.
**Eskapismus: Fluch aus der Realität, Wirklichkeitsmeidung
*
(3835)25/Sonett
Doch sind wir letztlich völlig außerstande
- sei’s kollektiv, sei’s auch nur subjektiv -;
uns vor uns selber geistig zu bewahren,
doch primär Ratio-, doch nicht Geistes-Wesen.
Zumal zu Gott auch kappten alle Bande,
um selber uns zu sein ein Korrektiv.
Was illusorisch ist: Wir sind Barbaren.
So angewiesen auf Gewalt-Synthesen.
Dass gegen uns wir hätten irgend Pflichten,
das muss ich - redlich - radikal verneinen:
Wir wollen immer andre überragen:
Uns selber als Elite uns erdichten:
Zumal wir alle sind verdammt zum Scheinen …
Doch nicht mal fähig, selber uns zu tragen.
Tacheles* II (3836)26/Sonett/Vergleiche (6/337)
Ich frage mich, wie kann man so tief sinken,
sich so besudeln, gar sich selbst verraten;
sich ständig in Narzissmus-Hype zu baden,
um überall mit Kompetenz zu blinken …
als Koryphäe sich auch zuzuwinken,
obwohl man längst verlor doch jeden Faden,
sich ständig schönen muss die eignen Taten …
und trotzdem putzen möchte alle Klinken?
Doch kann dergleichen wirklich überraschen
in diesem Land der Schwätzer und der Plumpen,
der Gauner, die sich füllen alle Taschen ...
Wo selbst der Tugendbold sich nicht lässt lumpen,
indem er trickst mit allen Phrasen-Maschen …
Wo alle schlürfen aus porösen Humpen?
*hebr./jiddisch: hier: Frei herausgesagt, unumwunden ehrlich
Intellektuelle (3837)27/Sonett
Nie habe ich verstanden Intellektuelle,
die Ideal, Gesinnung und Moral hochhalten,
den Menschen vorzugaukeln eine Wesens-Helle,
die, umgesetzt, sozial sie würde nicht mehr spalten.
Wenn sie's nur niederrissen, das Sozial-Gefälle,
um Gleichheit und Gerechtigkeit so zu entfalten,
dass Solidarität würde Gesellschafts-Welle:
Demokratie und Rechtsstaat würden faktisch walten.
Dass all dies möglich wäre, lüde ein zum Schwur,
das glaub ich nicht: Der Mensch hat nie genug Moral:
Ihm ist der Mitmensch eher Mittel und Tortur;
sich selbst ist er nicht selten bloße Ich-Drangsal,
oft gar perfide, schuldlos: Seelenschmerzen-Tour,
korrupt und widersprüchlich: Knecht von Geld und Zahl.
Demokratie!? (3838)28/Sonett
Ich werd für dumm verkauft, zumal betrogen;
man lügt mir unverfroren ins Gesicht;
versucht, mir das und jenes anzudrehen,
mich gar gesinnungseitel zu erpressen;
werd finanziell zumal auch ausgesogen,
auf dass erstrahle deutsches Tugendlicht;
soll gar als gut und weltoffen mich sehen …
Obwohl absurd sind unsre Selbstlob-Messen.
Demokratie sei doch human und hehr:
Sie sei des Wohlstands Exzellenz-Grundlage.
So sagten’s neulich drei Nobelpreisträger …
Gestützt auf dieses Ich-Anbeter-Heer
gelernter Kunden unter Lustzwang-Plage
als Machtwerkzeug für Privilegien-Jäger?
*
Demokratie als asketische Wesens-Überschreitung (3839)29/Sonett
Demokratie? Die ist Elite-Sache,
basiert auf Fakten-Sinn und auf Askese,
auf Selbstaufopferungsbereitschaft gar,
auf Redlichkeit, Geist und Gewissensstärke.
Demokratie ist keine Phrasen-Lache,
fußt auf der Einsicht: Mensch und Seelengröße,
Ehrfurcht, ja Scham ergeben nie ein Paar …
Sind wir nichts weiter doch als Teilchen-Zwerge.
Und wenn? Wie soll sie so denn standhaft werden,
da Wohlstand sie doch unterspülen muss,
indem er zwingt, sich profaniert zu erden
in faktisch asozialem Selbst-Genuss.
Und der wird dann das Ganze stumm gefährden:
Als anonymer Existenz-Verdruss.
*
Die sich an die Macht verlieren, so sich zu gewinnen glauben (3840)30/Sonett
Demokratie wird immer Stückwerk bleiben:
Ein Machwerk ziemlich fauler Kompromisse,
Gesinnungs-Fratze biedrer Seelenrisse …
die fordern dann, sich Machtsucht zu verschreiben.
So dass so manche von uns ichschwach treiben
durch ihrer Mittelmäßigkeiten Bisse
und ihres Daseins rinnsalschwache Flüsse;
gezwungen so, Ersatz sich aufzureiben.
Und dann: Wer will schon über sich nachdenken?
Das wäre psychisch doch zumal riskant.
Er dürfte nämlich finden manche Senken.
So die, dass er sich selber hat verkannt,
zeigt Eigenschaften, die sehr tief ihn kränken:
Narzissmus-Wunden ohne Geist genannt.
*
Demokratische Selbstentmächtigungs-Amateure (3841)31/Sonett
Oft sind es Demokraten, die sie runter bringen,
die Volksherrschaft, die sie mit leeren Formeln loben,
rhetorisch arm: geschwätzeskundig abgehoben
von Wirklichkeiten, die, komplex, zum Denken zwingen …
Die nur mal dilettantisch hin und her geschoben,
komplexer werden und dann gar nicht mehr gelingen,
um sich danach erneut nur wieder aufzuschwingen,
sich selbst zu feiern: Weise, die ein Chaos woben.
Es sind ja in der Tat nur ziemlich biedre Leute,
oft hochgekommen in den Klüngeln der Parteien,
die sich da selber machen zur Verachtungs-Beute,
indem sie gegenseitig sich blasiert bespeien -
und grade so sich zeigen als die Machtsucht-Meute
von geistig toten: ichverstrickten Daseins-Laien.
Demokratie-Verlust als Selbstverlust/Andeutungen (3842)32/Sonett
Und nunmehr gilt es, deutlich klar zu machen:
Wenn wir die Volksherrschaft verlieren sollten,
dann würden wir den Höchstpreis müssen zahlen:
Verlust von Geist als Selbstbewahrungsmacht,
Alleinverfügung über Leib und Sachen,
der Freiheit ... ohne die wir alle grollten.
Wir würden müssen Fremder Lügen mahlen.
Vielleicht im Dunkel einer Zellen-Nacht.
Demokratie ist Selbstschutzgarantie,
ist es moralisch, rechtlich, kulturell,
Geschenk zu atmen ohne Nacken-Knie …
Erlaubt, sich selbst zu sein ein Werte-Quell,
zu übersteigen sich als Was und Wie …
Vollendungschance für Affen ohne Fell.
Selbstverlust und Entwirklichung (3843)33/Sonett*
Es ist ein Ratio-Zwang, dem ich verschwebe
in dieser anonymen Diktatur
des Nihilismus planer Reizzufuhr,
zerstörend jede Form von Daseins-Strebe.
Was ich als zwingenden Prozess erlebe
vereinzelnder Entwirklichungs-Tortur:
Ich treibe hin auf einer Einheits-Spur
in bodenloses Einsamkeits-Gewebe.
Indes: Wenn jene* gilt, gilt gar nichts mehr;
ist faktisch aufgehoben die Moral,
bleibt subjektiv abstrakt und geistig leer,
wird zur Funktion von Technik und von Zahl,
entfaltend aggressiven Ich-Verzehr:
Man wird als Markt-Reflex sich Knecht und Gral.
*Sonett (3843) steht n i c h t im Widerspruch zu Sonett (3842).
Es gilt streng zu unterscheiden zwischen
(a) dem, was objektiv der Fall ist, und
(b) der unvermeidlichen Überschreitung des Faktischen mittels Bedarfsfiktionen = Werten, Idealen, Wirklichkeitsin-terpretationen, Lebensbewältigungs- und Überlebens-strategien, die "gehirnstrategisch" konzipiert werden und uns selbst als unser "freier Wille" erscheinen, tatsächlich aber der intellektuelle Ausdruck heteronomer (unfreier, fremdbestimmter) Fakten-Zwänge (die, drastisch bedrück-end, Hoffnungen, Wünsche, Erwartungen, Illusionen, Träu-me, Faszinationen usw. aus sich hervortreiben, die sämt-lich verfehlt werden müssen).
Es gilt nämlich ausnahmslos:
Der Mensch ist notwendig wert- und idealbedürftig, aber auch notwendig unfähig, Werte und Ideale in gesellschaft-liche Wirklichkeit zu übersetzen - es sei denn mit "revo-lutionärer" Gewalt, die dann in Despotismus, Barbarei, Geheimdienstzellen usw. usw. enden m u s s.
Und was ist das "Ideal" der westlichen Demokratien? - Es ist ein nichtideelles, nicht hochmoralisches, schon gar nicht metaphysisches oder geistiges, nicht utopisches, nicht politisches, nicht kulturelles Ideal, nein: ein profanes, sich zusammensetzend aus Freiheit und Wohlstand (die sich freilich nur ideologisch, nie faktisch vereinbaren lassen - "Freiheit" als "Wohlstands-Tochter" meint immer: Subjektvistisches Laisser-faire mit dem Ziel, sich ungestört "ausleben" zu dürfen; insbesondere hedonistisch-eudämo-nistisch: "fun-hörig"; indes ist ein solches Sich-Ausleben keine Freiheit - die ohne Formen des Selbstzwanges: ei-nes Selbstzwanges aus Einsicht(!), nicht als ein überhaupt mögliches freies Wollen(!) als Autonomie, Selbstbestim-mung, Wahlfreiheit usw., eines vernünftigen Wesens, ein Wollen, das ist neurobiologisch-teilchenphysikalisch ein Grundfaktum unserer Existenz, nie frei sein kann - gar nicht denkbar ist). Und dieser Freiheit-Wohlstands-Kom-plex knüpft an an die menschliche Pleonexie, kann also allgemein akzeptiert, mit demokratischen Werten (die von jenem Wohlstand freilich auf Dauer - wiederum notwendig - ausgehöhlt und dann immer mehr verfehlt werden) in Einklang gebracht werden, ja: sogar als sinnträchtiger Lebenszweck- bzw. Vollzug propagiert, empfunden und fraglos verfolgt werden.
Der Kapitalismus (er sei dafür gelobt und gewürdigt!) schafft es - er allein! -, die menschliche Pleonexie* nicht nur perfekt zu bedienen und zu befriedigen, sondern sie darüber hinaus auch noch als (gar: grenzenlose!) Freiheit im Bewusstsein der Menschen (Verbraucher) zu veran-kern. Der Kapitalismus nimmt den Menschen wie er ist, nicht wie er sein sollte (so nimmt ihn Karl Marx); und mit diesem Pfund kann der Kapitalismus wuchern bis in die Zeiten, in denen es den "Lustpflegern" (Ausdruck von Gottfried Benn) dämmert, dass das Lebens- und Sinn-Ziel Fun/Laisser-faire-Freiheit als Konsum/Wohlleben sie in Drogenabhängkeit, innere Leere, Wirklichkeits- und Selbst-Verluste, psychische Probleme, Einsamkeit, diffuse Hilflosigkeit, Verlassenheitsängste, Existenzschauspielerei usw. usw. treiben kann (ich, Sa., sage: muss).
In diesem Sinne ist - trotz aller Einwände - der Kapitalis-mus ein System der Menschlichkeit, denn er, das ist das Entscheidende, nimmt den Menschen wie er notwendig (der Mensch hat sich so nicht selbst gewollt: Er hat keine Schuld an sich) als gegebener, seinem Wesen nach, ist: ich-/selbst-süchtig, moralisch in der Regel nicht gut, po-tentielle Beute seiner Artgenossen (politisch, ökonomisch, sozial, sexuell usw.), oft Angst- und Hilflosigkeits-Träger, innerer Schwäche ausgeliefert, Desorientierung, Leitungs-bedürftigkeit, allerlei Formen menschlicher Schäbigkeit ausgesetzt (z. B. Affekten wie Neid, Wut, Hass usw. usw.)
*Das - nach Arnold Gehlen - Ineinanderlaufen von Ich-, Hab-, Macht- und Genuss-Sucht.
Dann aber bleibt am Ende nur ER.
Indes: Man kann nicht glauben w o l l e n.
ER IV (3844)34/Sonett
Entlastungsträumerische Geist-Schimäre,
menschlicher Rationalität entzogen.
Ein All-Sein fiktionaler Gottes-Drogen:
Uns Großhirn-Knechten eine Glaubens-Fähre.
Uns zu befreien von der Affen-Schwäre,
von der wir, Stoffsucht, werden aufgesogen:
Von Formeln, Technik und von Fortschritts-Wogen ...
Zumal getrieben von der Sapiens*-Märe.
Indes in IHM wir dürften überschreiten
uns selbst als lebenslange Zeit-Flüchtlinge,
als atomare Gier- und Machtdruck-Heiden ...
Entrückt uns selbst als Teil der andern Sachen.
So dass wir nicht uns würden selbst entgleiten ...
in Hybris- Schein- und in Verblendungs-Lachen.
*Homo sapiens ... Indes: vernünftig, gar weise zu sein (Weisheit: lat.: sapientia), kommt uns eher selten zu - wenn denn überhaupt.
Klarstellung IX (3845)35/Sonett
Nicht dass ich damit Auszeichnung verbunden hätte,
das Geistige zum höchsten Gut mir zu erheben.
Zumal primär es ist genetisch vorgegeben:
Geschenk nur, Zufall, der erlaubt, dass man sich bette
in seiner Muttersprache als der Seelenstätte,
in der sich dann, Gedichte schaffend, abzuheben
von diesem kreatürlich-triebhaft dunklen Streben,
nichts weiter doch als fremdbestimmt-prekäre Wette.
Muss es doch sein ein Selbstentmächtigungsprozess,
Verblendungsdrangsal ausgesetzt in Triebdiktaten:
Ein lebenslanges sich Verfügen dem Exzess
von niemals auszudeutenden Bewustsseinsschwaden
wie Gelten, Haben, Macht, sich Selbst als Kult-Ivresse,
verhehlend unsres Daseins kindische Tiraden.
Bis zum bitteren Ende (3846)36/Sonett/Vergl.
(32/1914) Vergl. (32/1914), (74/3970)
Die subjektiven Innenwelten kollabieren:
zerfallen psychisch, ethisch, intellektuell,
verkommen offenkundig sprachlich-kulturell,
doch permanent gegängelt, Spaß sich zu verlieren.
So dass sie nach Entlastungs-Emotionen gieren
und sich erfahren gleichsam mystisch-rituell …
Als Unpersonen: Star-Abklatsch und Umsatz-Quell,
was sie als zeitgeistcoole Selbsterhöhung spüren.
Die Wohlstands-Ideologie* muss darauf bauen,
dass ihr System die Menschen sich zu Knechten macht:
sie nie auf sich als kluge Einsichtsträger schauen,
sich vielmehr überlassen jener** Pseudo-Pracht***,
auf die als Sinn- und Glücks-Garantin sie vertrauen …
Doch von Natur aus schon bestimmt zur Daseins-Schlacht.***
*Was mitnichten andeuten soll, ich wolle die bestehen-de demokratisch verfasste Wohlstandsgesellschaft abschaffen, um sie durch (was? - ich sehe keine ernst zu nehmende Alternative) zu ersetzen. Im Gegenteil: diese Gesellschaft sollte so lange aufrecht erhalten werden, so lange das noch (ökologisch,politisch, ethisch, wirtschaftlich und kulturell) möglich ist; denn: Es ist subjektiv immer noch einfacher zu ertragen (falls es überhaupt bemerkt wird), dass man sich selbst um seine Freiheit (freilich eine ver-meintliche: Der menschliche Wille ist nicht frei; so, korrekt, die Neurobiologie… Indes, ich leugne es nicht, die Illusion, frei zu sein sehr wohl - als Entlastungs-Mär - helfen mag, sein Leben halbwegs erträglich zu meistern) als Person (und also auch um seine ethische, politische und kulturelle Freiheit) gebracht hat, als die faktisch alltägliche Unfreiheit in einer Diktatur zu erdulden, ausgeliefert den Schergen eines Diktators oder einer totalitären Partei.
**jener = Wohlstands-Ideologie, die Haben und Gelten/Prestige/Anerkennung als Sinngebungsfaktoren propagie-ren muss, obwohl diese gerade umgekehrt notwendig in Atheismus, Nihilismus, Hedonismus, Materialismus und Infantilismus führen müssen, einhergehend mit einem weitgehenden sittlichen Verfall (Korruption, Ausbeutung, Verbrechertum usw. usw.)
***Pseudo-Pracht (rein konsumtive): die einer beliebi-gen, typisch westlichen Wohlstandgesellschaft. Eine sol-che wird sich als demokratische auf Dauer wohl nicht mehr halten lassen: Es werden den aus sich selbst entlassenen und zugleich auf sich selbst zurückgeworfenen, halbgebildeten, infantilen und ichsiechen, also asozialen Individuen die einsichtsasketischen Selbstkräfte: Selbstzu-rücknahme-Macht, Sachlichkeit, Verantwortungsbereit-schaft und -fähigkeit, kurzum: Wirklichkeitssinn und Fak-ten-Verständnis mehr oder weniger abgehen.
In diesem Zusammenhang nicht zu vergessen: Der wohl unaufhaltsame schleichende Verfall der Schlüssel-Insti-tutionen: Staat, Recht, Ehe, Familie, Schule, Kirche usw.: Die sich ihrer eigenen Sottisen und Selbstzerstörungskräf-te nicht bewusste Gesellschaft propagiert im Grunde das absolute Individuum (das sozusagen all-autonome "selbstbestimmungstotalitäre", das gesellschaftlich gar nicht überlebensfähig wäre)
***Vgl. dazu auch (vor Sonett 18): Egozentrische Anomie
und die Gedichte Seite 8/442 und 443 und unten (45)
Ausnahmslose Heteronomie (3847)37/Sonett
Was habe ich aus Not doch schon gelogen!
So etwa, um vor andern mich zu schützen.
Mich immer wieder selbst auch mal verbogen;
sei’s meinem Ruf, sei’s auch nur Schein zu nützen.
Es ging um Abwehr fremder Psychen-Drogen
wie Anerkennung oder Selbstwertstützen:
Wie oft wird man von Lügen aufgesogen,
Polit-Gerede und von Elends-Skizzen.
Doch Würde, Selbstwert, Freiheit, Seelenweite,
die gibt’s nicht mehr: es fehlen Maß und Mitte.
Heißt: Jeder schaut, dass möglichst vorn er schreite,
er richte auf sich selbst all seine Schritte.
Dabei dem Zeitgeist leistend all Eide;
auf dass er keine Selbsteinsicht erlitte.
Bis 2049 Realität geworden? (3848)38/Sonett
Sie wollen vorne sein; sie wollen‘s unbedingt:
wollen den ersten Platz* in dieser Welt einnehmen.
Vor allem auch den Westen unbedingt beschämen.
Sind überzeugt, dass ihnen das schon jetzt gelingt.
Und in der Tat: Der Stern des Westens sinkt.
Auch weil er Werte hochhält, die ihn drastisch lähmen,
in Dekadenz ihn treiben, Lebenslügen-Schemen,
die machen, dass - moralkorrupt - er dann ertrinkt.
Wenn eine wirtschaftlich solide Tyrannei
Demokratie angreifen und vernichten will
zumal wenn diese dekadent ist: pseudofrei,
zumal auch glaubt, dass sie der Hort von Würde sei,
dann wird sie untergehn, wird müssen sklavisch stilsich beugen müssen Drachen-Macht und Rache-Drill.
*systemisch, wirtschaftlich, naturwissenschaftlich, technologisch, kulturell, sportlich usw.
Allgemeiner Niedergang. Schuldlos (3849)39/Sonett
In einem umsatzheilig-trickreich infantilen,
erlebniszentrisch ausgelegten Traum-Gemenge
von Selbstbetrugs-, Entlastungs- und Empörungs-Spielen,
ersetzt man Fakten immer mehr durch Wortgepränge.
Und so tun’s die auch, die auf Macht und Ämter zielen:
Dass sie zu diesen nichts als ihr Gewissen dränge,
von Sachlichkeit getrieben und von Ehrgefühlen …
Und nicht, wie’s scheint, von Korruption und Schein-Gepränge.
Verantwortungsbereitschaft? Sie ist längst verfallen:
Das Ganze ist von Niedergangs-Geruch durchdrungen:
Hier wird um Tugend- und Polit-Magie gerungen.
Dort um die Kunden-Mystik schierer Markt-Vasallen.
Auf beiden Seiten Ich- und Mammon-Sucht gedungen.
Soll heißen: schuldlos ausgeliefert Wesens-Fallen.
Kapitalismus (3850)40/Sonett
Man zehrt als Kunde permanent von Phrasen,
kennt kaum noch Fakten; schert sich nicht um tiefes Wissen.
Man ruht sich lieber aus auf seinen Wohlstandskissen
und überlässt sich Spaß als Emotionenblasen.
Es geht ums Existieren in den Freizeit-Phasen;
und die sind medienanalytisch scharf umrissen:
So wird man angeleitet, jederzeit beflissen
zu frönen Rauschkonsum als Selbstentfremdungs-Rasen.
Denn grad entmündigt lebt es sich doch weitaus besser:
Als Pop-Musik-, Reklame- und als Bild-Banause
in jener Hedonisten- und Entlastungs-Klause
des Kapitals und seiner Warenausstoß-Sause,
erlösend einen - noch durch Tee und Achselwässer -
auch davon, dass man sei im eignen Hirn zuhause.
Gedichte:
Moraleitle deutsche Selbsthass-Arroganz (3851)41
Ohne Stolz und ohne Geist,
ohne Selbstdistanz und Würde,
faktenfeindlich sich entgleist,
ist man selbst sich nunmehr Hürde ...
Die historisch ja schon immer.
Wohlstandssiech jetzt, wertkorrupt,
tugendkrank sich selbst entlaufen,
hat man sich für sich entpuppt
als die Kraft, sich zu erlösen …
Stoßgebet von Phrasen-Haufen,
die entlastungssüchtig machen,
eitel, schwach, bedingungslos,
um in Ohnmacht zu verflachen,
Selbstausbeutung kostend aus,
lechzend nach dem Siegerstrauß
sprießend in den seichten Lachen
ethischer Verblendungsschimmer …
immer kränker, stummer, dümmer.
Das ist deutsche Seelen-Schicht:
Selbsthasslüstern-ideell,
zeigt sie trance-high dies Gesicht:
bodenlos, phantastisch-grell,
nicht gewöhnt an Machtspiel-Größe,
da doch nur noch scheinbar groß:
spracharm, Dekadenz-Getöse,
nestelnd an fiktiven Schlaufen …
So dass fremder Macht Gewicht
könnte einst sie Schwäche taufen:
zeigen sie als Wesens-Bürde …
dienend dann vielleicht dem Drachen.
Oder Russen-Psychen-Gaus.
Geistige Stundung (3852)42
Zufalls-Dasein zwischen Nichts und Nichts.
das wird’s sein gewesen;
Selbstkult eines Ich-Gewichts,
Weltzuständen abgelesen.
Trance und Leeren sich zu deuten;
stumpfer Psychen Drangsal-Wallen:
schierem Sich-Vergeuden
an Trieb-, Bedürfnis-, Ratio-Kralle.
Dennoch kann’s in manchen Stunden
bis in seinen Kern gelingen:
Wenn man geistig sie darf stunden,
diese atomaren Zwingen:
Dieses Radikal-Geschehen
ohne Zwecke, Ziele, Sinn,
dem wir permanent verwehen
als verfallendes 'Ich bin'.*
*Variante der letzten Zeile: "Staubkommando gehend einsam hin“
Abwärts (3853)43
Dass es
abwärts geht
mit mir,
spüre ich
ja alle Tage:
geistig, physisch ...
wie auch immer.
Ich verfalle.
Ohne Frage.
Ausgeliefert
Tier-Gewimmer ...
Drang und Zufall
hin gesät.
Kern-Pessimismus (3854)44
Arroganz und Unvermögen,
kulturelle Ärmlichkeit,
Bildungs- und Charakter-Mängel,
sprachliche Verwahrlosung,
machtdiktiertes Schund-Gewissen,
Mimen einer Seicht-Komödie
als perfide Gauner-Posse.
Hätte früher nie gedacht,
einmal so mich auszulassen;
es zu müssen, will ich sagen,
treffend in der Lagen Mitte,
hoffnungslos und seelenkalt.
Wünschend freilich diesem Volk,
diesem mit sich selbst geschlagnen,
einst zurückzufinden zu sich selbst ...
Falls es denn ein Selbst je hatte,
was ich doch bezweifeln möchte
angesichts der Perfidie,
der Charakterlosigkeit,
dieses Selbsthass-Masochismus
plumper Tugend-Barbarei.
Zeilenkalt verhehltes Dauerschweigen (3855)45
Man ist sich oft genug ja selber Last.
Und hat man Pech, ein Leben lang.
Dann wird es schwer, sich je zu gönnen Rast,
weil dann man ist sich selber Zwang.
Schafft’s nicht, sich von sich selbst dann zu befreien,
ist in sich selbst gefangen ohne Selbstbelang.
Und denkt nicht selten dann an jene Rast,
die nur der Tod zu bieten hat - in Gräberreihen.
Ich hab versucht, die meine zu begreifen,
sie in Gedichte umzusetzen.
Um so sie geistig manchmal mir zu schleifen
und meinerseits sie dann zu hetzen.
Und das gelang mir immer besser.
Doch hatte das auch einen hohen Preis:
Ich wurde selbst mir intellektuelles Messer
in einem menschenleeren Geistes-Kreis.
Selbstanspruch II (3857)46
Ich hab’s mir nie geschönt,
mir nie zurechtgelegt:
ich wollte immer wissen,
was es faktisch sei,
dies Dasein,
das sofort verhöhnt,
wenn man sich ichverzückt
zu Markte trägt,
wenn man ihm ist
als Knecht beflissen;
sich mogelt scheinbetört
an ihm vorbei.
Vollständige Heteronomie/Fremdbestimmtheit (3858)47
Man glaubt es störrisch, man sei autonom,
erwähle sich die eigne ExistenzTatsächlich läuft man ab als Leib-Atom
materieller Grund-Essenz …
Als Ichsucht, eingebettet dem Sozialen.
Und so in keiner Hinsicht jemals frei.
Indes man muss sich
diesen Traum ausmalen:
Dass man sein Herr und Lenker sei,
sein Schicksal habe in der Hand,
sei souveränes: selbstbestimmtes Ich …
Obwohl nur zellulärer Großverband.
Man würde freilich trübsal-antriebslos,
sich wissend als ein Zufalls-Zwangs-Ablauf,
der permanent zumal tut mit sich groß …
Dabei nur führt doch
seine kleine Posse auf,
verfügt dem Hirn-
wie dem Gesellschafts-Joch.
Die existenziellen Fakten (3859)48
Dass irgend Relevanz ich hätte,
das glaub ich eher nicht.
Zumal ich meide diese Spaßkult-Stätte,
human verarmt und dummdreist-schlicht.
Das sind ganz kleine, ichverliebte Seelen,
die kein Gefühl mehr für sich selber haben;
die die Gesellschaft und sich selbst verfehlen:
Karrieristen etwa ohne Geistesgaben.
Ich schaffe selber mir Bedeutung in Gedichten,
der deutschen Sprache abgerungen;
bis in die tiefsten Wesens-Schichten,
die mir bedeuten: Du bist Zeit gedungen,
Verfall, Pleonexie*, Materiegesetzen;
bist lediglich Bedürfnis-, Trieb- und Sinnsucht-Tier
verfügt, sich zu verfehlen und zu hetzen
in jeder Stunde so ein Knecht des Wir.
*Das - nach Arnold Gehlen - noch einmal: Ineinander-laufen von Ich-, Hab-, Macht- und Genuss-Sucht.
Über meine Gedichte (3860)49
Was ich da schrieb,
das liest wohl keiner:
Gedichte
ohne Illusionen,
diktiert von Faktensinn,
von Redlichkeit;
indes auch Selbsterfahrung
und Erkenntnistrieb.
Sie heben nicht,
entfalten keinen Traum;
und keine Hoffnung
lassen sie;
sind kühl und schlicht,
begeistern kaum …
Sind vielmehr Ausdruck
unsrer Wesens-Anomie.
Zumal sie Wert auflösen,
Selbst und Würde;
so unser Dasein
allen Sinns berauben:
Den haben keine
Teilchen-Größen …
Es sei denn,
dass an IHN sie glauben.
Abschluss-Verse (3861)50
Ich hatte Glück, das muss ich ehrlich sagen:
Mir waren günstig alle Nachkriegs-Lagen;
sie waren's ökonomisch und politisch,
sie waren's technologisch-analytisch ...
Was es erlaubte mir, mir selbst zu leben:
mich Geistigem statt Triebmacht hinzugeben,
mich abzusetzen von der Wirklichkeit:
Der Diktatur von Spaß, Erfolg und Neid.
Zu füllen so auch meine Herkunfts-Leeren,
tatsächlich lange Zeit nur Seelenschweren.
Geblieben sind jedoch die Einsamkeiten,
das einsichtspralle destruktive Leiden;
vor allem radikale Grundeinsichten
in menschlich tiefste
Barbarei- und Nihilismus-Schichten.
*
So scheint denn auch das Ende mir zu glücken:
Dass mich der Tod wird rechtzeitig entrücken,
bevor die alten Weisen wieder gelten
vom Kampf der einzelnen und dem der Welten,
nicht wissend um's Warum und um's Wofür.
Na ja: Um das, was in uns webt als Tier.
Als weder gut noch böse, eben schier
ein Opfer seiner selbst, heißt Menschen-Märe,
er sei Vernunft, die sich als Geist verkläre.
Indes das ist nicht so, ist Lebenslüge,
die ausschließt Würde und Vollendungs-Krüge.
Über mich selbst
Faktenflüchtiges Sichselbstbewahren (3862)52
Die deutsche Sprache hob mich
über alles das hinweg,
was man Gesellschaft, Welt,
auch das Soziale nennt:
Bedürfnis-, Trieb- und Schein-Bezirke ...
notwendig amoralisch,
ohne letzten Zweck.
In deren Kernen
ein Verderben brennt,
das niemand,
faktisch niemand meistern kann.
Es sei denn,
dass der Geist bewirke,
dass man durchbreche seinen Bann,
so retten könne
vor dem eignen Ich.
Vom Segen der Selbstzurücknahme-Fähigkeit (3863)/Sonett
Die größte Daseinshürde ist man selber sich,
weil, etwa, andere will sichtbar überragen,
was Haben angeht, Gelten, Macht, kurz: Lebenslagen,
verweisend auf die Größe seines eignen Ich.
Man ist ja von Natur schon andren eher Stich:
wenn etwa will belehren sie, will ihnen sagen,
was gut sei, schlecht, welch Werte sollten einen tragen.
Was ehre oder schände - ganz unweigerlich.
Indes ich selber nicht an jene Größen glaube,
es gar für unklug halte, ständig sich zu messen
mit andern - faktisch liegend vor sich selbst im Staube -,
so unsre Daseinswahrheit fliehend, zu vergessen:
Dass man notwendig sich aus Unbegriffnem klaube,
sich selber ausgesetzt, Gesellschaft, Deutungs-Blässen.
Tatsachen und Befürchtungen (3864)54
Ich weiß, ich ruhe der Gesellschaft auf,
nicht lebensfähig wär ich ohne sie;
bin ihr zu Dank verpflichtet ohne Frage.
So formt mich insbesondere ihr Lauf,
gibt vor mir meiner Psyche Melodie,
auf dass nach dieser ich mich selber trage -
oder verpasse mich im Ausverkauf
von Werten, Selbstmacht ... schaffend Spaß-Manie
und eine immer schwierigere Lage.
Reiß dich zusammen Heimat! Ohne Knauf
wird untergehen deine irgendwie
Demokratie genannte Dilettanten-Plage.
Charakterlosigkeit und Unvermögen,
Ideologenstumpfsinn, plumpe Ämter-Stäbe ...
Kurzum: Die Machenschaft der Drögen
ist längst geworden gang und gäbe.
Auf dass wir alle einst am Tugend-Strange zögen,
geknüpft aus Arroganz und Traum-Gewebe.
Mein Nihilismus (3865)55
Uns müssen selbstverständlich
Werte steuern:
Zumal uns, nicht zu werten
gar nicht möglich ist.
Uns rationalen Ungeheuern:
Wir müssen uns in Werten erden.
Wir könnten ohne Werte
gar nicht sein.
Sind sie es doch, die uns befeuern:
Mit Lebenslügen, Perspektiven, Schein,
und sie, die selbst uns zu verbergen,
verhüllen unsre Wesensschiefen.
Indes es Fakten sind,
die meinen Nihilismus steuern.
Er ist nicht Deutung:
Etwa Wert-Verneinen.
Ist vielmehr immanent
doch allem, was da ist:
Identisch mit Materie,
mit Zufall, Raum und Frist …
Er kennt
nicht Geist,
nicht Gott,
nicht Seele, Zweck …
Er kennt nicht
irgend Sinn …
Subjektive Sicht auf unsere Existenz (3866)56
Was hab ich nicht
schon alles mitgemacht,
erfahren und begriffen
in dieser wesensradikalen
Schlacht,
des Daseins Tücken
zu umschiffen.
Sich einzuhausen
in Erlebnis-Trancen,
auch Anerkennung
sich zu schaffen ...
Ja, überhaupt zu nutzen
alle Chancen,
von sich ergriffen
auf sich selbst zu gaffen.
Doch das ist menschlich:
Schein zu pflegen.
Schon weil die Fakten
- immer - deprimieren,
Versagen, Trauer,
Selbstverlust erregen,
kann man sie
sachlich kühl sezieren.
So unsren Spaßkult
als Entlastungsstreben
- Wer kann schon Einsicht
sich verpflichten? -
um sich von sich
als Zeitknecht abzuheben ...
sich fälschlich autonom:
als daseinssouverän
naiv dann zu gewichten.
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