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Diese Seite enthält 59 Gedichte, 44 Prosa-, Reim-Gedichte und 15 Sonette
Existenzielle Grundeinsicht (3692)1
Man kann, sagt man,
nicht raus aus seiner Haut.
Ein Leben lang
sitzt eignem Ich man ein:
Sich Organismus, Streben,
Wert, Bedeutungslaut,
sich Selbstauslegung und
Bedürfniszwang.
Doch wenn man
dann genau hinschaut,
bemerkt man,
dass das eigne Sein
ist tief geprägt
von Artgenossen,
ist deren Werk,
ist fremdbestimmt:
gesellschaftlich-sozial
gegossen.
Doch tragen
muss man das allein:
Man ist entlassen
in die Flucht der Jahre:
Bedürfnisknecht, Phantast
und andern Instrument.
Man deutet Deutung,
kann sich nur
vermittelt fassen,
ist selbst so sich
unweigerlich Fragment.
Anlässlich des Wiederauffindens eines Heftes
mit hingekritzelten Rumpf-Gedichten (3693)2
Pick raus,
was sich
verwerten lässt.
Das Heft
ist zwar
zehn Jahre alt.
Doch hat die Zeit
allein
das Heft gepresst,
doch nicht
den zynischen Gehalt.
Der gilt noch;
gilt wahrscheinlich
immer.
Schon weil wir
selbst doch werden
immer schlimmer.
Ich seh’s an mir.
Man lese oben.
Mich packte förmlich
die Verwertungs-Gier:
Ich habe rücksichtslos
ans Licht gehoben,
was mich da treibt
und auffrisst schier …
Doch ist das nicht
zuletzt erbärmlich?
Und ganz
und gar nicht,
überhaupt nicht groß?
Was zählt denn schon
was Ichsucht schreibt?
Das Ganze heute/Variante II (3694)3
Variante zu (37/2190)
Eine Abfolge von Augenblicken:
Ein Dasein von der Stange.
Die meisten eher schal,
verbraucherstatisch illusionsgetränkt.
Um sich ein Surrogat zu pflücken.
Sei’s suchtprall, selbstarm, faktenfahl,
damit der Glücksbetrug perfekt verfange:
erlebnisintensiv gelenkt.
Indes ich muss auch eingestehen:
Es ist die Basis unsrer Existenz.
Und die, die würde untergehen,
verlöre Halte, Zwecke … ja: Essenz.
Der zweckfreie Lauf (3695)4
Bis in die ersten Teilchen-Schichten
konnte der Verstand sich senken:
Sich Materie zu lichten
durch sein hochabstraktes Denken.
Freilich musste das auch kränken:
Zufall statt den Geist gewichten.
Gott als Illusion entschränken.
Um sich nunmehr zu vernichten.
Alptraum-Synthese (3696)5
Verlautbarungs-Nihilismus
Wortfetzen
syntaktischer Zerbröselung
Zerfallene Orte
Rentner-Infantilismus
in Teeny-Stumpfsinn
Selbst die Wirklichkeit
tobt technogen onaniert
im Hellblut
der Dauerbanalitäten
Verzückungs-Surrogate
Selbstglorifizierungsschübe
fluten brachgeil
die Alltagsneuronen
Zertrümmerungserpicht
übt sich gegenontisch
meine Indolenz
Der Wettlauf zum Nichts
verfeinert kritisch
seine Gleichungs-Taktik
Ein numinoses Helau
zittert sich suffbefröstelt
durch entseelte Unwegsamkeit.
Rohe Niete (3697)6
Traumwund huschen die Jahre dahin
verrottet leerer Innenwelt.
Sie schießen gramstumm in ein Kindheitsfeld,
mit Sommern balgend um erhofften Sinn.
Auch darum, dass sie sich verlören,
zumal längst ihrer selbst schon müde,
verzweiflungskalt sich endlich zu zerstören,
zumal doch wissend um die rohe Niete,
die man das Menschen-Dasein nennt:
Nur Hyleform, entzweckte Lotterie,
die mit Fiktionen spielt,
Vernunft und Wert und Norm ...
Monadentrost in schierer Perfidie.
Unterschwellige Zeitgeist-Botschaft (3698)7/Sonett
Man soll sich gönnen was; und nicht viel denken;
primär nach Bildern und nach Reizen jagen:
Erregungs-Emotionen und Vergnügen,
sich spaßsubtil so von sich selbst ablenken,
sich infantile Illusionen schenken,
die sicher durch die Zeitgeist-Wirren tragen,
da, unbewusst, doch würden Angst verfügen,
Verdrängungssucht, gar Existenz-Versagen.
Korrekt. Zerbräche man denn nicht im Wissen
um all die Formen von Entwurzelungen,
die von Natur, uns selbst, gar Gott wegrissen,
zumal doch grad dem Faktum abgerungen,
dass wir als Techniker zerstören müssen:
sapienter Ratio ausweglos gedungen?
Gebundene Eingebungen (3699)8
Ob da was kommt, wenn mal der Tod eintrat,
wenn endlich hinter sich’s man hat,
man los ist sich, die Welt und dies:
umsonst zu greifen in was unklar bleibt,
die Riege der Verworrenheitsbefehle?
Ich glaube kaum. Es wird nur Stoff und Zeit
und Norm und Zwang gewesen sein -
Und Scheitern, da auf sich gestellt,
man ganz allein nur sich erlebt:
Gehirnausfluss in Ungefähr gezeugt.
Und doch für mich wird’s gut gewesen sein:
grandiose Chance als Zwischen-Los
von acht Jahrzehnten, bis erneut
der Seelenabgrund nach Zerstörung giert
und schuldlos Barbarei umtobt.
Absage IV (3700)9
Ob ich, böt’s mir ein Gott an,
noch mal liefe
durch Ich, durch Selbst,
Gesellschafts-Lotterien:
Die ganze Lumperei
von uns gemeinen Frevlern,
Pleonexie verhaftet,
Hybris, Angst und leeren Worten?
Gewiss doch nicht,
ich sagte nein,
schon weil ich weiß
um die Vergeblichkeit,
die a priori schon
doch köpft
sei’s welchen Zweck und Sinn
und Halt auch immer.
*a priori = von vornherein; vor aller Real-Erfahrung
Dank II (3701)10
Doch danken will ich noch
den Stofftrance-Körpern,
die sich mir schenkten,
auch mal bis zur Neige;
mir manche Stunde so
mit ihrer Gier verklärten …
Vergessen ließen mich
die Wesens-Einsamkeit,
die schiere Daseinsleere,
jenes Dauerschweigen,
das mich oft heimsucht,
anfällt und verspottet;
die mich verzauberten,
mich zitternd ketteten
an Illusionen, Trostgehalte,
an scheinbar zeitlos
fleischerfüllte Stunden,
Orgiastik-Bann und
Daseinsfülle ausgeronnen.
Zwangsgeschehen (3702)11
Ohne Drang, uns zu verfeinern,
Kreatürlichkeit verfallen,
Mitte-, Maß und Geist-Verneinern
Kaufkraft- und Effekt-Vasallen ...
Auf Genuss aus, Körper, Gelten
in den Augen der uns Gleichen,
träumend von perfekten Welten
kindischer Versimplungs-Zeichen.
Diesseitsstramm auf uns bezogen,
lechzend so nach Unterschieden:
Sich entfremdet aufgesogen
Mimender sich als Eliten.
Phrasen deutend uns erregt,
nur noch Lebenslügen feil,
hörig auf uns selbst geprägt:
Tröstendes Erlebnis-Heil.
Spurtränen (3703)12
Völlig unzusammenhängend:
Meine brachialen Gehirnausbrüche,
in was auch immer
einsichtslüstern sich ergießend.
In prototypische Bilder etwa
von Versimpelungsrunden,
die sich Bedeutung zurechtstottern,
Umsatz - und nur dem - gewidmet.
Der freilich weint einsichtsscheu
hinter sich selbst her,
Redundanzneuronen erwinselnd,
um auch die zu besetzen
mit reizpraller Tauschlärm-Orgiastik.
*redundant = überflüssig
Gleichheitssregressiv (3704)13
Chrematophiler
Gleichheitsobsession:
Der Technik-Moloch,
als Demiurg der Seelen,
ergreift die Selbste monoton,
damit sie sich verfehlen,
damit sie murren, toben,
endlich grölen:
Wir wollen uns
als Standard-Mohn.
*regressiv = zurückfallend auf frühere Entwicklungsstufen
*chrematophil = griech.: geldliebend
*Obsession = Besessenheit
Erlösungskonsum (3705)14
Wer heutzutage eine Meinung hat
und glaubt, er müsse sie bekunden,
begriff nicht des Systems Finessen:
Egalitäre Indolenz erzwingt es so.
Ich schweige alle meine Tage fort,
verdichte höchstens noch in Geistgebilden
dies magisch lusterfüllt sterile Sein,
das einen seiner als Person entwöhnt.
Und preise dennoch es als höchstes Gut,
als eines Selbstverwerters Dauer-Gieren,
das, wenn erfüllt, die Affenbestie zähmt,
beseligend mit Schlüsselsurrogaten.
Kollektivsubjekt (3706)15
Die In-Eins-Setzung
der Psychen-Brösel
- ihre Integration
zum Kollektivsubjekt -
schreitet immer schneller,
immer effektiver voran …
Mit dem Ziel einer
systemsynthetischen
All-Regression
in entlastungsträchtige
Verelendungsschübe.
Richten wird das KI.
Fremde Bewusstseins-Schliffe (3707)16
Wie wesensfremd mir
doch die andern sind.
Es ist mir selber
zum Erstaunen.
Monaden sind’s,
die mir begegnen,
Verlassenheitsgezeichnete:
Ein Heer von Ichen,
Ratio-Zwängen abgegriffen,
subtil gegängelt,
anonym verlassen.
Wie ich: In Geist-Konstrukten,
selbst mir zu entgleiten.
Augenblicklicher Eindruck (3708)17
Es wabert diese Traurigkeit
schon wieder über all das hin,
was mir begegnet als
Entwirklichungs-Diktat.
Das auf der Stelle tritt
als ein Erstarrungs-Joch
in feiler Optimierungs-Sucht.
Von Lustkultsplittern
deklassierter Psychen
erlösungstrivial drapiert.
Verwirrungssüchtig, entlastungslüstern, drogeninfantil und tugendlüstern verantwortungslos (70/3709)
Ernst kann ich hier
doch nichts mehr nehmen.
Konkreter: Wen denn, was;
und wenn, warum?
Lass indes ab,
mich allzu sehr zu grämen,
zumal die Macher
sich’s nicht nehmen krumm.
Tu vielmehr leeren
Glas um Glas,
sodass mir
viele Räusche kämen:
Ich sauf’s mir schön
und mach auf dumm,
so zu verdrängen,
dass das Land geht um.
Es will und muss sich
kafkaeskstier lähmen,
so auch mit Tugend-
und Verwaltungs-Hämen,
sich Selbstverlusten
so dann zu bequemen
im deutsch-humanen
Masochismus-Bann …
Könne doch der nur noch
die Menschheit zähmen.
Mein Leben (3710)19
Ich sehe es als Zufallsgabe.
Nicht eines Gottes freilich;
nein, der Hyle.
Was es ganz sinnlos macht
bis hin zum Grabe;
im Kern bedeutungslos
und völlig nichtig.
Verwoben anonym
mit allen Artgenossen
und hilflos ausgesetzt
den späten Gossen
sapienter Zwangsschöpfungen …
Weder falsch noch richtig.
Doch dies zu greifen,
geistig zu durchdringen,
es in Gedichten zu entfalten,
das macht es lohnend,
lässt mich reifen
zu einer stillen Demut
vor dem stummen Ringen,
in dem trotz Trauer,
Scheitern und Verfehlen
in mancher Stunde
seltne Anwandlungen
als Traum und Sehnsucht
an sich selbst festhalten.
*Hyle = Materie (wörtlich: Ein Stück Holz.; Bedeutung "Materie" seit Aristoteles, 384 - 322 v. Chr.
Kunstwelt-Hysterien/Sonett (3711)20
Die Kraft, dies Dasein, was es ist, zu sehen,
das ist doch auch so was wie eine Gnade.
Denn dann muss man sich nicht mehr hintergehen;
nur öfter sagen mal: „So ist es. Schade“.
Zumal auch nicht um Zweck und Inhalt flehen,
nicht Zeitgeist-Illusionen ziehn zu Rate.
Kann leidlich ungeschoren auch bestehen
das wirre Dasein einer Marktmonade.
Indes: Was ist es denn, dies schiere Leben?
Materie-Gefüge: Stoff-Einheit.
Und das bedeutet allprekäres Streben
nach Leiberhalt und einem Sinn-Geleit
durch Wertegefüge, die Entlastung weben:
sozial verankert und gewaltbereit.
Die Erfahrung des Absoluten (3712)21
Denn überhaupt, wer Gott ahnt,
Ihn, dies absolute,
dies mystisch pantotalitäre Sein
- mag Er Schimäre auch,
Behelfstrance,
metaphysisches Phantom
nur hin gestammelte Geborgenheit,
ein qualgehetzter Aufschrei sein allein,
ein Nichts, ein X, ein Seelenhauch -
den wird er dennoch tragen,
brechen seine Daseinsknute,
ihn vor sich selber schützen,
ihm Vollendung sein,
in allen Leeren Sinn- und Halt-Geleit.
Immer häufigere Anwandlung (3713)22
Es ist sehr spät,
ist’s jedenfalls für mich.
Mir hilft nichts mehr.
Auch kein Gebet.
Ich will und kann
nicht mehr,
bin krank und schwach,
mir Alterslast,
von der der Tod,
nur der allein doch
könnte mich befreien.
Zumal auch holte dann
aus diesem Meer
von Schmerz, von Unflat,
Trivialität …
von Menschentum
das niemals sich gerät,
kann heutzutage
nur noch rational:
sich selbstzerstörerisch
gedeihen.
Prosafetzen (253) (3714)23
Hingeworfen,
diese Zeilen.
Indes wirklichkeitsträchtig
bis in die Kerne
der Grundkategorien:
Brot,
Sex,
Prestige,
Traum,
Sorge,
Lebenslügen,
Zeit …
Verfehlen,
Scheitern,
Verfall.
Prosafetzen (285) (3715)24
Geistig mir selbst begegnend,
mache ich zugleich
ein Heer von Fremden aus,
Spalier stehend
in meinen Seelentiefen …
Von Anfang an
anonym synthetisierend,
was sich als
unteilbare Person,
als dieses besondere Selbst,
mir Halt gebend,
vorgaukeln will.
Prosafetzen (295) (3716)25
Linkisch unbedacht mich
den Zeitgeistverlockungen
überlassend,
zettle ich mich selbst an,
betört von so viel
inszenierungsträchtiger
Außensteuerung,
verführerisch
mich umschmeichelnd
mit allerlei
Glückseligkeitsversprechen …
Um dann schnell zu begreifen,
dass ich diesen würde
ausweichen müssen,
um mich drastisch
vor ihnen zu schützen …
zu wehren gegen
diese subtilen Arten und Weisen,
sich selbst zu verlieren,
ideologisch indoktriniert
und heruntergebracht zu werden
auf die Seelen-Stufe
eines sich selbst
abhanden gekommenen
Umnachtungs-Knechtstums.
Trost (3717)26
Was kann man, alter Mensch,
denn noch erwarten,
von sich, den andern,
der Gesellschaft auch?
Doch längst Verfall
und Todeshauch
in diesem
wohlstandskranken Garten
der Selbstverluste und
der Mammon-Zwänge.
Nun ja: Von sich
gewiss doch dies:
Erleichterung und Trost
und Zuversicht,
dass man im Nichts
muss nicht mehr weinen:
Der Tod wird haben
umgedreht den Spieß:
Befreit wird sein von sich
der Leib, das Ich
verschwunden dann
aus des Bewusstseins
Sinn-Verlies,
so nicht mehr
kämpfen müssen,
lügen oder scheinen.
Trauerzüge (3718)27
Tage des Schweigens,
des Verfalls, der Angst
und der Gefangenschaft
in stummer Mittellosigkeit,
vergisst man nie.
Spürt ihre Würgelasten
wohl gleich schwer
bis zum letzten Atemzug.
Doch ihrer Leeren kundig,
Einsamkeiten, Seelenlasten,
die lebenslang man mit sich trägt,
gelingt es einem doch zuweilen,
sie sich in ein Gedicht zu bannen,
zu überstrahlen geistig so,
verklärend ihre Trauerzüge
zu monotonem Gottbegehen.
Einsichtsfülle (3719)28
Da kommandiert mich
eine Einsichtsfülle,
die keine Lebenslügen
mehr erlaubt.
Die radikal verneint,
was Sinn man nennt,
Moral, Vertrauen, Zuversicht.
Und alles Glück zumal entlarvt
als sanfter Blindheit
wunder Sehnsuchtsbettel.
Vermutungen (3720)29
Ich dichte monoman mich aus Gegebenheiten,
die längst, ich weiß es, mich so knebeln,
dass ihnen zu entrinnen nicht mehr möglich ist.
Da sind die kollektiven Wirklichkeitsverluste
der Massen wie auch der Funktionseliten,
die - ich vermute das - auch an sich selber leiden.
Und deshalb rasseln mit recht stumpfen Tugendsäbeln,
sich irgendwie zu zimmern ein Fiktionsgerüst.
Auf dem verdrängen sich dann lässt
dies allen doch schon längst Bewusste:
Dass wir, allein uns selbst nur ausgesetzt,
sind sehr wahrscheinlich Untergang beschieden.
Begriffen II (3721)30/Sonett
Gedenke manchmal jener fernen Tage
erotisch kommandierter Leibeinheiten,
zu provozieren jenes Lustgelage,
sich als Person in schaler Welt zu meiden.
Und diesen Nihilismus (Ratio-Krake),
der macht, dass man sich von sich selbst abscheiden,
ja: inszenieren muss, dass man ertrage
existenzielle wie mentale Pleiten.
Doch immerhin: Ich habe es begriffen,
dass Selbstbestimmung unter Lustbefehlen
zu Lügen führen muss und Zwangstäuschungen.
Ist man doch einer Dekadenz verschliffen,
die runter bringt die sinnlädierten Seelen.
Von Hedonismus phrasenreich gedungen.
Pessimismus (3722)31
Nach mir die Sintflut
und das Großgezeter,
die drückenden Erbärmlichkeiten
die Konsequenzen auch von Artdiktaten.
Wie sind nun mal nicht gut
und Opfer steter
abstrakt verborgener Verwickeltheiten …
barbarischen und ratiofaden.
Was sollen da die Tugendlitaneien,
die Wirklichkeitsverluste und
die Impotenz in Sachen Macht?
Zumal wenn auch die Gurus schreien,
der Mensch sei fein und seelenwund ...
Indes doch Barbarei und Gram entfacht.
Dankbarkeit II (3723)32/Sonett
Der Zufall hat mich wirklich reich beschenkt.
Mich etwa ausgestattet mit der Gabe,
das, was als höchstes Gut gilt, nicht zu brauchen:
Erfolg und Macht und Schein und Geltungslügen.
Mich hat was anderes: der Drang gelenkt,
mich nicht zu klauben aus Konsumgehabe
und nicht als inszenierte Null zu hauchen,
mich Tugenddung und Zeitgeist zu verbiegen.
Im Gegenteil. Ich durfte mich gewahren
als Umsatzgröße, Stimmvieh, Stoffgefüge,
zu optimieren mich und zu genießen
als Abstraktions-Atom im Strom der Waren
als asozial berauschte Lebenslüge,
auf Emotionen-Ramsch und Trug verwiesen.
Gedichte in unseligen Zeiten (3724)33/Sonett 1
Wozu Gedichte noch in diesen Zeiten
moralfanatischer Bewusstseinslagen?
Die doch die Fähigkeit zu hinterfragen,
was ihre sprachverarmten Träger leiten,
ja zwingen mag, sich selber zu entgleiten,
zuletzt zu affektiv gesteuert vagen
Empfindlichkeiten ohne Kernbesagen
herunterbrachten … Neidsucht sich zu weiten.
Mich selber los zu sein und so zu retten
in Einsicht, Sprachmagie und Sinnbezüge:
Zu klauben mich aus meinen Selbstbeständen.
Weil ledig dann der konsumtiven Ketten
und ihrer glücklos übervollen Krüge …
Und wissend, dass nur Geistmacht kennt Vollenden.
Gedichte in unseligen Zeiten (3725)34/Variante 1/Sonett 2
Wozu Gedichte noch in diesen Zeiten
die sich in Nihilismus längst verlieren?
Und deshalb Wohlstandsdrogen variieren,
sich zu verhehlen all die Daseinspleiten,
die sich ganz tief in die Person einschneiden.
Sie hedonistisch cool mit Spaß zu schmieren,
auf dass sie setze auf die Kultallüren,
sich marktkonform verdinglicht zu entgleiten.
Um ihrer Geistmacht mich zu überlassen,
die hilft, mich realistisch zu verorten.
Dass ich gefangen bin in Großprozessen,
die man als Kreaturenzwang kann fassen:
Bedürfniskommandiert und fremd den Worten,
die gottverlassen metaphysisch messen.
Gedichte in unseligen Zeiten (3726)35/Variante 2/Sonett 3
Wozu Gedichte noch in diesen Zeiten,
die doch an Fortschrittsmythen sich verloren.
Entlastung saugen sich aus Wohlstandsporen,
sich zu verhehlen, dass sie nicht mehr leiten
sich selbst … Ihr Schicksal können nicht mehr meiden:
Verfügt zu sein dann digitalen Foren,
um, deren Algorithmenzwang vergoren,
sich letztlich von sich selber abzuschneiden.
Nur noch Gedichte können es bezeugen,
dass Menschsein mehr sein muss als durch Verfahren
und Gleichungsexzellenz sich zu beweisen:
Dass man sich Selbstverzicht und Maß muss beugen,
um sich als Daseinshoheit zu bewahren:
nicht infantilorgiastisch zu entgleisen.
Die Liebe/Für …(3727)36
Die Liebe meine doch, sich selber wagen,
das Risiko, sich selber zu verlieren.
So werde man für sich nach Liebe jagen,
real indes nach Traumgebilde-Schlieren?
Doch hat man sie, wem soll man sie dann geben,
wenn alle doch nur auf sich selber pochen?
Die Ich-Verzückten, die nach Freiheit streben,
erlebnishörig Zeitgeist-Trance verkrochen?
Kann sie als Eros glücken, nur gelungen
als geistig-asoziale ohne Ziele?
Prekär zerbrechlich Alltag abgerungen
und seiner fad verlognen Wohlstands-Mühle?
So wäre Illusion sie und Schimäre
für Körper, weltlos nur von Lust getrieben? -
Sich eine Nacht lang die Verlogenheits-Misere
des Lebens als Berauschungsmohn zu sieben?
Was heißt schon Liebe, diese leere Kinderei?
Sie bleibt für mich der Selbstsucht hochsubtile
Zerbrechlichkeit als jener stumme Schrei
der Daseins-Einsamkeit ganz stummer Kühle.
Seiner selbst sich entfremdetes Körperding (3728)37
Es hat doch
keine Worte mehr,
dies Körperding,
um sich als Du
noch mitzuteilen.
Erscheint so seelenlos
wie ungreifbar,
erscheint so
dumpf und leer.
Als ob es zwanghaft
müsse stylen
und inszenieren sich
nach Star-Vorgaben:
Um überhaupt etwas
zu sein.
Es kann sich, scheint es,
nur als Abklatsch haben.
Medial gegängelt,
selbstarm, allgemein.
Was sich da hingibt,
ist Schablone,
die zeitgeisthörig stumm
sich mir,
sich selbst entzieht,
dass sie belohne
die Ich-Fiktion
vor der sie kniet.
Die Kandidaten (3729)38
Was ich da höre, sind drei menschlich Arme.
Repräsentanten eines Hochkulturverlustes,
politisch unbegabte Durchschnittsseelen
die jene kulturelle Leere nutzen,
sich dilettantisch selbstvergessen
und tugendhypertroph zu inszenieren.
Effeminierter Büttenredner ohne Charisma,
das ist der eine, kratisch impotent,
weltoffen-wertverwirrter Kümmerer,
gewissenswirr ins Blaue grinsend,
ein karnevalsjovialer Wolkenläufer.
Polit-Traumtänzer ohne Machtgespür.
Der andre Unschuldslamm, das kratisch sanft,
den Kompetenten mimt und All-Besorgten.
Ein Diener seiner Mittelmäßigkeit,
allwendig flachselbstlistig zynisch.
Indes Politprofi, der weiß,
dass Show ins Amt führt. Wahrheit nicht.
Und eine Ich-Magd reinen Machtehrgeiziges,
die selbstbestandslos ihr Persönchen kost,
ein kaltes, ethisch dauergeiferndes,
des Weltgewissens freilich hehrste Stimme …
Gelispelt aus der Herrschsucht Tiefen,
polit-messianisch skrupellos verdeckt.
Gedicht für Deutschland (Variante zu ‚Die Kandidaten’) (3730)39
Effeminierter Sinntraumtänzer,
der eine, unfassbar,
sei’s inhaltlich, sei’s als Person:
Leidlicher Büttenredner allenfalls,
politisch-machtstrategisch
völlig unbegabt.
Der andre leidenschaftslos,
unfehlbar rhetorisch dorrend;
ein Virtuose der Besagungslosigkeit,
ein strammer Diener der Partei,
der sich da anempfiehlt,
grad weil von Scheitern doch geprägt.
Dann diese Ehrgeizwunde,
die mit dem haltlos kalten Seelchen.
Vor Selbstbestandsarmut
das X begeifernd
totalitärer Tugendfrömmelei.
Politmessianisch machtstier
weltgewissenstrunken fad.
*
Drei geistig Arme treten auf da,
sich bekämpfend.
Es geht um Selbstwert auch,
von keinem jemals zu erringen.
Auch nicht durch Macht,
um die sie daseinsblass sich balgen.
Mit Illusionen strafend
jedes ihrer Worte.
Ideologisch und .
gesinnungsradikal …
Ein deutsches Lehrstück
zeitgeistdumpfer Seelenbrachen.
*
Was bist du doch, mein Deutschland,
tief gesunken;
hast gar dich selbst verloren,
aufgegeben
an primitive Pseudo-Intellektuelle:
narzisstische Politphantasten.
Die arrogant und dummfrech
sich ergehen
in Rechtsbruch, Korruption
und Ethikschmu.
Zu feige noch,
sich selber unverhüllt zu sehen:
Dies Trug-Gemurmel
leerer Dauernichtigkeit.
Selbstinfragestellung (3731)40/Sonett
Vielleicht indes mag ich mich gründlich irren.
Zumal ich mich ja selber manchmal frage:
Sind da am Werke objektive Zwänge:
Historisch unvermeidlich letztes Zucken?
Und also mehr als nur Versagenswirren …
So dass sie kippen muss, die späte Lage,
notwendig führen wird in Niedergänge …
uns etwa wird die Ratiofalle schlucken?
Fest steht: Wir haben Gott und Sinn verloren.
Halt, Heiterkeit und alle Seelengröße.
Realitätssinn, Selbstdistanz und Stille.
Sind unzufrieden, aggressiv vergoren
nur Ramschkonsum noch, dass er uns erlöse …
als fade Anti-Nihilismus-Pille.
Diese, unsere künstliche Welt (3732)41
Sie ist unendlich kompliziert,
ist widersprüchlich, gierig, laut;
macht, dass an sie man sich verliert,
zumal als Quelle von Erfolgen auf sie baut.
Was bleibt auch übrig einem Einzelwesen,
wenn es sich nicht verheddern will
in ihren Wohlstands- und Polit-Synthesen?
Es muss vertrauen ihnen, halten still.
Weil längst doch völlig außerstande,
sie noch als Ordnungseinheit sich zu klären:
Tatsächlich hat sie weder Kern noch Kante …
ist nur noch Quell von Glücks- und Sinn-Schimären.
ZINSJA (18) Verödungsmagie (3733)42
Nichts, gar nichts
hat es auf sich
grad mit mir.
Bin völlig wehrlos
gegen diese Maschinerie
Muss zusehen ihr
und akzeptieren dies:
Dass sie Adiaphora
nur wirft noch aus,
die spaßbasal sie eng
zusammenhalten.
Verödungsmagisch
sich zu kapern
die individuellen Innenwelten.
Und so auch meine,
wenn auch indirekt.
Der Amtsinhaber (3734)43
Er schüttelt Hände, lacht,
macht Witze und
tut sich
als Sprücheklopfer kund -
Der smarte Amtsinhaber …
Darin Routinier,
zu reden viel,
doch nichts zu sagen.
Weshalb er immer wieder
auch entfacht
den Jubel aller,
die ihn sprechen hören.
Er hat’s verinnerlicht,
das Machtstrategen-Spiel:
Erwähnend etwa homo faber,
der Würde Kraft
und Hoffnungs-Licht,
das Jahrmarktsfest
als tollen Knaller,
dass in der Stadt
sich alle ehren,
weshalb sie Vielfalt atme,
sei auch allseits bunt -
Ein Vorbild sei,
bei Sonne, Regen,
Wind und Schnee.
Verborgene Existenz (3735)44
Zwar bin ich immer Atheist,
wenn mich ein Aufgeklärter fragt.
Indes mir Gott viel lieber ist,
wenn er als Dämon in mir tagt,
mir Sehnsucht mach nach Sinn und Zwecken,
nach Inhalt, der nicht konsumtiv,
nicht starrt von Schnäppchenjägerflecken,
nicht cool ist und nicht marktlasziv.
Gemahnt an Ehrfurcht und an Scham,
entzaubernd Ich- und Gleichungs-Gram.
Ist er der Dämon doch, der hielt und trug,
der Dämon meiner Phantasie.
Der mir, noch Kind, schon jene Bresche schlug,
zum meistern Barbarei und Ich-Manie.
ZINSJA (44) Ein Seins-Wunder (3736)45
Ein Wunder, dass ich mein Leben
trotz Fremdheit, Verbitterung,
Alleinsein und Gleichgültigkeit,
bis ins Alter klaglos ertragen habe.
Freilich: Die Geistbegabung
hat mir dabei geholfen:
Radikal ideologiefrei,
sachorientiert und einsichtswillig,
ließ sie nie den geringsten Zweifel
an der absoluten Sinnlosigkeit
der menschlichen Existenz.
Aber wer wollte schon wissen,
dass es dieser Nihilismus ist,
der mir stets auch Anlass gab
zu tiefster Heiterkeit,
Zufriedenheit und Dankbarkeit dafür,
zwischen Nichts und Nichts
das Wesen zu sein,
in dem sich als Teilchen-Gebilde
die Selbst-Erkenntnis
der es ausmachenden baryonischen Materie,
durch die Gehirnentwicklung
auch Geist-Instanz geworden zu sein,
über 13,82 Milliarden Jahre hin vollzog …
Als blindes Zufallsgeschehen,
aus dem auch ich hervorging
um für ein paar Jahrzehnte
Teil zu haben an ihm als einer
der Gedichte verfasst im Bewusstsein
der absoluten Sinnlosigkeit seins Daseins.
Die nur noch halbbegabte politische Funktionselite/6 Sonette
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Wozu noch Würde in verlognen Zeiten,
sich flunkernd durch abstraktes Tugendwallen
mit Toleranz-, Respekt- und Freiheits-Fallen,
moralsophistisch eitel zu verbreiten?
Indes sie Fakten phrasenreich vermeiden,
die selbstlobwirren Macht- und Ich-Vasallen.
Die Wirklichkeitsverluste nur belallen.
Narzissten, die durch Geistesarmut gleiten.
Ich kann das, hilflos, nur zur Kenntnis nehmen,
wie sie sich spracharm selbst zugrunde richten:
Die Mittelmäßigen, die sich nicht schämen,
zu offenbaren ihre Tiefenschichten:
Als Sprücheklopfer noch sich selbst zu lähmen,
indem Vertrauen sie naiv vernichten.
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Man kann das, will man’s nur, ganz leicht erkennen,
dass da Substanzkorrupte frech agieren:
Bedeutungssucht und Ehrgeizzwang zu stillen:
Die Brunft bedeutungsloser Zeitgeistträger.
Ganz kleine Seelen, die in sich verbrennen
und folglich drängen, sich zu etablieren
als solche, die auch andere erfüllen.
Wie sie gesinnungskalte Phrasenjäger.
Dass es umsonst ist, wenn ich das verachte,
das muss mir niemand explizit erklären.
Ich spüre doch, dass da was bricht ganz sachte:
Zum Beispiel diese deutschen Wohlstandsmären,
die man sich hier als Höchstes Gut ausdachte,
indes Person sie, Glück und Halt auszehren.
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Ich glaube nicht, dass man sie tadeln kann:
Ist es sich selbst verfügter Durchschnitt doch.
Und der entrinnt nicht diesem Daseinsbann:
Totalitärem Ich- und Geltungs-Joch …
In diesem Fall, dass man sich nie gewann
als Geistesfülle, die aus Zufall kroch,
noch Realist, durchschauend endlich dann
den Selbstverrat in diesem Daseinsloch.
Ich selbst? Als Individuum ein Nichts,
bedeutungslos, ein selektives Maß
an Umsatz- und Bedürfnis-Kompetenz:
Vertreter ausbeutbaren Leichtgewichts,
der sich belämmern darf mit Marktlachgas:
Bejohlter Null- und Nichtigkeits-Valenz.
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Oligarchie von psychisch Impotenten,
die, von sich selbst ergriffen, kalt versagen,
Vertrauen ruinierend Selbstlob jagen
und Fakten je nach Machtvorteil sich wenden:
Mit Tugendgeifer selbst noch Wahrheit schänden.
So schleichend Staat und Recht zu Grabe tragen.
Zuletzt herunterbringen alle Lagen,
bis in Gewissenlosigkeit sie enden.
Indes: Wie könnte anders es denn sein?
Da werkeln ehrlos Selbstwert-Infantile,
die doch nur fühlen können sich allein.
Medial getrimmt auf Tricks und Brot und Spiele,
auf Inszenierungsschauspiel ohne ein
Gefühl dafür, dass Macht sie unterspüle
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Man hört das oft, sie führen’s gern im Munde:
Dass ihnen diese über alles gehe:
Demokratie, von ihnen zu bewahren.
Denn dafür stünden alle sie entschlossen.
Das sagen sie in jeder Talk Show-Runde.
Auf dass man ihre Wichtigkeit verstehe:
Wir alle würden in die Hölle fahren,
wenn sie nicht wären. Klug wie unverdrossen.
Demokratie? Die scheint mir elitär.
Setzt sie Askese doch: Verzicht voraus.
Geist, Einsicht. Jede Art von Gegenwehr,
was Show angeht, Narzissmus, Saus und Braus.
Um nicht, vor Lust und Nihilismus leer,
zu werden Gosse eines Würde-Gaus.
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Wozu mich zieren in so öden Zeiten
moralisch garantierter Daseinsfallen?
Wie Wohlstand, Fortschritt (ingeniösen Krallen),
die drastisch zwingen, Menschlichkeit zu meiden.
Zumal die Leute von sich selbst abschneiden,
auf dass sie sich als tief Beglückte lallen …
Obwohl sind deklassierte Marktvasallen,
die sich erlebnisintensiv erleiden.
Ich kann das, hilflos, nur zur Kenntnis nehmen,
auch drum bemühen, all dem zu entrinnen:
Mich vor mir selbst nicht happy zu entschämen.
Muss ich mich doch durch dieses Dasein spinnen,
besonders zu entzaubern seine Schemen:
Die unfehlbaren Phrasentrödler*innen.
ZINSJA (47) Wirre Kindheitssehnsüchte (3743)52
Glas um Glas dieses billigen Fusels
leere ich. Seit Stunden. Billigwein aus ferner,
mir nie so recht gewogener Heimat.
Indes Heimat. Immerhin. Und Leidgefilde.
Doch das sei radikal verdrängt hier.
Jetzt, da ich trinkfest wie drogenlüstern
und zügellos übermütig zugleich,
wieder einmal vermessen und haltlos genug bin,
mir die maßlose Ahnung zeitloser Vollendung
meiner Tierheit einzubilden, mich rücksichtslos
zu berauschen an fuglosem Immersein.
Jener mythischen Geborgenheit der Frühe
mich träumerisch wieder zu verschreiben …
Einst schon von den Steinen der Stadtmauer
meines Heimatdorfes sie mühelos kratzend,
um dann mit ihr auch die Winde zu locken,
die an den Himmeln über den Feldern,
auf mich herabzugleiten, mich zu umhüllen,
den Staub der Mauer und jenen boshaften Flecken
definitiv hinter mir zu lassen, mich mitzunehmen
in jene allen Worten sich hartnäckig verweigernde,
seeleneinsam flimmernde Vollendungsphantasmagorie.
Haben, Gelten? Unbedeutend.
Gelernter Verbraucher (3744)53
Geringfügige Variante zu (22/1299)
Hier ist für jeden was dabei,
von Schokolade bis Salat.
Ich steh für Unterschied
wie Einerlei:
Mal für den Sexgenuss,
mal für das Zölibat.
Ich lümmle dummdreist
immer gleich: „Na und“?
Das ist so meine Masche.
Man kommt nun mal, flexibel,
seltner auf den Hund,
zieht faktisch kaum die falsche Lasche.
Mein Motto ist Beliebigkeit.
Egal, worauf bezogen.
Bin optimistisch, cool
und seelisch light
und stündlich happy
unterm Medienbogen.
Schuldlos in sich selbst gefangen (3745)54
Indes ich bin nicht so naiv,
an eine bessre Welt zu glauben:
Nicht gängig ich-lasziv,
mir klaren Blick zu rauben
auf das, was ist; und sein auch muss.
Zu Bessrem sind wir nicht gemacht:
Uns selbst verfallen bis zum Schluss;
auf uns - und nur auf uns - bedacht.
Und daran ist nicht einer schuld,
da kommandiert das Wesen,
sich selber Ziel doch aller Huld:
Im Bann von stofflichen Synthesen.
Weiß nicht (3746)55
Müsste ich zusammenfassen,
was ich lebte und erfuhr,
müsste ich es offen lassen:
War es Fakt? War’s Deutung nur?
Müsste ich auch eingestehen,
dass ich’s deshalb schon nicht weiß,
weil ich musste oft verdrehen:
wechseln - aus Kalkül - das Gleis.
Frage mich so überhaupt,
ob ich Wirkliches je traf.
Oder ob ich’s nur geglaubt,
hab es gar fingiert im Schlaf.
USA VIII (3747)56/Sonett
Da bringt sich eine Supermacht herunter
durch Zwietracht, Hass, soziale Großgefälle,
durch Selbstverlustangst und durch kulturelle
Primitivismen: Etwa Medien-Plunder.
Oligarchie statt Demokraten-Wunder
wird dieses Land für immer mehr zur Zelle,
in der die einen treten auf der Stelle,
indes die andern treiben’s immer bunter.
Amerika, dein Traum verkam zur Gosse.
Du wirst beherrscht von sexbesessenen
Politschauspielern einer Starkultposse.
Die sich nicht schert um die Vergessenen,
bedient in erster Linie doch die Bosse.
Nicht die von Abstiegsangst Zerfressenen.
Fundamentale Täuschung (3748)57
Monologe. Nichts als Monologe.
Ein ganzes Leben lang nur Wort-Gefangenschaft.
In Deutungs-, Stimmungs-, Wir-Gewoge.
In die man sich als Leibgefüge rafft.
Tatsächlich spricht man nie mit sich.
Berührt sich allenfalls im Bann der Einsamkeit.
Man kämpft sich durch als fremd besetztes Ich:
Gesellschaftlicher Scheit.
Und trifft man dann sich doch einmal,
erkennt man all die tiefen Widersprüche,
die man, sich festgelegte Qual,
sich deuten muss als Wesensbrüche.
Unbelehrbar (3749)58
Ich werde nicht verstummen.
Es weiter - nutzlos- mir sezieren
dies lärmende Verdummen
im Schlepptau der Allüren
gesellschaftlich blasierter Kräfte,
zum Untergang bereit
im Triebsog der Geschäfte,
dem Magischen geweiht.
Was sonst im Wiederholen
abstrakter Gleichungsliturgie, die
Erlösungs-Umsatz anbefohlen,
längst einübt Phrenesie?
Evolutions-Kommando (3750)59
Geringfügige Variante (55/2854)
Ich bin doch nicht frei,
in keiner Weise,
bin gesteuerter Schrei
aus rohem Geschmeiße,
das ewig versucht
sich göttlich zu machen,
um doch nur verrucht
und hörig den Sachen
ein Selbst zu fingieren
das tritt, lügt und rafft,
verhängtem Brillieren
befehlstreu vergafft.
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