Seite 67

Ein Fremdwörterverzeichnis finden Sie hier

Diese Seite enthält 64 Gedichte, 55 Prosa-, Reim-Gedichte und 9 Sonette

Zeitgemäße Kernumstände (3512)1

Am besten scheint, 
man lässt sich 
einfach treiben:
Besäuft sich, 
vögelt, protzt 
und frisst.
Fragt nicht,
was trägt, 
was faktisch ist …
lässt so sein Ich
vom Markt 
aufreiben.
Denn so wie’s steht,
ist alles einerlei:
sind Ehrfurcht, Scham,
Gewissen obsolet.
Nur Mammon nicht,
nicht Gier,
nicht Sauerei …
Weil ohne die
hier nichts mehr geht.

Eingeständnis VII (3513)2

Ich rede deswegen so viel,
weil es nichts mehr 
zu sagen gibt.
Daher also die 
vielen Worte:
Diese sinnlose Leere 
monoman 
zu besprechen.

So deute, fühle und sehe ich es (3514)3

Betrachte ich es 
ohne Angst,
zumal es frei von Schein,
dann ist es 
objektiv - für mich - gewiss:
Mein Dasein ist 
bedeutungslos.
Ich bin nur Auswurf
aus dem Kosmos-Sein,
materieller Grund-Aufriss,
dem das, was ist,
liegt ohne Deutung bloß.
Auch das 
hat mich zuletzt gehalten,
zu wissen, 
dass es wird ein Ende finden;
meint's letztlich nur doch,
sich Fiktionen spalten
und kreatürlich sich 
für Trieb und Zwänge schinden. 

ZINSJA (64) (3515)4

Dass es sich lohnte, 
ein gängiges Leben 
zu führen:

Wohlstandstrunken,
stumpfsinngeborgen,
bilderübertölpelt,
propagandaberuhigt,
marktgesteuert,
phrasenbewehrt und 
popniveaumystisch stimmungsgefangen,
so ausweglos angewiesen
auf Lebensvollzüge
eines dauerokkupierenden
Pan-Trivialismus …

Das zu glauben
bin ich gänzlich 
außerstande …
ich,
der ich vergeblichkeitslüstern
hinauslausche in die
grandios sinnleeren Überräume
einer selbstenfesselten,
gottunbedürftigen, 
sich selbst 
organisierenden Materie.

Das ganze Leben (3516)5

Grenzenlos der Süchte Wahn;
grenzenlos der Selbstbetrug.
Immer bricht sich Trauer Bahn
in des Daseins blindem Flug.
Endend in der großen Leere,
lösend allen Leides Schweren,
nichtend die Schimäre Ich:
Trieb, Bedürfnis, Gier nach sich.

Leugnen würden's freilich viele,
was ich auch verstehen kann:
Wer will kennen das Gewühle,
das ihn trägt von Bann zu Bann:
Dass er sei in bloßem Spiele 
Zufallswurf, der dann und wann

ahnen mag: Um ihn geht's nicht.
Weil es doch um gar nichts geht:
Nicht um ihn als Seinsgewicht,
nicht um etwas, was erhöht
ihn, um den sich gar nichts dreht.

Zeit ist's, Deutung, Trance, Verfall.
Tod am Ende, schieres Nichts.
Nichtigkeit in diesem All
eines Hyle-Energie-Gedichts.

Zeitgeistbüttel (3517)6

Dass an uns nichts liegt, 
ist offenkundig.
Man richte seine Aufmerksamkeit 
nur einmal
auf die seelischen Eskapaden
dieses genussontologisch befangenen 
Zeitgeist-Büttels, 
der sich, 
befehlsdevot von sich selbst ergriffen,
durch eine Existenz mogelt,
die jeder sinnbegabten Affektlage 
vollständig entbehrt,
exakter Abklatsch ist dieser Erlösungsdreiheit
von Wohlstandsdauerzufuhr, 
abstraktionsrationalem Intellekt 
und chemisch intensivierter,
Entwirklichungsraserei verpflichteter 
Zeitgeistmystik.

Letztes Sonett meiner Sonette-Sammlung (67/3518)7

Subatomar geschichtet und komplex gesteuert:
Ein Molekülverband subtil gelenkter Art,
das bin ich ganz; allein auf einer Zufallsfahrt,
von mir als Höchstes Gut mir permanent beteuert.

Von Emotionen und Affekten stets befeuert …
Ein Dranggebilde, das sich Leib abkämpft: sich paart,
das täuscht, vor allem tiefster Einsicht sich verwahrt.
Und dennoch seine Sonderstellung gern beteuert.

Das sind Fragmente nur von allem, was ich streife;
doch rätselhaft als diese schon, frag ich: Wofür?
Und dann auch manchmal eine erste Lösung greife:

Es geht um Macht, um Überragen, kurz: Um Gier:
Auf dass ich niemals von mir selbst als Gral abschweife …
Im Kampf um mich: als Zeit, Verfall, als Ding und Tier.

Das Selbst (3519)8

Sich lebenslang durchhaltende,
gesellschaftlich-soziale Quer-Bilanz
sich unverfügter Individualität,
dynamisch, schillernd, schwankend, 
Erfahrungs- zu Wert- zu Deutungs-Haltungen:
Faktenbasierte psychische Jenachdeme,
objektiv an sich veränderbar in jedem Augenblick,
nie wahr, zumal vielfach- und überdeterminiert.
Immer nur als solche angenommen,
die für einen selbst gerade gelten müssen,
was man freilich glaubt, nicht weiß,
irrationale und auch unbewusst verankerte 
Interpretationen eben.
Zusammengestoppelt aus biologischen Vorgaben,
Herkunft qua Familie, Schicht oder Klasse,
ausgelegten Widerfahrnissen,
unentwirrbaren Innenweltverstrickungskomplexen,
Kultur, Sprache und Staat,
Geschichte, Verfassungsform und Institutionen,
Technikstand und Wirtschaftsweise.
Es ist das vage Bewusstsein 
einer unaufhebbaren Gefangenschaft 
in genetischer Zufälligkeit
und einer von seiner (noch) nationalen Artgenossenschaft, 
also fremd und einem selbst nur bedingt begreiflich,
hervorgetriebenen Gesamtkonstruktion 
je subjektiv unbegriffener Welthaltigkeit.
An der man,
ohne die Wahl zu ihr oder zu sich zu haben,
mehrdimensional dauerbedürftig, 
physisch wie psychisch halbwegs gehalten, 
ja: auch geborgen, mitbaut,
auch, um quasi nebenbei,
sich selbst und anderen darin auszudrücken,
was man unverwechselbar zu sein scheint.
Jedenfalls einzigartig sich sein wollend 
und als einzigartig auch geltend …
So sinnlos das auch sein mag,
da, heutzutage, sein Leben lang 
Mächten ausgesetzt,
die man partiell gar nicht kennt.
Zumal sich mehrend in einer globalen Welt,
die mehr und mehr totalitär 
in sich selbst sich verflüchtigt:
Psychisch-kulturelles Nomadentum,
einheitsblind zerfallend sich selbst ausgeliefert.

Geist-Sehnsucht (3520)9/Sonett

Ich glaube nicht, dass es in einsehbarer Weise
etwas Besondres, Großes, mit uns auf sich habe.
So etwa müssen wir - und tun’s oft gern - zerstören.
Sei es uns selbst, sei’s die Natur, sei’s Artgenossen.

Wir existieren außerhalb der stumme Kreise
der Kreaturen, wie wir sagen: mindrer Gabe.
Und müssen deshalb immer auf Gehirndrang hören,
Pleonexie … Was heißt: Fiktionen eingeschlossen.

Ich sehne manchmal mich nach etwas, was verbliebe,
der Gleichung unerreichbar wäre, Gier entzogen.
Macht ist es nicht; es ist auch nicht die Kraft der Liebe.
Die beide doch versagten, irrten, wärn verlogen.

Es ist etwas, was keinen Neid kennt, keine Hiebe.
Und das ist Geist, sich selbst als Sehnsucht eingebogen.

Schlichte Überlegungen (3521)10

Bin froh, dass ich recht alt schon bin.
Das wird mir manches Leid ersparen.
In einer Welt, doch jetzt schon ohne Sinn.
Zumal man sie kann nicht erfahren.

Zu kompliziert und nicht mehr auszudeuten:
Komplexität, KI, Sichselbstentgleiten.
Man wird sich noch mehr selbst ausbeuten;
als Individuum dann gänzlich Markt sich weiten.

Da scheint's mir gut, zu sein längst Nichts.
Als das ich alles los sein werde; ausnahmslos.
Sogar den Ernst, die Tiefe des Gedichts.
Tatsächlich alles, was mir einst schien groß.

Titellose Entramschungsseligkeit (3522)11

Noch nicht 
von Gehirn-Sucht verzerrt,
im Traumlauf 
frühester Jahre,
schossen die Schemen 
der Zukunft
in nächtiger Unform
still in mir hoch:
Als Bilder grandiosen
Scheiterns gedeutet.
Entwirrt dann 
als dunkelster Mächte 
Geschenke
im dritten Himmel
entarteter Sterne.
Unterwegs nunmehr
zum Urknall-Geschehen.

Im Kern war's so für mich  (3523)12

Vorm Anfang war da 
nur ein Nichts.
Das nach dem Ende
wird dasselbe sein.
Dazwischen log 
die Spanne des Gedichts
mich für Momente 
dann als Zweck hinein
in dieses Leben
voller Trug und Schein ...
Indes zuweilen auch
ganz tiefe 
Stundenspende:
In Leibverzückung,
Einsicht, Brot und Wein.

Dorfschatten/Heimat (3524)13

Was ich mal Heimat nannte, das ist fort;
ist längst als Schattenschar versunken:
Die Schatten derer, die einst lebten hier am Ort.
Vom Großen Nichts schon lange auf getrunken.

Zuweilen lasse ich sie auferstehen
in Form von Bildern, die ich in mir trage.
Die freilich stumm sind, totes Wehen,
nur Flimmerreste früher Tage.

Und doch: Erzählen können sie sehr viel,
wenn man, wie ich, sie kann erlauschen:
Dass da kein Zweck ist; weder Sinn noch Ziel.
Nur leere Traumgefüge, die vorüberrauschen.

Über unsere heutige Existenz (3525)14

Dass es mit uns einst
werde doch 
ein gutes Ende nehmen,
das glaub ich eher nicht.
Denn dafür 
sind wir nicht gemacht.
Sind wir doch unfrei,
können uns nicht selber zähmen;
und müssen uns 
zumal auch dies verbrämen:
Dass wir sind Selbstverklärungszwang verbracht,
narzisstisch-dekadenter Ich-Ohnmacht,
Systemschauspieler,
die sich selber lähmen …
Behelfsclowns toter Seelenschicht.

Hier gibt es nichts, 
was ohne Preis sich schenkte,
sich nicht als Ich-Kalkül
zuletzt verriete.
Sind wir doch 
- unvernünftig - 
All-Gelenkte …
Sakralanome* ohne Güte.

*sakralanom; wörtlich etwa: „verfallsheilig“; soll heißen: 
Uns selbst sind wir alles, also: heilig, unantastbar,
höchstes Gut, höchster Wert, Würdeträger usw.; zugleich 
sind wir Individuen, ausgesetzt einer abstrakten/technologisch-künstlichen Waren-, Phrasen- und Perspektiven-Welt, die uns, uns permanent z. B. medial „attackierend“, erregend, in Beschlag nehmend, innerlich/psychisch zerrüttet, zerstört, verfallen lässt, kern-, ziel- und haltlos macht

Selbstaufgabe II (3526)15
Zu vergleichen (64/3376)

Am liebsten würd ich wieder rauchen.
Am liebsten wieder Selbstgedrehte. 
Verlör ich so auch ein paar Jahre 
an Lebenszeit; indes auch Schmerzen.

Zumal das Leben nichts mehr taugt; 
ist nur Verreizungs-Keule noch,
recht primitives Spaß-Geplapper.
Und es human zu nennen, wäre zynisch.

Mich öden an zumal all die Figuren,
die permanent sich ichplump inszenieren;
von Demut reden, von Verantwortung;
und doch an Macht nur denken und Applaus.  

Mich kotzt das Ganze an, bin ich nur ehrlich;
hysterisch-halbgebildet-geistlos-primitiv.
Da kann man schon an Selbstaufgabe denken,
sich ein paar schofle Jahre zu ersparen. 

Schwankendes Sollen (3527)16

Gut oder schlecht …
Was soll das noch besagen
in hochkomplexen Kunstwelt-Lagen?
Wo jede Klarheit perspektivisch weicht,
wo jede Selbstverständlichkeit längst fehlt;
wo man sich selbst auflöst durch Hinterfragen,
wo man die Amoral zur Freiheit zählt,
Subjektivismus sich als Selbstbestimmung eicht,
wo jeder Ichverzicht gilt doch als schlecht  …
Um so sich selber zu zerschlagen
und anzupassen diesem Datenreich …
Verführter Konsument, 
der wirr durch Phrasen-Nebel schleicht.

Nüchterne Sicht auf das Leben (3528)17

Ein Leben lang mir etwas vorgemacht.
Mir dessen auch bewusst.
Indes ich habe mir gedacht:
So ist das Dasein. Also musst

du Folgendes dir klüglich denken:
nimm lieber Teil an seinem miesen Spiel,
anstatt dich von ihm völlig abzulenken,
von ihm als Zeitgeistbürde ohne Sinn und Ziel.
Ein Faktum; unabänderlich.

So greife blindlings zu.
Es zu erhaschen sei’s in fremdem Ich,
sei’s nicht zu fragen nach Wozu.

Noch mal: Gerade das, das fehlt ihm doch.
Es fehlt ihm überhaupt das Gute.
Genau besehen, ist’s nur Joch,
ist’s eine metaphysisch tote Dauerknute.

Zustandszwänge (3529)18

Welt-Abstand? 
Gelingt mir nicht.
Ich bin ihr verfallen:
Wirtschaftssubjekt,
Drangsal-Brand.
Ohne jede 
Zuversicht.
Kann mich nur
an Worte krallen,
Illusionen, 
Träumer-Tand:
Scheinerlösung 
im Gedicht.
Nicht von Ich
und Wir befleckt.

Spätkapitalistisches Dasein (3530)19

Monoman doch oszillierend
zwischen Wahn und Nichtigkeit,
Affenerbe mit mir führend
in der Warenburg der Zeit,
treibe ich im Ungefähren,
mich als Ichding aufzuzehren.

Lehre aus der Kindheit (3531)20 

Auf der Straße habe ich‘s gelernt
Das, was unbedingt uns nötig ist,
es uns richtig auszudeuten 
dieses suchtdiktierte Leben.

Auf der Straße habe ich’s
schon früh genau erfasst:
Unser Wesen: Unfrei ist‘s,
weil muss doch sich selbst erstreben.
Notwendig so will‘s überragen,
Anerkennung sich verschaffen,
will sich immer dürfen sagen,
dass primär es gilt zu raffen,
Macht auch möglichst zu gewinnen,
auch zu lügen und zu spinnen
irgendwelche Hinterhalte,
amoralisch kalkulierte kalte …
Um es also kurz zu machen:
Gut sind wir mitnichten. 
Sind nur gierig doch nach Sachen
die uns, was wir sind, dann lichten:
Hochkorrupte Seins-Schauspieler,
die mit Idealen lügen,
immer nur sich selbst gewichten:
ohne Scham sich dann verbiegen:
Selbstwert-, Lust- und Mammon-Dealer. 

Pseudo-Gleise (3532)21/Sonett 

Das linkisch-aggressive Wert-Gebaren,
bezeugend Denkarmut: Das Unvermögen,
subtile Machtverstrickung zu durchschauen,
muss letztlich gegen dieses Land sich wenden.

Das, wohlstandsblind, sich hat naiv verfahren
auf selbstlobsimplen Tugend-Einbahnwegen,
die untergründig lösen auf Vertrauen,
um in Gewalt und Anomie zu enden.

Da greift mal wieder diese deutsche Weise,
sich zu verhehlen, was entlarven würde,
dass das Politische meint Pseudo-Gleise;

so gar nicht selbst sich fassen kann als Bürde,
die macht, dass man, wie einst im Priesterkreise, 
ideologisch-primitiv sich irrte.

USA VI (3533)22/Sonett 

Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten?
Wie kann man überhaupt dergleichen glauben?
Das können nur Phantasten sich erlauben
und Ämterjäger, die auf Phrasen gleiten.

Wie muss ein Land doch an sich selber leiden,
orientierungslos sich aufzuklauben
aus Mammon, Schundkultur und Inbrunst-Lauben …
verachtungswürdig selbstgefügten Pleiten?

Du bist das Opfer deiner eignen Mythen.
Wie Wohlstand, Volksherrschaft und Gottgefallen.
Und musst dich nunmehr vor dir selber hüten:

Ein Zerrgebilde vor den eignen Krallen.
Um die solch krasse Gegensätze wüten,
dass du riskierst, dir selbst anheimzufallen.

Von außen dauergeschobene Existenz (3534)23

Von mir persönlich 
was zu sagen,
nun, das lohnt sich nicht.
Ich weiß mich nämlich 
in prekären Lagen,
muss also permanent 
mich hinterfragen:
Was ist da Zeitgeistprägung,
was ist eigne Sicht.

Dass ich Gesellschaftsspielball bin,
ist Fakt, 
ist gar nicht zu bestreiten.
Muss ich mich deuten doch 
im Takt
mit asozialen Heiden,
mit Phrasenphagen*,
viel zu schlicht,
sich geistig autonom 
zu leiten:
Der Tugend-Weisen
Intellektuellen-Schicht,
die so sich muss 
zu Markte tragen.

*Phagen: griech.: „Esser“

Bei genauer Überlegung ... (3535)24

Ledig gewöhnlicher geistiger
Anspruchs- und Phantasielosigkeit,
gibt es für mich kaum noch Gründe,
mich vor Einsamkeit zu ängstigen.

Zumal ich, für mich allein lebend,
prekären Erlebnis-Hedonismus,
rational-emanzipations-frigide
überzüchteten Absprache- und Vertragszwang

und vor allem die Versuchung 
der emotionalen Überschätzung 
trivialer Zweisamkeit vermeiden will ...
Ich wähle daher die Einsamkeit. 

Sie scheint mir zuträglicher in einer Gesellschaft,
deren Individuen oft gar nicht mehr
beziehungsfähig sind, geschweige denn 
dass sie geistig noch in der Lage wären, 

die Diktatur des Zeitgeistes via Medien,
Pop-Musik, Verbraucher-Psychologie, 
selbstsuchtstrategische Banalitäten
noch als Verbraucherabrichtung zu entlarven.

Die seelische Ausdünnung (3536)25

Es fehlt das Metaphysische:
es fehlt uns, ob wir's wissen oder nicht,
es fehlt uns allen Gott.
Zumal die Kindheit längst verkam
zu einer Zeit der Abrichtung zum Kunden:
zum digitalen Infantilen.
Kein Wunder, dass verdorrt das Psychische,
dass immer mehr nur werden diesseitsschlicht,
verfügt dem systematischen Komplott,
der uns subtil macht wohlstandszahm:
von Einsicht und von Geist entbunden:
So unser Dasein Marktmacht zu verspielen

Entwirklichungen (3537)26

Ein Opfer von Entwirklichungen -
die immer mehr sich in Gehirne tragen,
bis einst das Ganze wird versagen -,
bin ich mir selbst entrungen.

Wiewohl ich habe das schon längst begriffen,
auf Geist mich eingestellt.
Nicht ganz so eingeschliffen
der hedonistisch simplen Welt.

Wir sind ihr eine Katastrophe,
warn es von vornherein:
Biped verhirnte Technosophe,
fixiert auf Selbstsucht, List und Schein.

Wie sollten wir uns auf uns selbst verlassen?
In keinem Augenblick doch frei.
Wir müssen uns verprassen
an Schein als Perspektiven-Vielerlei.

Vollenden wird das die KI.
Der letzte Schritt in Allbeliebigkeiten:
Was ist, wird werden Immer-Nie
und Empirie sich selbst bestreiten.

Zeitgeisthörig (3538)27

Zeitgeisthörig sitze ich
Dasein, Wir, das Du auch ab.
Nach jedem Versäumen
auch mir selbst fremder.
Psychoethisch entzwei geeicht.
Ichintensiver monadisiert
und selbststrack 
jenen anheimgefallen:
Allgleich geprägt
jeder für sich.

Zwänge eines Hirngerichts (3539)28

Ich trinke zitternd Glas um Glas,
erahne dabei Nichts um Nichts,
entarve Wir, Warum und Pseudo-Maß
als Zwänge eines Hirngerichts.

Von vornherein wohl schon verdammt,
am Ende selbst sich zu zerstören.
Weil es den Menschen doch in Leeren rammt:
Die seinen: Wesens-Ratio-Öden

Er wird sich alle Wege wohl versperren,
weil's kein Zurück für ihn mehr geben kann.
Ihn werden jene ins Verderben zerren,
weil er aus ihnen sich doch auch gewann.

Was sollte denn dahinter stecken?/
Gruppe: Existenz (3540)29

Was sollte denn schon groß dahinter stecken?
Zunächst mal sag mir dieses: Hinter was?
Meinst du vielleicht die blassen Nebel-Flecken,
die Welten dort im Astronomen-Glas?

Vielleicht gar diesen Sinn, den man vermutet,
dass der das ganze Dasein letztlich trage?
Als jener Gott, der durch die Seele blutet,
sie zu erhalten einer Jenseits-Lage?

Meinst du vielleicht gesellschaftlich ein Ziel?
Verbrüderung? Selbst Liebe, Mitleid, Güte?
Dass diese würden einstmals Geist-Asyl,
sodass der Mensch nicht mehr als Affe wüte?

Du suchst, und suchend wirst du immer blinder.
Du wirst nichts finden. Es steckt nichts dahinter.

Was uns so umtreibt/Gruppe: Existenz (3541)30

Die Unterschiede sind ganz oberflächlich.
Doch grade deshalb auch so heiß umkämpft;
ob personal nun, ob sozial gebrechlich,
da gibt es nichts, was diesen Hunger dämpft,

zu übertreffen, siegend auszustechen -
beruflich, sportlich, sexuell, privat.
Es geht noch nicht mal darum, sich zu rächen.
Man will gewinnen, ist man doch Primat.

Ich mach mir oft den zweifelhaften Spaß
- denn schließlich bin auch ich ein Herrentier -
zu blicken auf das ausgelebte Maß:

Ich sehe Unfreiheit, ein Selbstgeschwür,
ein Häufchen Angst, Betrug als Wie und Wasund, kommandierend, Ich im Jetzt und Hier.

Man bleibt, wer man war/Gruppe: Existenz (3542)31/Sonett

Es funktioniert! Ich denke positiv!
Und lasse täglich meine Seele baumeln.
Bekannte hab ich endlich auch gefunden.
Ich gönn mir was, im Gegensatz zu früher.

Ich habe überwunden alten Mief,
muss nicht mehr zwischen Widersprüchen taumeln;
fast ausgeheilt sind meine Seelenwunden.
Schon bin ich in der Gruppe Strippenzieher.

Bestätigt hat sich allerdings auch dies:
Ein Allerweltsmensch bin ich nun geworden,
der sich auf Außensteuerung einließ,
sich Show und Hedonismus zu verorten …
Doch auch begriffen hat, dass er - recht mies -
die Wirklichkeit sich schönt mit seichten Worten.

Faktenkonforme Klugheit/Gruppe: Existenz (3543)32/Sonett

Ich finde mich im Alltag nicht zurecht,
genauer: lehne diesen Alltag ab;
den Terror von Moral, Reklame, Schund,
organisiertem Zwang, sich zu vergnügen;

und das Geschwätz, das man so radebrecht.
Auch halten Medien pausenlos auf Trab:
Sie geben Geltung, Sinn und Endzweck kund;
und die Verbraucherseele will sich fügen.

Doch meistens mache ich das einfach mit.Es hat ja was, sich gängig zu entlasten.
Wer anders strebt, wird an den Rand gedrängt,

wird ausgelesen und verspielt den Kitt,
den man doch braucht in dem absurden Hasten …
Zumal es angenehm und lustvoll lenkt.

Gesellschaftswelt und Geist und Sein/Gruppe: Existenz (3544)33/Sonett

Wozu das alles? Ja, wozu denn nur?
Um mal die Kinderfrage Benns zu stellen.
Geschieht’s fürs Raffen, Delirieren, Schwellen?
Zielt also alles nur auf die Tortur,

die durchmacht diese Homo-Kreatur:
Den Zwang der Jagd nach Anerkennung, Stellen,
die Luxus schaffen, bieten Macht und Quellen
von Sexgenuss bis feinerer Kontur?

Für ein paar Außenseiter mag’s doch mehr
als ein Gehorsamslauf für Affen sein;
denn triebentlastet und bedeutungsleer,

begreifen die: die Frage trifft allein
Gesellschaft, Handeln, Gelten: Zweck-Verkehr …
Sie ist ganz sinnlos, geht’s um Geist allein.

Fundamentale Unfähigkeit/Gruppe: Existenz (3545)34/Sonett

Ich habe keine Lust mehr. Eigentlich.
Erklär dir offen, was ich damit meine:
Mich kotzt sie an, die Tyrannei der Scheine.
Und das, was gängig anmacht, langweilt mich.

Auch geh ich viel zu oft schon auf den Strich;
als Arbeitnehmer; täglich an der Leine
von Auftrag, Leistung und Kollegen - Steine,
die schwer zu wälzen sind; trotz Alltags-Ich.

Doch bin ich ehrlich, nenn die wahren Gründe,
dann liegt es keineswegs an diesem Außen,
dass ich nicht Halt, Genuss und Richtung finde.

Es sind die subjektiven Psychenschlünde.
So fehlt die Fähigkeit, mich einzuhausen
Konformitäten der sozialen Mitte.

Kapitalismus (1)/(3546)35/Sonett

Ich nenne es den Terror des Banalen:
Ob Optimismus, Pop-Musik, ob Sport.
Die Medien sind sein angestammter Ort.
Mal abgesehn von Kaufkraft, Sex und Zahlen.

Man soll sich positiv die Welt ausmalen,
kommunizieren so, dass Wort für Wort
man zeitgeisthörig lässt Begriffe fort,
auf Selbstausblednung aus und auf Randalen.

Ich sage nicht, man sei Idiot per se.
Begreife auch, dass man die Augen schließt
vor dieser richtungslosen Odyssee

des Seichtenstromes, der sich weich ergießt
bis in die Hirne, wo als Phrasen-See
Orientierungslosigkeit aufschießt.

Kapitalismus (2)/(3547)36/Sonett 

Ich lege - wenn’s dir recht ist - noch mal auf,
was damals uns in Emotionen riss;
zwar war’s schon damals Lenkung und Beschiss:
Subtilsozialdressur zu Warenkauf.

Noch jung, begriff man’s kaum und gab nichts drauf.
Man stand auf Coca Cola, Schnellimbiss
und Pop - fast Kind noch und noch ganz Narziss.
Diffus verfeindet mit dem Weltenlauf.

Die Beatles spielten uns ‚A hard days night’,
Die Rolling Stones ihr ‚It’s all over now’.
Und das hat wesentlich uns eingereiht

in dieses abgefeimte Grau in Grau
von Flucht aus Faktenwelt und Mündigkeit …
Da Trivial-Affekt und Kitsch geweiht.

SMS/Entkommen (3548)37/Zufällig aus einer Papierhalde gezogen 

Ich habe nicht mehr viele Jahre.
Sein Gutes hat das freilich auch:
Geht’s doch zu Ende mit dem Reiche der Ware …
Wie überhaupt  mit diesem Schall und Rauch
kapitalistischer Magie:
Verbraucherparadiesen, Sausen, Mengen 
für Standard-Lüste die zerstören;
zerstören, weil erwachsen Zwängen.
So komm beizeiten ich wohl noch davon,
bleibt mir die Barbarei erspart,
die sofort losbricht, wenn der Wohlstands-Mohn
Verlierer nicht  mehr vor sich selbst bewahrt.

SMS spezial: Vielfach-X//Zufällig aus einer Papierhalde gezogen (3549)38

Wo immer ich hin fühle,
nächtens oder tagsüber …
Wenn die todessüchtigen Stillen
die kommandierenden 
Artefakte verheeren,
spüre ich stets dasselbe:
Die richtungslose Monotonie
und Gleichgültigkeit
eines sich aller Fassbarkeit
entziehenden Vielfach-X.

Gewissensdorren (3550)39/SMS/Sonett 

Die Leute sagen, es sei kaum noch zu ertragen
wie - etwa  - man belogen werde von Parteien,
was - weiter - doch an Geldern auch verschleudert würden,
mal ganz zu schweigen von Behörden-Idiotien.

Da ist was dran, an dem, was sich die Leute sagen:
Narzissten, Leerformel-Jongleure, Daseins-Laien,
die keine lösen, schaffen erst so manche Bürden;
so wie manch Ämter sich um Kafkas Welt bemühen.

Und was denn wär für mich hier kaum noch auszuhalten? -
Dass Markt-Lakaien alle Selbsthaltmittel fehlen;
Demokratie verfällt, der Rechtsstaat selbst sich lähmt;

Ideologen, weltfremd, die Gesellschaft spalten,
zumal, von sich besessen, nur sich selber zählen …
Das Ganze Psyche-Fäule ist, prekär entschämt.

Die unfähigen deutschen Funktions-Eliten (3551)40/Sonett 

Wenn Dilettanten sich in Tugend üben,
zumal politisch viel zu oft versagen,
indem sie konzeptionslos Schein fingieren
und, geistig unberührt, sind dann korrupt,

verliert der Rechtsstaat sich dann auch in Trüben,
die schleichend ihn in Widersprüche tragen,
bis er am Ende sich wird dann verlieren:
Er sich als Opfer seiner selbst entpuppt.

Eliten gibt es nicht in Volksherrschaften,
die sich aus Emotionen speisen müssen,
(so weder Würde noch Vernunft verkraften),

die sich als Kunden schamlos selbst abküssen
und so begrifflos nur an Phrasen haften,
verfehlend Handeln schon in den Prämissen.

Sonett, das keiner lesen wollte (3552)41

Die andern mögen immer untergehen.
Solang ich unberührt bin, stört’s mich nicht.
Mir fehlt das Mitleid, fehlt der Sinn für Not.
Sie lässt mich menschlich einfach völlig kalt.

Ich glaube nicht, für andre grade stehen,
so tun zu müssen, als ob sie Gewicht
in dem Sinn hätten, dass ich für sie Brot
beschaffen müsste - gar auch Seelenhalt.

So hat man’s mich gelehrt. Und ich halt’s ein;
d. h. ich kann nicht anders, es ist Zwang.
So wie es Zwang ist, dass man ganz allein,

auf sich gestellt ist, frönen muss dem Hang,
sich selbst die Mitte und der Rand zu sein,
so eben ausnahmslos nur sich Belang.

Materie-, Evolutions-Lotterie (3553)42

Was könnte noch bedeutend heißen?
Gott? Du? Familie? Recht und Staat?
Doch die zerfallen, weil wir alle preisen
die Effizienz als Psychen-Konzentrat.
Und Spaß: Erlebniszufuhr, Emotionen
(verinnerlichte Geldwirtschaftsbefehle),
die zwingen, sich als reflexionsarm zu betonen
auch dass nicht dies auch quäle:
Kalküle, Phrasen und Erlebnisfluten
als primitiv abstrakte Strategien,
die dann als fiebrige Entlastungsknuten
verführen, selbst sich zu beknien.
*
Was könnte mir bedeutend heißen?
Mir Virtuosen des Bedeutungslosen
und meinen resigniert luziden Weisen,
in gleiche Innenwelten vorzustoßen
zu seelisch-geistigen Ruinen,
die unaufhaltsam in sich selbst zerfallen,
dem, was sie treibt naiv erregt zu dienen,
indem sie Wertschund lallen?
*
Nun ja, ich weiß: Daran trägt niemand Schuld.
Gewollt ist’s nicht; doch lässt es sich verstehen:
Da triumphiert ein Gleichungskult,
lässt Markt und Psychen streng im Gleichschritt gehen.
*
Das habe, selbst mir Beispiel, ich ganz gut verstanden,
weil selber ich ein Spielball bin
von Formeln, Daten, Algorithmen, Quanten …
von Massenlebenswerten, Ohnmacht, Gier, Gewinn.
Und weiß genau: Kannst nicht verlassen dieses Gleis,
das doch dein Schicksal a priori schon vollendet:
Ist es doch kollektives Hirngeheiß,
das Affen erst ermächtigt, dann verschwendet.
Ein anonym belassner Zwangsprozess,
weil Sinn und Selbst und Ziel er deklassiert;
bewusstlos schaffender Exzess,
in dem ein jeder sich verliert.
*
Farce ohne Würde, Geist, Vernunft.
Nicht Freiheit und nicht Phantasie.
Sapiente Spätzeitbrunft:
Des Zufalls Lotterie.

Das heutige Dasein (3554)43

Es ist Routine, dauermonoton,
geht auf in Leisten und Erleben:
Vollzugsgebaren ohne irgend Tradition:
Abstraktes Wohlstandsstreben.

Es geht um Anerkennung durch Erfolge,
vor allem Selbstwertsteigerungen
in einer Art Verzückungswolke,
in der man treibt, als Ich-Rausch sich gelungen.

Man plant es, aber führt es nicht.
Zum Selbstverwerter sich geworden.
Verdorrt so seelisch, Schicht um Schicht,
sich in sich selbst als Ding und Trance zu horten.

In meinem Wohnzimmer (3555)44

Wie meistens sitze ich allein hier rum,
ertrage auch zufrieden meine Einsamkeit;
weit ab von gängigem Genießertum,
zu dessen Lebenslügen nicht bereit.

Doch abgeschreckt von dessen Kultexzessen:
Genießen, kaufen, mystisch sich entspannen.
Stets zelebrierend die Erlebnismessen
von Stumpfsinn, Indolenz und Seelenpannen.

Ich liebe das, was scheinbar nutzlos ist.
Was man nicht tauschen kann; noch pekuniär bewerten;
All das, was dieser Mittel-Durchschnitt nie vermisst:
Das Stille ohne Großgebärden,

das Geistige, das deklassiert,
den Nihilismus dieser Faktenwelt durchschaut,
und illusionslos dann sich selbst seziert
als welthistorisch längst auf Sand gebaut.

Sonett von der Zerstörung des Individuums (3556)45

Objekt von Artefaktenmetastasen
und hypertrophen Tugendoffensiven,
verbracht globalen technogenen Tiefen,
disziplinierend noch die Rem-Schlafphasen:

Ich. Eremit vor simplen Medienphrasen,
sozial sedierenden Ersatzweltschiefen, 
Monade im erlebnisprimitiven 
Narzissmuskitsch der Ramschbespaßungsblasen.

Und dennoch bleibt mein Ahnen unverloren, 
mir jenen Geistesabbau aufzuzeigen
sapienter Abendröte: Zahl gefroren.

Neuronenwuchern, Kult und Zufallsneigen,
auf weder Gut noch Böse eingeschworen, 
Erlösungstyrannei sich abzuzweigen.

Reminiszenz/Für Homo sapiens bambergensis (3557)46

Kämst du jetzt durch die alte Tür,
du wüsstest wohl, was dann sofort geschähe:
Ich läge hilflos gierig neben dir.
An deinem Fleisch perfider Nähe.

Ich söffe deiner Nischen Seine,
in deiner Körpersäfte Trance verstrickt,
zum Dreieck betend hoher Beine,
von Luststumpfsinn basal berückt.

Was ginge mich da dieses Wissen an,
dass du bei mir nie würdest bleiben.
Werd ich doch immer jenen infantilen Bann
selbst noch aus toter Liebe treiben.

Liebe Erinnerungen/Für alle meine Katzen (3558)47

Ich friere so erbärmlich; ohne Unterlass.
Ich fröstle noch im wärmsten Raum.
Mir nützen weder dicke Socken,
noch teure weiße Lammfellschlappen.

Mir Wrack, so alt, senil und blass,
vergeht vor Kälte jeder Traum.
Wiewohl: so kann auch keiner locken,
mir den Verstand zu kappen.

Gedenke daher meiner bunten Katzen,
die oft zu meinen Füßen schnurrten.
Indes die Artgenossen-Fratzen
ihr vages Psychen-Elend murrten.

Da war mir warm. Denn jener Tatzen,
die, eiweißweich, mir drucksanft Wärme,
ersetzten Kissen und Matratzen;
sich spurend mir zu Daseins-Furten.

An meine Artgenossen (3559)48

Ich sage nur,
was Sache ist.
Was regt ihr euch
denn auf?
Ihr modelt euch
ein Scheingerüst
und nehmt euch
selbst in Kauf.

Das zeigt,
dass ihr verloren seid.
Auch wenn ihr’s
als Geschwätz abtut …
Es braucht nur
eben seine Zeit,
bis schießt die Barbarei 
auch euch ins Blut.

Ihr werdet psychisch
rasch zerfallen.
Und dann drum winseln,
euch zu knechten.
Ihr seid die Ahnungslosesten von allen,
die je sich als Elite pinseln,
als summum bonum
wollten flechten.

Nicht dass ich euch 
da Schuld zuschöbe,
euch anzuklagen, 
ja gar zu verdammen.
Gibt es doch nichts mehr,
was euch höbe,
sind tot doch alle
Geistes-Ammen.
Ihr seid euch einzig 
selbst noch Strebe …
Und eben das,
das ist der Haken.

SMS (61) Phantasmagorie I//Zufällig aus einer Papierhalde gezogen (3560)49

Der Abend agoniert.
Die Individuen,
genusshörig,
deklassieren sich selbst:
Der konsumkapitalistische Torpor* 
übermächtigt sie mühelos.

Indes mir ein Gott
Sonne um Sonne zuspielt,
sinnwärts mich zerrend
sechs Nichtse weiter.
Von Einsicht beschienen ...
Was will ich mehr?

*Torpor: Trägheit, Stumpfsinn

SMS (62)//Zufällig aus einer Papierhalde gezogen Nichtigkeitsgetränkte Allabwehr (3561)50/Sonett

Unmissverständlich muss ich es noch einmal sagen:
Ob jemand Interesse nimmt an meinem Dichten,
ob gar verachtet, was ich da so produziere,
das ist egal mir, kann mir menschlich gar nicht zählen.

Ich raube Sinn ab meinen späten Daseinstagen,
um mir, was ist, entsprechend lügenfrei zu lichten,
mir zu verdeutlichen, dass wirkt hier eine Schmiere,
die, ihrer selbst längst müde, kann sich nur noch quälen.

Mir geht es dabei nicht um Macht und Ruhm und Ehre:
Kategorien, die ich vielmehr tief verachte.
Als Mittelmaß-Begehren: Selbstberauschungs-Fähre.

Indes mich selbst mein Nihilismus dahin brachte,
sie dankbar hinzunehmen, diese große Leere,
die mir der Gott der Frühe zum Refugium machte.

Prozentesöldner (3562)51

Prozentesöldner 
bin ich,
phrasenbewehrt,
einer, 
der torkeln soll,
markthörig,
von Nichtigkeit 
zu Nichtigkeit;
gedankenlos,
unernst;
und lustvoll entpflichtet
von Einsicht 
und Selbstanspruch.

Die meisten wollten es so (3563)52

Allzu lange habe ich nicht mehr.
Das ist mir aber nicht nur zu Bedrückung Anlass.
Obwohl ich noch nicht sterben möchte.
Das auch gar nicht würde wollen können.

Eigentlich will ich nur nicht mehr erleben,
wie sich die Illusionen dieser 
kapitalistischen Natur-, Welt- 
und Bewusstseins-Verwandlungsorgie
und die Intellektuellenträume
einer tugendergriffenen Aufklärungsnachhut 
in Nichts auflösen.
Sich als haltlos zeigen werden 
angesichts doch wahrscheinlich auch
bestialischer Lagen,
die wir selbst, 
metaphysisch,
intellektuell-technisch 
und kulturell-ethisch Dauergehetzte, 
werden hilflos verursacht haben:
Evolutionär zumal 
angelegt 
auf Selbstzerstörung.

Enthüllungsgrinsen (3564)53

Die News-Moderatoren
grinsen viel zu häufig
an der falschen Stelle
ihrer Meldungen -
ein Hinweis darauf,
dass sie
- wie die ihnen lauschenden
uninformierten Reizrecycler -
die Gaunereien
und das Geschwätz 
des kratischen 
Circuspersonals
mehr goutieren
als durchschauen.

Tiefste Nacht (3565)54

Einsamkeitsgefängnis 
in der Schwärze
einer stillen, tiefen Nacht,
wissend um dies 
All-Verhängnis
unsrer anonymen Schlacht:
Daseinsglut von Niedrigkeiten,
voller Gier 
und Wesensglut ...
Sich in Traum
und Trance zu leiten
aus der Fakten 
All-Bedrängnis.

So ist es III (3566)55
Vergleiche (9/535) und (18/1064)

Es ist ein Irrtum,
anzunehmen,
es geschähe noch 
irgendetwas
Grundlegendes.

Im Gegenteil.

Rational formelhaft,
kommandodogmatisch
und genussprimitiv tritt die Welt,
ihrer selber müde,

gleichgültig und 
zerstörungslüstern
auf einer sich permanent 
verkleinernden Stelle.

Selbstzerfall (3567)56

Ich wundere mich,
dass ich überhaupt noch
einen halbwegs klaren
Gedanken fassen kann,
chronisch von Kopfdruck,
Erschöpfung und Schwindel
heimgesucht,
als quetsche mir etwas
bosheitsvirtuos das Hirn 
immer weiter zusammen.
Ganz zu schweigen 
von jener pathologischen
Gleichgültigkeit,
die so radikal ist,dass ich gegen die von ihr
bewirkte Antriebslosigkeit
nicht einmal mehr aufbegehre,
stumpfsinnig dasitzend,
um die Wesenlosigkeit
meiner Bewusstseinsinhalte
ungerührt und antriebslos 
an mir vorüber ziehen zu lassen.

Falle (3568)57

Ein Heer von Glücken lockt sich,
seiner Siege müde,
endlich selbst 
in den spätesten Hinterhalt,
dorthin,
wo ich schon längst,
zerstörungshungrig,
auf der Lauer liege,
sie sich selbst 
zu entlarven
als Ausgeburten
totalitärer 
Verramschungsexzellenz.

Werbeplakat (3569)58

Verwegenheitsspähen,
andressierte Coolness
personal deklassierter
Neppsteriler:
Trickserei- und Show-Kundige,
die sich selbst verachten
(es aber nicht begreifen) …
schundekstatisch verklärt
in gelernter Narzissmus-Manier.

Konsum-Kapitalismus (3570)59

Das ist eine lückenlose Inszenierung
verwahrlosender Belanglosigkeit -
Hündisch vollzogen als Beglückungszwang
hilflos sich selbst zerfließender Seinstraumpsychen.

Herbstkrüppel (3571)60

Die Tage werden kürzer.
Das, was mal Herbst war
in gespenstischen Nebel-Nischen,
drängt sich nun auf, fällt ein.

Melancholisch macht’s mich nicht mehr.
Solche Gestimmtheiten 
magischer Vertrauerung
sind mir völlig abhandengekommen.

Die Profanierungsdiktatur 
des allgegenwärtigen Artefakten-Kosmos
zwingt auch die letzten Kindheits-Residuen
zu totaler Kapitulation.

Entlastungs-Routine (3572)61

25 Jahre habe ich nunmehr 
vor Telephon, Scanner und PC verbracht,
zwischen Zettelbergen,
Büroklammern, Akten,
Steckern und Kabeln.

Allerdings will ich mich
damit nicht beklagen,
denn eine Existenz,
weniger von Artefakten umstellt,
wäre für mich 
definitiv nicht zu bewältigen:

Brauch ich doch ausnahmslos
diese trivialen Zwänge
durch stets forderndes Einerlei,
veräußerlichte Routine
und einem auch psychisch
eingelebten Formalismus.

Bin ich doch völlig gleichgültig
gegenüber tatsächlich allem,
was als erstrebenswert gilt,
desinteressiert an Du, Gesellschaft und Ideen,
so innerlich einzig gehalten
von monotonen Wiederholungsabläufen.

Wut-, geist- und abwehr-wirr (3573)62

Versuche, ein Gedicht zu schreiben.
Obwohl gefühlsfrigide völlig leer;
und zugleich wutsiech antirational.
Mich drücken Indolenz und Geist-Unwille.
Ich nehme nicht mehr teil an diesem Treiben
des dummfrech provozierten Ungefähr.
Das einen packen soll rein sensationsfatal,
das einen reißen soll in Spaßzwang-Fülle
durch Warenberge und manch Lachgas-Pille,
die's obendrauf gibt - Was auch will man mehr?

Kommunikations-Diktatur (3574)63

Mir fallen schon wieder
die Augen zu.
Wahrscheinlich ist das auch 
eine Folge 
meiner vehementen Weltabwehr.
Vor dem Fernseher sitze ich,
halb erschöpft,
halb auch angewidert vom Tag,
der erlebten Kleingaunerei,
Gedankenlosigkeit und 
Verwahrlosung.

Es mag aber durchaus sein,
dass ich mir 
diese Dinge nur einbilde;
verliert doch der,
der für sich bleibt,
leicht den Realkontakt
und die angemessene Sicht
auf das Verhalten 
der Individuen.
Obgleich diese selbst 
die allzu dünn gewordenen 
Schichten von innerer 
Widerständigkeit 
gegen die Verführungen
dieses Prozente-Kolosseums
deutlich signalisieren.

Dem sei wie auch immer:
Mir scheint 
der Sinn für Wirklichkeit
rapide zu zerfallen,
wappnet man sich 
doch kaum noch
gegen Niedertracht,
Phrasenarroganz 
und Dauerpropaganda -
irgendwann umschlagend
in eine Despotie,
die keine Umbenennung mehr
zu verdecken braucht.

Der Nacht abgerungen (3575)64/Sonett

Die Nacht verbringe ich mal wieder ohne
den Schlaf, den ich so bitter nötig hätte.
Mir nagt die Müdigkeit an der Substanz,
indem sie mir den hellsten Tag verleidet.

Da nützt es wenig mir, dass ich mich schone
und langsam tue an der langen Kette
von Zetteln, Daten, Zahlen und Bilanz,
weil sich Erschöpfung übers Hirn ausbreitet.

Doch wenn ich ehrlich bin, muss ich gestehen:
Ich nehme diese Nächte gern in Kauf,
wo ich kein Auge zubekomme; keins.

Denn nur in diesen darf ich mir geschehen,
mir selbst bestimmen Inhalt und Verlauf 
zu Geist und Strophe: Glück längst toten Seins.

 

 

 

A

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.