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Diese Seite enthält 57 Gedichte, 54 Prosa-, Reim-Gedichte und 3 Sonette
Der Mensch als idealer Verbraucher (3455)1
Er ist sich Umsatzgröße,
ist sich selber Ware,
ist sich Vollzugseinheit
der Zeitgeistdrogen …
Gibt sich narzisstisch
jede Blöße,
zu tragen seine Einsamkeit,
von Spaßrandalen
völlig aufgesogen,
so, dass Erlebnisrausch
ihn sich bewahre.
Doch darf und kann ich ihm
das denn verdenken?
Das wäre niederträchtig,
arrogant,
wär, faktenwidrig, richtig schäbig.
Denn dass er
mit sich selbst verfahre,
als sei er Ding,
mit sich im Quantentausch,
das kommandieren
sei’s Entlastungswogen,
sei’s Eskapismus,
sei‘s Verdrängungsschneid …
Es seien Trieb,
Bedürfnis, Macht
und Mammon-Tränken …
Er ist sich seiner selbst
nicht mächtig,
ist nihilistisch aufgesogen;
gezwungen so,
sich zu verrenken,
systemverknechtet
sich entzogen,
dass alles gut sei
- und so scheint’s -
zu fühlen, werten
und zu denken.
Erklärung (3456)2
Ich rede monoman
doch stets vom Gleichen,
als wäre ich
substanzbesessen.
Indes ich deute
nur die Zeichen,
um dieses Dasein
zu ermessen:
Das heutige,
dies hochkomplexe,
das an der Oberfläche
man nicht sieht:
Nicht greift, dass wir
nur noch Reflexe,
und zwar die seinen sind ...
Es uns geschieht,
dass es uns
irgendwann dann
menschlich breche.
Unausweichliche Entfremdungsvollzüge (3457)3
Entwirklichungen sind es,
Traum- und Trancegeschehen,
die seelisch nach und nach uns zwingen,
in Multi-Perspektiven aufzugehen,
sodass wir dem System* gelingen:
Uns müssen in Gefühle flüchten,
die, provoziert, nicht unsre sind,
sind ohne Mitte, Halt und Sinn:
Weshalb sie uns auch dem System anzüchten.
So, dass wir gierig geben uns ihm hin,
die Fähigkeit verlieren, uns zu sehen
als die Verlierer, die sind ihm Gewinn:
Wir werden Sklaven, Büttel, Knechte:
Und wollen die auch sein,
erpicht auf jenes Wohlstandszwingen,
nicht fähig mehr
- zumal auch mehr und mehr allein -
sie zu erfassen, unsre Wahngeflechte,
in die wir müssen gehen ein:
Notorisch einsichtslos,
als selbstbestandsarm nur noch zu gewichten:
heteronom uns jenem zu verdingen
*Der Superstruktur von Kapitalismus, Naturwissenschaften und Technik/nach Arnold Gehlen
Gebrauchs- und Konsumgüterschau (3458)4
Eine Warenschlaraffe:
In Artefakte gepresste Normalpsychen-Ontologie.
Verbrauchervollendungen.
Von Leibgenusssteigerungsgeräten
bis zum maschinell letzten Schrei
technischer Neuerungen für die Landwirtschaft.
Kuchen, Wein, Lederartikel, Gasmotoren.
Sogar ich bade mich im Trost des Hergestellten,
fasse, naiv und beeindruckt überwältigt, Vertrauen
zur rationalen Intelligenz und unersättlichen Bedürftigkeit
meiner Artgenossen, dieser so stupend rechenhaften Typen.
Komfortwünsche, Schaulust, Kaufvergnügen
wollen sich doch stillen,
der Drang zumal nach Neuerungen:
Oberflächendifferenzierungen zuletzt.
Gerade weil Neues es eben kaum gibt,
alles sich nur, auf der Subjektseite, wiederholt:
Ich-Blähen in Prestige bestimmende Dinglichkeit,
(des Waschautomaten, der Marmorfliese,
der Holztäfelung, dem blauen Bad usw.).
Und das ist menschlich, nicht kapitalistisch nur.
Das versöhnt mich mit der gegenwärtigen Existenzweise:
Fassadentausch, outfit-Wechsel, Banalitäten-Horten.
Für alle zumal und zu aller Vorteil.
Ehemals sprach man sich eine Seele zu,
eine rein geistige, unsterbliche, teilelose Seele.
Heute ist sie ersetzt durch einen Schnäppchendetektor,
eine Rasterinnerlichkeit,
auf Mengen und Summen abgerichtet:
Auf Diesseitserlösung. Und wohl auch deshalb
ist die Zeit des Kapitalismus
friedlicher, sicherer und weniger barbarisch:
Wohlstand, Rechtlichkeit, Demokratie zeigen das.
Und all das wiegt dann auch die personale,
politische und kulturelle Fadheit auf.
Selbstentmächtigung als Entlastungs-Instrument (3459)5
Um was man nicht alles ständig ein geradezu scheinbar all-betroffen packendes, hysterisch-sensationslüsternes Aufhebens macht! ...
Freilich notwendig in einer Zeit der faktisch außenprovoziert inszenierten - nicht selbstgesteuerten - individuellen Existenz ...
Etwa um den wohllebens- und erlebniskonform intensiv vergötzten Unterleib (wir leben in einer Gesellschaft rein hedonistischer Glücks-, ja: Erlösungsversprechen, nicht in einer Gesellschaft faktenkonform-umsichtig-intelligenter Sachlichkeit),
um Sportereignisse, politische Auseinandersetzungen: Machtkämpfe, personale Intrigen ... um Film- und Pop-Stars (geistig versimpelungsdrastisch wirkende System-Verklärer), überhaupt um Sensationsnachrichten und katastrophale Begebenheiten wie etwa verheerende Klima-Einbrüche oder gar Kriege, wirtschaftliche Niedergänge usw. usw. ...
Die die Individuen täglich provozieren, dauererregen,
überforderen, psychisch überlasten, verhilflosen und verängstigen ...
Freilich auch geeignet sind, die systemimmanente Langeweile, geistige Leere und konsumtiv gesteuerte
Entmündigung eben derselben Individuen zu überspielen.
Und sei es nur, um ihre Verzauberungs-, Entlastungs- und Infantilisierungs-Bedürfnisse demokratisch-egalitär korrekt:
allgemein zugänglich zu befriedigen.
So werden die Menschen zugleich psychisch massiv geschwächt, verunsichert und gegängelt und zugleich ihrer selbst entmächtigt: existentiell deklassiert ... Auf sich selbst als Entlastungssüchtlinge zurückgeworfen: Entfesselte Verlassenheitsmonaden.
Unlösbarer Widerspruch (3460)6
Vergleiche (7/393)
Drastisch vereinsamt,
bin ich mittlerweile
völlig außerstande,
sei’s wen auch immer
länger als zwei Stunden
zu ertragen.
Und das auch allenfalls
einmal die Woche,
an einem Tag,
an dem ich keine
Ausreden erfinden muss,
warum ich denn - leider -
schon wieder gehen müsse.
Marktknechtschaft und Emotionen-Bewirtschaftung (3461)7
Von mir aus immer.
Bis hin zur Magisierung
von Kaffeelöffeln,
Radfelgen und Müslisorten.
Weiß ich doch, das zu nutzen.
Die von ihrem formalen Selbst
und Waren Ergriffenen
werden mich in Ruhe lassen.
Verabseitigt
werde ich mir selbst leben dürfen.
Zumal ich nicht mehr viele Jahre habe.
Indes jene vor sich selbst
in den Staub sinken.
Anbetend jenen Infantilismus,
der sie auch ihren Einfällen frönen,
von Freiheit radebrechen,
apolitisch besagungslos tugendtrivial
und gesinnungsfad werden lässt.
Leichte Beute dann neuen Despoten,
die irgendwann kommen müssen.
Die unabwendbare Barbarei der Zukunft
macht es notwendig.
Du-widerständig (3462)8
Wie dumpf ich doch bin!
Wie du-widerständig verschlossen.
Dass mir doch,
so sage ich zuweilen zu mir selbst,
jeder Körper erspart bleibe,
schemenhaft an mir vorüberhusche,
sich meinen Augen verweigere,
mich nicht in seinen Bann ziehe …
Des Selbsts wegen,
das ihm notwendig einwohnt:
Im schlimmsten Fall
fad, kindisch,leer, gewissenlos,
spracharm,roh und faktennaiv.
Dein Geschenk/Für … (3463)9
Daheim im Sog des Unscheinbaren,
dein deutendes Geschenk.
Es soll etwas bewahren
- Vertanem eingedenk -,
was hinterrücks verschwunden,
unwiederbringlich ist.
Was sich als müde Wunden
in resignierter Sehnsucht hisst.
Liebeserklärung (3464)10
Mit euch komm ich
am besten aus,
mit euch
den kleinen Tieren.
Ob Katze, Hund,
ob Hörnchen, Maus ...
Euch will ich
als mir Liebste küren ...
Als Gottes
Großtat
loben aus.
Der Lauf der Dinge: Was es gewesen sind wird (Trias A) (3465)11/Zu vergleichen: (15/880) und (64/3353)
So war’s, so ist’s, wird’s immer sein:
Verbrecher, Habsuchtmob, Korrupte, Schwätzer,
die, geistig unbedarfte Hetzer,
mit Stimmungsstumpfsinn lullen andre ein.
Die ihrerseits nach Illusionen gieren,
nach Wohlstand, Anerkennung, Kurzweildrogen.
Zumeist verzückt auf jene Exponenten stieren,
von deren Glamour gern betrogen.
Sind die doch Auserwählte, Führer, Sieger.
vertraut wie unerreichbar ihnen.
Jedoch verehrt als Überflieger,
die Ruhm und Glück verdienen.
*
Und immer müssen sich die Massen strecken,
um durchzukommen: Sich sozial zu halten.
Besonders dann,
wenn’s all den Dreck gilt aufzulecken,
den ihre Lenker aus Phantasmen spalten -
Für die zuweilen gar verrecken,
verstrickt in Macht- und Wertgewalten.
*
Wer möchte niemals Freien dann
tatsächlich es verdenken,
dass sie zuweilen gern die Sau raus lassen
und also renommieren wollen?
Sich Augenblicken, Eskapismus,
Rausch verrenken.
Auf Würde pfeifen, auf Vernunft,
auf faktisch jedes Sollen.
Das ihnen abverlangte ein Beschränken:
Doch gar nicht greifbar
in sozialen Rollen?
*
Ob weise seien dann die Massen,
wenn sie es einfach gehen lassen,
wie es der Zufall grade fügt,
das weiß ich freilich nicht.
Ich würde deshalb sie gewiss nicht hassen,
weil hehre Tugend immer lügt,
nicht ansatzweise taugt zu fassen,
ein Dasein, nie sich selbst verfügt:
Ein Dasein ohne Sinngewicht.
*
Ich habe längst mich davon abgewandt.
Soweit es eben möglich ist.
Mich, angeekelt, selbst verbannt
ins Abseits, wo man frisst
die eigne Ohnmacht, seine Niederlagen.
Doch unbeschönigt und sich klar bewusst:
Dass weder Selbst noch Werte tragen;
noch Du noch Wir noch Lust.
Dass es nichts geben kann,
das einen überhöbe,
doch objektiven Zwängen eingesponnen,
sich einzureihen den Kolonnen:
Bedarfsgefüge ohne eigne Strebe.
*
Entschlüsseln konnten wir das All,
das Erbgut und die Hirnstrukturen.
Sind indes ausgeliefert nagendem Verfall
und letztlich undeutbaren Psychen-Spuren:
Was soll dies Dasein? Was das Ganze?
Da kann es keine Antwort geben.
Verhaftet irrealem Glanze,
wird immer man an Perspektiven kleben.
Wird man aus Sinnsucht selber sich verfallen,
Behelfsfiktionen sich zusammenfühlen.
Sich letztlich an Phantasmen krallen.
Heteronom sich zu verspielen.
Unfrei kalkulierte Ablehnung (3466)12
Nein. Nein. Ich warte nicht auf dich.
Ich denke nicht mal dran.
Mir ist nach keinem fremden Ich
mit diesem zwanghaft allbekannten Bann
sozial verbrämter Despotie
qua Wesenstyrannei.
Ich sehne mich nach anderer Magie.
Nach der von Einsamkeit und Einerlei.
Die tiefre Träume provoziert
als die von letztlich fremdem Du.
Das ewig doch nur nach sich selber giert.
So will’s der Kern. Befiehlt’s das Nu.
Wissend geworden (3467)13
Hab immer wissen wollen,
worum's geht.
Jetzt weiß ich es:
Es geht um nichts.
Uns ist kein Sinn
in unser Sein gesät:
Es ist nicht Schöpfung
eines Geistes-Lichts.
Tatsächlich ist es all-konkret:
Bedürfnis-, Trieb-,
Vollzugs-Trug-Schmiere:
Gewaltakt eines Trance-Gewichts.
Erinnerungen an Heraklit von Ephesos* (3468)14
Anwesend abwesend: Alle diese Leute,
die ein Smart Phone an ihr Ohr pressen
und so,
ins Anonym-Fremde redend,
den Raum vor mir oder neben mir füllend,
für mich sich verwandeln
in unmittelbare Körperlichkeit.
Ein Evolutionsresultat
drangsalierender Sucht nach Artgenossen.
Eine Körperlichkeit indes,
die auch noch als von mir völlig abgezogenes Ich
sich geradezu verräterisch mir mitteilt:
Völlig allein zu sein,
in sich verschlossen,
als Zeit und Bedarfseinheit
süchtig nach Selbstvergessenheit.
*Vorsokratiker, griech. Philosoph I(um 500 v. Chr.)
Was es gewesen sein wird (3469)15
Was wird’s gewesen sein,
ich meine ganz am Ende?
Fakt ist: Ich war mein Leben lang allein;
hielt nie,
nicht einen Augenblick,
zwei warme Hände.
Es war der Geist, der mich verführte,
der machte, dass, obwohl verwaist,
ich niemals aufgab:
niemals kollabierte,
mir ohne Halt entgleist …
Verhinderte,
dass mich die Welt aufsog,
mich ihr, wie viele andre, bog
in Nihilismus, heißt: Erlebnisbarbarei.
Das wird’s gewesen sein:
Erkannt zu haben,
dass alle wir in diesem Sein
uns werden wohl
in tiefes Elend graben.
ZINSJA (72) (3470)16
Durchtränkt vom Bewusstsein
definitiver Nichtigkeit,
gebe ich mich
einer Belanglosigkeit
nach der anderen hin.
Wohl wissend,
dass dabei Ohnmacht
Lieblosigkeit
und tiefe Gleichgültigkeit
gegenüber meinen Artgenossen
so trostlos wie einsichtsschwanger
ein mitleidloses
Regiment führen.
ZINSJA (73)/Für … (3471)17
Wenn ich nicht heute schreibe,
schreib ich niemals mehr.
An dich, du einst schon ungreifbare Bleibe
von einer Nacht- und Nu- und Schnee-Umkehr …
So schreibe ich. Indes wer weiß, warum.
Dass es egal ist, sei nur angedeutet:
Wir bleiben alle doch einander stumm,
uns selbst - und nur uns selbst - gehäutet.
Ich hätt’s auch lassen können. Ließ das Hirn entscheiden.
Und dieses will’s jetzt, will es nächtens so:
Dich nicht, obwohl mir fremd, zu meiden …
Konstrukt von Selbstsucht. Doch noch zart, wenn roh.
ZINSA (82) (3472)18
Um mich herum
eine lückenlose Inszenierung
von sich selbst Verlassener.
In jeder ihrer Äußerungen
um Erlösung bettelnd
in ihrem lärmend-infantilen
Diesseits-Gehabe.
Umsonst.
Wir III (3473)19
Vergleiche (34/2044) und (38/2248)
Versucht, uns selber faktisch zu begreifen,
das hab ich. Und zwar dauernd.
Doch gut tat mir das wirklich nicht.
Grad weil es schnörkellos gelang:
Gezwungen sind wir,
gierig uns zu werfen
auf jeden noch so simplen Selbstbelang.
Von Angst,
Bedürfnis und auch davon angetrieben,
die anderen zu überragen.
Sind unsrer selbst wir doch als Ichsucht nur bewusst,
und das heißt,
Nihilismus-Fluch verschrieben:
Sinn-, Gottes-, Glücks- und Selbstverlust.
Zumal gezwungen,
uns auch dies noch zu verbrämen,
dass Zeit wir sind und Leib-Verfallen.
Uns müssen zudem auch bequemen,
uns vor die Augen anderer zu tragen:
Auf neiderfüllte Zuwendung dann lauernd …
Entlastungssurrogate uns zu krallen.
Erbärmliche,
der eignen Formelrationalität gedungen,
Erlebnisdiktatur,
Kalkül und Zahl.
Heteronom und schuldlos also nur gelungen,
verdrängungsvirtuos uns durch zu schleifen.
Weitere Sicht auf dieses, unser Dasein (3474)20
Man kann’s wie immer sehen.
Sogar positiv.
Man könnte also es auch loben,
dies Dasein,
das sehr viele geiststumm führen.
Man muss nicht allem Dasein
auf den Grund ja gehen.
Mag oberflächlich es sich delirieren.
Zynismus etwa mag da oftmals hilfreich sein:
Man nimmt’s, wie’s kommt und fragt nicht viel.
Man nennt es dann vielleicht ein Spiel,
das sowieso man fechten müsse ganz allein.
Und überhaupt:
Was ist’s denn außer wertverwirrter Schein,
Sozialgefecht um Zaster,
alltrügendes Gefühl?
Am Ende hat man es dann überstanden.
Geht ein doch, scheint es,
absoluter Leere.
Hat keinen Coup zwar mehr in der zu landen.
Doch auch zu fürchten nicht mehr
Scheitern und Misere.
Ist’s doch nicht mehr,
dies Dasein kommandierter Laster.
Über mich selbst VI (3475)21
Ich muss es ohne Wenn und Aber eingestehen.
Mir ging es immer sehr, sehr gut.
Nie musste ich um irgendetwas flehen.
Privilegierter einer Wohlstandsflut.
Ich musste keine Phrasen krähen.
Und niemand nahm mir je den Mut,
mich Einsicht zu verpflichten, zu verstehen,
was Geist gewährt an Macht und Hut.
Es musste faktisch mir nur dies gelingen:
Den Affen in mir zu Verstand zu bringen.
Eine bedrückende Einsicht/Variante II (66/3476)22
Noch nie war die
Vergeblichkeit
unserer Existenz
so trivial, unernst,
leer, fad und
farcenhaft
wie heute.
Noch nie so
stumpfsinn-
narzisstisch,
blasiert und
inszenierungsselig
charakter- und
würdelos.
Indes auch nie
so prekär verarmend:
Psychisch, geistig
und kulturell:
Ein Anmaßungs-
Infantilismus
für entlastungssüchtige
Selbst-Konsumenten.
Permanent ausgesetzt
entmündigenden
Beseligungs-Tyranneien:
Intensivierend den
intellektimperialistisch
längst vollendeten
Wohlstands-Aktionismus
hedonistisch in sich gefangener,
dauerkalkulierender,
erlebnisgieriger und
gewissensarm-sentimentaler
Tingeltangel-Virtuosen -
phrasenhörig,
anmaßend und
desorientiert.
Realitätsverweigernde,
Zeitgeist unterworfene
medial gelenkte Verbraucher,
die von sich aus vollziehen,
was das System
ihnen aufzwingt:
Glücklose Selbst-Verdinglichung.
Als Souverän zumal
politisch verwirrt und benutzt
von einer tugendsophistisch
machtvergessenen
und geistig korrupten
Parteienoligarchie …
Indes kratisch auf Abruf.
Eine menschlich
erbärmliche Groteske
Spätzeit verstrickter,
enthemmungsdrastisch
und emotionshypertroph
fehlgeleiteter,
verantwortungsunfähiger Kinder.
Kunst und Sex (3477)23
Das Daseins-Diktat,
Gedichte machen zu müssen,
zwingt nicht weniger als das
brachialer Sexualität.
Indes unterscheiden sich
beide Kommandos
in ihren Konsequenzen
fundamental.
Ein erotisches Versagen,
sei’s, dass Missverständnisse,
sei’s, dass Unvereinbarkeiten,
sei’s gar, dass Ekel aufkam,
sei’s, dass Impotenz,
Phantasielosigkeit
oder Ängste und Fremdheit
ernüchterten,
bleibt für den Kern einer Persönlichkeit
letztlich ohne Belang.
Misslingt hingegen ein Gedicht -
gleich, in welcher Hinsicht:
weil es kitschig sentimental,
apologetisch,
zeitgeisthörig,
inhaltlich schwach oder formal
unbefriedigend ist -
dann erwächst einem daraus
ein existenziell nagender Mangel,
der das Selbstwertgefühl
bis in die Tiefenschichten,
und zwar dauerhaft,
erschüttert.
Nur dass man das nicht
bemerken will,
weil man eine solche
intellektuelle Deklassierung
schon im ersten Augenblick
diffusen Gewahrwerdens
radikal verdrängt -
Daran erkenne ich
einen Hinweis darauf,
dass wir uns wohl,
in den tiefsten Schichten
unseres Wesens,
wir mögen sozial herkommen,
von wo auch immer,
primär als Geistwesen entwerfen,
sehen und ersehnen.
Nicht aber als stoffgewirkte,
dauerprekär Bedürfnissen
und Triebansprüchen ausgelieferte,
Stunde für Stunde
biologische Zwänge wiederholende
Selbsterhaltungs- und Genuss-Einheiten.
ZINSJA (168) (3478)24
Die Spuren Gottes
suchen sich selbst.
Wissend,
wo sie verlaufen,
schweigt es sie an,
mein eines Loses
entwöhntes Gehirn.
ZINSJA (63) (3479)25
Ich halt mich doch
an Phrasen,
an Illusionen fest.
Bedeutungskranz
mir anzumaßen …
Gehirn als
Baryonen-Rest.
Verpflichtet
Hyle, Trieb
und Mohnen.
Gefangen diesem
Wohlstandsfest
barbarisch infantiler
Zonen.
ZINSJA (84) (3480)26
In der sich selbst erlauschenden Stille
dieses sterbenden Abends
entgleitet mir endlich nun auch
die Magie deiner Anmut,
blonde Sirene stofflichen Seins.
Nicht mehr ausgeliefert
dem kommandierenden Drang
triebgebundener Zeitzersetzung
und fadster Belanglosigkeit,
wende ich ab mich von dir.
Nachzugeben meiner krankhaften Sucht
nach Ichüberschreitung,
gängigem Soseins-Gewirr zu entrinnen:
Dem Unflat von Wir,
Gesellschaft und Macht …
Vergeblichkeitstotalitären Gebilden.
Zu versinken in Sehnsucht
nach seelischen Stätten,
verwiesen auf Einsicht und Geist,
jenseits von Zwecken und Geltung verortet …
Im Schlaflied der Leeren
ihn zu zersingen: Den Pan-Nihilismus,
mir auch noch vertraut,
wenn mich das Absolute schon greift,
Gott in mir aufschreit,
ihn nicht zu verraten.
ZINSJA (87) (3481)27
Körper und Hirne treffe ich viele.
Menschen indes als Personen statt Kunden
nur noch ganz selten. Überaus selten.
Wie sonst auch könnte es sein denn
im Drangspiel des Mammons,
des Zwangs zur Berückung
verblendeter Unschuld?
In dem sich Gemeine
als Sieger wähnen,
sich gelten als menschliche Gipfel.
Sich selber zerstörend
im Hecheln nach Sinn-Dung,
Behelfsglückumnachtung,
notwendig verlogenem Tugend-Geträume.
Erbärmlichkeitsträger,
Korruption doch verfügt.
Im Blickfeld auch längst
von Gewalt und Zynismus.
Selbstschwund zumal (3482)28
Was sollte ich von mir denn sagen?
Will ich mich eher doch verbergen.
Zumal ich diese Einsicht muss ertragen,
dass wir anom verzwergen.
Dass wir Objekt sind eines hochprekären
globalen Großprozesses ins Absurde,
dem wir nicht werden können wehren,
weil er durch uns doch wurde:
Den Intellekt im Dienst des Überlebens
durch Technik und durch Wissenschaften.
Indes nicht fähig, deren Folgen zu verkraften.
sind wir verfügt Vergebens.
Zumal sie mussten Gott entthronen
an seine Stelle setzen dieses Ich.
Doch das kann immer nur sich selbst belohnen,
da kreatürliches An-Sich.
Das wollte ich für mich behalten.
Zumal als radikaler Pessimist
ich denke, dass brutal wir werden walten.
Doch jetzt schon seelisch tot:
Verlassnes Stoffgerüst.
Humanität (3483)29
Dass wir dem Ideal der Humanität oftmals
gar nicht genügen können,
liegt zuletzt auch daran,
dass wir Überzeugungen,
eine Weltanschauung,
eine Ideologie oder die Dogmen
einer Religion verinnerlicht haben.
Einmal ganz abgesehen davon,
dass wir Ideale verfehlen,
ja oftmals geradezu verraten müssen,
weil wir ihnen nur selten und nur ansatzweise
und nur unter der Voraussetzung zu genügen
fähig sind,
dass genetische Gnade uns dazu befähigt,
an sich doch radikal auf uns selbst zurückgeworfen.
Unfrei zumal,
ichdumpf,
selbstsüchtig,
orientierungslos und mittelmäßig …
Jene also verinnerlicht haben
als seelische Prägungen qua
Ordnungs-, Wert-, Zweck-, Ziel- und
Sinn-Phantasmagorien,
die primär dazu dienen,
uns psychisch zu entlasten,
auszurichten und zu stabilisieren.
Es handelt sich also bei jenen
um sprachfundierte mystisch-magische
Wort-Gefüge,
ohne die niemand zu existieren vermag.
Selbst die Spielarten des Nihilismus
sind Wert-Schemata:
Wunsch-,
Sehnsuchts-,
Trieb- und Sollens-Sichten,
sich richtend auf als real erachete Gegebenheiten.
Um Fakten geht es dabei nie.
Stets nur um die Perspektiven,
unter denen wir sehen,
sehen müssen,
sehen wollen,
zu sehen glauben.
Zumal wir nicht nicht werten können.
Wir tun es immer.
Das weiß man doch.
Kann es jedenfalls wissen.
Erfährt man es doch immer wieder.
Es ist uns wesensmäßig.
Wir sind alle Dogmatiker.
Auch diejenigen,
die das Ideal der Humanität ausnahmslos
gelebt wissen wollen.
Und überhaupt:
Niemand täuscht sich mehr über sich selbst,
betrügt sich einfallsreicher und subtiler,
ist anfälliger für Lebenslügen
und Innenweltverhärtungen
als gerade der idealhungrige Mensch.
Einmal ganz abgesehen davon,
dass wir uns weder selbst greifen
noch auch mitteilen können:
Wir benutzen nur die Worte
einer kollektiv geschaffenen,
wenn auch hochkomplexen Lautsprache.
Die wir benutzen müssen,
um uns Sprachfiktionen als Selbst
oder Fremd-Ich zu halluzinieren,
die lediglich Wortbedeutungen,
aber keine Fakten wiedergeben.
Allein sind wir so,
ganz allein.
Ein Leben lang.
Innenweltzerfall. Andeutungen (3484)30
Zerstoben alle Selbstverständlichkeiten,
verwässert alles, was als fraglos galt,
kaum angezweifelt wurde, hielt im Lot.
Und das, was blieb anstatt, das sind Fiktionen,
Schaumschlägereigetue, Reizeinheiten,
zu formen ein Plebejertum,
das nur erlebend kann sich noch erfahren …
Monadenmenge, dauerinszeniert.
Wen wird’s noch wundern also,
dass sich Seelen scheiden,
sind metaphysisch ohne Halt,
sind faktisch hergestellte,
menschlich tot,
sich liegen krumm als tauschsakrale Waren,
als Selbst medial- und marktgeschmiert.
Realitätsfremd ohne Geistesstärken,
gar nicht mehr fähig, zu addieren
Bezüge, die sich selbst auflösen
im Spätvisier von Schergen,
die Fatalismus, Antriebslähmung,
Tranceweltschlieren …
entfesseln zu monströsen.
Dorfschatten: An einen solchen früher Jahre,
längst schon tot (3485)/31/Für A. P.
Ich würde so gern dich
noch einmal sehen.
Ich kann dir
gar nicht sagen,
wie.
Um mich dann
noch mal
von dir wegzudrehen,
erinnernd
unsre leisen Lieder.
Verstummt längst
in der Jahre Pi.
Wiewohl sie manchmal
in mir klingen,
wie einst in
jenen Tagen.
Von Trauer voll,
Versagen,
toten Dingen.
Entzauberndem
Verwehen.
Geist-Materie (3486)32
Nichts war’s
als Stochern im Ungefähren.
multiversiert vollzogen,
mich zu erhalten,
mich zu entlasten.
Nichts als Gespinst,
neuronenvermittelt.
Mal faktenbasiert,
mal täuschungsgewirkt.
Als ratioversierte
Tauschexzellenz.
Ein Fristungsbefehl,
Belämmerungszwang.
Besonderter Stoff,
per Zufall Ich.
Und eben auch Geist.
Aus Sprache gewoben.
Doch hylebasiert
wie das Ganze.
Geeignet indes,
die Kraft mir zu geben -
durch Wirklichkeitsgabe
und durch Begriff -
Notwendigkeit,
Gleichmut und
Leeren zu fassen.
Zu greifen Bedeutungs-
und Sinnlosigkeit
im raren Moment
einer Selbsttranszendenz.
Mir selber entlarvt
als Materie-Farce.
Grundmisstrauen (3487)33
Nichts lege ich in Artgenossen-Hände.
Vertraue keinen fremden Sätzen.
Denn solche Sätze sind am Ende
Bedeutungs-Trance, von mir nicht einzuschätzen.
Nicht dass ich ihnen Falschheit unterstellte.
Wenngleich sehr häufig doch in unsrer Zeit,
die alles ihrer Ratio fällte.
Als Macht- und Kreaturen-Kleid.
Ich will mich nicht durch sie verfehlen.
Will selbst mir phantasieren Halt.
Mich nicht aus solchen Deutungsgründen schälen:
Blasierheit, Selbstsucht, Hybris und Gewalt.
Der Tugendwächter (3488)34
Der aufgeblasne Tugendwächter,
politmessianisch arrogant,
kann leicht sich wandeln auch zum Schlächter.
Es ist ihm nämlich unbekannt:
Dass Ideale doppeldeutig sind:
Je hehrer sie sich ausgestalten,
nun desto ferner sind sie - quasi blind -
vom Fakten-Ethos: Maß- und Mitte-Walten.
Tatsächlich diktatorisch rücksichtslos.
Und jener macht sie oft dazu:
Realitätsverweigerer, der Einsicht bloß,
dass wir uns selbst, Barbaren, sind Tabu,
wir nie dieselben sind. Nicht mal im Nu.
Gelage (3489)35
Vier Viertel Wein hab ich bisher getrunken.
Jetzt sieht die Welt schon sehr viel besser aus.
Ich lasse Krittelsucht und Unken
und spiel mit meiner Lieblingsmaus.
Die quiekt und tobt und freut sich so,
huscht quicklebendig über meinen Arm,
lobt meine Wohnung als chateau
et l'idéal d'un monde sans larmes*.
Weshalb entkorke ich die nächste Flasche,
mit meiner Maus darauf zu trinken,
dass jeder Mensch bald nur noch danach hasche,
in Liebe selbst zu Mäusen zu versinken.
*chateau franz. (Schloss) ... et l'idéal d'un monde sans larmes franz.: (und das Ideal einer Welt ohne Tränen).
ZINSJA (127) (3490)36
Ich stand dem immer schon zwanghaft entgegen:
Dem Wohlstands- und dem Erlebnis-Fluss.
Die abhängig machen und kindisch prägen,
was einer sich selbst sein muss:
Verbraucher nur, in sich selber gespiegelt …
Narziss und Erregungs-Virtuose,
sich selbst überlassen, Phantastik versiegelt
und marktkonformer Ich-Neurose.
Nicht fähig, dies zu akzeptieren,
fand ich mich ins Abseits geschoben.
Gezwungen, in ihm mich allein auszufrieren,
weil ausweglos jenem Sosein verwoben.
ZINSJA (8) (3491)37
Wäre ich nicht
vollständig
determinierte Materie,
ertränke ich zuweilen,
in zügellosen
Freiheitsdelirien
gefangen,
sei’s in Nu-Trance
erfrevelter Halbgottähnlichkeit,
sie’s im haltlosen Geifern
nach verblendungslüstern
auf Dauer gestelltem
Selbstbetrug.
Ein doppeldeutiges Gut: Eine Adipositas-Bitterfrucht (Trias C) (3492)38
Mein Leben lang verfügte ich
- man nenne es pathologisch -
über ein filigran feines Gespür
für Phrasen, Leerformeln,
ideologisches Berückungs-Palaver,
Tugendverlogenheit,
Gesinnungsprimitivismen,
Scheinheiligkeit
und metaphysisch gewendetes
sich selbst Glorifizieren,
Anraunen und Überhöhen …
Kurzum: Ein überdurchschnittlich
entwickeltes Gespür
für Selbsttäuschungen,
Lebenslügen,
Wirklichkeitsverluste,
Entlastungssurrogate,
Verdrängungen,
Berauschungsbedürfnisse,
Seelenarmut,
Gewissenlosigkeit
und Traumweltersatzfiktionen
aller Art …
Ein nicht auszugleichender
Fundamental-Nachteil
im Ringen um einen Daseins-Sinn,
um Anerkennung,
Überragen,
wirtschaftlichen Erfolg,
Geselligkeit,
Zuwendungsnaivität
und Triebbefriedigungen.
Macht doch jenes Gespür
am wenigsten Halt
vor einem selbst;
schließt es einen doch gerade auch
sich selbst auf
bis zu dem Punkt,
an dem die Einsicht
in die fremdbestimmte Getriebenheit
und prekär-sinnlose Zufälligkeit
des menschlichen Daseins -
auch sich ununterbrochen
und hilflos selbst ausgeliefert zu sein -
nicht mehr zu vermeiden ist.
Entwirrtes Widerspruchsdickicht (3493)39
Selbstverwirklichung, Demokratie …
Würde, Rechte und Vernunft -
Die gängige Leerformel-Theologie
verdeckter Mammon-Brunft.
Doch immer noch besser als Diktaturen,
die alles kontrollieren:
Die Fakten, die Köpfe, die Psychen-Blessuren,
Barbarei und Idee zu liieren.
Uns können nur Träume von Träumen gelingen.
Auf Wohllebensbasis allein:
Dekadentem narzisstischen Ringen
und ethisch verlogenem Schein.
Brachherzen (Trias C) (3494)40
Ein wenig tristesse,
ein wenig regret*,
Sentimentalität
und impotente
Melancholie ...
aber der Abend
ist still und einsam,
bar vor allem
jener morosen Phantasielosigkeit
verbrauchertypischen Stumpfsinns;
bar auch
jenes artifiziellen
Lachgas-Optimismus,
den ein untergehender
Konsumkapitalismus
medial und kommunikationstechnologisch
frenetisierten Monadenheeren
als phänomenalen Betrug
in die Brachherzen schminkt.
*regret franz.: Bedauern
Spätsommertag (Trias C) (3495)41
Herrlicher Spätsommertag.
Der Wind streicht durch die offenen Fenster.
Mein Frühestes vor sich hertreibend,
mein Spätestes mir diskret bedeutend:
Die währende Identität der Großen Vergeblichkeit.
Manchmal, gram- und magiegeschwängert,
scheinbar unterbrochen
von wurzellosen Erinnerungen.
Schicksalslos (Trias C) (3496)42
Sinnlos ist es,
noch an irgendein Schicksal,
das man doch haben müsse,
einfältig zu glauben.
Ein gezwungen in diese
kapitalistische Wohllebensorgie,
häuft man allenfalls noch
emotionale Erlebnisfragmente auf.
Der ökonomisch diktierte Ablauf
der individuellen Existenz
erpresst einen Selbstvollzug
alternativloser Schein-Schicksalshaftigkeit.
Man wird Spekulationsobjekt.
Man wird es auch sich selbst.
Das eigene Dasein wird paradigmatisch*:
Das einer schicksalslosen Gleichlauf-Monade.
*paradigmatisch: beispielhaft/typisch
Über-Intellektualisierung (Trias C) (3497)43
Sind Werte doch nichts
als eine existentiell notwendige Camouflage*
drastischer Mittel- und Hilflosigkeit
eines hirnhypertrophen Daseins,
fließende Klammern
zwischen kreatürlicher Selbst-Vergötzung,
geistiger Bedeutungs-Trance
und Ich tragender Intersubjektivität -
im prekären Sog
einer evolutionär stupenden
Über-Intellektualisierung
qua Wirklichkeitserschaffungszwang.
*camouflage franz.: Tarnung, Verdunkelung
Variante (zu „Diffuse Wege des Kapitalismus“)/
Sonett (3498)44
Das Kapital kennt, kann’s nicht, weder Maß noch Mitte.
Und muss für seine Zwecke Menschen krass entschämen.
Insinuieren ihnen, goldne Zeiten kämen;
als Folge auch genialer Digitalfortschritte.
Vor allem muss es sich und jenen dies verbrämen,
dass es Vernunft zerstört und unterwandert Sitte.
Erlösung bietend, muss den Faktensinn es lähmen:
Erlebniswirre Kunden hedonistisch zähmen.
Mir kommt das vor als schon vollendeter Prozess.
Der mehr und mehr nun drastisch umschlägt gegen sich.
Schon autodestruktiv sich zeigt in mancher Weise:
Man feiert hemmungslos Verwahrlosungs-Ivresse,
verheiligt so das haltlos-rohe Standard-Ich:
Das leer ist, asozial: gewissenlose Waise.
Zusammenbruchs-Gefüge (3499)/Sonett45
Kann ich denn haben noch ein Interesse
am Zustand dieser Welt und ihrer Qualen?
Zumal doch schon verweisen nackte Zahlen
auf nicht mehr steuerbare Schwerstexzesse.
So wird Gewalt entfalten ihre Messe
der Barbarei und überhaupt brutalen
Verrohungs- und Verwahrlosungs-Randalen.
Schon jetzt kennt man genau die Grundanlässe.
Ich will für mich behalten, was ich fühle.
Es wäre lächerlich, mich zu empören.
Kein Trauerpathos fände irgend Ziele.
Das Chaos kommt. Und wird uns wohl zerstören.
Sind wir doch nichts als Neuronal-Gewühle.
Meint, schuldlos schuld, bestimmt uns zu verheeren.
Gewöhnliche Früherfahrungen (3500)46/Sonett
Was war mir doch das Schicksal - zufällig - gewogen,
was die Faktoren meines Daseins anbelangt:
Hab Elend und Gewalt: Krieg nie erfahren müssen.
War immer realistisch: sachlich und bedacht.
Mich hat es nie zu irgend Geltung hingezogen;
doch Außenseiter, körperlich entstellt: erkrankt.
Und das, das ließ mich blicken hinter die Kulissen:
Dass wir, uns selbst zu steuern, gar nicht sind gemacht.
Die meisten Menschen fallen so sich selbst zum Opfer,
weil, ichschwach, können Gängigkeit nicht widerstehen:
Das heißt, sie schwärzen Fakten sich mit Illusionen.
Sie folgen einfach dem, was gilt: sind Sprücheklopfer,
sind oberflächlich, wollen das, was ist, nicht sehen:
Pleonexie, die Hauptmacht tiefster Seelen-Zonen.
Kleiner Angestellter (3501)47
Ich bin ein kleiner Angestellter.
Und meine Welt ist dementsprechend flach.
Folgt Ordnerrücken und bestellter
Banal-Routine. Je nach Fach.
Entsprechend meine innre Enge.
Ein Geistrefugium gewährt sie nicht.
Sie wird bestimmt durch Freizeitzwänge:
Verspaßungs-Ausflucht: leibhaft schlicht.
Die brauche ich, mich zu erholen
von der genormten Welt,
die meine Selbstbestimmung hat gestohlen …
Allein: Ich brauch das Geld.
Gerate menschlich immer ärmer.
Und das ist ausweglos.
Mir schleusen Kabel Seelenwärmer,
Entlastungsdrogen schenkt der Schoß.
Prosafetzen (388) (3502)48
Ein herrlicher Abend: Eine Flasche Wein,
ein paar dichterische Eingebungen
und das beruhigende Gefühl,
dieses fade Dasein immer wieder
sich wiederholender Notwendigkeitsvollzüge
und lebenslang zumeist nichtssagender
Behelfsvergnügungen
bald hinter mir zu haben.
Ein Gedicht machen/Variante III (Trias A) (3503)49
Was wäre tiefer denn
als ein Gedicht zu machen?
Gewiss nicht
übermächtigen und kopulieren;
schon gar nicht
dieses marktbefohlene Verflachen
in Zeitgeistgossen,
sich selbst verratend dann
in ihnen zu verlieren.
Nichts ist beglückender,
was immer es auch sei.
Denn wer Gedichte macht,
entrinnt all diesen
stummen Trümmern
von asozialem Psychen-Einerlei
in diesem Mittelkosmos
ohne Gottesflimmern.
Nicht Knecht von Marktkommandos:
Narzisstischem Gepränge.
Ein Dichter ist,
wer in Versagensleeren
Geist legt bloß,
am Rand hin vegetierend,
fernab aller Ränge
und dieses Stumpfsinns
im gesellschaftlichen Schoß.
Geborgen metaphysisch dann
in sinnverzückten Schaffensschieren.
Radikale Fragestellung/Sonett (3504)50
Es wäre eine Illusion zu glauben,
es ginge hier um mich, das Einzelwesen.
Doch worum’s geht, ist auch nicht leicht zu sagen:
Wie’s scheint um das, was man für Wohlstand hält:
Sich aus Erlebnisschüben Halt zu klauben,
sich auszurichten an den Markt gemäßen
Entlastungslüsten, sich nicht abzuplagen
mit jener Frage, die sich mir hier stellt:
Wirst du nicht wesenswehrlos angetrieben
von evolutionären Kerndiktaten?
Die dich als Zufallsvariante schieben
durch hin gewürfelte Geschehensschwaden?
Die ziel- und sinnlos, ohne Plan und Faden,
dich ihrem deutungslosen Lauf einschrieben?
System-Ding (3505)51
Mir ist das Du suspekt,
Gesellschaft, Wir
schon fast egal.
Bin ich doch Knecht
von Gleichung und von Zahl:
System-Ding
ohne jede Wahl,
so etwas
wie ein Zufalls-Sonderling
in einem Meer von Amoral,
Sichselbstverfehlen ...
oft nur noch Daseins-Qual,
die mehr und mehr
zumal sich selbst entzweckt;
von vornherein ja
in die Irre ging.
Dein Körpergral/Für … (3506)52
Es wäre Sünde,
nicht es auszusprechen.
Ich meine dieses Hoch
auf deinen Körpergral.
Vermochte er doch
alles Leid zu brechen.
Als sei er Geistgebilde,
numinos sakral.
Das auch zu geben weiß
im Überfluss.
Das nie enttäuscht,
ja: einen sanft entreißt
aus diesem primitiven
Spätzeitramschgenuss …
Wie’s jener kann,
wenn er mir Trance zuweist.
Herrliches Gestern einsamer Kindheitstage (3507)53
Von ihm werde ich zehren
bis mich
der allgerechte Gleichmacher
heim holt,
hat es mich doch
seelisch aufrechterhalten,
hat es mich doch,
Abstand schaffend,
geleitet durch all diesen
despotischen Stumpfsinn
steriler Rationalität,
technischer Hybris und
jener krakenartig auf alles
zugreifenden Geldwirtschaft,
die das Denken,
Wollen und Fühlen
ihrer Herren wie Knechte
ausnahmslos steuert …
Diese sterile Rationalität,
die das Ich
zum käuflichen machte,
den Eros zerstörte,
den Geist liquidierte
und das ganze Dasein
in die Krallen seiner alles
profanierenden Tauschknute trieb.
Entlastungsdrastisch.
Tugendarrogant.
Selbstzerstörerisch.
Sinnleer.
Hedonistische Konsumschlaraffe (3508)54
So nimmt sie jetzt wohl doch ein Ende,
die fatalistische Erlebnissause
mit ihrem Heilsgebot: Verkonsumiere dich, verschwende
und gönn dir jede Flause.
Nicht, dass mich’s freute, weil ich weiß,
da schleichen ein sich nun Bedrückungsstunden,
auch tiefe Ängste ohne Ausweggleise,
zu zünden manche Psychen-Lunten.
Indes wer fragt schon, lüstern nach Zerstreuungsglücken,
wo die wohl könnten später enden …
Doch Rausch und Lust und kultisches Verzücken?
Sehr viele müssen diesen sich verschwenden.
Zumal das Ganze eher fad,
Routine ist verlogner Inszenierungskämpfe.
Da braucht man Sinnersatz: Magie, Banalitäten-Bad …
Sex, Drogen, Spannung. Kurz: Entlastungskrämpfe.
Sich seiner selbst entfremdet (3509)55
Existieren, das heißt Schein,
kollektiven Illusionen fronen,
bedeutet, wir-vermittelt, ganz allein,
sich als Selbsttraum zu betonen.
Also: Phantasieren, träumen,
Kompetenz sich anzudichten,
nie sich selbst je zu versäumen,
immer fähig, sich zu lichten.
Heißt am Ende sich verbergen,
dass man selten über sich verfügt,
Beispiel ist von Schicksals-Zwergen,
das, gezwungen, sich belügt,
um im Hauptstrom mit zu schwimmen,
so sich zu bewahren,
nicht den Fakten zu verglimmen …
Heute: Technischen Verfahren,
Formeln, Märkten, Sensationen,
Phrasen, Waren, Sich-Erleben,
spaßbestimmten Emotionen,
um systemkonform zu streben.
Befehlende Teilnahmslosigkeit (3510)56
Sozial ganz am Rande und psychisch frigide.
Für Gängigkeit blind, von ihr abgestoßen …
Menschlich verarmt und von Ekel gezwungen,
lebe ich Leerlauf, Erledigungszwänge,
Alltags-Routinen und Geistmiseren.
Die Zeit abzusitzen, mich rauszuhalten
aus dieser lärmenden Wirklichkeitsblende.
Von Einsicht verknechtet und Ahnungsanfällen,
die Zukunft mir deutend als basisverkommen.
Erleichtert indes, sie nie zu erfahren,
entronnen zu sein sogar dann mir selbst.
Untergründige Tatsachen (3511)57
Erlösungsgossen für Selbstbestandslose,
diese totalitären Konsumdiktaturen.
Die Innenwelten brechen zusammen.
Kleinseelentypen: Sieger, Promis, Stars …
Gedächtnisverlustige und Fakten verweigernde
Brachial-Narzissten …
System-Ochlos* eben trumpft auf:
Mammonverstrickte, Machtinfantile,
Wert-Komödianten, Mediendevote.
Spracharm sich brüstend als Adel des Seins,
Reichen wird’s nicht, die Zukunft zu meistern.
Seelisch verkümmert, flachdekadent,
ichbrach gefangen, sentimental,
wirklichkeitsfremd und tugendverlogen.
Halbmenschverschnitte können das nicht.
Unfähig doch, sich selber zu führen,
unfähig auch, sich selbst zu begreifen.
Wird’s doch um einzelner Glück
dann längst nicht mehr gehen.
*ochlos griech.: Pöbel
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