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Diese Seite enthält 58 Gedichte, 54 Prosa-, Reim-Gedichte und 4 Sonette
Über das Lebensende (3396)1
Indes das Ende auch sein Gutes hat:
Man ist die Welt los: Du, Wir, Ich.
Muss nicht mehr sich verkaufen
auf diesem Mammon-Strich.
Nicht ängstlich fragen:
Wird’s denn laufen glatt?
Da wäre noch viel mehr zu nennen,
was, Gott sei Dank, man los sein wird,
wie etwa dies, Bedeutung zu berennen;
die man als leere sich dann girrt …
Ich höre lieber auf an dieser Stelle,
damit ich es verschweigen kann:
Dass dieses Dasein zwar nicht eine Hölle,
doch immer ist Bedürfnis-Bann
Ist eher Droge, Last und Zwangsbegehren,
nicht ansatzweise mal zu stillen.
Es gängelt eben mit der Tiere Schweren:
Für die es gibt nicht e i n Erfüllen.
Nicht mal ein Tier, dies Menschenwesen (3397)2
Mag‘s Nihilismus sein, Determinismus auch.
Mag’s sein an Niedergang was immer:
Verworfen, hässlich, mitleidlos brutal …
Mag’s ein Gefängnis sein für Machtmissbrauch,
für Tugendlügen; ja: noch schlimmer:
Für Folter, Psychopathen-Lust an Qual …
Wir werden es gewiss nicht besser machen,
weil dafür fehlt uns jede Seelengröße,
Gewissenskraft, ein Grundempfinden …
Genetisch darauf ausgelegt zu lachen,
wenn andre weinen, ihre Trauerstöße
bezeugen, dass wir selbst uns lustvoll schinden.
Allen unsichtbaren Händen zum Lob/
Für Alexis de Tocqueville (2) (3398)3
Ich muss es, gleichsam monoman, betonen:
Was habe ich für Glück gehabt!
Historisch, ökonomisch, rechtlich und politisch:
Gelang es doch durch Wohlstand zu entthronen
- kapitalistisch-technisch-analytisch -
was nur auf diese Weise klappt:
Das Triebgefüge, das an sich wir sind,
sowohl zu zähmen wie zu lenken,
den Träger reduzierend erst zum Kind,
um dies mit Lüsten reich dann zu beschenken;
zuletzt erlebnismetaphysisch zu betören
durch Freiheitsmären und Verheiligungen.
Zu nehmen ihm so alle Wesensschweren,
am Ende Selbstverlust und Dekadenz verzwungen.
Klarstellung VIII (3399)4
Ihr denkt vielleicht,
ich hielte mich für besser,
als ihr es seid,
ihr, die Gesellschaftsträger.
Da irrt ihr euch.
Ich kenne alle unsre Messer,
weiß darum,
dass wir sind, in Unschuld, Jäger
nach Vorteil,
Überragen, Eitelkeit.
Und dies zumal
gewissensseicht:
Substanzbrutale Allvermesser
von einer Ichsucht,
die uns alle eicht …
Gen-, Es-, Neuronen-Knechte,
denen nie was reicht.
Zumal nur Stoff-Geflechte.
Und woher weiß ich das?
Weil ich es in mir selbst vorfinde:
Dies essenzielle Wie und Was:
Sinnloses Drang-Gebinde.
Bestandsaufnahme VI/Sonett (3400)5
In dieser Zeit anomer* Niedergänge,
des drastischen Verfalls der Innenwelten,
der dekadenten Selbstaufgabezwänge:
Gewissenbrüche, Ohnmacht, Seelenkälten,
kann nur Entlastungs-Ichsucht noch bezelten
als trivial-narzisstisches Gepränge,
um sich als Schein-Person noch was zu gelten
in flachen Gesten anonymer Menge.
Wie sollte anders man denn auch ertragen
die analytischen Verdinglichungen,
die keinen Inhalt schenken, nichts besagen.
Zumal Zerstörungs-Gier sind doch gelungen,
d. h. sie weisen hin auf öde Lagen,
kommandokulturell schon längst erzwungen.
*anom (von griech. Anomie: Gesetzlosigkeit) soll hier heißen
(1) gesellschaftlicher Niedergang/Verfall und
(2) diesem parallel ein psychoethischer Verfall
der Individuen; beide schaukeln sich schleichend
hoch könnten ergeben eine
(3) dritte Form von Verfall: den politischen-kulturellen
(als Auflösung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie)
Der existenzielle Kern (3401)6
Was soll in meinem Alter
ich noch sagen
zu dieser linkisch-plumpen
Spaßgesellschaftsschmiere?
Dass sie sich selber kann
längst nicht mehr tragen?
Dass sie nach nichts
als Nichtigkeiten giere?
Indem die Leute sich
mit Spaß vollpumpen,
um sich Berauschungsmittel zu erjagen,
als ob zu irgend Halt das führe?
Nun: nichts. Auch weil sie’s
nicht mehr wagen,
sich zu verweigern dieser tumben
Verdummungsorgie als Allüre
für asoziale Wohlstands-Tiere …
Wahrscheinlich freilich
auch nicht mehr begreifen,
was ich diskret da sagen will:
Dass man nun einmal nicht kann kneifen
vor sich, den objektiven Lagen,
schon gar nicht vor sozialem Drill …
kann einen Kern bald nicht mehr streifen
und so auch nicht mehr nach sich selber fragen.
Hingabe (3402)7
Vielleicht ist sie
Erfüllung für Momente.
Als Leiberlösung
gierender Natur.
So sich Entkommen.
Doch am Ende
ist man erneut nur
Ich-Tortur.
Stigmatisierter Zocker/Lehrreiche Erinnerungen/
Sonett (3403)8
Ich ging nicht mehr zur Schule, spielte Karten
früh in Cafés, dann abends in Spelunken,
um dann herumzulungern ohne Ziele
in jenem Nachkriegsnest verrohter Seelen.
Nicht nur zuhause war nichts zu erwarten.
Auch sonst galt ich als Abschaum und gesunken
zur Last, die man schon abwies vor der Diele.
Sah oft auch Ekel auf Gesichtern schwelen.
Und doch: In meinen lichtesten Momenten
verflogen Hadern, Scham … sogar das Hassen.
Weil ich erahnte jenes plumpe Schänden
als Stumpfsinnäußerung von schuldlos Blassen:
Von menschlich primitiven Indolenten:
Bedrückungsschatten im Gewirr der Gassen.
*Variante der Zeilen 9 bis 14:
Und doch: In meinen lichtesten Momenten
verflogen Hadern, Scham, Bedrückung, Hassen.
Und ich begriff das skrupellose Schänden
als ungeplant-stupides Nichterfassen
von um sich selbst nur kreisenden latenten
Versagern: schuldlos-ichschwer sich belassen.
Barbarisches Erbe (3404)9
Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
Es gibt ja auch nichts mehr zu sagen.
Sind doch zerfallen alle Geisteslagen.
Enthemmungslüstern saugt das Wir sich voll.
Ich habe mich auf mich zurückgezogen.
Aus Ekel oder Langeweile.
Ins Leere schreibend manche Zeile.
In Redundanz gebogen.
Was soll’s? Ich werde eh bald sterben.
Und das, das wird mir viel ersparen.
Sieht’s doch nicht aus, als könnten wir bewahren
uns vor den eignen Scherben.
An mammonbetörte Pseudoeliten (3405)10
Ich will nicht, dass ihr mich verheizt,
zum Zielpunkt eurer Seins-Gier macht,
zu einem Kunden, der sich selbst verkennt,
zum kindischen Erlebnisjäger.
Ich will nicht, dass mein Inneres ihr beizt,
und so auch siegt in dieser Schlacht,
nach der, gewinnt ihr sie, sich trennt
das Individuum von seinem Träger:
Dem Geist, den ihr bekämpfen müsst,
weil er begreift, was ihr heraufbeschwört:
Nur Mittelkosmoi ohne Zweckgerüst:
Bestialität gefügig, von euch selbst betört.
Moral II/Für Bernard de Mandeville (3406)11
Man tritt sie immer mehr mit Füßen;
gilt sie doch längst als obsolet.
Man will vor allem Lust und Spaß zerfließen.
Zumal: man ist nicht blöd.
Ich glaube nicht, dass wir noch eine brauchen.
Zumindest keine individuelle.
Man wird sie freilich manchmal hauchen;
als Finte oder Lügenquelle.
Sie dient so höchstens noch der Illusion,
sie könne auch mal greifen.
Indes sie faktisch ohne Thron,
was ist, worauf die meisten pfeifen.
Man darf den Vorteil freilich nicht verkennen:
Die Amoral ist für die Wirtschaft gut.
lässt sie doch viele diesem Traum nachrennen
von einem tiefen Glück aus konsumtiver Glut.
Und der ist immer noch viel besser
als zu erfahren, wer und was man ist:
Ein Knecht, genarrt durch Markt-Luftschlösser …
Ein X, das haltlos sich durch innre Leere frisst.
*Bernard de Mandeville, Philosoph, 1670 – 1733:
Er meinte: Nicht die Tugend, sondern das Laster
(die Amoral der Individuen) ist die Quelle
gesellschaftlichen Reichtums
Es ist eben so. Rein phänomenal (3407)12
Ein Prolet bin ich geblieben.
Mir ein strenger Herkunftszwang.
Von dem lebenslang getrieben
ich mir schöpfe Normbelang.
Wenn es geht um Perspektiven,
Werte, letzte Prägungsgrößen,
kommandieren jenes Tiefen,
ohne dass ich könnt mich lösen.
Weshalb ich nicht ethisch denke,
auch politisch letztlich nicht.
Vielmehr mich vernunftfremd lenke
durch je Augenblicksgewicht.
Realitätskonformes Gedichtchen (3408)12
Welch Gnade, dekadent zu sein!
Muss man doch dann nicht
so präzise denken.
Darf vielmehr frönen jedem Schein.
Vor allem dem,
man könne selbst sich lenken.
Indes was will ich denn zuletzt?
Lebt es sich einsichtslos
doch wirklich besser.
Dann wird von Lüsten man
allein gehetzt
in rauschbesetzte Lufttraumschlösser.
Kurz: Hinterfragen ist nicht klug,
schafft‘s doch nur Widrigkeiten.
Rührt gar an diesen Groß-Betrug,
man könne leben ohne Leiden.
Nun denn, ich will’s ganz offen sagen:
Dass unbedingt wir Illusionen brauchen,
weil wir auch ohne Einsicht schon
so schwer an diesem Dasein tragen:
So also gut dran tun,
in jene abzutauchen,
zu lindern uns
die ganz normale Alltags-Fron.
Andeutungen über das Schreiben von Gedichten (3409)13
Monomanes Produzieren
geistgetränkter Nichtigkeiten,
um nicht ziellos hinzufrieren
haltlos ichprekärem Gleiten
ewig leeren Übergängen
einer kranken Reizgesellschaft,
medialen Tugendfängen
kultureller Selbsthasshaft.
Komödiantisch primitiv:
Hysterie und Lustzwang-Kerben
All-Verbrauchers, der längst lief
aus dem Ruder ins Verderben.
Lob der Massen als Elite (3410)14
Die Massen fühlen elitär.
Sie wollen stets Besondres sein.
Rennen allem hinterher,
wenn’s nur frommt dem Ichkulthain.
Sei es noch so primitiv,
wenn es nur in etwas Glanz
und in Jubelkollektiv
bietet einem Ruhmpopanz.
Kriechen durch Entlastungsstollen,
kriechen durch Erbärmlichkeit.
Was auch immer sonst sie wollen,
immer fliehn sie Einsichtsleid.
Kleben an Erlebnisjoch,
infantiler Fun-Frequenz.
Gott sei Dank. Zum Glück mir doch.
Hält’s doch meine Existenz.
Macht so weiter! Mir zuliebe.
Darf ich doch mich dann verstecken,
fischen nur in meiner Trübe,
nur an mir verdrecken.
Euch verdanke ich so viel.
Auch die Kraft, für mich zu sein.
Zu bestehen dieses Spiel
ohne Selbstbetrug und Pein.
Glück ist nämlich das, nur das:
Sich nicht buchstabieren müssen
Faktenflimmern ohne Was,
ein korruptes Ich zu küssen.
Aristoteles: „ἡ εὐδαιμονία τῶν αὐταρκῶν ἔστι“. In der Tat. Ü: „Das Glück gehört denen, die sich selbst genügen.“
Herkunfts(-klassen-)bedingtes Unverständnis (3411)15
Ich werde, da kein Bürger, nie begreifen,
wie man im Ernst an Werte glauben kann,
wie sie die Aufklärung einst propagierte:
Dass sich Vernunft als Daseinsleitung eigne,
man sich von Vorurteil und von Glauben lösen,
einer allseits ausgeübten Toleranz leben und hingeben,
emanzipieren könne letztlich von sich selbst,
dem Affenhirnling planer Selbstsuchtzwänge,
um frei zu sein und würdefähig, ein Glied
der Menschheit, das, mit allen gleich,
mit Rechten ausgestattet sei,
die von Natur ihm kämen zu,
auch dass er Menschlichkeit und Würde sich,
als der er ist dennoch gewachsen zeige,
politisch mündig selber so sich zu gestalten,
dass seines Daseins Souverän er werde,
in jeder Lage sich dann als ihr Herr erweise …
Nie werde ich den substanziellen Mangel
an Wirklichkeitsverständnis fassen,
den weltfremd kühnen Utopismus
erlösungstrunkner Sollensdeuter,
die schon im Ansatz sich vergriffen,
vom Vorurteil genarrt, sie seien frei
von Sehnsucht nach Vollendungstrancen,
Ersatz zu bieten für verworfne Götter,
dem Absoluten innerlich zutiefst verpflichtet,
das doch allein das tote Sein mag heben
in ein von Sinntrance blühendes Phantom.
Außenseiter/Erstes Sonett (3412)16
Versuchte zu erfassen das, was ist,
nicht mich zu trösten mit was sollte sein.
Und das Ergebnis, wenn korrekt man’s misst?
Pleonexie-Rausch, Barbarei und Schein.
Wohl auch ein Grund, warum ich stets allein,
ein Außenseiter war, der freilich pisst
auf Wohlstands-Gängigkeiten, weil er kein
Gewinner sein will, der sich selbst abküsst.
Ich weiß es wohl, sie können nie ertragen
die Wahrheit objektiv-prekärer Lagen,
die Menschen, die sich Illusionen dichten,
weil harte Fakten sie zugrunde richten.
Wiewohl auch Wohlstand geistig mag zerschlagen:
Uns lösen auf die personalen Schichten.
Außenseiter-Konzessionen/Zweites Sonett (3413)17
Ich sähe alles viel zu negativ,
nur Niedergang, doch etwas Gutes kaum;
und leugnete, dass diese Welt ein Traum,
das Beste sei als Wohlstandskollektiv.
Das doch mitnichten aus dem Ruder lief,
Erfolge biete und für alle Raum,
die Zukunft zu gestalten als den Baum,
von dem dann alle pflückten. Seelentief.
Indes ich will auch niemandem zerstören,
sein Trostgefüge schöner Lebenslügen;
ihn gar ermutigen, darauf zu schwören,
dass gut daran er tut, sich zu betrügen …
Denn lässt man sich von Faktenmacht betören,
kann man sich Scheinphantastik und mehr fügen.
Vollendungsfetzen (3414)18
Im Türrahmen sitzt die Felidin,
eine rätselhafte Aura wachen Gleichmuts verbreitend.
Zuweilen kneift sie,
scheinbar schläfrig,
ein wenig die Augen zusammen.
Manchmal zu mir her,
manchmal,
so scheint es,
durch mich hindurch spähend.
Während ihre hochleistungsfähigen Ohren
sich ungezielt in den Raum trichtern.
Auch die Bücher in den dunkelbraunen Holzregalen
lassen mich gleichgültig.
Interesselos gleitet mein Blick über sie hin.
Warum auch sollten sie mein Interesse wecken?
Hält mich doch jenes
mir so eigentümliche Grundgefühl
universaler Sinnlosigkeit gefangen,
das nicht quält,
das nur lähmt,
das keine Trauer macht,
indes mich auf seltsame Weise mit der Welt
und mir selbst versöhnt.
Reiner Indolenz versunken.
Scheinbar triebfrei ergibt sich auch
der Körper einer in der Wärme des Zimmers
nur sich selbst erstrebenden Müdigkeit.
Froh und erleichtert bin ich nunmehr,
seiner lastenden Bedürftigkeit und Hinfälligkeit
für ein Weilchen entkommen zu sein.
Auch die geistigen Anwandlungen
durchschauen sich
als bloße Phantasiegebilde
metaphysisch geschaffener Phantastik;
seien sie nun
ethischer,
existenzieller
oder kultureller Art.
Eine Einsicht,
die mich wegzerrt
in das träge Anfühlen
einer ausweglosen Vergeblichkeit.
Was für ein großer Augenblick,
der sich hier verschwendet!
Das Schweigen
aller Sinngebungsverlockungen,
Normierungszwänge
und Bedeutungsbezüge.
Der Geist entlarvt
als Schaffensinstanz sprachfiktionaler Inhalte:
Drangsal.
Gleich darin
jener kommandierenden Leiblichkeit,
hier und jetzt
schläfriger Selbstaufgabe überlassen,
frei von Sehnsucht,
Begehren und verdrängten Verfallsbezeigungen.
Allentlastendes Ich-Zerfließen
in leerer Zeit:
Bewusstseinsstill,
selbstmystisch
mir traumnah entronnen.
Der Felidin, so scheint’s,
darin so tief verwandt.
Enthüllungen und Unbegreiflichkeiten (3415)19
Ich wollte nie dazugehören.
Zumal verhaftet den Affekten
der Nachkriegsunterschicht der BRD:
Ein Kenner der Proletenseele.
Ich wollte nie ein Teil sein jenes Klerus,
der pseudolinke Phrasen raunte,
indem er vor sich selbst sich niederwarf:
Club intellektueller Sollensdeuter.
Ich wollte nie gemein mich machen
mit einer Politik als Showgeschäft,
wie’s jene Tugend-Weisen der Parteien
so apolitisch impotent nun äffen.
Ich habe nie verstanden jene Macher,
die sich banalnarzisstisch ruinieren,
sich pathologisch ihrer Lenkungsmacht,
weil selbst nur Durchschnitt, doch begeben.
Wer bringt herab schon seine Privilegien,
wenn’s doch nur heute gälte, Gier zu zügeln,
damit man morgen ihr noch frönen könne?
Das frag ich mich. Indes vergeblich doch.
Ich hab mich eingerichtet an den Rändern,
ein Nischenvirtuose, mir allein genug;
und anspruchslos, weil nicht so dumm,
an konsumtives Glück zu glauben.
Behelfsverhalten ist es. Nun ich weiß es doch.
Tatsächlich ist man Gleichungsbüttel,
muss Artefakten-Paradies sich fügen
und technologischer Entmündigung.
Indes ich werd es wohl noch schaffen,
bevor mich jene Stumpfsinnmächte
endgültig ihrem Ramschdiktat verfügen …
ins Grab zu sinken, in Erlösungsnichts.
Deutschland/Meinem so ambivalenten
und tugend-widerspenstigen Land (3416)20
Was soll ich wünschen einem Land,
kulturell banalisiert,
einem Land der Konstrukteure
subjektiver Wirklichkeiten?
Geistig Arme zweiter Hand,
radikal egalisiert.
Ohne Würde, ohne Ehre,
so sich selber müssen meiden?
Zwangsneurotisch hochsensibel
gegenüber bloßen Worten,
deutend eine Kita-Fibel,
prägend nach Phantasmen-Sorten.
*
Land du der Beliebigkeiten,
lügend dir in jede Tasche,
um dir so nicht zu entgleiten …
Eine Kindermasche.
Tolerant auch gegenüber
a priori immer Guten:
Ob Gesindel, Luden, Schieber …
Deine Güte wird sie fluten.
War indes schon immer so.
Kannst dich selbst doch nur ertragen,
gierend nach Phantasmen-Zoo.
Letztlich um dich selbst zu jagen.
*
Einheit nur als Wohlstandsklause,
in den letzten 70 Jahren.
Glück zerstörende Narzissten-Sause:
pseudofrei sich zu gebaren.
Losgelöst von Leistung, Pflicht,
Disziplin und Faktenzwängen,
strebst du nun nach dieser Sicht:
Niemals mehr dich einzuengen.
Wozu Arbeit? Anstrengungen?
Lieber Asozialität.
Ist sich doch grad der gelungen,
dem ein Amt Respekt hin sät.
*
Nun, du wirst es nie verstehen:
Ist doch deine Zeit vorbei.
Wirst, Partei-Lakai, dich drehen
Drachen-Polizei.
Die dir, von KI gestützt,
sagen wird: Tu das, lass das.
Weil es, glaub’s uns, dir doch nützt:
Beug dich uns globalem As.
Dekadent, wie du es bist:
hilflos psychisch doch verfallen,
masochistisch tugendtriste
bist du Opfer eigner Krallen.
*
Falls sie aber andres zeigen,
diese Tyche-Würfel da,
wünsche ich dir, dich zu neigen
vor dir selbst, dir selbst nur nah.
Um dann von dir weg zu drängen
all die hehren Illusionen,
die an Wirklichkeitsverluste hängen,
so sich selber klonen.
Mag ja sein, du kannst bewahren
vor dir selbst dich unbedingt:
Deinem rätselhaft so wenig klaren
Selbsthassdrang-Instinkt
Kurze Wiederbegegnung mit Kant
und Schopenhauer (3417)21
Aus dem Nichts gekommen,
werd ich zu diesem auch wieder vergehen.
Ich: Doch nur Konstrukt der Hyle.
Unfähig, mich zur Person zu machen,
zur Nicht-Sache, also: Zum Zweck-an-sich:
Noumenon* und Würdetraum.
Ein Drang gewiss, auch ziellos dumpf.
Sei es sozial, sei’s sexuell.
Ein Ablaufknecht am Gängelband
von neuronal geschaffnen Zufallslagen.
Ein Leib, der sich erfährt als Wille,
der sinnlos sich Gestalten schafft,
der tobt durch Gier und deren Fülle,
bis sie verfallen ohne Daseinskraft.
Und doch auch mächtig, sich zu sein:
Gedichte schreibend kommandieren
die Große Leere hin zu Sinn und Rausch.
Mich selbst so, weltverlassen, dann zu ehren.
*Noumenon: Bei Platon: Das mit dem Geiste zu Erkennende im Gegensatz zu dem, was man mit den Augen erfasst. Bei Kant: Die gedachten Gegenstände möglicher Erfahrung (Wörterbuch der philosophische Begriffe, Meiner-Verlag 500, S. 462); hier: Würdeträger
Politepiphanie (3418)22
Ein Kreisklassen-Messias
stand ihnen auf,
ein Mr. 100%,
ein Leerformelheiland,
ein Massenseelenflüsterer.
Zumal gerade als ehemaliger
Alkoholiker und Schulabbrecher
versehen mit ergreifender
Redner-Weihe.
Ikone deutschen Mittelmaßes,
politisch infantil
naiv und ungebildet,
gefühlsergriffen und
Begriff entfremdet
auf Parataxen,
Tränenworte angewiesen:
geistarmen
Dauerethisierens
Pfaffenrabulistik.
Den eignen Idealen
nicht gewachsen,
ergeht sich Funktionärskalkül
in weiterer Zerstörung dessen,
was mal gedacht war
für die kleinen Leute:
als letztlich aufgeklärte
Volksherrschaft,
Dogmatik sich verlierend
kratisch Impotenter.
Selbstentlarvung IV (3419)23
Vergleiche (7/425), (25/1520), (30/1781) und (71/3810)
Zu vergleichen mit (3419) ist auch das Gedicht (68/3605)
An dieser Wohlstands-Religion hab ich vorbei gelebt.
Soweit es eben ging.
Nach Selbstverrandung habe ich gestrebt,
um nicht zu werden mir zum Ding:
Zur Unperson*, heißt: hedonistisch flach,
ein Zeitgeistdeklassierter dann vor Ratio-Minen.
Und das heißt: viel zu einsichtsschwach ...
Mir selbst als Lebenslügensammler so zu dienen.
Ich habe mich aus vielem rausgedrängt,
in Einsamkeit gezwungen.
Und die, die hat mich psychisch umgelenkt:
Ich bin in ihr zu mir als Zeitgeistbüttel durchgedrungen.
Jedoch zu manchen Grundeinsichten auch.
So etwa der,
dass wir uns selber ausgeliefert sind;
dass uns vonnöten ist der Illusionen Hauch,
doch bis zum Ende viel zu oft ein Kind.
Weshalb ich unbedingt verzichte
auf alle Weltverbesserungen,
wie sie die Intellektuellen aus sich malen.
Fakt ist:
Wir machen niemals selbst doch unsere Geschichte,
sind, Ideal verwoben, Scheitern stets gedungen ...
Müssen für Hybris und Verblendung
höchste Preise zahlen:
Sei's den der Barbarei, sei's den der Seelenqualen,
sei's den der Allbefreiung in der Erde Schatten-Dichte.
*Nach Kant ist eine Person ein moralisches Selbst, welches niemals Sache: Ware, Ding, Geldwert-Äquivalent usw., also käuflich sein kann, sondern: sich selbst - durch Selbstbestimmung gemäß dem kategorischen Imperativ: nur die Maxime (= subjektiver Handlungsgrundsatz) zu wählen/gewählt zu haben, die als allgemeines Gesetz (für alle annehmbarer Handlungsgrundsatz) würde gelten können, da widerspruchsfrei verallgemeinerbar - als Würdeträger qualifiziert hat, d. h. Nicht-Sinnenwesen; "Sinnenwesen" heute meint: gelernter Verbraucher zu sein: Pleonexie (Ich-, Hab-, Macht- und Genuss-Sucht) verfallener, narzisstisch-rechenhafter Selbstsucht-Büttel, der er aber - aus heutiger Sicht einer erstrebenswerten Existenz - sein muss, um den materiellen Wohlstand der Gesellschaft durch sein Verhalten und Handeln wenigstens mit aufrecht zu erhalten, besser noch: zu mehren. Der heutige, materialistisch-eudämonistisch-hedonistisch getriebene Erlebnissammler wäre nach Kant keine Person: Das Sinnenwesen ist für ihn ethisch "impotent".
Das ist heute ein Grundproblem: Wir müssen als Gesellschaft den materiellen Wohlstand und die mit ihm einhergehenden Daseinsvollzüge und -ausrichtungen, die ihn doch erst ermöglichen, unbedingt erhalten, denn: Sänke er substantiell ab, wäre das wohl auch - zumindest längerfristig - das Ende von Demokratie und Rechtsstaat. Indes ruiniert derselbe Wohlstand unweigerlich die psychoethisch-geistigen Kräfte der Individuen: diese werden durch ihn z. B. - tendenziell zumindest und dann schleichend immer mehr und radikaler - eben Pleonexie-Knechte: ichschwach, verwahrlosungsanfällig, entfesselungsdebil, belämmerungsnarzisstisch, charakterlich unfest, selbstsüchtig, asozial, desorientiert, kulturell hilflos usw. usw.
Feststellung (3420)24
Und was für ein banales Leben:
Prozente, Quanten, Derivate …
Ein inszeniertes Kleben
an Haben- und an Geltungs-Rate.
An Lust und Nutzen für Banditen
und sich verplanende Monaden,
die, ohne Stolz und ohne Mitten,
erbetteln positive Daten:
Der Markt wird Sinn-Sog allgemein.
Als Glaube an die Gosse,
will Hüter und Erlöser sein
für geistig deklassierte Trosse.
Das zu sich selbst verdammte X (3421)25
Als Kaufkraftquantum,
bestimmt zu Einsamkeit und Selbstkonsum,
weiß ich schon lange mich als Mittel
(Objekt, Ding, Sache usw.)
des Eigentümer-, Manager- und Investoren-Kapitals,
das sich als freier Würdeträger selbst verdummen darf,
von Toleranz, Vernunft und Menschenrechten schwafelnd.
Doch mache ich als Deutscher mir da keine Illusionen,
gewöhnt an dogmenpenetrante Artgenossende
- oder so: Artgenoss(en)*innen? -
die, offensichtlich von sich selber auserwählt,
die Weltgeistbotschaft permanent vernehmen,
von dem, was gut sei, schön und wahr …
Gesellschaftsparadiese hehrsten Menschtums
zu errichten.
Indes ich, ekelhafter, alter weiser Mann,
zynismusgierig, radikal und roh,
als eingefleischt faschistoider Vorurteilsverbreiter
und Rassist,
doch wieder nur
- da bin ich mit mir selbst geschlagen -
totalitäre Barbarei, Verteilungskämpfe und
entfesselnde Vernichtungsmystik nur erahnen kann …
Das, was wir sind: ein X,
per se nie mächtig seiner.
Das Ende der Konsumdiktaturen? (3422)26
Wie’s aussieht,
steuern die Konsumdiktaturen auf ihr Ende zu.
Wahrscheinlich noch dieses Jahrhundert.
Forciert zumal durch Klimawandel,
Naturzerstörung,
Ressourcenmangel und Artensterben.
Lebte ich dann noch,
weinte ich ihnen keine Träne nach.
Mir freilich im Klaren darüber,
dass dann global Barbarei,
Bestialität,
Grausamkeit,
Hass und Hilflosigkeit an der Tagesordnung sein könnten.
Auch,
weil jene längst alle inneren Halte
radikal zerstört haben werden:
Metaphysische,
ethische,
politische,
kulturelle,
geistige usw.
Was werden sie denn auch gewesen sein?
Mammon-Oligarchien von Psychopathen,
Dunkelpersonen und ihren staatlichen Helfershelfern
(demokratischen wie despotischen).
Allerdings muss ich auch eingestehen,
dass wir all das gar nicht
würden verhindert haben können:
Lebenslang Drangsalbeherrschte,
Seelenkrüppel und Gewissenslaue,
Evolutionsknechte,
sich selbst notwendig ausgeliefert.
Unabänderlich.
Das wird bis zuletzt das Schicksal dieser atomaren Stoffpuppen gewesen sein,
die wir doch sind:
Hochintelligente Diener
unserer kommandierenden Kreatürlichkeit.
Nach ca. 25 Jahren. Immer noch … /Für … (3423)27
Dein Bild hab ich mir angesehen.
Warum,
das weiß ich nicht.
Wahrscheinlich Sehnsucht zu vergehen,
erinnernd dieses Staubgedicht:
Dein Körperding,
dem giersiech nach ich weine …
Des Stoffzufalles Perfektion.
Die unvergessene,
die deine:
Erlösung, Lust und Mohn.
Für immer mir nunmehr versunken.
Sie wird mir niemals wieder doch gehören …
Gern hätte ich sie
noch mal ausgetrunken,
befreit von meinen Seelentrümmern,
von Geist und Einsichtsdiktatur.
Ihr stundenselig aufzuschimmern:
Vergessend Altern,
Sinnverlust und Uhr.
Unwiederbringlich zerstoben (3424)28
So viele, aus dem Kreis gelaufen,
die niemals wiederkamen.
Man kann sich letztlich selbst nur raufen
aus dieser Einsamkeiten Amen,
das man alleine spricht. Und ungehört.
Ich hab’s für manchen mitgesprochen.
Von Sehnsuchtsweh betört.
Und nur dank Seiner ungebrochen.
Ich werde niemand mehr von damals treffen
in jenen Jahren: kindsnaiv.
Mich würde ein Phantom doch äffen,
das meine Tränenbucht erlief.
Das mich genarrt dann hätte, weil ich’s wollte.
Noch immer euch verbunden.
Der frühen Jahre Traumweltgolde,
der Gnade Gottes abgeschunden.
Meine Zeilen (3425)29
Ich muss mich jetzt wirklich ein wenig beeilen.
Es schwindet mir nämlich die Geisteskraft.
Ich will sie doch lesen noch mal, meine Zeilen,
bevor mich der Tod in die Erde rafft.
Um dort als Staub zu verweilen.
Indes die Zeilen im Feuer dann knistern.
Vielleicht auch durch einen Schredder laufen.
Und niemand wird sein, sie nachzuflüstern,
das Wesen der Zeit ihnen ab zu raufen.
Freiheits-, Wahl- und Selbstbestimmungs-Mären (3426)30
Was ich denke, was ich fühle,
was ich hoffe und ersehne,
was ich glaube, sein zu sollen,
greift als Ineinanderlaufen
genverfügter Lotterie,
Prägung durch die Herkunftsklasse,
Früherfahrung, Zufall, Lagen,
Bildungsgrad und Körper-Ich,
Staatsverfassung, Recht und Werte,
die gesellschaftlich mich prägen.
Nicht zuletzt auch die Epoche,
der ich angehören muss.
Tief geprägt von ihren Keimen:
religiösen und profanen,
kratisch-ökonomischen.
All dem muss ich ab mich raufen,
sprachlich konstruieren mich.
Treiben mich durch all die trägen,
unbekannt komplexen Joche.
Mich zu träumen, mich zu reimen,
mich vermittelt anzuahnen
als verstofflichte Magie.
Bleibt am Ende nur die Form:
Würfelselbst der Gene.
Als die subjektive Norm,
der verpflichtet ich verträne
mich als Rätsel bis zum Schluss.
Das Märchen von der Selbstbestimmungsmacht (3427)31
Als ob man sicher über sich verfügte,
sich zuverlässig selbstfest hätte …
auch ganz klar wüsste, wer und was man ist …
Als ob nicht schon ein offnes Wort genügte,
nur ein Ereignis in der Kette,
zu offenbaren einem Trug und List:
All diese Lügen, die man sich so wob,
sich durchzumogeln durch dies Leben,
auch zu vergessen, dass es schäbig-grob,
prekär genug ist, sich zu weben
Phantasmen, Lügen, Illusionen,
sich sich in ihnen zu vergeben,
so von sich selbst sich zu verschonen.
Muss jeder auch sich selbst erstreben,
er wird zugleich geschoben,
in Perspektiven sich zu kleben,
vor seinesgleichen dann sich auszuloben;
sozial verstrickt
sich doppelt unfrei zu verschweben.
„sich sich“ (Zeilen 11 und 12) sich sich sein Sosein, sich sich die eigene (einem selbst unverfügte) Personalität vergeben. Man vergibt sich sich selbst (der und der zu sein); er hat sich sich: diese Person zu sein (nicht: er hat e s sich vergeben; denn dann wird nur das Fehlverhalten vergeben, nicht das personale Sosein seiner, etwa, wenn man sagt; Ich habe es mir nie vergeben, mich wissentlich, um eines pekuniären Vorteils willen, verstellt, verraten, verkauft usw., mich also herabgewürdigt zu haben.
Entlastungsillusionen (3428)32
Entschieden habe ich mein Leben nicht.
Das zu behaupten, wäre unverfroren.
Bin ich doch durch und durch mir Sein und Sicht,
zufällig irgend Umstand ausgegoren.
Noch einmal: Es ist schlicht Fiktion,
sich als Person und frei zu denken.
Doch wen berührt, wen schert das schon,
wenn alle sich mit Illusionen tränken?
Vollendeter Nihilismus (3429)33
Gebrauche ich
den Ausdruck ‚Nihilismus‘,
dann um einen Sachverhalt,
nicht um eine allumfassende
Orientierungs-,
Sinn- und Zwecklosigkeit,
nicht um die Unmöglichkeit
eines wie immer ersehnten Göttlichen,
nicht um eine zerbrochene
Innerlichkeit,
nicht um Schwermut,
Ich-Last, Selbstzerfall
und existenzielle Mittellosigkeit
zu bezeichnen.
Mit nämlich ist die Pracht,
Majestät, Indolenz
und spielerische Bedeutungslosigkeit
dessen, was überhaupt ist,
die unüberbietbare
Makellosigkeit und Größe
meiner eigenen,
gerade in ihrer Belanglosigkeit
so faszinierenden Existenz
ein vollendeter Nihilismus.
Monologe vor Gott und dem Universum 1: Später begriffene Kindheitsphantasien (3430)34
Mein Kamerad im Teilchenspiel,
soll noch die alte Regel gelten?
Du spielst die Lücke und ich frage viel
nach dir, nach mir, nach Nie und Selten.
Falls ja, dann lass uns gleich beginnen,
die Kindheitsphantasien fortzusetzen.
Zumal mir Ding und Wort zerrinnen,
weil mich die müden Jahre hetzen.
Zu dir gewiss nicht: Du bist unfassbar,
Chimäre absoluter Gegenhyle.
Und dennoch bleibt es ewig wahr:
Nur du allein schaffst Sinn in dieser Mühle.
Monologe vor Gott und dem Universum 2:
Rettungsversuch (3431)35
Ich entlasse dich
aus affektiver Gefangenschaft.
Ich entlaste dich
von Planungs-, Schöpfungs- und Vorsehungs-Aufgaben.
Ich entbinde dich
von jeglicher Zuständigkeit und Verantwortung
für unser Handeln.
Ich rette dich
vor der Ansicht, du seist eine Person,
der Verstand und Wille zukäme.
Ich entledige dich
aller Eigenschaften, die wir aus Unwissen und Angst
für gotttypisch halten.
Ich verneine sogar,
dass dir eine uns bekannte Existenzform zukomme.
Ich gäbe so gern dich dir zurück.
Ich befreite dich so gern von uns.
Aus tiefster Dankbarkeit.
Monologe vor Gott und dem Universum 3 (3432)36
Ich weiß nichts
von einem transzendenten Grund meiner Existenz.
Ich kann freilich auch ohne letzte Gewissheiten
ganz gut leben.
Ich bin nicht erpicht auf eine ewige Fortdauer
meiner psychophysischen Individualität.
Ich glaube nicht,
dass mir irgendeine Bedeutung zukommt,
die über die hinaus läge,
die meine brachial egoistische Kreatürlichkeit
unersättlich für sich verlangt.
Ich finde es intellektuell armselig zu glauben,
man sei im Besitz von metaphysischen Wahrheiten.
Ich verabscheue den gottestrunkenen Menschen,
der seine Nichtigkeit zu überwinden sucht,
indem er ein ihm selbst unfassbares Absolutes
halluziniert und utilitaristisch missbraucht.
Ich bin eine aus baryonischer Materie
zusammengesetzte, seelenlose, biosoziale Monade
in einer sinnlosen Welt,
die sich im Wissen um ihre vollständige Irrelevanz
augenblicksweise trotzdem bemüht,
sich auf Geist hin zu übersteigen.
Doch das gelingt mir nie.
Auch nicht im Gedicht.
Immer doch auch Hyle-Vieh
ohne transzendentes Licht.
*transzendent: die Welt übersteigend
Monologe vor Gott und dem Universum 4: Lob des Irrationalen (3433)37
Mit Gut und Böse hast du nichts zu schaffen.
Die Gottheit kennte beide nicht.
Das sind Fiktionen für begrenzte Affen,
die Werte brauchen: Perspektivensicht.
Um Angst zu zähmen, Selbstschutz sich zu bauen,
denn sie sind richtungslos brutal.
Sie können nicht einmal sich selber trauen
und raunen deshalb schon von Zweck und Wahl.
Die sie nicht haben, denn sie sind nicht frei.
Obwohl sie daran glauben müssen.
Existenziell ist Wahrheit aber einerlei.
Was hält, sind Illusionen, niemals Wissen.
Ichwärts (3434)38
Inseln gleich
schwimmen grauweiße Wolken
unter einem ungewohnt
blauen Januarhimmel dahin,
meine kränklichen Späten
im Schlepptau;
doch intensiver als sonst
fremdelnd
vor meiner ichwärts
grätschenden Belanglosigkeit.
Wohlstandszäume (3435)39
Ich hätte nie gedacht,
dass es einmal dazu kommen würde,
dass ich genau dann,
wenn ich den Zeitgeist würde begriffen haben,
zugleich würde einsehen müssen,
dass es unvermeidlich ist,
für mich selbst wie für uns alle,
ihn ohne Ausflüchte, Beschönigungen,
ethische oder ideologische Bedenken zu stützen.
Jedenfalls solange er nicht unmittelbar
umzuschlagen droht
in die ihm zugrunde liegende Barbarei:
Solange er von Wohlstand gebändigt und gesteuert,
jene eskapistische Sentimentalität
permanent zu reproduzieren erlaubt,
welche emotional vollständig abgerichtete Sozialmonaden
existentiell und geistig
glückssiech lethargisiert.
Geifer des Grauhaarigen (3436)40
Grauhaarig ich, ein Obsoleter.
Doch klarsichtig und feinfühlig zugleich,
muss ich mich absetzen in entschädigende Phantasie,
in einen quasi absoluten Entwirklichungsraum,
der harsch negiert diese
chronischer Verwahrlosung ausgesetzte
Kalkül-Innerlichkeit:
Heteronom ist sie, weder gut noch böse,
geistfrei, seelen- und hilflos.
Ein Kosmos von Mittelseichten,
materiell-technisch ein geludert
gleichungsgestützter Kontingenz.
Frühlingshafter Januar (3437)41
Der ändert freilich auch nichts
an der verdichteten Misslaunigkeit,
der sich auf Straßen,
in Cafés und Geschäften
nunmehr, in der Mittagspause,
selbst ausgesetzten Artgenossenschaft.
Als habe sie ihr grober Hedonismus
substanziell betrogen und benachteiligt,
unterdrücken sie entweder
jede freudige Regung,
die ihren Stumpfsinn bedrohen könnte,
oder überlassen sich ihren
amerikanisierten Innenwelten:
Der Inszenierung von Inszenierungen.
Und machen so Gebrauch von ihrem Recht,
hemmungslos
sich selbst zur Last zu fallen.
Quantensozial (3438)42
Anlässlich
der Impotenz
der Linkssirenen
krähen die
Deutelhorden
rücksichtslos
dem Markt zu Diensten
jede Resthoffnung
nunmehr taub.
Ich höre dem zu,
so gleichgültig
wie erfahren:
Die Vielen,
weiß ich,
toben zufallsstatistisch.
Propaganda-Terror (3439)43
Was ist da nicht schon auf mich eingedrungen
an Propaganda-Optimierungsphrasen:
Wie ich mir Freund sei und gelungen
Beziehungs- und Sozialekstasen.
Hab’s hingenommen. Man entkommt ja nicht
den Bilder-, Wort- und Wert-Kaskaden.
Die, meistens unverschämt und schlicht,
Orientierungslose seicht beraten.
Wer da beschämt wird, was zerstört,
wie viele Leute psychisch sich zerrütten,
das weiß ich nicht, hab nur davon gehört.
Das wird verborgen still erlitten.
Mediales Ereignis (3440)44
Orgie des Banalen.
Effektivität
cooler Schundrandalen.
Sexbombastisch überdreht.
Party, Herz, gegrölter Sinn.
Emotionen-Blasen.
Massenhype als Hauptgewinn:
Kollektivverquasen.
Ausrichtung am Unten:
Technozwang-Stechschritt.
Lichteffekt-Verschunden
Underdogverschnitt.
Als Dank dir für immer geschuldet/Für … (3441)45
An jene Herbst- und Wintertage
und ihrer Nächte tiefe Stille
denk ich mit Wehmut oft zurück.
Ich träume ihre Wiederkehr.
Die nie mehr kommen wird, die Lage
schließt’s aus. Zumal dein seelenarmer Wille
dir doch verbietet dieses Körperglück.
Das ich dir wollte immer schenken.
Und manchmal nahmst du es auch an.
Dich von dir selber abzulenken:
Von Machtsucht, Härte und von Gotteswahn.
Neue Chancen (3442)46
Unserer selbst überdrüssig
tun wir vordergrundsmoralisch alles,
um gerettet zu werden
aus unseren selbstgeschaffenen Ausweglosigkeiten,
hinein in wieder primitivere,
als sinnträchtig ersehnte,
metaphysische Geborgenheiten,
die unseren Selbsthass,
re Orientierungslosigkeit
und alle diese kapitalistischen Substanzlosigkeiten,
Eskapismen und Surrogate
- von medial sakralisierter Kopulation
bis hin zu light brain-Dialektik
und Tugendfrigidität -
zu überwinden helfen sollen.
Welch eine historische Chance
für alte Pfaffen,
neue und alte Demagogen
und vulvenverstörte Surenknechte.
Sozialismus (3443)47
Emotionen-Wolke,
Selbstversicherungs-Hülle,
Halt-Drang-Bresche:
Sozialismus:
Gegen Wirklichkeit (Überbau)
und Realität (Faktenmeere)
und das Menschenwesen
monoman abgedichtet,
ignorieren die in ihren
begriffsgestützten Floskeln,
wortreichen Vorurteilen,
ihrer Idealbedürftigkeit, Arroganz
und anmaßenden
Tatsachen-Verweigerungs-Phantasmen
eingesponnenen Intellektuellen
die störrische Apathie,
Erlösungs-Inbrunst,
rohe Kreatürlichkeit
und duldende Weisheit
der glorifizierten
wie instrumentalisierten
Zielmasse,
angsterfüllt sich
der Einsicht verweigernd,
dass, wer gegen die Verhältnisse steht,
allein ist,
machtlos,
auf sich gestellt ist
und es auch bleibt;
ohne auch nur
die geringste Möglichkeit,
an freilich nicht zurechenbarer
Verworfenheit
und neuronal verfügter
Ichgefangenschaft
unser aller,
was auch immer
ändern
zu können.
Die Abendstunden (3444)48
Die Abendstunden,
hieß es,
sollten schreien.
Doch was gemeint war,
wurde nicht erklärt.
Indes auch
wenn ich jene
schreien hörte,
ich wüsste sofort,
was sie mir
verschweigen
sollen, wollen
und müssen.
Auslöschungen (3445)49
Definitive Liquidierung des Geistigen,
dessen, was den Intellekt-Routinier,
seine Pleonexie und seinen Diesseits-Dusel
weit hinter sich lässt.
Nur noch Genussmengen,
Bilder und Artefakte
sollen sich den Psychen einpressen,
propagandistisch optimierte Halluzinationen.
Alle Differenzen sind kategorisch zu beseitigen.
Das Individuelle muss untergehen
in gleichgeschalteter Subjektivität …
Totalitärer Optimismus.
Kommandierte Euphorie.
Kaskaden-Spaß als Zeitgeist-Stuss.
Und Barbecue-Magie.
Den Deutschen ist die Tugendkrone
gar nicht mehr zu nehmen.
Die sollten andre ihnen neidlos lassen.
Auf dass der deutsche Weltgeist
kratisch auch sich wolle lähmen.
Zu enden dann
in toten Wert-Sackgassen.
Biosoziale Psychen-Heteronomie (3446)50
Man ist sein Leben lang in sich allein.
Indes doch Wir versiegelt.
Mit dem man muss sich machen dann gemein.
Ihm psychisch ganz verspiegelt.
Man dreht sich Tag und Nacht allein um sich.
Obwohl von andern umgetrieben.
Die einen zwingen, sogar unmerklich,
sich ihnen anzupassen, ihrem Tun verschrieben.
Und das erhöht den Drang, sich auszuleben.
Man will zumindest überragen.
Was sollte, eingebunden, man auch sonst erstreben,
ein Wir-Spielball in allen Lagen?
Kurz: Man ist Pseudo-Ich in einem Kollektiv
sich selber rational vermittelter Monaden.
Und das tut weh, reicht zumal tief.
Man kann sich nämlich selbst nicht mehr geraten.
Und endlich muss man auch noch dies begreifen:
Dass alle gleichermaßen sich entzogen sind.
Gelenkt durch Technik-Dominanz sich schleifen.
Verdinglicht. Unselbständig. Formel-Grind.
Kapitalistisches Trivialschicksal (3347)51
Pleonexie,
sich selbst
verheiligend.
Dann Despotie
als Laisser-faire erlebt.
Und Formelherrschaft:
Wuchern
scharfen Intellekts.
Erlösungsapathie
für Infantile.
Vor allem freilich
Untergangskonsum.
Verkennend,
dass wir nicht
sind Zweck und Ziel.
Iche ohne Selbstbelang (3448)52
Hemmungsloser Niedergang,
Beispiellos in Friedenszeiten.
Iche ohne Selbstbelang,
die sich glücksfatal erleiden.
Medialem Psychenfloß
ohne Einsicht ausgesetzt.
Geistig tot und sprachlich bloß
durch ein Datennetz gehetzt.
Irgendwann dann sich zu finden
als Objekt von ingeniöser
Rationalität (effektmonströser),
nur noch nihilistisch sich zu gründen.
Immer dasselbe (3449)53
Kein Wunder,
dass so leer ich bin,
so zynisch,
mitleidlos
und unberührbar kalt …
Leb ich doch,
frei von Sucht nach Sinn,
ein fades Dasein
ohne Halt.
Ein Dasein
ohne Werte und Kultur,
gemacht allein
für Infantile,
gebunden
an des Marktes Schnur:
An seine Mammon-Spiele.
Auf dass er jene
sich behüte:
Erlebnissammler
ohne Selbstbestände.
Die ohne Mitleid sind
und ohne Güte …
auf dass sie jener
mit Narzissmus blende.
Niederträchtiger, zynischer (3450)54
Ich, mir selber
glanzlos durchschaut,
bin niederträchtiger
und zynischer denn je.
Weiß ich doch selbst
um die Ohnmacht
der Ohnmacht
dieser trudelnden Welt,
die sich abschaffen will;
die Unschuld der andern,
pathologisch verhaftet
dem Sog dieser Posse
von seelischem Elend.
Prekäres Teilchenspiel (3451)55
Viel halt ich nicht
von meinen Artgenossen.
Indes von mir
genau so wenig:
Weil wir uns schaffen
- freilich zwanghaft -
Gossen,
uns selbst doch
daueruntertänig.
So sind wir etwa selbst
uns höchstes Gut,
gewissermaßen Macht-
und Lust- und
Mammon-Selbstwert-Glut ...
So Schöpfer nur
von Affen-Possen ...
nicht frei, nicht groß,
nicht schlecht, nicht gut.
Determiniertem Zufall
ausgegossen.
Absage III (3452)56
Versteh ich richtig dich - und ich glaube schon -,
suchst du nach Existenzbrosamen:
Geselligkeit und Lebensabendglücken.
Um dich zu wappnen gegen Einsamkeit
und überhaupt die so verkommne Welt
mit ihren Großproblemen, die
sie doch vielleicht gar nicht mehr meistern kann:
Sei’s Klimawandel, sei’s Ressourcenknappheit.
Sei’s Staats- und Rechts-, sei es Kultur-Verlust.
Blüht Tyrannei doch, Fundamentalismus auch;
und überhaupt prekäre Innenwelt-Vergossung.
Und was da sonst noch ängstigend bedrücken mag.
Ich muss dir freilich ehrlich eingestehen,
dass ich gewiss ganz ungeeignet wäre,
dir deine Wünsche zu erfüllen.
Gewöhnt, allein zu sein und zu verwerfen,
was sich da ausschreit als das höchste Gut:
Erlebnisüberschwemmt an sich vorbei zu treiben.
Dergleichen Dinge wollte nie ich ändern,
Von Versen fasziniert und Einsichtsmengen …
Vom Nihilismus unsrer Existenz gebannt.
Dir Gott (3453)57
Eine Treue möchte ich
am Ende gehalten haben.
Und wenn schon keinem Artgenossen,
nicht mal mir selbst,
dann wenigstens Dir.
Dir nämlich schulde ich sie,
der unüberbietbaren Glücke wegen,
die zuweilen durch mich hindurchfluteten,
damals in den Feldern,
geborgen in Sanden,
Ähren,
Gräsern,
Glockengeläut,
Bläuen,
Vogelgezwitscher
und Insekten-Gesumm …
Glücke,
so kam es mir vor,
die du mir anreichertest
mit jener stupend entlastenden
Gleichgültigkeit,
die mich bewahrte
vor fühllosen anderen.
Und wenn ich auch längst weiß,
dass du nichts weiter bist
als eine neuronal fundierte Phantasie,
so bleibe ich dir dennoch treu …
Aus Dankbarkeit,
Eigensinn,
Sturheit …
Aber auch aus dem Wissen heraus,
dass wir dich,
du magst existieren oder nicht,
wieder brauchen werden,
wenn unsere selbstüberschätzungsnaive
Wesensbestialität uns wieder in Elend,
Scheitern,
Gewissenlosigkeit,
Hybris
und Unmaß wird getrieben haben …
Dem sei wie auch immer.
Dir werde ich,
es sei wiederholt,
unter allen Umständen treu bleiben
um der Fülle des Guten willen,
die du mir gewährt hast
in jenen frühen Jahren.
Existenzbereichernder
als alles das,
was diese Ich-Schemen,
die zufällig meine Wege kreuzten,
mir je zu bieten hatten …
In sich selbst Stumme zumal,
deutungslose Fremde,
Substanz-Getriebene,
gesellschaftlich Benachteiligte,
Schicksalsgeschlagene,
Selbstgefangene
und Orientierungslose.
Wissen um alle und sich (3454)58
Phantasmen, faszinär gebunden
in ein paar Zeilen, die berücken.
Subjektverwirrung, abgeschunden
dem Bagno, sich zu glücken.
Obschon man weiß: Nur Kinderei.
Es gibt nichts, was zu fassen wäre.
Nicht mal die neuronale Gaukelei
genetischer Galeere.
Bedarf ist’s, technisch untermauert,
dem auch die Formeln dienen.
Den Dingen melancholisch abgetrauert,
um sich auch psychisch
Träumerei zu schienen.
© Urheberrecht. Alle Rechte vorbehalten.
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