Seite 64

Ein Fremdwörterverzeichnis finden Sie hier

Diese Seite enthält 61 Gedichte, 52 Prosa-, Reim-Gedichte und 9 Sonette

Sollen/2 (3335)1

Gut? Schlecht? Was soll das
noch besagen
in hochkomplexen Kunstwelt-Lagen,
wo jede Klarheit 
sich sofort spült weich, 
wo alles gilt und alles gleich,
wo man sich selbst auflöst
durch Hinterfragen,
um als Person sich zu zerschlagen
in diesem digital-abstrakten Reich,
in dem Erfolge sind Versagen?

Eben so (3336)2

Liegt doch gar nichts,
gar nichts drin.
Triebdruck ist‘s
und Zellenglosse,
Schmierenstück von 
Macht und Gosse.
Affenglück.
Gefälschter Sinn.

Zwischenruf (3337)3

Ist alles 
halb so wild!
So ist’s 
nun mal normal:
Ein Schaukampf
ohne Geistes-Schild
verlogen, geil 
und trivial.

Einzelkämpfer (3338)4

Ich habe keine Angst,
ich trete an,
solang mit keine Folter droht:
Das Loblied,
das du eben sangst
auf wohlstandsregulierten fun
(als Hochgenuss im Daseinsboot),
vergiss es,
wenn du mehr verlangst
als Spiele, Nepp und Brot.

Happy guy (3339)5

Heut gehe ich 
noch lang nicht schlafen.
Weil ich 
fast überglücklich bin.
Zähl ich doch gern 
mich heute zu den Schafen,
geschert von Oldies,
Sport und Lustgewinn.

Die Gedichte betreffende Selbstverpflichtung (3340)6

Auch wenn am Ende
keins was taugt.
Ich werde immer 
weiter machen.
Und sei’s auch psychisch
derart ausgelaugt,
dass ich mich geistig 
nicht mehr fände.
Ich mache weiter,
immer weiter …
Bis er mich holt,
der stille Ich-Begleiter,
mich von mir selbst
und allem sonst 
abtrennte.

So war’s (3341)7

Man kommt nicht zweimal auf die Welt.
Was dringend nötig ich gehabt doch hätte.
War ich doch gar nicht richtig aufgestellt
für diese Ich-Stafette.

Der nie ein Wechsel klappt, geschweige,
dass jemand wüsste um das Ziel.
Ich selber ging mir schon am Start zur Neige,
was mich bewahrte freilich vorm Gewühl,

in dem man so leicht untergeht,
verrennt bis hin zur Selbstaufgabe.
Indem man vorgegebne Runden dreht.
Und doch nichts lässt als kalten Schweiß am Stabe.

Insofern fuhr ich gar nicht mal so schlecht
mit meinem Treten auf der Stelle.
Da hat man Raum; und das Sozialgeflecht
sieht man viel schärfer als Verhängnis-Quelle.

Geistige Verwahrlosung (3342)8

Diese gesamtgesellschaftlich essenzielle
geistige Verwahrlosung
ist weder gewollt, noch begriffen;
vielmehr die Art und Weise,
eine die personale Identität
zerstörende Globalwelt
zerbröselnder Wirklichkeiten
noch halbwegs zu bewältigen,
ohne, hilflos vor Einsicht,
lähmender Haltlosigkeit
und rasendem Trübsinn 
zu verfallen -
indem man sich Schund überlässt,
marktangeleiteter Selbstkonstruktion:
Promi-Mystik, Gewährslüsten
und systemsymmetrischen
Reflexanfällen.

Kopfhörer-Monaden (3343)9

Kopfhörer-Monaden um mich herum,
Erlösungs-Hedonismus qua Selbst-Simplifizierungs-Durst.
Nichts, 
was darauf schließen ließe,
dass die hermetisierende Vereinnahmung durch 
Entlastungs- und Versunkenheits-Drill kommandierende 
technische Apparate
je von ihnen selbst in Frage gestellt werden könnte;
ist doch scheinbar nichts da an Selbstdistanz und Ironie, 
Verfeinerungshunger und Affekt-Differenzierung,
Phantasie und substanzieller geistige Opposition,
was die personale Zertrümmerung zum markthörigen Selbst auszulösen noch verhindern könnte.

Auf eine Büroklammer (3344)10

Mehr als man glaubt,
hält sie zusammen,
so eine Büroklammer;
ich fand grad eine
unter einem Papierstapel -
wochenlang mag sie da
gelegen haben,
ein türmchenförmig 
gebogener Drahtwinzling,
unbeachtet 
hin und her geschoben 
von hektischer Geschäftigkeit -
jetzt zwingt sie Blätter 
in eine immerhin 
rudimentäre Ordnung,
auf diese Weise 
mich ein wenig entlastend
von all dem schon optisch
kommandierenden  Durcheinander 
eines überladenen Schreibtisches.

Eingeständnis VI (3345)11

Wegen irgendwelcher Schlampereien bei der Druckerei
- man befinde sich mitten in einem Umbau,
es laufe alles drunter und drüber -
bin ich aufgehalten,
werde kaum was zu tun haben an diesem Tag -
und spüre schon jetzt,
kurz vor 8 Uhr morgens,
deutlich,
was eigentlich Sache ist.
Abgesehen davon,
dass mir die Arbeit den materiellen Lebensunterhalt sichert,
dient sie mir vor allem dazu,
die fade Wesenlosigkeit des konsumkapitalistischen 
Alltags zu überspielen,
die,
alles in allem genommen,
tatsächlich nur die Alternative zulässt,
sich entweder mit Erledigungszwängen,
human relations und workaholic-Gehabe zu betäuben,
oder eben mit Freizeit-Narkosen:
Geistiger und personaler Selbstauslöschung 
mit Hilfe von exzessivem 
Sport,
Urlaub,
Kino und Fernsehen,
absichtlich hervorgerufenem Gefühlsüberschwang,
unterschwelliger Dauergeilheit und dem Verbrauch 
von Innenwelt-Versatzstücken,
die unablässig jede Bewusstseinsebene unterspülen -
als handle es sich um eigene und nicht irgendwie 
durch chronische mediale Abrichtung außenprovozierte
effektpunktuell verdampfende Niemands-Emotionen.

Hoffnung (3346)12

Sommerabend-Spaziergang:
Kleinstadt-Stillen
der besseren Viertel.

Vor den breiten Garagen
gestanzter Status, 
Ränge, in Blech gewalzt.

Hoffentlich bleibt dieser 
Überfluss noch wenigstens 
20 Jahre erhalten.

Dann nämlich 
werd ich‘s 
geschafft haben.

Graue (3347)13

Jetzt, Mieze, sind wir beide grau.
Obwohl, du warst es ja schon immer.
Dass ich’s jetzt auch bin, macht die Welt nicht schlimmer,
was du begreifen wirst, wenn ich dir anvertrau,
dass all dies Wohlstandsdruck-Gewimmer
von Aufstieg, Zaster und Helau
letztlich nur zweien dient: dem Seelen-Krümmer
(dem Markt) und kümmerlicher Selbstwert-Schau.

Du, Mieze, kennst mich ja genau.
Ich mach mich, grau jetzt, auch nicht dümmer,
indem ich folgte Jugend, Festen, Frau
für schalen Lebensabend-Schimmer.
Ich bleib dir treu, mir selbst und meinem grauen Blau:
der Einsamkeit in diesem faden Zimmer;
zu alt, zu zynisch; und auch viel zu schlau:
ich werd auch grau nicht mehr zum 
dummen Selbst-Bestimmer.

Frühling z. B. (3348)14

Die immergleichen profanen Anzeichen:
Morgens wird es früher hell.
Die angestiegene Erwärmung der Luft hält an.
Die Windschutzscheiben sind nicht mehr vereist.
Die Kalender-Despotie wird spürbarer: 
Die Termine häufen sich.
Zukunftsplanungen werden dringlicher. 
Steigender Optimismus spricht an 
auf uralte Psychen-Prägungen.
Es fällt leichter, Verhasste zu grüßen.
Die Launenhaftigkeit wird erträglicher.
Die Blicke verlieren an Bosheit und Missgunst.
Männer werden anfälliger für Schamhaar-Verstrickungen.
Ihre Augen fixieren Blusenknöpfe, 
Bauchhaut und Beckenkippungen. 
Imponiergehabe und Kampfbereitschaft nehmen zu.
Die Leute denken ans Abnehmen.
Der Daseinsmittelpunkt Körper 
regt saisonale Basalwünsche an.
Statt Ersatzbefriedigung über Kauwerkzeuge 
Selbstanreicherung durch Fettabbau.                                                                                                   
Die Verbraucher fangen - reflexhaft - an, 
vom Urlaub zu schwärmen. 
Der Gebrauch von Lockerheits-Anglizismen: 
fun, wellness weitet sich wieder aus.
Die Wohlfühltrunkenheit verödet die Winterpsychen.
Daran, dass wir uns ständig voraus leben,
unverweilend permanent Bezüge herstellen
- Maximierungs- und Optimierungs-Drangsale -
habe ich mich längst gewöhnt.
Gegenwart gibt es nicht mehr.
Und wenn es sie gäbe,
wäre sie uns definitiv unerträglich.
Die vorgreifend aufgeregt-optimistische Dynamis,
die sich gerade in der Passivität rein somatischen Genießens manifestiert, überspielt, z. B. an einem Frühlingstag,
- aus Angst, 
ihr Ermüden spüle die Nichtigkeits-Tortur 
modernen Daseins ins deshalb chronisch 
Surrogate schnüffelnde Emotions-Zentrum -
sofort die schleichend-hinfällige Zyklik
all dieser scheinbar planlos-still wiederkehrenden 
und so nutzlos einlullenden 
naturimmanenten Transzendenz-Phantasmen.

Warnung an mich selbst (3349)15

Im Siech-Knast: deutschem Pflegeheim,
da vegetiertest du sehr teuer
in Kot und Eiter, Pisse, Schleim -
wärst Objekt der Betreuer;

Sozialstaatsbeute, Abfall-Last,
die besser sterben würde;
du wärst Entsorgungsfall und Bio-Mast,
Gesellschaft und dir selbst nur Bürde.

Begreife, du wärst Rechnungsgröße! -
Sei weise also, mache Schluss,
bevor du faulst in brauner Blöße,
So dass man - teuer! - obduzieren muss.

Erinnerung an einen alten Herd (3350)16

Einer dieser herbstkranken Nachmittage im Büro:
Halt suchendes Umherschweifen,
Gedankenfetzen zwischen Vorgangsnichtigkeiten
und abgearbeiteter Zukunft.
Mit ihnen fällt mich Vergangenes an,
von schläfernder Helle wie ehedem.
Die regnerisch nasskalte Halbdunkelwelt
drängt sich durch die Fensterritzen,
besetzt gebieterisch die Blickräume,
um auf den schwarzbraun bebeizten Aktenregalen
ihre Trauergehalte abzuladen;
zwischen protokollierten Formalvollzügen,
abgehefteter Existenz und unsterblichem Staub.
Während draußen die siegessicheren Kälten 
die hilflos ergebenen Bäume umzingeln.

Dürres Brechgezweig erinnere ich, 
strohtrockne Reste von Zeitungspapier,
das raue Reibgeräusch des Zündholzes,
Schattentänze auf den grün lackierten Wänden,
vom gierigen Feuer dirigiert, 
das aus dem Hakenloch der Mittelplatte
jenes massigen Küchenherdes züngelte
und eine Wärme warf,
die unüberbietbaren Trost,
animalische Geborgenheit 
und Befreiung von schlaftrunken
fröstelnder Beklemmung gewährte -
von Verzweiflung etwa, 
wie sie den niederdrückt,
der das, was der Tag bringen wird,
als feindlich, roh
und bedrückend weiß,
sobald er nur die Augen aufschlägt.
Wärme,
die magische Gegenwart verströmte,
geisterhaft unendlicher
Ausdehnung fähig …
Einen Geborgenheits-Kosmos,
wie ihn nur elementare Dinge
aufbauen können:
Wasser, blaue Himmel, Licht;
und eben Feuer.
Und elementaren Schutz,
ähnlich einer Gottversunkenheit,
der für Augenblicke
schlackenlos vor der Welt behütete. -
Elementare Heimat das alles,
nur winzige Zeitspannen einer Kindheit lang, 
aber brachial und seinsmächtig genug,
um mich momenthaft heraus zu brechen
aus einer angenehm trivialen,
in Arbeits- und Genuss-Leistung
buchhalterisch aufgespaltenen 
Existenz eines abhängig beschäftigten
prototypischen Sammlers
von Gelegenheitsreizen.

Heutiger Tag (3351)17

Seelen-Routine, Leere, Alleinsein, 
Ekel, Teilnahmslosigkeit …
Man fragt sich, ob man überhaupt noch
weiter machen soll.
Man hat sich das schon oft gefragt.
Eine Antwort findet man nicht.
Es gibt einfach keine.
Keinen Grund, weiter zu machen,
keinen aber auch, ein Ende zu setzen.
Emotionale Wertfrage das,
rational gar nicht zu beantworten -
Aber auch übersät von Tiefbläue 
und Wolkenweiß, 
Erscheinungen von schönen Körpern.
Manifestationen bewusstloser Pracht
materieller Gebilde teilchengenerierten 
Zusammenspiels -
Wenn auch schon angeschlagen
von hinterhältigen Kühlen 
und treulosen Schatten, die sich, 
skrupellos, dem Herbstdunst hingeben,
der so verräterisch 
den späten Sommer durchzieht.
Auch hier Überwältigung,
Hinweise auf Vorüber und Ende.
Fraglose freilich, weil jenseits der Plage
des Unentscheidbaren.

Künstliche Intelligenz (KI)/Sonett (3352)18

Es gibt nun einmal keine Hochkultur 
aufklärerischer Markt-Demokratie.
Die tugenddilettantisch gottlos sein,
in Nihilismus letztlich enden muss.

Ein Warenparadies der Täuschung nur,
des Zwangs zu glücksentwöhnter Apathie,
sich selbst zu retten, da doch ganz allein, 
in Selbstverdinglichung qua Spaßkult-Plus.

Da kann am Ende helfen nur KI.
Zu wandeln einem diese Ich-Tortur
in anonyme Lenkung, technisch rein.

Die niemand mehr begreifen wird, da Vieh
der Perfidie perfekter Diktatur:
Erlösungsmacht als Paradies-Vorschein.

Der Lauf der Dinge/Sonett (3353)19

Was immer ich als ideales Selbst mir wäre,
ich muss primär mir als empirisches gelingen.
Verflochten Artgenossen und dem Zwang von Dingen.
Vor allem aber Einsamkeit und dieser Leere

der technologisch-wissenschaftlichen Misere
die rational mich hindert, mich noch durchzuringen,
mich geistig-kulturell so vor mich selbst zu bringen,
um mir zu nehmen ihres Nihilismus Schwere.

Zumal ich weiß: Sinn, Halt und Glück kann’s nicht mehr geben.
Noch Seelengröße, Heiterkeit und Selbstdistanz.
Man kann sich nur noch als Systemabklatsch ausleben:

Als reizgetriebne, inszenierte Ignoranz,
erlebnisfatalistisch Lagen zu verschweben 
von progressiv letalbarbarischer* Brisanz.

*letal = tödlich

Mir selbst abhanden (3354)20

Substanzverdinglicht lungern wir dahin:
Als Kundenvarianten.
Zuweilen greifend nach Belämmerungen.
Nach solchen ohne Sinn. 
Doch tröstet mich:
Es ist bald ausgestanden,
auf leerabstraktem Marktkultstrich,
mir selbst zu sein abhanden.
In diesem Dasein, 
kaum mir noch gelungen:
Gehaltsentkerntes Reiz-Ansich.

Staatstheologie, Tugend-Masochismus und Realitätsverlust/Sonett (3355)21

Das ist so einer dieser tristen Nachmittage,
da ich mich angefremdelt von der Menge löse,
der Ausdrucksarmut siecher Innenstadtgelage
als Tugend-Masochismus, wabernd ins Monströse.

Geschuldet Staatstheologie ganz ohne Frage,
die sich in Straßen zeigt als korrumpierte Blöße:
Realitätsverlust, der Halbbegabten Plage …
Idealistenfeldzug deutscher Selbsthass-Größe.

Indes die Psychen schlichter Menschen sich verfließen
in Stumpfsinn, Einsichtslosigkeit und Eitelkeiten,
dem Fatalismus folgend ihrer kalten Augen,

die ihre Ausdruckslosigkeit ins Leere gießen,
entlarven sich als mittellose Markteinheiten,
die, geistig tot, aus Reizen sich und Einfalt saugen.

Ein anonymer Nihilismus (3356)22

Glaubst du, 
ich wüsste nicht, was läuft?
Dass da 
ein Nihilismus blüht,
der einen täglich 
etwas mehr aussäuft?
Um den sich jeder täglich 
selbst bemüht,
nicht fähig, 
ihm noch auszuweichen,
Weil er nicht lesen kann 
die Zeichen?

Hingeworfenes Gedichtchen (3357)23

Das Größte ist zuletzt die Einsamkeit,
ist man in ihr doch immerhin entronnen
der leeren Hysterie der Zeit,
die unvernünftig ist und dummdreist unbesonnen.
Geschickt indes, zu mehren sich ihr Leid.

Da ist doch nichts mehr ernst zu nehmen,
da tote Seelen und Charakterlose,
die Macher auch erfolgreich sich entschämen,
sich feiern als der Tugend Große,
korrupt sich Zeitgeist zu bequemen.

Die Einsamkeit das Größte? Allemal.
In ihr allein gehört man selber sich.
Verdingt sich nicht dem Kundengral:
Totalitärem Ich.
Gehört dem Geist. Und nicht der Zahl.

Unentrinnbares Schicksal (3358)24

Ichschwach sind die allermeisten.
Oben. Unten. In der Mitte.
Kurz: Die größre Zahl.
Derer, die sich selbst entgleisten.
Freilich sind sie nicht zu tadeln,
denn sie hatten keine Wahl.
Werden sie auch nie mehr haben:
Wer kann sich noch selbst sich leisten?
Knecht doch intellektueller Schritte?
Auch ist es, vereinzelnd, schwer,
dieser Posse Last zu schultern,
faktisch nämlich ist sie leer.
Nur der Geist noch kann da adeln,
bieten stille Waben:
Anonyme Gegenwehr.

Zukunft nach KI/Sonett (3359)25

Beherrschen werden dich die Apparate
und anonym agierende Eliten.
Du wirst aus eignem Antrieb dir verbieten
jedwede Regung subjektiver Grade.

Wirst fristen müssen als Systemmonade
dein Dasein (falls dir eins denn wird beschieden),
dich nach KI-Zwang optimiert zu schmieden
zur um sich selber drehenden Fassade.

In jedem Fall wirst du als Sklave leben:
Prekär gegängelt, innerlich allein.
Nie werden Transzendenz und Zweck dich heben:

Du wirst nur noch Verfügungsmasse sein.
Ein Algorithmen-Paria, ergeben
sinnloser Ratio immanentem Nein.

Zynischer Pragmatismus/Sonett (3360)26

Ist nichts mehr da, um Sinn auch nur zu ahnen.
Entpuppt sich jeder doch als leere Delle
an stumpfer Seelen toter Geistesschwelle.
Das ist das Los der Spätzeit-Karawanen:

Des Zeitgeists Heere, die sich online planen,
sich so zu träumen eine Daseinszelle
von Trivialbrisanz im Spaßgefälle,
sich inszeniert durch diese Farce zu bahnen.

Na wenn schon? Ist’s doch so: Sie funktionieren,
indem sie permanent sich selbst missbrauchen.
Sie mögen grölen, auf ein Smart Phone stieren …

Solang sie morgens im Betrieb auftauchen,
die Miete zahlen und am Recht nicht rühren,
mag sie als Psychen-Pool der Markt sich stauchen.

Ohnmachtsabklatsch/Sonett (3361)27

Tatsächlich bin ich geistig freigesetzt:
Kam doch das Wertreich ‚Wirklichkeit’ abhanden.
Ich treibe so dahin, zum Rand gehetzt.
Als Abklatsch eitler Daseinssimulanten.

Die, ichschwach, als Personen tief verletzt
sich haben hingegeben Spekulanten.
Die Regeln pervertierten und zuletzt 
die Macht sich griffen als globale Banden.

Was mich das freilich subjektiv beträfe?
Narzissten steuern meine Existenz 
und Ohnmacht kriecht mir an die Schläfe:

Kein Souverän. Kein Staat. Nur Marktdemenz.
Verwahrlosung der Kerne. Ich? Eleve*
im Gierlärm nihilistischer Lizenz.

*Eleve franz.: Schüler

Prosafetzen (103) (3362)28

Pausenlos wummern 
die Emotionsorgeln:
Belämmerungssensibel 
wertschätzende und 
pansakralisierende
Polit- und Marktfinten,
realitätsflüchtige Verbraucher
ihren unbegriffenen 
Selbstentäußerungen 
verdinglichungsselig 
gefügig zu machen.

Luxus (3363)29

Die Ersatz-Metaphysik derer,
die, ohne genetische Gnade,
ohne von günstigen Zufällen,
überdurchschnittlicher geistiger Begabung
und elitärer Einsichtskraft
sich selber ausersehen worden zu sein,
zu Kreatürlichkeit, Pleonexie 
und Durchschnittlichkeit verdammt,
sie selbst niemals 
weder sein noch haben können:
Selbstbestandslose … 
Beispiele existenzieller Banalitätswürfelei:
Die ganz gewöhnlicher, 
kleiner, dumpfer Seelen.
Mit einer einzigen Chance,
sich einen Hauch 
von Pseudobedeutung zu verschaffen: 
Sich selbst, 
in exquisiten Objekten sich spiegelnd,
inszenieren zu dürfen
als von ihresgleichen 
angehimmelter Daseinsramsch.

Was Glück sei (3364)30

Sich der metaphysischen Illusion 
einer vollkommenen Geborgenheit in Gott
geistbegnadet 
selbsttäuschungsvirtuos fraglos hingeben können.

Sich selbst: Dieses völlig heteronome,
sich radikal drangsal-, allbedürftig-
trieb- und also objekt-süchtig verfügte
atomare Gebilde,
in faszinierender Sprachmächtigkeit 
sinnträchtig transzendieren zu dürfen.

Die seelische Kraft,
den unvermeidbaren Einsichten
in den Pan-Nihilismus 
unserer modernen Existenz:
Einer zukunftslosen, barbarischen Ratio-Agonie,
so gewachsen zu sein,
dass man nicht an ihnen zerbricht,
vielmehr die Auszeichnung begreift,
ihrer teilhaftig geworden zu sein.

Kunst machen zu können 
und so sich selber los zu sein:
Vollkommen entledigt seiner selbst. 
In zeitlich unbestimmter, 
innenweltwirrer Unbeständigkeit 
aus der chaotischen Magie der Broca-Neuronen,
der Worte, der Grammatikstrukturen, 
der werdenden Zeilen, 
der Begriffsmächtigkeit 
und der Welt entbindenden 
Berührung des Absoluten,
mühsam ein Gedicht aus sich selbst 
heraus zu locken,
scheinbar welt- und selbstlos dabei …
Und deshalb vollendet glücklich,
weil schaffend und im Schaffen 
das vor sich hinstellend,
was es an und für sich ist:
Erlösungshandeln.

Kleine Katze IV (3365)31

Trost mir, Sinn und Halt der Stunde,
kleine Katze, schönes Tier,
bist du … Selbst die Daseinswunde
linderst, mehr noch: schließt du mir.
Auch wenn du zu zaghaft bist, 
streicheln, halten dich zu lassen,
wirkst du mir als Gottes-List,
mich zu betten Sehnsuchtsmassen.
Lässt du doch im Jetzt und Hier 
mich vergessen, das, was ist:
Dass der deklassierte Kunde,
dieser Abklatsch voller Kassen,
der sich nur noch selber küsst,
muss sich radikal verpassen.
Kleine Katze, komm doch her;
lass dich in die Arme nehmen;
dann wird alles, was jetzt leer:
sinnlos ist, sich seiner schämen …
den Momenten dieser Stunde
abgewinnen sanfte Frist.

Bis zum bitteren Ende (3366)32/Vergl. (32/1914), (72/3846), (74/3970)

Privilegiert durch genetische Gnade,
bewahrt von der tragenden Fiktion
einer durch mein sprachlich 
fiktionalisiertes Wesen 
gleitenden Gottheit,
die mich weit über 
mein kreatürliches Dasein hinaustrieb,
einer Geistigkeit verpflichtet,
die mich feite gegen mich selbst,
meine niederschmetternden Einsichten
und zuletzt auch gegen diese 
gewaltigen Hyle-Stillen,
durch dir wir alle, 
in endlosen Illusionen befangen, 
sinnlos dahin ludern,
werde ich mich,
substanzneugierig,
psychisch aufrecht halten bis 
zum bitteren Ende.

Den Eltern (3367)33

Tage der Erinnerungen suchen mich heim,
bedrücken, trösten, wühlen mich auf:
Die besten an dich, Mutter,
angstverhärmte Herzensgute.
Die traurigsten an dich, Vater,
Beispiel einer in jeder Hinsicht 
gescheiterten Existenz:
Asozialität verwoben von vornherein,
Tagelöhner, Hitlerknecht,
Gulagnummer, Hilfsarbeiter …
Seelentoter Kleinbürger zuletzt.

Ich hoffe indes,
irgendwann noch die Worte zu finden,
euch als Personen in einem Gedicht 
herauszuheben 
aus eurer deprimierenden Kleine-Leute-Misere,
einem Gedicht, 
vergeblich dann freilich
hinter euch hergeschrieben.
Denn, ich muss es mir eingestehen,
ihr würdet es nicht schätzen,
es nicht verstehen können,
Daseinsschatten,
ein Leben lang gebunden 
an Hilflosigkeit,
Demütigungen, 
Scheitern 
und Gramschweigen.

Ein paar Zeilen freilich, 
offen legend und redlich sagend, 
was ihr wart:
Liebevoll hilf- und mittellose,
existenziell, kulturell und politisch 
alldeklassierte Erdulder 
einer euch unbegreiflichen Welt …
Vor allem auch um meinetwillen.

Demokratie und Parteienoligarchie*/Sonett (3368)34

Noch immer kann ich’s: Geistig wach und scharf,
die Dinge kalt und faktentreu auch sehen.
Mich zu verweigern jedem Trugbedarf,
Beschönigungsballast mich hinzusäen.

Wie ethischem, der zeitgemäß dann darf
sich als politgenehme Wahrheit blähen.
Obwohl ihn Quote oder Taktik warf,
sich auszublenden das Realgeschehen.

Demokratie? Wie Würde elitär.
Ja: Alles Hohe, Ernste, Seriöse.
Parteispielball bleibt sie indes nur Mär.

Entstellt, korrupt und geifernd ins Monströse.
Zu halten sich ein Infantilen-Heer.
Flach wie man selbst und ohne jede Größe.

Prosafetzen (285) (3369)35

Wäre freilich wahr,
dass jeder sich selbst
der Nächste ist,
müsste die Welt eigentlich 
wesentlich besser sein.
Da sie es aber nicht ist,
liegt das wohl daran,
dass kaum jemand weiß,
was es heißt,
sich selber der Nächste zu sein.

Anonym (3370)36

Zufallsdasein, zu sich selbst verdammt
und nur noch Spielball auch 
rationaler Spätexzesse,
ist man selber sich benommen,
muss sich dauernd inszenieren,
zeitgeistflach nach Marktvorgaben:
Formelauswurf, schicksalslos.
Ohne Selbstverständlichkeiten,
ausgesetzt dem Immergleichen,
kompensiert durch Reiz und Phrase.

Prosafetzen (98) (3371)37

Wieder einmal 
nehme ich die Fährten 
in meine Kerne auf.
Längst als 
unausweichlich umstellte 
von mir entlarvt:
Solche einer Zeitmonade,
multirational gedungen
einem Zufallslauf an sich.
Bereit indes,
mich meiner Ohnmacht
- der existenziellen wie sozialen,
der politischen wie kulturellen,
der ökonomischen wie der geistigen -
hilflos zu stellen.
Auf dass mir begegne
die Kälte der Welt,
der Unworte Trauer,
die Leere der Seelen,
die so sich verramschen,
die so sich vergessen 
als gramreich verschäbigt.

Aufbegehren (3372)38

Das alles ist so ehrlos trivial:
Nur neoliberale Idiotie:
Gewissenloses Bacchanal
als Ratio-Agonie.
Evolutionsvertrackt Momentlabsal
für würdelose Ich-Magie.

Indes ich selber lebe auch davon.
Und das ganz gut bisher.
Ich giere auch nach Drogen-Mohn
in diesem Surrogate-Meer:
Längst ein Idiot so schon, 
obliegend infantilem Selbstverzehr.

Das will ich nicht zu Ende bringen,
nicht still mich selbst verlassen.
Das Ganze? Doch ein Ringen
um Glücke, nur als Negation zu fassen,
um technisch ingeniösen Schlingen
sich Ohmacht hörig zu verprassen.

Individualisierungs-Spreu/Für … (3373)39

Nun Selbstverständlichkeit, 
die gibt’s nicht mehr.
Nur Perspektiven, Waren, 
Gleichungs-Fakten.
Und Tugendformeln, 
metaphysisch leer,
verarmte Psychen 
sich zu takten.
Die von Verbrauchern, 
die sich delirieren:
Die sich erleben, 
nicht erfahren.
Und sich erlebend 
inszenieren, um so sich 
vor sich selber zu bewahren.

Von dir, von mir
ist auch die Rede,
uns Krüppeln 
dieser pseudorationalen Sause
in nihilistisch-aggressiver Späte:
Des Mittelmaßes Wohlstands-Flause.
Wir wissen beide, 
selbst Fragmente,
verlebte Resignierte,
dass nichts mehr ist, 
das uns noch 
irgendwie verbände,
uns  geldverknechtete 
System-Blasierte.

Die objektive Lage/Sonett (3374)40

Beständig heimgesucht vom Gram der Tage,
verbringe ich sie völlig resigniert.
Auch weil sich mir die objektive Lage
als stets diffusere doch präsentiert.

So frag ich öfter mich, ob sie noch trage,
nicht vielmehr längst schon schleichend kollabiert?
Wer weiß? Ich spüre geistwach sie als Krake,
die, das steht fest, mich als Person negiert.

Und ist es so, wie sinnlos ist dann diese
vernichtungsanonyme Ich-Ananke,
die schrill daherkommt als des Daseins Süße.

Als ob, wer anders fühlt, an Inhalt kranke …
Bloß dass man nicht erahne, dass sie grüße
als zum Totalzerfall hin offne Flanke.

So kommt es mir vor (3375)41

Liebe als Polit-Askese,
so wie Pop-Musik und Sport …
Emotionen-Exegese 
gegen Geist und Wort.

Kollektive Hirndressuren,
sich entfremdet auszurüsten
gegen hochkomplexe Spuren
als Konsum-Artisten.

Beute so den Zeitgeist-Keulen:
Medien, Kapital, kurz: Schund,
die zu schwache Psychen-Säulen 
rammen in den Grund
subjektiver Phantasien:
Freiheit, Spaß und Selbstwert-Blasen:
Expressive Onanien 
auf codierten Einbahnstraßen.

Selbstaufgabe I (3376)42
Zu vergleichen (67/3524)

Selbstaufgabe: Würdeschimmer?
Zu entrinnen Spaß-Tiraden:
Schoflem Marktknechtschaftsgeflimmer,
durch ein Meer von Ramsch zu waten?

Kenne eine, die erlaubt,
noch sich selbst zu übersteigen,
wenn man Rat und Einsicht klaubt
aus Verdrängen, aus Verschweigen:
Aus des Daseins Niederungen, 
aus der Ratio Grundgeschehen,
zufallstragisch ausbedungen
diesem Triebknecht steter Wehen.

Selbstaufgabe? Im Gedicht!
Welt entwunden Wort geborgen:
Ich-Flucht ohne Stoffgewicht,
geistgeführt durch Wahn und Sorgen.
Metaphysisch dann gewendet,
dass auch als Atomgefüge,
sehnsuchtsstill von Sinn geblendet,
man sich Nu-Vollendung wiege.

Homo homini lupus*/Sonett (3377)43
Zu vergleichen ist, wäre das Gedicht (68/3624)

Wer sich der Einsicht fügt, hat Sinn vertan.
Und hat die Fähigkeit zu Glück verloren.
Das Hobbes*-Axiom erkennt als wahr er an 
und fasst es so: Pleonexie geboren,

Gemeinheit hörig, Lust und Größenwahn,
ist er sei’s Angst, sei’s Niedrigkeit verschworen.
Den meisten, hilflos, bleibt nur diese Bahn:
Doch Zufallswürfe stofflicher Pandoren*.

Und doch: Nur selten radikal zerrissen,
war ich mein Leben lang an Glück gebunden.
Die Würfel fielen mir, wie sie es müssen,

wenn sie verhindern sollen Gram und Wunden:
Dass unter schwerster Last auch noch von Wissen,
man darf zu Heiterkeit und Geist sich runden.

*lat.:Der Mensch ist dem Menschenein Wolf
*Hobbes, Thomas, englischer Philosoph, 1588-1679 
*Pandoren griech.: „All(es)-Geberinnen“. Pandora war die von dem Gott Hephaistos geschaffene erste Frau. Sie trägt alles Unheil in einem Gefäß und bringt es unter die Menschen (Männer). Die stofflichen (materiellen) Pandoren sind Quarks und Elektronen (aus denen wir 
bestehen; s. Weltanschauung (A))

Entrinnen (3378)44

Ich habe meistens gar nicht stattgefunden.
Warum, das weiß ich auch nicht so genau.
Synthetisierte nur, an nichts gebunden,
imaginären Ich-Abbau.

Als ob das Hirn sich Schleier würfe
und Nebel triebe zwischen Ich und Ding.
Ob’s was bedeute, ob ich’s dürfe:
Was fragt danach ein Sonderling?

Oft sitz ich da und starr ins Leere,
fühl Bilder an, Fiktionen und Begriff,
um zu entkommen der Sozialgaleere
und ihrem Artefakten-Schliff.

Unversöhnlicher Hass (3379)45

Ich sag’s dir,
ohne Zeugen,
einmal offen:
Ich weiß,
du trägst nicht 
ein Gran Schuld.
Und trotzdem fiele
meine Schein-Geduld.
Wär da Sanktion nicht …
du wärst längst 
getroffen.

In den beiden letzten Jahrzehnten fast 
schon täglich mitbekommen (3380)46

Der Funktionär führt unverfroren jetzt das Wort:
Gleich diesem Amtsinhaber dreist vor Laune.
Man lobt sich selbst zuerst und dann den Sport.
Dass ich als Wahlstimmvieh da nur noch staune.
Längst herrscht das Mittelmaß. Egal, wobei.
Man spürt’s schon an dem faselnden Geraune.

Am besten schmückt ihr euch das Konterfei
(im Einvernehmen mit den Wirtschaftsbossen)
mit der bereits gewohnten - impliziten - Sauerei:
„Wir halten auf die Mäuler und die Flossen.
Wir stützen Seilschaft, Korruption und Klüngel.
Nach uns die Sintflut dann aus allen Gossen.“

Einsicht und Folge (3381)47

Was soll man ernsthaft noch erwarten 
von einer Existenz, die nicht viel taugt;
die einen reduziert auf nur zwei Sparten:
den Markterfolg, der die Person aussaugt,
und Zwangsgenuss, der alle Glücke hemmt
und alle Freuden faktisch liquidiert;
indem er Surrogat und Traumwelt kämmt
in Einheitspsyche, mediendominiert?
Doch nichts. Mit radikaler Konsequenz
für sich zu bleiben ohne Illusionen;
und zu verzichten auf den Druck der Trends,
prekärer Augenblicklichkeit zu fronen.

Kapitalistischer Substanzbefehl (3382)48

Viel Worte 
muss ich da 
nicht machen.
Man hat es
täglich doch
vor Augen.
Man soll 
sich selber 
bis ins Mark
auslaugen
und,
permanent erregt,
verflachen.
Man soll sich
Wert entziehen,
Ernst und Geist.
In Schein, 
Prestige und 
Pop-Kult fliehen;
sich löschen,
psychoethisch
mehr und mehr 
entgleist.

Prosafetzen (33) (3383)49

Sollte irgendeine Zuweisung von Schuld,
egal, ob ontologischer, juristischer, 
ethischer oder gar metaphysischer,
auch nur ansatzweise aus sich heraus 
gerechtfertigt sein,
dann nur, wenn es gelänge aufzuzeigen,
dass wir das, was sie auslöste, 
hätten vermeiden können:
Verhalten, 
Handeln, 
Tun und Lassen,
Sagen und Werten,
Blicken und Urteilen …
all das, aus dem eine solche Schuld 
uns erwachsen mag.
Das aber können wir nicht:
Niemand kann sich übernehmen.
Niemand ist Herr seiner selbst.
Niemandem kam Freiheit des Willens je zu.
Man mag ja bedauern,
sich vergriffen zu haben.
Es war aber unmöglich,
es zu verhindern.

Wir sind verloren (3384)50

Nur ich bin frei, weil ich mich weiß
als objektiv sinn- und bedeutungslos;
als einer, der sich ohne Gleis.
nun schicken muss in dieses Los:
Ein rationales, das ihn lenkt
bis in die feinsten Regungsfluten;
das ihm nichts gibt, nur nimmt, nichts schenkt,
sich seelenlos verdinglicht auszubluten
in diese Nihilismus-Späten
nur digitaler Knechtschaft noch:
Der Diktatur totalitärer Lethen
als neoliberales Joch:
Vernichtungsträchtiges Versagen,
das aufzuhalten dieser Spaßkultzwerg
- kann er sich selbst doch nicht mal tragen -
nicht leisten kann: Er ist sein Werk.

Für M., Chr., D. und E. (3385)51

Längst zerfallen, die drei besten.
Auf ihre Art erotisch virtuos.
Verführerisch noch in subtilsten Gesten.
Beglückungsprall war einer jeden Schoß.
Nur noch gedenken kann ich ihrer.
Voll Dankbarkeit ob all der Freuden.
Sie waren alle drei mir schierer
Magie-Gehalt, mir Lust als Sinn zu deuten.
Ich stehe tief in ihrer Schuld,
denn sie warn’s, die die Kraft mir gaben,
zu tragen dieses Dasein mit Geduld …
Das nun so fad ist ohne ihre Waben.
In denen ich mich selbst war los
und noch gehoben wurde als Verlierer.

Niedergangs-Gesellschaft (3386)52

Die Jahre, die mir noch bleiben
(viele werden es nicht sein - 
wahrscheinlich sollte ich sagen: Gott sei Dank),
will ich, ich werde es wenigstens versuchen, 
ohne Groll verbringen,
eingeschlossen in meine Geistesklause,
isoliert von dieser sich 
selbst im Stich lassenden Gesellschaft,
die ich nur allzu scharf gewahre 
als ein in jeder Hinsicht 
tugendtrunken 
und staatstheologisch-politmessianisch
sein eigenes Recht beugendes 
Niedergangs-Gebilde:
Politisch, ökonomisch, kulturell …
vulgär, korrupt, empörungslüstern aggressiv.
Befangen, krankhaft schon, 
in Wirklichkeitsverlusten.
Sogar agwürdige Gewaltbereite sich 
verheiligend,
sich ihrer zu bedienen dann,
die eigne Niedertracht an ihnen,
gesinnungstotalitär naiv, 
wieder gut zu machen.
Zu primitiv zumal,
die eigne Selbstverkennung
als hybrisinszenierte zu durchschauen:
Als Dogmatismuskult,
den eignen Untergang 
sich zu verdrängen
mittels ökonomisierungsfundierter 
Verarmung der Innenwelten.

Ausweglos (3387)53

Dass wir müssten überleben
das Verderben, das wir schufen:
ökologisch-kulturell,
psychoethisch selbstvergessen,
Recht verneinend, Würde lallend,
hedonistisch-infantil,
jeder selbst sich nur noch Ziel,
sich an Illusionen krallend,
lesend Unterdrückungs-Messen ...
Das, das kann ich nicht zugeben,
kann mich auch auf nichts berufen,
was mir könnte Stütze sein:
Evolutionäre Kufen, 
Gott, Moral, Vernunft, gar Güte ...
Alles das ist Trug und Pein,
gibt nichts her an Argumenten,
die für uns, das Hirntier, sprächen.
Also können wir auch enden,
ohne dass uns Tränen brächen,
ohne Weg, dem Sinn aufglühte ...
ratiosklavisch selbstgefangen
zwangsverfügten Grund-Belangen.

Auf sich selbst, das Verstandes-Hyle-Tier,
brutal zurückgeworfen (3388)54 

Zum Glück bin ich 
schon ziemlich alt.
Und habe also 
nicht mehr viele Jahre.
Mag so entgehen 
kommender Gewalt:
Indem ich 
in die Grube fahre,
bevor sich zeigen 
all die Wehen 
von Katastrophen,
Armut, Kriegen,
die unsre Hybris 
werden neigen ,
ein Ende machen
unsren Ratio-Siegen,
Vernunft-, Verblendungs-,
Halbgott-Reigen
um diesen Kult 
der Zahl, der Ware ...
um letztlich dann 
sich Ausweglosigkeit
zu fügen,
die Gott allein dann mag
in Hoffnung biegen.

Verblendete Funktionseliten (3389)55

Man darf die Sau rauslassen, 
um sich frei zu fühlen;
sogar den Ort des Stalls vergessen.
Muss deshalb nicht einmal 
vor Scham erblassen.
Darf vielmehr sudeln fort und fort.
So darf auch ich mich jetzt 
dazu vermessen,
das ganze Dreckloch aufzuwühlen:
Als Selbstverkennungsmal 
von spätzeitblassen,
naiv verblendeten Funktionseliten.

Erinnerung an eine bürgerliche Niete (3390)56

Ein Stück Dreck wie dich:
Charakterlos,
milieustumm, ichsuchtprimitiv,
das find ich leichthin überall:
Dies prototypisch 
wohlstandskranke Ich.
An dem nicht mal
Verkommenheit ist groß,
weil‘s litte etwa geistig tief.
Nein, nein …
Du bist dir Kult und Fall:
im Kern frigide:
Waren-Ding, 
dir selber apokryph.

Alter und Tod (3391)57/Sonett

Auch wenn die Zeit läuft, viel ich nicht mehr habe,
bedrängt mich doch nichts, was ich unbedingt
grad auf den letzten Metern tuen müsste;
schon gar nicht dies: um Trost und Mitleid bitten.

Was lohnte noch, was könnte sein noch Gabe?
Die Antwort gäben Todesangst-Instinkt
als Anfall infantiler Alterslüste,
nicht angemessen meinen Selbstwert-Schritten.

Unsterblichkeit? Ein Tiertraum vor dem Grabe,
in das hinein der Stoff nun niederringt:
Mich Körperding in alte Stoffgerüste.

Das weiß ich doch: ich werde abgeschnitten
von Wir, Bewusstseinsstrom und Raumzeitmassen,
um heimzukehren in die Teilchenklassen.

Glücke und Freuden (3392)58

Was gibt’s denn noch an Freuden und an Glücken,
die nicht nur wären ihre Surrogate?
An Stunden,  jenseits der Erlebnisrate,
sich hypegeil um sich selbst herumzudrücken?
Devot sich vor dem Zeitgeistzwang zu bücken,
verwiesen auf das apodiktisch Fade?
Wie etwa Passivdösen an Gestade,
um sich Bewunderung und Neid zu pflücken?

Es gibt sie noch. Indes nur noch ganz selten.
Dann, wenn man Kunst macht oder darf begreifen.
Auf sich allein gestellt in Geisteswelten,
die einen rücksichtslos in Einsicht schleifen,
um aufzuzeigen infantile Kälten
bedrückter Psychen, die nicht dürfen reifen.

Zufällig aus einer Papierhalde gezogen (3393)59

Das technogene Sekundär-Es,
heillos gleichungsinvalide,
fällt über mich her,
nutzen- und umsatzblind
meine Geistrefugien einzunehmen.
Vergeblich.
Wieder gelingt es mir,
es sprachmächtig
zurückzuschlagen,
es sich deprimierend klar
sophistisch auszudeuten.

USA V (3394)60/Sonett

Familie, Gott und Vaterland sind Ziele,
die dir noch immer als die höchsten gelten.
Indes von ihnen trennen dich doch Welten.
Du phantasierst, Amerika. Die Spiele,
wie du sie spielst, sind mehr für Infantile,
Charakterlose und für Gossenhelden,
Korrupte, Ramschbeflissne. Leer vor Kälten.
Und denen welkten längst die Wertgefühle.

Wir haben hier die gleichen Grundprobleme:
Wir in Europa: Mammon-Nihilismus.
Von dem ich sage, dass er uns entschäme.
Und wenn, dann wegtreibt von der Würde Fluss.
Auch dass er geistig und politisch lähme:
Gesellschaftlich zersetze dann am Schluss.

Schlichte Anmerkungen über das Leben,
das Sterben und den Tod I (3395)61

Man weiß ja, 
dass man sterben muss;
weiß es sein Leben lang.
Und das bedrückt, 
macht antriebslos zuweilen,
will man doch nichts
als leben, leben ...
man muss das wollen,
ist's doch der Tiere 
höchstes Gut.
Sei's faktisch auch
nur leerer Drang,
ein Gram,
der kann nicht heilen.

Wohl gilt,
dass es ein Rätsel ist,
nur Werturteil 
und Perspektive:
Ein Hyle-Schicksal ohne Tiefe,
nur Zufallswalten feil.
Weshalb es braucht 
so manche Lebenslüge,
so manche Illusion
und manchen Traum.
Auf dass man nicht
sich selbst bekriege:
sich stürze 
sei's in Drogenmohn
sei's der Verzweiflung 
Nihilismus-Schaum.

Wovon befreit uns 
dann der Tod.
Und das,
das sollte man bedenken:
Er setzt ein Ende 
aller Not,
macht Schluss mit Selbstverrat 
und sich Verrenken
vor Macht, Verachtung,
Ungerechtigkeiten ...
Bedrängendem,
was einen hilflos macht,
weil einen lebenslang
mag lenken. 
So dass man,
seiner selbst benommen,
so manche Träne 
wird auch leiten
in Trauer, Einsamkeit
und Seelenpein.
Vor Scham wird nicht mehr
zu sich selber kommen.

*

Doch dass es nur Last sei,
dies krude Leben,
das wäre schroff gelogen,
hält's doch auch 
manchen Rausch bereit.
Sei der nun physisch,
geistig oder sonstwie Trost.
So dass, was immer dann 
auch ausgesogen,
in ihm ein Glück man sich erlost,
was vieles gut macht,
sei's gar einerlei.
 

 

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.