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Diese Seite enthält 56 Prosa-, Reim-Gedichte und 7 Sonette
Verantwortungslose Träumereien/Sonett (3272)1
Na ja, ich hab ja nicht mehr allzu lange;
das werd ich schon noch halbwegs überstehen:
Dass nach und nach wird alles das verwehen,
was ich gern nenne geistige Belange.
Denn die, befreit vom Art- und Gattungs-Zwange,
sind die Bereiche, selbst sich aufzugehen:
Von andern frei, sich selbst dann einzudrehen;
auch zu entkommen der Gesellschaftszange.
Was auf uns zukommt? Nun, ich will’s verschweigen.
Bin ich doch jetzt schon all der Phrasen müde,
die sich als Wirklichkeitsverluste zeigen:
Als Menschheits-Würde und als Tugendblüte,
als heißer Wunsch, sich vor Vernunft zu neigen,
auf dass zum Tragen komme Wesensgüte.
Was dieses Leben an und für sich sei (3273)2
Rein subjektiv betrachtet,
hat sich’s kaum gelohnt,
dies Dasein,
sich doch selber ausgesetzt.
Von andern nur zum Schein geachtet,
von ihrer Ichsucht stets verletzt.
Auch weil es selber sich ja auch betont,
narzisstisch nach Beachtung trachtet,
sich zwanghaft in die erste Reihe hetzt,
dabei nur Brachwelt, Leere,
Schein und Gramdruck front.
Noch mal: Es war bestimmt
nichts Großes,
gewiss das Schlingern
eines Traumweltfloßes,
ein Seinsdrang,
der sich selbst nur glimmt:
Entglitten sich
im Griff von Hyle-Fingern.
Eine dionysisch kommandierte Selbstverlustorgie/Für …/
6 Sonette (entsprungen einem nur Sekunden dauernden, erotisch- metaphysisch faszinierenden Augenblickseindruck von kommandierender Gewalt)
(3274)3 (1)
Sie müssen diesen Ethikrat vertreten:
Nach außen kundtun, was für gut er halte,
vernünftig sei und nicht Gesellschaft spalte.
Wenn auch nicht könne überzeugen jeden.
Hat doch auch Politik da mitzureden,
die oft erschafft nur eine Phrasenhalde.
Auf Macht doch ausgelegt, auf dass dann walte
das Mittelmaß diffus abstrakter Öden.
Und doch hab jedes Wort ich aufgesogen.
Zutiefst berührt von Ihrer Schönheit Zeichen:
Als delirierte ich im Bann von Drogen,
substanzbetört von den ekstaseweichen
Erotikschäumen ihrer Körperwogen,
die bis in Kerne Ihres Daseins reichen.
(3275)4 (2)
Ihr schönes Fleisch: Gottebenbild der Hyle.
Wie auch Ihr Intellekt brillanter Schärfe.
Blind ausgeworfen jener Zufallsreigen
für einen Wimpernschlag von ein paar Jahren:
Ein Zufall atomar prekärer Spiele
verfügter Ichsucht ohne Glücksreserve,
der Ihren Leib mir als Vollendung zeigen
und deuten soll als Wink von Gottgebaren.
Indes: Sie ahnen sich wohl nicht als Wunder,
in Ihrer Rationalität vergoren.
Nach Selbstwertzuwachs hechelnd, diesem Plunder,
den Sie nicht nötig haben, auserkoren,
in diesem Nihilismus-Wirrwarr bunter
Vergeblichkeiten scheinbesessner Toren.
Sonett (2) Zeile 3: jener (Gen.) = der Hyle („Materie“, Kunstwort von Aristoteles, 384-322 v. Chr. Grundbedeutung „Stück Holz“)
(3276)5 (3)
Hör bitte auf, von jenes Rates Pflicht zu reden.
Und diesem Virus, das uns heimsucht alle Tage.
Bist du substanzerotisch doch. Und ohne Frage
Dionysos-Geschöpf prekärer Drangsal-Steten.
In denen Trance mich heimsucht, deinem Leib zu flöten
den Trauersingsang meiner aussichtslosen Lage:
Dich so sehr zu begehren, dass ich’s kaum ertrage:
Lässt du doch meine Todessehnsucht noch erröten.
Mein dumpfes Ichding giert nach dir auf allen Wegen,
torpid verfallen deiner stoffsakralen Hülle.
Dich zu berühren wäre mir ein Gottessegen:
Es würfe augenblickserlöst mich in die Stille,
mir alle Oberflächlichkeit hinwegzufegen
in Lethen* deiner aphromanen* Feuchtenfülle.
*Lethe griech.: Vergessen
*aphroman: Kunstwort, Bedeutung: schaumgierig; Aphrodite ist die altgriech. Göttin des Geschlechtsgenusses
(3277)6 (4)
Ich möchte einfach in dir untergehen,
geheimste Wässer deiner Dingheit trinken,
mit dir in Seelenfrieden zu versinken:
In dir dem Stoff und seinem Leid verwehen.
All dem ein Schnippchen schlagen, was wir sehen:
Den Sehnsuchtslichtern, die vergeblich blinken,
und all den Siegen, die wir uns doch zinken,
um Illusionen uns dann einzudrehen.
Wenn du das läsest, wärst du wohl empört
und würdest diese Zeilen kalt zerreißen:
Dich so verhalten, wie es sich gehört …
Sich auf sich selber pochend zu verschließen.
Indes bedenk, wenn’s deinen Stolz auch stört:
Der fremde Gott hat’s mich, mir hold, geheißen.
*Sonett (4), Vers 14: Der fremde Gott = Dionysos
(3278)7 (5)
Es wäre Frevel, an den Tod zu denken,
ansichtig Ihrer herrlichen Gestalt.
Die unzerstörbar sei, nie werde alt,
mag die Materie durch Träume lenken
und Sehnsuchtsschlieren noch dem Grab-Rand schenken:
Dass unser Dasein nicht sei ohne Halt,
nicht ausgesetzt auch dauernder Gewalt,
nicht niederträchtig auch und Zwang zu kränken.
Vielleicht ja ahnst du, was ich damit meine.
Und streust dich magisch diesem Elend hin:
Als Trost, als Traumgebilde: Hort der Seine.
Vergeblich dürstend doch nach Zweck und Sinn.
Denn diese gibt es nicht real. Und keine
Vollendungsspur führt je durch dies „Ich bin“.
(3279)8 (6)
Du bist ein metaphysisches Versprechen.
Ob du das weißt, ob nicht; ist mir egal;
ist doch dein Leib allein schon jener Gral,
dem alle würden sich erlöst verzechen.
ihn irgendwann als Gottes Brot zu brechen.
Was nichts zu tun hat sei es mit der Zahl,
sei’s mit formalen Nutzens spröder Qual …
Es ist des Geistes und des Stoffes Stechen.
Wir werden niemals hier zusammenfinden.
Sind Sie doch auch narzisstisch angehaucht,
ein Kind der Zeit, die Show, Effekt und Finten
geradezu als Seins-Garanten braucht, …
An Scheinmoralgefasel sich zu binden,
bis es als Truggespinst nach oben taucht.
Was ich auf dem Totenbett gerne mir vorläse oder wenigstens hörte … falls es denn noch möglich sein sollte (3280)9
Noch ein paar Stunden …
Dann das Ende.
Dann wirst du’s haben doch geschafft.
Geschlossen werden sein
die tiefsten Daseinswunden
und alles fort auch,
was dich trennte
vom Stoff,
als der du immer warst.
Gewichen wird dir sein dann alle Kraft,
Bewusstsein,
Trieb
und aller Qual Bedürfnisschrunden.
Dann wirst du nur noch in Erinnerungen
einmal gewesen sein als der und der.
Und sind auch deren Träger
endlich Stoff verschlungen,
für alle Ewigkeit
sein niemals mehr.
Glücke trotz Verachtungswogen/Sonett (3281)10
Ein wunderbarer Tag ganz seltner Glücke:
Ich durfte - konnte - drei Gedichte machen.
Mir also selbst egal sein - trotzen auch der Tücke
der national prekären Daseinslachen.
Die Psychen gängeln und zerschlagen Sachen.
Als Folgen linkisch inszenierter Stücke,
die um Vertrauen warben noch bei Drachen,
die uns einst würden sein robuste Krücke.
Und denk ich dran, dass das nicht mehr berühren
mich alten Mann noch wird, von Zukunft frei,
dann will ich umso mehr mich jetzt verlieren
an diesen Tag, der schenkte zweierlei:
Befreit zu sein von Nihilismus-Schmieren
und deutscher Tugendphrasenlitanei.
Verfall und Rettung (3282)11
Längst sehe ich ihm täglich zu:
Dem eignen biologischen Verfall.
Schon lange stehen wir auf Du und Du:
Der Gang der Dinge Widerhall.
Wie lang’s noch geht,
ist ganz schwer abzuschätzen.
Weil es mal so, mal anders steht -
Man zappelt in verschiednen Netzen.
Indes ich müde bin. Das sowieso.
Weil ich hab viel zu viel begriffen
von diesem seelenkalten Menschen-Zoo …
Zum Glück dem Nichts verschliffen.
Vers (3283)12
Du schlichtes, folgenloses Surrogat,
bist längst das Liebste mir geworden.
Erlaubst mir du doch,
dass ich Abstand nehmen darf
von Artgenossen, Waren,
Geltung, Staat …
So muss nicht ständig mir
genormte Zeitgeist-Mären horten.
Du machst mich einsam, fremd
und obsolet,
kehrst diese Welt ins Sonderbare:
Die Macht der Lebenslügen geht,
wenn ich mich, geistgebannt,
in dir gewahre.
Aus dir darf ich mich
ohne Schäbigkeiten klauben,
bedürfend dazu weder Du noch Wir:
Muss so nicht
an Gesellschaftsbettel glauben,
den man mir schwört
als höchste Daseins-Zier.
ZINSJA (149) (3284)13
Wäre Unvorhersehbares
geschehen,
ich wüsste es längst.
So aber
harre ich
immer noch
einer sich meiner
erbarmenden
Vergeblichkeitsnote,
widerspruchsfrei
meine Bedeutungslosigkeit
auslegend.
Beim Sport (3285)14
Schon länger spür ich’s in den Knochen.
Es geht - wie nicht? - bergab.
Das lästigste von allen Jochen:
Das Alter hebt den Cup.
Nur langsam zwar, doch mehr und mehr.
Ich kann ihm nicht entkommen.
Bald ist der Antrieb leer.
Und das, das macht mich doch beklommen.
Jetzt geht es grabwärts; nach und nach.
Nun wartet nur noch Erde
Noch liegt sie sarg- und körperbrach.
Bis sie mir dann Behausung werde.
Trost der Waren/Sonett (3286)15
Ich hab mich nun mal meistens so erfahren:
Als indolent und ohne Mitgefühle.
Wohl wissend um soziale Kinderspiele
mit Hilfe derer man sich kann bewahren.
Auch sich den Maskeraden aufzusparen,
die mildern mögen dieses Daseins Kühle,
das ohne Inhalt ist und ohne Ziele,
die andre wären als der Trost der Waren.
Nur sollte ich das unbedingt verschweigen,
um nicht die andern vor den Kopf zu stoßen.
Sie brauchen doch all die Entlastungsreigen,
mit ihnen selbst sich doch primär zu kosen.
Narzissmus lenkt ja ab von hohlem Schweigen:
Man hört den Schrei nicht der Behelfs-Symbiosen.
Erlöst ins Einfache heimgekehrt (3287)16
Mich treiben hochabstrakte überindividuelle
Globalprozesse vor mir her und vor sich hin.
Und ich, ganz ausgesetzt, bin völlig mittellos dabei.
So mir und ihnen schlichte Traumweltquelle
in einem, Gleichungs- und Verfahrenskosmos ohne Sinn.
So kommt’s mir vor, dem Spielball ihrer Tyrannei.
Die sich zumal wohl längst entglitten ist
als vielfach autodestruktives Wohlstands-Einerlei
mit nicht mehr allzu langer Überlebensfrist.
Und sollte das tatsächlich kommen so,
gekippt in radikale Barbarei,
werd ich als Nichts, längst eingegangen jenem Teilchen-Zoo,
von allen Lasten, Wirren, Angst und Drangsal frei
erlöst zu Hyle sein, noch nicht mal Zelle.
Massive Vertrauensverluste (3288)17
Vertrauen? Doch in was? Vor allem auch zu wem?
Den Massen? Den Funktionseliten?
Verfahrens-, Formel-Exzellenzen? Intellektuellen?
Ich hab es nicht, hab’s nicht in das System.
Das Individuen doch reduziert auf Würde-Mythen,
um sie um sich auch noch als Geistperson zu prellen.
Was man nicht wahrnimmt, höchstens ansatzweise,
geht man doch auf in Selbstsuchtzwängen und Funktionen,
sich anzupassen und narzisstisch durchzuschlagen.
Vertrauen? Nein … Auf dass ich geistig mir entgleise:
naiv mit Lebenslügen mich dann zu belohnen …
um dann am Tropf zu hängen all der Spätzeit-Kraken?
Lebenstatsache/Sonett (3289)18
Gewiss. Ich hab es radikal gesehen.
Dafür genauer; manchmal sogar tief.
Dies letztlich hochprekäre Weltgeschehen:
Undeutbar, Macht vergoren und lasziv.
Ich seh es so: Mag’s auch wie immer gehen,
es läuft doch eher wohl am Ende schief,
weil wir zu uns in Widersprüchen stehen:
Sind Kreatur und zugleich wertnaiv.
So hab ich viele vor den Kopf gestoßen,
die noch ans Gute glauben. Unbedingt
(und glauben auch an dornenfreie Rosen).
Und das mit Recht. Weil man sich nur gelingt
(ich meine: scheinbar), wenn man darf sich kosen,
indem man Schein und Illusion versinkt.
ZINSJA (140) (3290)19
So beglückend
gleichgültig:
Meine Existenz.
Sich als Wunder
von Nichtigkeit
fraglos
durch die Zeit
schleppend.
Daseins-Paradoxa (3291)20
Hätte was bessres Schlechtes
mir passieren können,
als diese Randfigur zu sein?
Tagtäglich ausgesetzt
sei’s Adipositas,
sei es auch Angst,
und Asozialität?
Tatsächlich nicht,
wenn ich’s genau bedenke.
Nur die vermochten nämlich
mir zu gönnen
die Seelenhärte und den scharfen Blick,
entlarvend diese Mammon-Gicht,
den Tugendbettel ohne Augenmaß,
die tief verlogne Pietät,
die doppelzüngig leeren Wertgelenke …
Zumal mir auch
die Gabe schufen,
die Welt als Geistessehnsucht
zu erfahren;
als Wunderwerk und Gotteshauch:
Als Aufschrei
in Vollendungs-Rufen …
Aus diesem Spaß-Grab,
rational nicht zu bewahren.
In der Warteschleife (3292)21
Die letzten IBAN-Ziffern
soll ich nennen;
natürlich meine Kundennummer.
Geburtsdatum und
meinen Namen noch.
Das mache ich und warte dann,
bis jemand auflegt,
sich mir zuzuwenden,
was die KI mir
ständig wiederholt.
Das ginge ja,
wär zu ertragen,
wenn ich nicht hören müsste
diese Soft-Pop-Schnulze,
mich einzulullen mit
Verbraucher-Stimmung,
mich englischsprachig
zu verdummen.
Soll doch das ganze
zahm mich stimmen,
Gefühlchen mir verschaffen:
Naive Kunden-Träumereien …
Auf dass ich lechze dann
nach einer Dienstleistung,
nach einer Ware,
einer Auskunft auch …
Als seien Vorschein sie
auf ein Erlösungsahnen:
Wie Starkultfeeling als
Effektsuchtmasche.
Ablenkungen (3293)22
Mal wieder einer dieser Augenblicke,
in dem man’s radikal begreift,
dass man allein ist, sich allein berücke:
sich Traum verbracht durch dieses Dasein schleift.
Ja, mehr noch: Faktisch lebenslang
sich selbst versäumt in Perspektiven,
mal ausgeliefert Rausch, mal Spaß, mal Zwang,
mal Unterhaltungs- und Erlebnis-Direktiven:
Behelfsphantasmen, sich zu retten
in Schein und bergende Schimären.
Um dann in diesen psychisch sich zu betten,
statt zu begreifen unsre Kern-Miseren:
Dass permanent man Tugend-Hysterie,
Medialabrichtung, Reizen ausgesetzt,
sein Dasein friste als ein Halali,
das einen mit Entlastungshalbschlaf dann ergötzt.
Diese Selbstwertschlacht (3294)23
Da ist halt nichts,
wie’s sollte sein.
Doch so ist es
im Leben oft.
Ich hab gelernt,
man ist allein
und dass es
besser ist,
wenn man nicht
viel erhofft.
Zumal das Ganze
ist auch Lotterie.
Und das wohl
unabänderlich.
Man sich begegnet
zumal faktisch nie,
obwohl man ständig
spricht von sich.
Doch immerhin,
ich durfte
viel begreifen.
Und das hat manches
gut macht:
Es schuf mir
hie und da auch Sinn.
So dass nie ganz
ich musste kneifen
vor dieser miesen
Selbstwert-Schlacht
nicht steuerbarer
Anomie.
Frage (3295)24
In welch großem Ausmaß doch müssen uns,
den auf Bedeutungen angewiesenen Sapienten:
also auf Konstrukte, Phantasien, Wert-Begriffe …
ja mehr noch: auf die Beschönigung,
oft gar Verdrängung von Realitäten
und die geistig-seelisch
irrational-emotionale Erschaffung
von Behelfs-Wirklichkeiten und Perspektiven,
substantielle: überlebensdrastische
Vollzugszwänge sein …
Handelt es sich bei ihnen doch auch um Sinnschöpfungsversuche.
Zumal als Folge notwendig bewussten Agierens seiner
als stoffgebundene Bedürftigkeit:
Unlösbar verwoben doch Triebdrangsal,
Ratio-Diktatur, physischem Verfall,
dauergefährdeten Selbststeuerungs-Zwängen
und dieser allstündlich drastisch zu verdrängenden
Gesamtvergeblichkeit?
Noch einmal: 1968 (3296)25
Schwachstrom-Narzissmus,
Geilheits-Entfesselung
für Pop-Musik-Belämmerte.
Der Sozialismus als Happening
für von sich selbst ergriffene
Leerformel-Halbbegabte.
Entwurzelungs-Propheten
zerfallender Innenwelten.
Kurzum: Die Avantgarde
unbegriffener Es-Mystik:
Dürftiger Intellektualismus
als verdeckte Konsum-Metaphysik.
Wovon ich hier rede?
Von den unterleibs-
und gefühlskonsumistisch betörten Idioten,
die zu dem, was sie,
selbstgierig befangen, propagierten
nicht einmal ansatzweise
fähig gewesen wären:
Das Reich des Neuen Menschen …
Tatsächlich eine prophetische Traumtänzerei,
die niemals Realität werden kann:
Zu wenig Asketen,
zu wenig Geistmenschen,
zu wenig zur Selbstzurücknahme
fähige Hochkultur-Träger,
in sich vereinend
einen untrüglichen Realitätssinn
und diese Tyche-Gaben:
Ehrfurcht, Güte, Mitleid
und Schamsensibilität …
Ausnahme-Menschen-Eigenschaften,
die nicht gewollt, nicht
erlernt, noch sonstwie
erworben werden können.
So dürfte es sein (3297)26
Man ist da
niemals objektiv.
man sieht die Welt,
wie man sie
sehen muss.
Und also auch
sich selbst nie tief.
Und das
bis hin zum Schluss.
Hat man sich doch
nur als Reflex
auf dieses
Weltgeschehen:
Sich unbegreifliches
Verwehen
als kommandierter
Schicksalsklecks.
Desillusionierung (3298)27
Wie oft ergeht man sich in Phrasen,
in irgendeiner Pseudowahrheit Stuss.
Zumal in Sinnekstasen,
weil man sich selber deuten muss.
Und tragen, irgendwie behaupten
in einer indolenten Welt
von meistens aus Affekt geklaubten
Schauspielereien für Prestige und Geld.
Es ist nicht leicht, sich zu erfassen
als was und wer man ist;
so schwer, dass man es sollte eher lassen,
weil’s einen radikal zerfrisst:
Doch sich entzogenes Behelfskonstrukt,
das als Person und Selbst sich träumt.
Tatsächlich Gen- und dann Sozial-Produkt,
Macht, Lagen, Interessen aufgezäumt.
Unschuldige Versager (3299)28
So wie’s aussieht, tun wir alles,
uns das Dasein zu erschweren:
Wirklichkeitsverlust verschrieben.
Innerlich stets so getrieben,
dass wir uns zuletzt verheeren
und vielleicht - gegebnen Falles -
gar nicht können noch erwehren
unserer Zerstörungsmacht,
die uns ausformt, die wir sind.
Außerstande, unsre Lehren
zu zerpflücken mit Bedacht.
Letztlich wirres Ichsucht-Kind.
Deutlicher, für alle klar:
Wir sind autodestruktiv.
Das von unsrem Wesen her.
Unausweichlich Grundgefahr
ohne irgend Korrektiv:
Zufallstiere: Stoff, bedeutungsleer.
Schicksalszwänge (3300)29
Dazu muss ich nicht viel sagen:
Dass wir über uns verfügten,
Tugend und Kultur genügten,
das verhindern schon die Lagen.
Die uns permanent versehren:
Haben, Gelten, Lust und Drogen
wesenstypisch doch verbogen.
Ohne Würde, Geist und Ehren.
Ratio-Krüppel, rücksichtslos,
seelenkalt, gewissenarm
Panischer Narzissten-Schwarm
selbstzerstörungsrigoros.
Gott, Wohlstand und Vollendungssehnsucht (3301)30
Stets werde Gott ich in mir tragen.
Und zwar in jenen Seelentiefen,
ganz unberührt
von diesem metaphysisch toten Jagen,
von uns, den Kortex-Zwängen,
schuldlos aufgeführt.
Wir sind notwendig uns doch selber Falle,
in die wir folglich rennen müssen.
Und das, das wissen wir auch alle;
auch wenn in ihr wir uns so gerne küssen.
Dem guten Leben hingegeben;
der Hoffnung, dass uns werde auch erlösen
der Wohlstand, wenn wir ihm verdösen
in spaßprall leerem Streben,
Allein auch jener Gott scheint nur Fiktion.
Dass muss ich eingestehen.
Indes was kümmert mich das schon,
wenn ich durch Ihn darf in Vollendung sehen?
Auszeit (3302)31
Ich mach mal eine Pause:
Ich jammere zu viel.
Erstarrt in meiner Geistesklause.
In diesem Nihilismus-Spiel.
Na ja, ich lasse es mal sein.
Gedenke dafür mancher Stunde,
die funkelte im Wein
und gab von seltenster Erotik Kunde.
So was gibt’s auch.
Nur kann’s nicht tragen.
Weil nur ist Stunden-Hauch,
den heimlich auch die Fakten jagen:
Dass selten Glück ist,
oftmals auch verlogen.
Sich nicht Substanz einfrisst,
im eignen Kern doch längst verbogen.
SMS//Zufällig aus einer Papierhalde gezogen (3303)32
Pleonexie-Verzicht als Rettungsanker
für die Gesellschaft,
die in Wohlstandsdestruktion versinkt?
Nun das ist eine Illusion.
Ist jene längst notwendig doch,
dies Spaß-Konstrukt zu stützen,
weil, fiele es, in Anarchie dies führte …
Zum Ende dann der Volksherrschaft,
des liberalen Rechtes auch.
Tatsächlich ruhen wir längst auf
den eigenen Verwahrlosungen:
Die nötig sind, hinauszuzögern
die radikale Anomie,
die Barbarei und Würdelosigkeit:
Die tiefe Lust, Gewalt zu frönen.
Zu unterdrücken dann nur noch
durch Despotismus und KI.
Warnung (3304)33
Ich bin von vorvorgestern: Seht euch vor:
Kann unterscheiden zwischen Show und Sachen;
vermag zumal Gemeinheit auszumachen,
die zeitgeistprimitiv sich selbst vergor.
Kann außerdem auch Tugendphrasen lesen:
Ideologische Konstrukte und
Ressentiment - von Neid durchfurchtes Wesen.
Nicht ansatzweise seiner Fadheit kund.
Und: Ich durchschaue die Narzissten:
alternativer Fakten Flach-Demiurgen.
Die dumpf in ihrer innren Leere nisten.
Gewissenslose Schurken.
Vor allem habe ich uns alle längst entlarvt
als Leichtlauf-Psychopathen ohne Ziele.
Von unsrem toten Selbst umharft:
Dem Käufer unsrer Kinderspiele.
Unsensibel, linkisch, machtnaiv (3305)34
Nun: Die Gesellschaft ist zutiefst verlogen
- ob oben, unten, mittig, ob am Rand -,
ist kulturell verbogen:
Enthemmungsgosse erster Hand.
Verkommen und vergammelt:
Ein Gauner-Paradies,
zu dem ein Klüngel sich von Siegern sammelt,
sich selbst zu bauen ein Verlies.
Nur dass er dies nicht recht begreift:
Dass längst die Zeit für Tyrannei schon reift.
Weltgeist-Diadochen* (3306)35
Als Diadochen all der Weltgeistpleiten,
Reformation und Calvinismus … dann der Aufklärung,
zumal der großgesellschaftlichen Utopien
- Marxismus etwa und Faschismus dann -
bleibt uns doch nur noch, Träumen ein zu gleiten.
Ich meine solchen, dass wir könnten noch mal fliehen
(für drei bis fünf Jahrzehnte vielleicht noch)
die Katastrophen, die wir nicht bestehen,
auch gar nicht alle überleben werden.
Es ist nicht leicht zu sagen, ob gelingen kann,
noch von uns abzuwenden dieses Joch,
das wir uns selber sind, uns Gängelung:
Biped erzwungnes Intellekt-Versehen …
Indes mich tröstet - ich gesteh’s -
dass ich, schon längst verfallend,
nicht mehr träumen muss.
Ich werd entkommen jenen Wehs …
Bald sagen dürfen schon:
Lebt nunmehr wohl! Viel Glück!
Für mich ist, Gott sei Dank, hier Schluss.
*Diadochen = Nachfolger (historisch: Alexanders des Großen)
Auflösung II (3307)36
Vergeblich suche ich Gedichte-Zeilen.
Auch weil ich darin keinen Sinn mehr sehe.
Es auch begriffen habe als absurdes Tun.
Was soll ich noch an Geistgebilden feilen,
wenn ich doch täglich diese Lumperei erspähe
von Dilettanten, die in Phrasen ruhn.
Und dabei Volksherrschaft und Recht auflösen.
Und das noch nicht einmal begreifen,
weil sich mit ihrer Mittelmäßigkeit beflecken.
Ganz kleine Seelen, die sich Macht erdösen,
indem sie unbegriffne Werte keifen,
um sich nach Amt, Prestige und Relevanz zu recken.
Selbstkorrektur (3308)37
Hab ich Grund, mich zu ereifern,
geistesfinster zu erregen?
Weil mich diese Welt erbittert,
ödend in Bombastik hin,
Großmannssucht und Tugendwirren,
spaßlabil narzissmusdumpf?
Nein. Zumal es lächerlich,
aufgeblasen schäbig wäre.
Geht doch hin mein kleines Ich
deutungsloser Stoffmisere:
Sinnlos und substanzprekär
einem atomaren Toben,
lebenslang von Tränen schwer
in Verfall gehoben.
Selbstabbilder (3309)38
Ich hab mich leidlich durchgewunden,
getan, was so ein Leib-Ich machen kann:
Das doch Bedürfnis ist, sozial geformt an Wert
gebunden …
so fügen muss sich diesem Bann.
Ja: muss, will es nicht untergehen.
Auch mit den Artgenossen je nach Lage heulen
um Täuschungsstrategien, die Bedeutung säen:
Belämmernde Bewusstseinskeulen.
Ich konnte nicht mal dies verdrängen:
Dass man sich sprachlich: perspektivisch konstruieren
als Gen-Kultur-Produkt muss fügen Zwängen,
um Selbst zu werden - oder es zu inszenieren.
So wie’s doch viele heute faktisch machen müssen:
Sich arrangieren objektiven Leeren.
Indem in diesen sie Beliebigkeiten küssen.
Mit sich als Abbild zu verkehren.
Selbstmachtstolz/Sonett (3310)39
Definitive Einsicht gibt’s da nicht.
Der Brüche wegen, die sich ständig mehren:
Der psychisch-geistigen, die uns versehren.
Und so denn mit auch formen ein Gedicht.
Für mich ein metaphysisches Gericht,
mich über meine Lagen zu belehren:
Ob sie noch trügen, diese Geistesschweren.
In dieser Gosse mir das letzte Licht.
Sie tragen nicht mehr. Ihnen ist entzogen
ein Menschtum, das sie noch als Zweck empfände,
der sich - trotz Ramschgetöse, Shows und Drogen,
trotz trivialer Innenweltbestände -,
vom Großen Stumpfsinn noch nicht aufgesogen,
an Selbstmachtstolz und Seelengröße bände.
Prosafetzen (19) (3311)40
Nicht allzu viel gebe ich auf die
sei’s kapitalistisch-demokratischen,
sei’s marxistischen
sei’s oligarchischen,
sei’s metaphysischen,
sei’s mittels welcher auch immer
mit vereinfachenden Leerformelfaszinationen
verführenden Entlastungsstrategien -
Zumal ich doch weiß
- es kann nicht anders sein -,
dass wir,
notorisch zweck- und sinnbedürftig,
zumal uns selbst dauergefährdend,
zu Barbarei und
radikaler Irrationalität neigend,
irgendwann definitiv
an einer ihrer Perversionen
unschuldig
zugrunde gehen werden.
Was soll ich sagen? (3312)41
Von soll ich sagen zu den Seelenwirren,
die sich entbergen stillen Einsamkeiten,
Verwerfungshalden meiner Nichtigkeit,
gar meiner Unberührbarkeit, was anbelangt
die gramgekräuselt schieren Daseinswogen;
von uns, den Stoffzwangtränen, hoch getrieben:
globale Zähren unsrer Ratio-Zwänge,
Moralunfähigkeit, Verblendung und
Affekt-Knechtschaft und Wesens-Hybris,
entfesselt stündlich mit Gewalt von Mächten,
die überrollen mich in meinen Träumen noch,
mich suchen heim als ausgeliefert:
vereinnahmt von doch ruderloser Welt?
Was soll ich zu Verachtungstiefen,
die permanent mich kommandieren,
mich fluten mit Vernichtungslust,
was soll und muss ich dazu sagen?
Obwohl ich weiß, da liegt nicht Schuld zugrunde:
Da delirieren Hirne ohne Haltgrundlage,
gesinnungsmasochistisch arrogant
sich eine Welt zusammen voller Güte,
am Ende eines Heilsgeschehens
politneurotischer Entfremdungsdichte:
Es fehlt die Korrektur von Fakten,
die Einsichtsschärfe, die gewissenswache,
am Ende auch die schiere Menschlichkeit,
als Zwerge sich zu fassen ohne Herz und Geist.
Not-Dialektik (3313)42
Das schlägt auch über mir zusammen:
Subjektivismus als betörter Selbstverlust,
Gewissensöde … all die psychisch klammen
Verkrüppelungen, die als Fun bewusst,
den Individuen Entlastung bieten
von ihrer angelernten Daseinsleere,
dies Sammelsurium von Wohlstands-Nieten
und Opfergängen ohne Kehre.
Indes ich lange schon da nichts mehr fühle:
Ist meine Indolenz doch längst perfekt,
indem ich zynisch mit ihr spiele,
auf dass sie verssiech mich als Geist bezweckt.
Weiße Wolke (3314)43/Sonett
Ich könnte stundenlang auf diese Wolke starren.
Sie ist ganz weiß und steht so magisch still da oben.
In einem See von Tiefblau steht sie. Abgehoben.
Als ob ihr Gott befohlen hätte zu verharren
und sich in ihre weiße Stille einzuscharren.
Sein Schöpfungswerk auf diese Weise auch zu loben.
Dass, wer sie sehe, dann vergesse dieses Toben.
Das unten hier, wo Alltagslast und Willkür narren.
Wo ich für Grau in Grau und Hektik muss bezahlen
und grade Pseudoglücke haben hohe Preise:
Erregungskämpfe sind um Anerkennungsschalen,
um Surrogate für gemimte Psychen-Gleise.
Um zu bestehen all die garstig kleinen Qualen
banaler Leere auf je angesagte Weise.
Frühdiffuse Jenseitssehnsucht (3315)44
Im Grunde war mir
alles gleich,
war alles mir egal;
mich lockte immer
jenes andre Reich,
das weder Trieb kennt
noch auch Zahl.
Tatsächlich war’s mir
lebenslang vertrauter
als alles hier
an diesem Ort
Doch Frist verfügt,
und Wesens-Schauder,
nicht Heimat:
Drangsal immerfort …
Zumeist Gewalt
und Jammertal.
Zumal doch Kunstgebilde,
aus Zwang geworden:
stofflich-neuronal.
Herkunftsbürde (3316)45
Die Chancen standen schlecht,
da rauszukommen: sie waren miserabel
für einen Unterschichtenknecht,
verachtungsschier sich selbst benommen
Na ja, ich hab’s dann doch geschafft,
zumindest äußerlich;
Indes die Leere weiter klafft
bis in den Kern des Ich.
Es prägten Indolenz und Einsamkeit,
die Einsicht: Dasein, das ist Hieb,
der, eines Tieres Wesensleid,
bleibt lebenslang ihr Grundantrieb.
Fiktionen statt Fakten: Ohne Gott kein Heil (I) (3317)46
Wir brauchen Fiktionen,
uns selbst zu bestehen;
nicht Ich nur zu frönen
und unterzugehen
der Bedürfnisnatur,
den triebhaften Fängen …
ein Affe doch nur,
den Selbstsüchte drängen.
Und die tiefste von Ihnen
soll Gott mir heißen:
Nur der kann uns dienen:
kann Sinn uns verheißen.
Fiktionen statt Fakten: Ohne Gott kein Heil (II) (3318)47
Gott allein kann garantieren
so etwas wie Lebenssinn,
kann uns ratio-kalten Tieren
schaffen tiefsten Seins-Gewinn.
Kann uns vor uns selbst bewahren,
objektiv doch Stoff-Gefüge,
dass wir nicht zu Dingen (Waren)
ganz verdorren ohne Züge
auch von Ehrfurcht, Scham und Geist:
Nur noch sind Verstandesknechte,
deklassiert, verroht, verwaist,
Sklaven ganz profaner Mächte.
Fiktionen statt Fakten: Ohne Gott kein Heil (III) (3319)48
Gott ist zwar nur
eine neuronale Fiktion,
aber gerade deswegen
der menschlichen Vernunft
völlig überlegen,
wenn es darum geht,
den Menschen
geistig zu erhöhen,
statt ihn seelenkalt
und gewissenlos zu machen:
Ihn seiner selbst so
zu entmächtigen.
Vernunft? (3320)49
Wer wollte auf Vernunft schon zählen,
dies Resultat von Allmachts-Phantasien,
von Fortschritt, Freiheit, Toleranz,
zumal der Mensch sei doch moralisch gut?
Ich nicht. Ich würde nicht empfehlen,
sich auf Begriffs-Konstrukte zu beziehen,
wenn’s geht um menschliche Substanz:
Um diese widersprüchlich-blinde Wesensglut.
Zumal ihr Selbst glaubt, dass es könne wählen,
sich selbst sogar, obwohl doch ganz gediehen
Gesellschaft, Herkunft und genetischer Prägnanz:
Ein Spielball sich und ganz gewiss nicht gut.
Mit der Vernunft will ich mich nicht abquälen,
nicht ihren Idealen, die die Fakten fliehen,
nicht mit der ewig menschlichen Brisanz
dass man vor sich und andern sein muss auf der Hut.
Gedichte III – Andeutungen (Nur Teil V. Aus: Im 7. Jahrzehnt entfesselter Bedrückungsluzidität) (3321)50
Gekrochen aus der Masse Eingeweiden,
Proletenfrucht und Säuferspross,
hilfloser Angst und Niedrigkeit verbracht,
blickfeiner Dauerhäme täglich ausgesetzt,
begriff ich früh den Antrieb aller Masse,
sich zu ersehnen als ein Abbild jener,
die so gekonnt sie zu verachten wissen,
begriff als unabänderlich den Traum,
auch ihrerseits mit Wohlstand zu brillieren …
Und sei’s nur, dass den Kindern es mal besser gehe.
Ich habe das Milieu der Herkunft nie verachtet.
Indes auch keinen Augenblick verklärt.
Es wollte unbedingt an dem teilhaben,
was sogenannte Bürger hätten: Mehrwert als Person,
auf ökonomischen Erfolg gestützt, zuweilen Bildung auch.
was Privilegien schafft und Wohlstandschancen.
So eben Selbstwert: Habenichtsen kaum gegeben.
Bis heute habe ich das nicht begriffen,
dass man sich selbst aufgebe für Prestigefassaden,
die doch auf Eitelkeit beruhen, Nimbus, Gaukelei.
Ich habe nie ein solcher werden wollen,
der lebenslügnerisch sich selber mimt,
auf Sollenszwänge baut, Realitätsverlust,
sich zu verhehlen, was die Fakten sind:
Sozialkonstrukt banalophiler Wesensdiktatur,
sentimental und pseudorational,
zum Schein verpflichtet höchsten Tugendwerten,
sich selber zu verheiligen zum Daseinsgipfel.
Sei’s agapistisch* (hier: politmessianisch),
sei’s von sich selber trunken. So wie’s menschlich ist.
Ich kreide niemand an Verrandungszwang,
dem ich mich unterwerfen musste,
entfremdet der naiven Herkunftsmasse,
erfüllt zugleich von Unverständnis, was den Bürger,
den Säusler hoher Ethik anbelangt,
der sich seit je geriert als Selbst der Aufklärung,
das heißt der blinden Illusionen der Vernunft,
von Gier und Hybris auch getriebner Rationalität,
sich endlich wohlstandsmetaphysisch zu erlösen.
Indes nicht fähig wohl, sich selbst zu fassen.
Ob ich da Wirklichkeit erkenne, sei dahingestellt.
Wahr ist, ich bin auf Höchstansprüche eingeschworen:
Was nach sich zieht, sich immer mal zu prüfen,
ob man tatsächlich der ist, der zu sein man glaubt:
Der nicht gewissenlos nur in sich selber suhlt,
genau wie der, dem er’s zu tun zum Vorwurf macht.
Um dann, hat er die Kraft, zur Einsicht zu gelangen,
was es, ein Mensch zu sein, tatsächlich heißt:
Den eignen Widersprüchen hilflos ausgeliefert,
als Wertnarr, allformbar und deutungsblind,
notwendig, vor sich selbst grad, zu versagen.
*agapistisch: Von Agape griech.: = Menschenliebe
Innere Festigkeit (3322)51
Für was ich morgen stehen werde? Nun:
Für das, wofür ich heute stehe.
Für Geist und Sachlichkeit, für alles Tun,
das als Verantwortungsvollzug ich sehe.
Für Redlichkeit und Einsichtsstärke,
für messerscharfe Analyse,
nicht für Verrat, korrupte Werke,
nicht für Gerede, nicht für Tugend-Süße.
Ich halte viel von Pflicht und Disziplin,
auch davon, andern nicht zu schaden.
Weshalb ich drei- bis viermal schaue hin,
auf dass erklären kann ich meine Taten.
Das ist ein Selbstanspruch, ja: faktisch Zwang.
Dem ich in jedem Fall genügen muss.
Zumal ich hätte keinerlei Belang,
wenn ich da fehlte, andern zum Verdruss.
Ichbestimmt (3323)52
Man muss sich
mit sich selbst abfinden.
So ist das nun einmal.
Man kann sich nicht
beliebig gründen,
als hätte dazu
man die Wahl.
Die hat man nicht,
ist lebenslang
allein in sich gefangen:
Verfalls-Bewusstsein,
in verdrängter Schicht.
Sich Knecht
in allen Grundbelangen.
Ein bohrender Alptraum (3324)53
Die Philosophie löst unsere Daseinsprobleme nicht.
Auch nicht die Kunst.
Nicht die Religion.
Nicht die Politik.
Nicht die Kultur.
Und schon gar nicht Naturwissenschaften und Technik.
Diese machen unser Dasein nur bequemer,
helfen uns etwa,
unsere physischen Schmerzen zu lindern,
unser Leben zu verlängern, uns,
im Bund mit dem Kapitalismus,
lustfanatisch zu optimieren:
Behelfsorgiastisch uns selbst zu entkommen.
Ansonsten müssen sie uns,
falls wir uns mittels jener nicht selbst zerstören,
notwendig in eine Art technologisches Hyper-Eden drängen: untertierisch verknechtet,
weder gut noch böse:
ohne Geschick, ohne Willen, ohne Geist.
Vollkommen verfallen
den perfekten Irrationalismen
des nüchtern kalkulierenden und berechnenden Intellekts,
die wir dann bewusstlos vollziehen werden.
Aber genau das könnte uns von uns selbst
als Evolutionsfehlläufer befreien:
Nicht mehr zerrissen zwischen Kreatürlichkeit,
Verstand (Ratio), (praktischer) Vernunft
und Welt distanzierendem Geist,
werden wir, von uns selbst, technisch außengesteuert, kommandiert dahinvegetiert werden:
Art ohne Bezeichnung,
Herde lebendiger Dinge,
von sich selbst
als mehrfachwidersprüchlichen Kreaturen erlöst,
davon:
Sich nicht objektiv erkennen zu können,
nur vage zu erfühlen,
so emotions- und tranceverlungert sich selbst
und der Welt ausgeliefert,
außerstande,
sich anderen mitzuteilen,
außerstande,
sich sich selbst zu erhellen,
zu fassen,
zu haben,
zu stützen,
zu festigen,
zu sein.
Wir können das nicht,
weil wir unsere Daseinsprobleme sind, nicht haben …
Nicht die wären, die wir sind,
wenn wir jene nur hätten, aber nicht wären.
Um euretwillen eine Träne weinen,
nun, das kann ich nicht.
Ihr, doch so kalt, euch selber unverfügt
und Hybris noch im Scheinen.
Mir sind wir Gegen-Güte, die nun bricht,
sind mir ein stummes Nichtverstehen,
ein Fortschrittsstumpfsinn nur.
Entweste Schatten, die an sich vorüberwehen
auf alter Zufallsspur:
Natur entlaufen, doch bipede Kortex-Knechte:
Auf Destruktionen als die angewiesen.
Die doch, sich unverfügte Wesenskerngeflechte,
nun ihren Untergang
als technogene Autotranszendenz* abbüßen.
*Selbstüberschreitung durch sich selbst/
durch den Einsatz eigener Mittel (hier: KI)
Selbstabfuhr (3325)54/Sonett
Ich habe gängig lustvoll auch gelebt.
Noch lieber freilich dieses Sein begriffen.
Weil es so fremd in seiner Tiefe bebt.
Als sei es nicht nur bloßem Stoff verschliffen.
Als sei es etwas, das sich selbst erstrebt
als Geistgebilde auf Phaiaken-Schiffen*,
die’s dorthin tragen, wo es Gott verschwebt
Und nicht den eigenen verruchten Kniffen.
Natürlich weiß ich, dass das Illusionen,
nur Wirklichkeit entraffte Sehnsuchtsspuren,
Entlastungsträume sind, mich zu verschonen
mit nihilistisch harten Selbstabfuhren:
Ich weiß doch ganz genau, muss nicht betonen,
dass Leben heißt: Sich geistlos zu verhuren.
*Phaiakenschiffe: Die Phaiaken - ein mythisches Volk, auf dessen Insel es Odysseus verschlagen hatte - bringen Odysseus (Homer: Odyssee) auf ihren sich selbst lenkenden und ihr Ziel selbstständig findenden Schiffen heim nach Ithaka
Frigidisierungsbedauern (Trias A) (3326)55
Die Liebe? Nun die war mir immer fremd.
Wie’s andrer Leiden auch mir ist.
Ich lebe nur für mich (und möglichst ungehemmt).
Weil unterliegend Daseinsfrist.
Wer hätte je auch was für mich getan?
Ich wüsste niemanden zu nennen.
Mich fauchte immer nur die Ichsucht andrer an,
in der wir alle uns verbrennen.
Uns um das Beste so zu bringen:
Um Würde, Ich-Distanz, um Haltung, Geist:
Den Quellen jeder Art von Selbstgelingen,
um das doch diese Seins-Trance kreist.
Liebe (3327)56
Sentimentale Hilfsfiktion,
Erwartungstrance und preislose Belämmerungslotterie:
Die Liebe.
Dies Aufbegehren gegen
Alleinsein, sich Verfehlen, Dauerschweigen und Sinnlosigkeit:
Nicht meisterbare Lasten menschlicher Existenz.
Zumal in den Konsumdiktaturen,
die Subjekte hervorbringen,
die realitätsbrach auf egalisierte Innenwelten malende Monologe angewiesen sind,
sich selbst als Schauspieler eines Einheitsdaseins zu verkennen,
das auf effektgenerierte Pseudo-Faktizität
und besagungslos leere Umnachtungsbegrifflichkeit aufbauen muss:
So auch die Mär von Liebe.
Meine Zeit (3328)57
Es herrschte Frieden.
Und der Wohlstand stieg.
Die Individuen
erhielten so das Recht,
erlebnisbrünstig
selbst sich zu versäumen;
sich gegenseitig dann
zu überbieten
in Daseinsträumen,
magisch marktgerecht,
zu führen
einen Selbstwertkrieg
in Form von Freiheits-,
Wert- und Tugend-Riten,
die, inhaltslos,
jetzt überschäumen
ins eskapistisch-digitale
Letztgefecht.
Die Barbarei der Ideale/Sonett (3329)58
Ein Leben lang auf mich allein verwiesen,
nur ausgeliefert meinen Selbstbeständen,
war ich gefeit vor jenen Zeitgeistwenden,
die progressiv, sozial und ethisch hießen.
Ihr Kern? Sie ließen ideell zerfließen,
man sollte eine Große Botschaft senden …
Ideengüter, die ja oft leicht blenden:
Der Mensch sei frei, das Hehre zu genießen:
Gefeit? Ja. Doch. Vor solchen Idealen,
die, angezielt, als Terror sich erweisen
und grade denen schaffen schlimmste Qualen,
für die sie sollten werden lichte Schneisen
in eine Zukunft ohne Macht-Randalen.
Humanität dann und Vernunft zu preisen.
Einer von gestern (3330)59
Dass ich von mir so wenig rede,
hat Gründe, die sich leicht verstehen lassen:
Ich lebe einzig das Konkrete:
Das sich ganz leicht lässt fassen:
Ich lebe weltarm eine Geistesstete.
Ich laufe durch dieselben Gassen.
Ich pflege meine Seelenbeete
nach Pflichtaufgaben und Routineklassen.
Das heißt: Verbreite eher Langeweile.
In Form von Skepsis, Ernst und Seriosität.
Verzichte so auf jene pseudogeile
Erlebnissammler-Trinität:
Spaß, Eskapismus, Hirn-Gedröhne
durch Alkohol, Tabletten, Party-Drogen.
Damit ich mich narzisstisch nicht verhöhne,
dem Markt als Dutzend-Däumling beigebogen.
Auswurf, Niedrigkeit und vollendete Rachsucht (3331)60
Da war Gewalt, da war Verrat,
Da war’n Charakterlosigkeit und Lügen.
Da war die asoziale Saat,
nie zu Verlässlichkeit zu fügen:
Hätt ich dagegen opponieren sollen,
mich in Entrüstungswut ergehen,
wenn da sich zeigt nur leeres Wollen
als Selbstverlustgeschehen?
Ich setzte Geist dagegen: Einsichtsdichte.
Die fähig ist, solch einem Sklaven von Natur
sich aufzuzeigen als ganz schlichte
Vergeltung fordernde Tortur.
Dabei der tiefen Weisheit eingedenk:
Dass Strafe das Bewusstsein braucht:
Als das begreifende Gelenk,
durch das die Rachsucht in Vollendung taucht.
ZINSJA (154) (3332)61
In mir
zieht sich
die Materie
von sich
selber ab:
trunken
vor Sehnsucht
nach geistigem
Urgrund
ZINSJA (155) (3333)62
Mein ganzes,
so sinnloses
wie monomanes
Streben,
ist nichts weiter
als ein von mir
hilflos inszenierter,
völlig vergeblicher
Geistaufschrei
gegen ein sich selbst
völlig wehrloses,
so auf Lebenslügen
und Entlastungsgetue
verwiesenes
Menschtum.
Weder ethisch
noch rational
sich auch nur
ansatzweise
frei verfügt.
ZINSJA (175) (3334)63
Und dieses komplizierte Körperding,
molekularer Macht Magie,
so fad wie unentrinnbar fordernd,
geht Stunden ein des Selbstentzuges
im Überschreiten der Alltäglichkeit,
an jener Fremdheit rüttelnd
zwischen Ich und Ich,
Erregungswogen aufzuhelfen
zu resigniert sakraler Euphorie.
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