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Diese Seite enthält 50 Prosa-, Reim-Gedichte und 1 Sonett

SMS/Man sagte mir (3160)1//Zufällig aus einer Papierhalde gezogen 

Man sagte mir, dass die Seelen 
der Menschen verkümmerten,
ja: verdorrten; 
immer häufiger kalte Restschemen würden 
einer außenprovozierten,
sie sich zurecht modelnden,
geldwirtschaftstypisch sich entfaltenden, 
also fad-einheitliche und austauschbare Subjekte
zeitigenden Selbstverdinglichungs-Epidemie.
Ein Verderben, das sie zumal gewissenlos
und bis in ihre Kerne rücksichtslos und infantil, 
ja, sich selbst, wirklichkeitsimpotent, unverfügbar mache …
Das sagte man mir.
Und für gewisse westliche Macht- 
und Geld-Eliten stimmt es auch:
habe ich es erkennen müssen
als oligarchische Asozialität
und aggressiv andere herabwürdigendes 
Hero- und Halbstarken-Gehabe. 

Gegen Naivität (3161)2

Ihr glaubt doch nicht im Ernst an Toleranz,
Verständigung, Humanität, den Sieg
der Mäßigung, Vernunft, der Allianz
Besonnener in dem Ressourcen-Krieg,
der kommen wird. Genauer: Der schon tobt?

Und mit Moral nicht zu gewinnen ist.
Wenn auch die Führung euch gelobt,
dass sie, für euch sich mühend, ständig misst
Gemeinwohl, Sicherheit. Gerechtigkeit.

Begriffe, eingelassen Propagandawogen:
Es geht um Macht in jedem Kleid.
Ihr Ich. Von Selbstbetörung aufgesogen. 
Von Ruhmsucht, Eitelkeit und Neid …
Sich selbst ein Gott. Und folglich tief verlogen.

Dein Körper/Für Chrisbe … (3162)3/Geringfügige Variante zu (9/562)

Ich habe nie zu dir gefunden.
Du selber bist mir fremd geblieben.
Gestehe indes frei und unumwunden:
Dein zarter Körper hat mich umgetrieben.
Dein Körper hat mich eingeschworen
auf Augenblicke, abgespalten
dem Alltagsdruck und den Gewissensforen;
auch allen pseudorationalen Halten.
Mich seinen kommandierenden Befehlen 
entgrenzungslüstern zu verschreiben.
Befreit von jenem Schein zu wählen
und Pseudo-Zweck aus Zeit und Ding zu treiben.

Eine bedrückende Einsicht /Variante I (Trias, C) (3163)4

Noch nie war die Vergeblichkeit 
unserer Existenz so trivial 
und so fad wie heute.
Aber auch noch nie so angenehm,
verpflichtungslos und vergnügungssatt.

Noch nie vor allem so farcenhaft,
blasiert, inszenierungsselig und prekär.
Ein geplanter Anmaßungs-Infantilismus 
für entlastungssüchtige Realitätsverweigerer.

Beseligungstyranneien als Intensivierung 
und zugleich Ausblendung eines hektischen 
Wohlstands-Nihilismus gilt es, sich hinzugeben.

Technokratischen Halluzinationsschüben
global gegurgelter Gewinnermythologie.
Neurotisch. Narzisstisch. Hysterisch.

Geistige Existenz (Trias, C) (3164)5

Ob mein Leben im gängigen Sinne 
etwas taugt oder nicht,
ist für mich belanglos.
Für mich zählt nur,
ob ich, 
und sei’s auch noch so unvollkommen,
mir geistig gelinge:
Etwa indem ich Gedichte schreibe.

Nicht dass ich mir das ausgesucht hätte.
Nicht dass da eine lächerliche Arroganz aufglömme,
um sich als pseudoelitäre Interessantheit zu inszenieren.
Nein. 
Da zwingt eine persönliche Lebenserfahrung,
schon in der Kindheit exakt zu umreißen:
Außenseitertum,
physische Anomalie,
drastische Ablehnung.

Und eben die zeitigten diese Zwänge
mit ihren verlassenheitserfüllten Folgen:
Einsamkeit,
Rücksichtslosigkeit,
unbedingte Wahrheitsliebe und intellektueller Wagemut,  
drängende Neugier und vor allem auch 
der kommandierende Wunsch nach Selbstverfügung,
aufgezwungene Ansprüche,
die mich zu der Überzeugung brachten,
dass das heutige Dasein nichts weiter sein kann 
als ein rein ökonomisches Ringen um Anerkennung, 
Wohlstand,
Überragen,
Macht, 
Lust und Selbstwertstützen.
Ein Ringen freilich auch notwendig 
hin und her flackernd zwischen 
Schein,
Täuschung,
Scheitern,
Vergnügungssucht,
Selbstverrat und blasierter Gleichgültigkeit.
Chronisch zumal der Gefahr eines narzisstisch-infantilen Zusammenbruchs ausgesetzt.
Ein heteronomes,
metaphysisch totes, 
zutiefst nihilistisches Ringen.

Und eben all das schließt die geistige Existenz aus.
Immer zeigt sie unser Dasein in seiner Fragwürdigkeit,
Kleinheit,
Erbärmlichkeit, 
Wirrnis und Entwürdigung.
Sie sieht scharf, bis in die Kerne, lügt nie.
Ihre Faktentreue ist radikal.
Und sie allein lässt die Zerbrechlichkeit 
des empirischen Ich hinter sich,
hebt es definitiv über seine Bezugszwänge,
Selbstbeweihräucherungstiraden,
das sich selbst im Stich Lassen und Erniedrigungsfallen hinaus.

Augenblicksergriffenheit (Trias, C) (3165)6

Herrliches Frühjahrsmorgengrauen.
Unter wolkenverhangenem Dunkelhimmel
tönt das seit frühester Kindheit 
vertraute Vogelgezwitscher
in geheimnisvoll laue Winde hinein -
als ob ein Versprechen läge 
von unabsehbar Gewaltigem 
in diesem kurzen Moment
einer das Ganze verklärenden 
kindlich-naiven
Augenblicksergriffenheit.

Wesens-Mahnung (Trias, C) (3166)7

39, faszinierend intellektuell, 
bewandert in literarischen Dingen,
feingliedriger, scheu-zarter Körper …

Eine Chance,
vielleicht die letzte,
sich noch einmal 
ins menschlich Unabsehbare,
in ein kindisch-gedankenloses,
nicht schon a priori 
als illusorisch entlarvtes 
Glück zu stürzen …

Indes tritt schon
kommandierend
die uralte Fremdheit
unduldsam und rücksichtslos
zwischen sie und mich,
mich an Abkehr, Verzicht, 
Frieden und Stille …
Die menschliche Perfidie
auch gemahnend.

Klarstellung VII (Trias C) (3167)8

Warum sollte ich auch noch dir
beim Verfall zusehen,
wie du gebrechlich,
weil deine Kräfte rapide schwinden,
vielleicht sogar bettlägerig wirst? –
Von der Gefahr einer Demenz 
erst gar nicht zu reden.

Reicht es nicht aus, dass ich,
wie massiv auch immer,
denselben Verfall 
an mir erfahren werde?

Vergiss deine Flausen
vom Altern zu zweit,
von Lebensabenderfüllung!

Umgehen will ich
für mich ganz allein.
Steht’s an, wartet das Nichts.

ΔΙΟΣ ΑΝΕΜΟΣ* (Göttlicher Wind) (Trias C) (3168)9

Ich habe den Wind so geliebt;
als sei er ein gütiger Gott,
so habe ich den Wind geliebt.
War er es doch,
der diese in jeder Hinsicht
schon in frühsten Jahren
bedrückend verworfene Existenz
so oft über sich hinaus hob,
hinweg trug aus Scham,
Versagen, Angst, Einsamkeit und
Nichtigkeitsgefühlen …
mitten in jenes stehende Jetzt
menschenleerer Versöhnung.

*DIOS ANEMOS griech.

SMS//Zufällig aus einer Papierhalde gezogen/
Definitiv allein (Trias, C) (3169)10

Möchte gerne einmal wissen,
was in dieser Gestalt dort jetzt vorgeht,
die gerade so hingebungsvoll wie sorgfältig
die Blumen auf ihrem Balkon gießt …

Ist sie ergriffen von dem bisschen arrangierter Natur,
das aus jenen grünen Kästen hervorwuchert?
Genießt sie die Vorfreude auf eine liebevoll zubereitete Sonntagsmahlzeit,
einen Nachmittagsspaziergang danach?
Denkt sie an Alltagssorgen,
womöglich Gesundheitsprobleme,
familiären Zwist?
Leidet sie an Einsamkeit wie du?
Träumt sie von Grillfesten mit ihren Freunden, 
von Sportvereinsgeselligkeit oder vom nächsten Urlaub?
Gehen ihr sexuelle Phantasien durch den Kopf?
Grübelt sie gar über ihr Leben nach,
was sie aus ihm bisher machen konnte,
und was sie noch aus ihm machen möchte?
Oder trübt sie dahin im diffusen Stumpfsinn 
mechanischen Tuns?

Wie allein wir doch sind …

Allein im Schmerz,
allein im Alltagsvollzug,
allein in Ekstase noch …

Wobei und worin auch immer:
definitiv 
allein.

Immer gleich (Trias C) (3170)11

Drastische Einsamkeitsgefühle.

Obwohl längst an sie gewöhnt,
suche ich - das ist wohl Zwang -
nach Auswegen aus dieser
immergleichen Bedrückung.

Aber auch dieses Mal 
mit dem immer gleichen Ergebnis:

Dass ich lieber 
meine Einsamkeit ertrage
als die Gesellschaft solcher,
die sie mir durch ihr Gerede
noch größer machten,
sie mir - wieder einmal -
als Grundbestand 
meiner Existenz auswiesen,
gegen den mich aufzulehnen
bedeuten würde,
mich selbst 
bekämpfen zu müssen.

Krankhaft schwindendes Unterscheidungsvermögen (Trias, C) (3171)12

Immer mehr - reflexhaft -
zerfallen mir die Träger 
gewöhnlicher Individualität,
werden mir zu Ausgeburten
despotisch verfügter 
Ununterscheidbarkeit,
zusammen geschwemmt 
in eine konturlose Masse
erfolgreich abgerichteter
Bedarfs-Hedonisten,
noch sich selbst gegenüber
geistig völlig erwartungslos.

Schlimm, es sagen zu müssen (Trias, C) (3172)13

Manchma verachte ich mein eigenes Volk.
Es ist schlimm - ich leugne es nicht -,
sein eigenes Volk zu verachten.
Indes ich verachte die Deutschen.
In der Mehrheit erlebnissüchtig,
geistfeindlich und pleonexiehörig.

Ihr zukünftiges Schicksal 
ist mir daher 
zuweilen gänzlich gleichgültig.
Es muss mir gleichgültig sein:
Denn wer möchte sich 
identifizieren mit einem Volk,
das sein Selbstwertgefühl
aus Wohlstandssurrogaten
und kultureller Verflachung schöpft?

Einem Volk zumal, 
das einem intellektuell 
doch so armseligen 
wie Realitäten missachtenden
Selbstverleugnungs-Idealismus frönt,
einer Art Tugendkorruption?

Für homo sapiens bambergensis (Trias, C) (3173)14

Du bist 
der betörendste Körper,
den ich je 
genossen habe -
eine Sinn-Nische
molekularer Unmittelbarkeit,
mir neuronal 
wohl gegenwärtig
bis in die 
letzten Stunden
verhängten Verfalls.

Schlichte Antwort (Trias, C) (3174)15

Als Kleinbürger,
Angestellter und
Kulturverweigerer
frage ich mich schon zuweilen,
warum und wofür ich
eigentlich Gedichte schreibe.
Die Antwort indes
ist ganz einfach:
Um mir selber
und meinen Mitmenschen
zu entkommen.

Als ob wir… (Trias, C) (3175)16

Es gelte, 
höre ich immer wieder,
die Schöpfung zu bewahren,
diesen wunderbaren Planeten nicht auszuplündern;
es gelte,
unseren Kindern die Zukunft zu sichern,
die Gattung letztlich 
vor einem vorzeitigen Untergang zu retten.

Als ob tatsächlich eines Gottes Plan 
und sein Güte sie geschaffen habe,
diese doch Materie allein verdankte,
diese gleichgültige,
stumpfsinnige, kosmische Pracht.

Als ob wir,
gehirnhypertrophe Affen 
und opportunistische Raubtiere,
auf Kunstwelten und Bedarfsfiktionen* 
substantiell angewiesen,
auch nur ansatzweise in der Lage wären,
das sich aus unserer Existenz 
geradezu notwendig ergebende
Zerstörungswerk auch nur einen 
Wimpernschlag lang,
zwanghaft-absichtslos vollzogen,
einsichtsgetragen auszusetzen!

*Bedarfsfiktionen = Werte

Unaufdringliche Stille (Trias, C) (3176)17

Treibt mich nachts die Schlaflosigkeit 
aus dem Bett,
fällt mir kaum was ein, 
was zum Gedicht taugte.
Immerhin aber höre ich dann 
das Ticken der Küchenuhr 
viel deutlicher als tagsüber,
wenn der Lärm von draußen
alle Geräusche in der Wohnung dämpft;
nehme ich auch viel klarer
diese unaufdringliche Stille wahr,
die mir, 
so kommt es mir vor,
ungerührt zu verstehen geben will,
sich mir in nicht allzu ferner Zukunft
für immer 
entziehen 
zu müssen.

Substanz-Schemen (Trias, C) (3177)18

Eine wunderbare Nacht 
zum Sterben.
Überirdisch nämlich
die Vergeblichkeit,
die zart durch Stille
und Wind streicht,
trunken zumal
vor Gleichgültigkeit
und übervoll
von Niemands-Winken.

Ehrliches Selbstgespräch (3178)19

Was ich hier biete,
ist ein Monolog
vermittels abgefeimter
Sätze.
Um mir zu zeigen,
dass ich Niete,
ein fremdbestimmter Daseinssog,
Gefangner bin 
komplexer Netze
uns längst entglittner
Ratio-Neigen.

Haltarm Diesseitsgebannter (3179)20

Was hab ich nicht alles
erlebt und gesehen ...
was hab ich nicht 
alles erfahren!

So etwa, dass alle
sich stets müssen drehen
allein um sich selbst,
sich so zu bewahren.

Dass alle, verfügt
diesem Zufallsgeschehen,
sich müssen um 
Verluste scharen:

Verlorne Werte:
entlarvte Ideen,
Entlastungsbehelfe,
Phantasmen und Waren.

Auf diese Weise 
sich leer zu vergehen:
Verstand ausgesetzt:
Entgottungs-Verfahren.

Kapitalismus (3180)21

Alles hat er ruiniert:
Menschlichkeit und Seelengröße,
Scham und Rücksicht,
das Gewissen, 
Gott und Eros,
allen Geist.
Hat den Wohlstand nur hofiert,
Gleichung, technische Verfahren ...
Dass sich gäbe jede Blöße
dieser Knecht, der Kunde heißt:
Dass er von sich selbst sich löse,
weil er um sich selbst nur kreist,
sich vergottend in den Waren,
sich als Würdeträger preist ...
Psychoethisch deklassiert:
Affe ohne Zukunftslicht.

                 *

Der Wohlstand hat emanzipiert
von allen objektiven Daseins-Sichten.
Hat uns zur Subjektivität verführt,
uns nur nach Warenglücken auszurichten.

Auch um uns so die Mär zu schaffen,
dass man als Kunde nur sei autonom:
sei frei, weil dürfe sich in sich vergaffen
erlebend sich als Markt-Atom.

Um sich als dieses vor sich selbst zu drücken:
Vom Zeitgeist nur gelenkt
in konsumtives All-Entzücken,
in eine Art von kollektiven Rausch versenkt.
Geführt von Pseudo-Werten ohne Halt,
sich selber Star gekaufter Freude.
Als der man jede Chance nachlallt,
die einen macht sich selbst zur Beute.
Indem man sich an Illusionen krallt
von einem immer guten Leben:
Mit Lüsten, Drogen, Kicks, Effekten.
Um dann zu spüren (man verdrängt es halt),
man lebt im Sog von monomanem Streben
nach Gegen-Freuden, entfesselungssubtil verdeckten.

Man lebt zumal in solchen Zwängen, 
die einen hilflos machen, zynisch, kalt;
zumal auch in medialen Fängen …
heißt: außenprovozierter Trug-Einfalt.

Es gilt: consumo ergo sum**:
Verzicht, das wäre Selbstverlust.
Das wäre zumal Sklaventum.
Es wäre seelentoter Dauer-Frust.

*Wohlstand: D a s kapitalistische Versprechen von Sinn,
gelungenem, freien, sorg-und alternativlos guten Leben.
Man vergleiche dazu den amerikanischen Traum.
**consumo ergo sum: Ich verbrauche, also bin ich.

Kornblume (3181)22

Centauria cyanus, Kornblume du,
kronenblaue Majestät 
der Getreidefelder und Öd-Plätze.
Geliebte Trösterin prekärer Kinderjahre,
die auch du gehalten hast 
in Hoffnung, Sehnsucht, Lot und Fülle.
Immer rannte ich, 
kaum, 
dass ich deiner ansichtig geworden war,
dich aus der Nähe zu sehen,
dich förmlich optisch auszutrinken.
Mir daraus dann ein Glück zu stehlen,
wie Menschen es 
doch gar nicht geben können:
Eins der Geborgenheit,
der Rohheitsferne,
der stillen Augenblicke auch zumal;
ein ungemessnes, 
nimmer zu verwerten,
nicht anzusetzen auch auf Skalen.
Und völlig unberührt von 
gierigem Vergleichen.
Ein Glück, 
wie es nur Wesen schenken,
die sprach- und scheinbar drangsallos
in Kurz-Erscheinung treten 
und frei von Selbstsucht
Übertreibung auch,
von Frevelmut und Eitelkeit …
Mich trieb es, 
vor dir mich zu neigen,
indes berührungslos dich zu belassen.
Nur deiner Sommer-Schönheit hingegeben.

Und deiner Kraft,
selbst Öden noch zu heben 
in ein Vollendungszittern 
ohne Worte
und ohne Deutungszwänge,
ohne Sinnsucht auch.
Die mir die Stunden schenkte,
von ihr tief betört,
mich aufzuraffen, 
zu behaupten dann 
in dieser andern Öde,
dieser künstlich technischen,
entwachsen einer ohnmachtsprallen,
Neuronen-Macht- und Mammon-Sucht.

ZINSJA (44) (3182)23

Gar nichts bedeutest du mir.
So wie umgekehrt ich dir nichts.
Trostjäger sind wir beide.
Entwirklichungslüstern.
So sei mir denn 
ein fleischerner Steg 
für ein paar Stunden
in denen wir diesen 
gesellschaftlich allgegenwärtigen 
Nihilismus
und unsre Schäbigkeit 
vielleicht blind überschreiten 
und vergessen dürfen.

Asozial (3183)24

Ich hab mein Herz
an nichts gehängt;
ich fand nun einmal 
keinen Nagel.
Auch weil ich wusste: 
Ich bin fremdgelenkt.
Und das zu wissen,
ist ein schlimmer Makel.

So hab ich mich
halt in mich selbst gezwängt.
Auch das indes 
war ein Debakel,
weil nur sich selbst 
zu sein beflissen,
verarmt, macht sonderbar,
lässt dorren das Gewissen.

Man ist nun mal, Monade, eine Hülse,
die ihre eignen Leeren sich nur schönt;
zusammenrührt sich asoziale Sülze,
mit der sie selbst sich dann verhöhnt.

Letzten November in einem Café (3184)25

Ich habe Glück, man lässt jetzt Oldies laufen.
Gelegenheit, sich aus Verstand zu kippen
und in Gefühlchen quasi abzusaufen.
Sentimental erinnernd ein paar Lippen,
die diese Nebelstunde noch mal taufen
auf warme Reste von getauschten Kippen
in jener Kindheit, schon novemberträchtig;
So spät dann nicht mal mehr der Tränen mächtig.

Jetztsucht (3185)26

Ichschwach, indolent und leibversessen,
wir gelernte Standardkunden.
Die sich letzte Halte rauben
um banaler Glücke willen:
Imitiert gesollte Lüste,
kultorgiastisch so vollzogen,
dass sie kaum befriedigen.
Nicht entlasten von Entfremdung,
Ohnmacht und Verdinglichung
Führen in Zerrissenheiten,
nicht begriffen, nur gefühlt.
Spaßbeflissnes Zwangsverhalten,
Jetztsucht in den Kern gezerrt.
Was zu bergen? Zu verlieren?

Einsichtslasten (3186)27

Ich begreife sie sehr gut,
diese moderne globale Welt.
Weitaus besser als die,
die sich ihr, es werden immer mehr,
hemmungslos, verroht, verdinglicht,
verwahrlosungsselig und ausdrucksverkrüppelt 
hingeben müssen:
Gleichungs- Effekt- und Artefakten-Betörte,
unfähig, aus der Distanz sich zu betrachten,
weil eben doch 
die geistigen Voraussetzungen fehlen.
So drastisch belämmerungs-, rausch- und 
reizschockbedürftige Selbstinszenierer,
gezwungen, sich entlastungshungrig
jener fraglos zu unterwerfen,
jener Einheitswelt, die sie so mühelos
verähnlicht und zuletzt entmündigt.
So dass sie nicht gewahr werden
der sie deklassierenden Tyrannei
technologisch gesteuerter Innenweltmodelung.
Sie zu spracharmen Desorientierten herabzumindern:
Zu Verfügungsgefolge einer evolutionär grundgelegten
Entwicklungsspitze verhirnungshypertropher
Zerstörungsmächtigkeit.

Was mich betrifft, so durfte … musste ich 
all das begreifen, gefangen in und umstellt 
von jener, wie alle andern auch.
Trage ich doch jene dumpf faszinierenden 
Verhärmungszwänge auch in mir:
Menschlich verarmt, ichschwach verhärtet,
seelisch verflacht, blasiert nihilistisch.
Und ausgeliefert zumal
jener mich selbst schädigenden Neugier,
all das so rücksichtslos
wie angst- und einsamkeitstrunken
mir als nackte Stoffspielerei
ins Bewusstsein zu heben.

Entkommen freilich 
kann dieser Welt keiner mehr.
Würde er sich doch, ihrer ledig,
angstkindisch selber fehlen.

Dein Körper/Für Chrisbe… (3187)28

Mir fällt, na ja, du weißt schon was,
mir fällt, kurzum, dein Körper ein.
Der gab mir Trost, gab Mohn und Spaß,
er schuf in Gier mir Gegen-Nein:
Ließ mich Büro vergessen und mein Mittelmaß,
die Welt und ihr so fades Sein.
Molekular hat er gesorgt,
mit Zittern, Seufzen und mit Schweiß,
dass sich mir ein Entkommen borgt
auf diesem toten Gleis
von Glücksmuss und Verdinglichungsgeheiß:
Dass ich die Tage überstehe,
trotz Ekel, Aggression und Wut,
mich Alltag, Marktzwang und Geschwätz eindrehe …
Sich mir ein Quäntchen Halt auftut
in dieser Formel-, Preis- und Lügen-Wehe:
Entschämungsdrastisch und entseelungsfein.

Geist-Phantasmen-Produzent (3188)29

Was hätte ich denn 
schon zu sagen?
Ein Träumer, 
der sich überlässt
dem Rausch der Sprache,
nicht indes den Dingen.

Der sich in
Geistesleeren,
Perspektiven,
Behelfsbegriffe
und die Brache
sich selbst entwundner Welt
muss tragen,
um zu begreifen,
was er ist, 
was nicht:

Nicht Einheit,
stetes sich Versehren,
Knecht virtuoser Lügenkniffe,
die er in Trancen umsetzt:
deutungslose,
in Zeilen, stumm
und ohne Selbstgewicht.
 
Entsachlichungs-Ideologentum (3189)30

Müde bin ich, 
durcheinander,
fahrig und auch 
resigniert;
wäre wesentlich 
entspannter,
wüsst ich,
dass nicht mehr 
regiert
dieser Zähren-,
Tricksereien-, 
Tugend- und 
Vergessens-Klüngel ...
Dass nicht mehr
die Dümmsten 
schrien
aus dem Chor
versierter Schlingel,
Deutschland
weltgeistfromm
zu klären,
ihm zu schärfen
alle Schwären
seiner Ethik-Hochmut-
Banner.

Das Geistige/Sonett (3190)31

Das Geistige allein hat mich getragen
Das Drumherum war Drang, war sekundär:
Materie: Uraltes Teilchen-Heer,
in mir sich als Bewusstseins-Strom zu jagen.

Nur ein paar Jahre, die nicht viel besagen:
Von Halt und Sinn, ja: allen Zwecken leer.
Dies zu erkennen ist nicht allzu schwer.
Muss es doch bis in eigne Kerne ragen.

Das Geistige indes ist längst verschwunden:
Die Überflussgesellschaft hat’s vernichtet,
zum Wohlstandsparadies sich aufzurunden,

das sich die Psychen als gelenkte schichtet,
zu kleinen leeren macht, die, so geschunden,
das Geistige als Anomie gewichtet.

3. BRD (3191)32

Das ist für mich die 3. BRD.
Die nach der Kindheit 
und dem Wohlstandswunder.
Gesellschaft ohne Einheit, 
die zerfällt.

Zumal auf Werte aufgebaut 
als Illusionen.
Dilettantismus frönt, 
Spaß (Seelenschnee) …
Und multikulturellem Plunder …
Ideologisch simpel aufgehellt,
sich mit Behelfsphantasmen 
zu belohnen.

Das endet nun in Anomie,
dem Niedergang von Rechtsstaat, 
Gleichheit, Volksherrschaft …
In Phrasen-Korruption 
als Machtkult-Strategie,
die sich dann langsam selbst abschafft.

Wesenswidersprüche (3192)33 

Wir rännen, meinst du, ins Verderben?
Nun ja, das kann schon sein.
Wenn ja, wärn’s unsre Wesenswidersprüche,
die sich dem Ganzen ritzten ein.
Pleonexie zum Beispiel, Dekadenz, 
Verantwortungsverweigerungen,
signifikanter Innenwelt-Zerfall,
Gewissenlosigkeit zumal. 
Wir sind nun einmal ichservil,
sind Meister feinster Indolenz,
uns selbst als Sieger nur gelungen, 
gewiss auch freilich Seins-Spielball …
In einem Dasein, krankhaft seelen-schal:
Zerrissen längst von Zeitgeist-Scherben.

Rätsellos (3193)34

So rätsellos dahin: Du lebst
die späten Langeweilen,
Verzweiflungen und hebst
nur Großhirnschutt in Zeilen.

Du blutest aus in jedem Laut
latent gelenkter Daseinsöde.
Und saugst aus Drogen und aus Haut
sublime Untergänge: Lethe* …

Vergessen, 
das dann auch in Hellsicht rinnt.
Und Hellsicht meint: 
Sich selbst aufgeben,
weil wissend, 
dass Notwendigkeit gewinnt:
Dass du als Ding entzaubert 
musst dir selbst verbeben.

*Lethe = Vergessen

Körpereinheit (3194)35 

Die große Leere
hab ich zugeschwiegen,
die Leere, 
der wir Knechte sind.
Als Drang es sind und 
Ausdeutungsbegehren.
Um, selbst mich los, 
mich, Leib geborgen,
in einer Stumpfsinntrance
zu wiegen:
In jener Stille 
stofflich plumper Schweren,
für einen kurzen Augenblick 
zu meiden
dies rätselhafte Geistes-Labyrinth
der Ideale, Sinn- 
und Wert-Miseren …
An Körperkraft 
mich nur zu weiden;
an dieser Hyle* 
Schöpferkraft,
ihr Allmachtswirken 
so zu ehren.

*Hyle = Materie

Elegie (3195)36

Der globale Markt besetzt nun die Stelle der Kirche*.
Und was die Menschen beseelt: Ich, ist die letzte Instanz,
freilich totalitärem Gefühl willig gebeugt.
Und unterworfen dem Star, Abklatsch szientifischer Technik.
Denn der Star ist der heilige Held profaner Genusssucht.
Apparativ beseelt, Massennarrung verfügt;
wenn auch begreifbar nötig in sinnlos verlangweilter Welt.
Immer dasselbe Gebot: Nimm, konsumiere dich selbst;
einhämmernd - medial doch chronisch, methodisch, subtil -
die eine Religion: Leib, Durchlauf von Reizen
bist du: Biomasse, Trieb, Verbund von Maschine und Hirn.
Und alle sind gleich, niemand soll anders auch sein
als rationaler Verbraucher von sich und fremden Monaden,
hergestelltem Glück gängig gelingenden Daseins:
Ansehn und Kitzel von Konto, Macht (Verdopplung von Durchschnitt),
Wohllebensstatist, frei als Traum und Verwerter,
nur exponiertes Glied im Kreislauf von Lust und Beschaffung -
Ohne Substanz, fad, hedonistisch gedungener Helot
von technischem Können und wirtschaftlich trägem Diktat;
Opfer von Psychen-Dressur, dumpfer Agent und Gehilfe
der Despotie, die geistig verarmt und verroht ihn zum Kind.
Ohne dass wäre* doch Wahl, Hoffnung pliozänischem Zufall.

*Einsicht von Walter Benjamin
*"wäre": Im Sinne von „zukommen“: Ohne dass Wahl (Freiheit) zukäme

Letzte Sünde (3196)37

Hast allenfalls noch Kundenstatus.
Verwerter bist du, Produzent,
dem Markt beflissener Agent
qua homo excitatus*.

Mehr bist du nicht. Doch reicht dir das,
solange dich sein Güteroutput schmückt.
Dir das erwünschte Ich auch glückt.
Indem du imitierst das Promi-Maß.

Nicht dass ich dich nicht auch verstünde:
Wer schwämme gegen diesen Wohlstands-Strom?
Der doch viel tiefer reicht als Staat und Dom.
Zudem kennt nur noch eine Sünde:

Dich abzusetzen in Verzichten,
um auf dir selber zu beharren.
Denn das, heißt’s, machte dich dir selbst zum Narren.
Und würde psychisch dich zugrunde richten.

*homo excitatus lat.: erregter Mensch

Heimweh (3197)38

Lass dich streicheln, 
liebe Katze,
verweile schnurrend hier 
mit mir im Sessel.
Ich will vergessen 
der Gesellschaft Fratze:
Die Hysterie,
den Krach, den Hexenkessel.

Ich will dich glücklich fühlen,
liebes Tier,
mit deinen sanften 
Pfötchen spielen …
Zu einem Gottesfest 
uns machen Jetzt und Hier.
Und ER wird kommen …
da sein wegen dir.

Vergeblichkeit (3198)39 

Nur Geist weiß um Vergeblichkeit.
Er sieht sie doch in jedem Augenblick.
Besitzt indes auch jene Heiterkeit,
die sich ergibt aus Einsichtsglück:
Den Dingen auf den Grund zu gehen,
wo unverhohlen sie sich zeigen:
Als Barbarei, Gewalt und Illusionenmähen ...
Und Drangsal tabuierter Ichsucht-Neigen.

Morgen (3199)39

Morgen wird alles anders.
Morgen sprenge ich alle Hüllen.
Morgen gehe ich auf mich selbst zu.
Morgen nehme ich Abschied von mir.
Mich selbst zu gewinnen
in dunkelster Worte Entfremdungs-Magie.

Blind privilegierte Grundeinsicht (3200)40

Ohne Zweifel bin ich,
was mein Wesen anbelangt,
ein gesegneter Mensch:
Ein Liebling
baryonischen Stumpfsinns
und genetischer Blindheit.
Beiden, gleich mehrfach bevorzugt,
wortvirtuos geistgeborgen
entgrätscht. 
Zumal so auch erlaubend mir,
mich ungerührt 
damit abfinden zu können,
dass ich Souverän 
meiner Existenz 
gar nicht sein kann.
Weil ich, systembedingt,
jedweder Autonomie,
Würde und Selbstverfügungsmacht
definitiv beraubt wurde:
Denn sich 
als kantiche Person aufzugeben,
ist Grundbedingung allen Wohlstands.

Ab vor ca. 320 000 Jahren, also nur homines sapientes (3201)41

Wie viele mögen da schon hingegangen sein
in Erde: Ewige Vergessenheit.
Gebeugte ihrer Daseins-Mühle.
Die meisten wohl in Knechts-Geleit.

Hab keine Ahnung. Sind’s Milliarden?
Gewiss doch sehr, sehr viele schon.
Indes nur wenige mit besten Karten,
weil etwa saßen auf dem Thron.

Da haben wir es im Vergleich ganz gut getroffen:
Statt Fron und Plackerei verdingt,
sind wir Verbraucher, von uns selbst besoffen.
Was freilich nur als Tyrannei gelingt.

Für Chrisbe... (3202)42

Ich hatte lange nicht an dich gedacht. 
Die radikale Sehnsucht auch zu meiden
nach rauschbeseelter Körperpracht,
die alle Glücke mich ließ leiden.

Ich kam ja nie mehr von ihr los 
von ihren tierischen Erlösungstränken,
die Sinn entbargen deinem Schoß,
sich als Moment-Delirium zu schenken.

Indes dein Tod lässt all das untergehen,
zwingt, zu vergessen deines Körpers Gleis
zu Stunden hin, die alle Daseins-Wehen
entwanden Zeit und Stoff-Geheiß.

Tausch-Verzwergte (3203)43

Nichts, was hielte,
nichts, was stärkte,
nichts, was trüge einen noch.
Kleine Seelen, 
Spaß zerwühlte,
sprachlich arme 
Tausch-Verzwergte.
Die sich beugen diesem Joch
einer Welt der Untergänge,
einer Welt des Intellekts.
Längst 
geraten in die Fänge
triebgesteuerten Effekts.
Selbstkontrollen 
längst entlaufen,
Freiheitsmären
sich zu dichten,
Halte ihnen ab zu raufen,
die nichts deuten
und nichts richten.
Sinnlos fluten
leere Kerne:
Irgend Wahn 
sich zu verschaffen:
Einer Märchen-
Traum-Zisterne,
Spiegelleeren
anzugaffen.

Radikal gesehen (3204)44

Am Rand 
in einer Welt gelebt,
die geistlos ist,
abstrakt und trivial.
Die seelisch krank 
an Wohlstand klebt.
An Technikzwang, 
an Warendurst,
Sterilmagie der Zahl.
Was Menschen macht,
die selbststumm sind,
narzisstisch gleich
und Ich verbracht.
Sind Phrasenkunden,
smart und cool,
enthemmungsdrastisch
Selbstwertlunten.
Berechnend aus
auf stumme Werte.
Der Machtsucht 
Stimmvieh
und dem Markt 
nur Herde.
Sich selbst zur Last,
all dem Lebendigen:
Zumal der 
wunden Erde.

Da spricht mitnichten Arroganz.
Die kindisch dümmlich wäre.
Die Rede ist von einem Totentanz,
von einer Intellekt-Misere:
Der Gegnerschaft von Ratio und Natur.
Die, streng durchdacht, muss ins Fiasko führen,
nicht duldend Korrektur:
Dass Technik dient Verblendungsgieren.

Knecht (3205)45

Was wäre denn noch da an Selbstbeständen?
An individuellem Wert-Gelingen?
Doch permanent umgarnt von dem behänden
Diktat der Ratio-Schwingen.

Mir sind genommen kulturelle Tiefen.
Kurzum, ich muss mich immer neigen
den digitalen Direktiven,
die mir nur dies noch zeigen:

Dass faktisch nicht Person,
ich nicht mal Herr mehr bin der eignen Lagen.
Nur digitale Markt-Version,
verschleppt in Wohllebensversagen.

Existentieller Ertrag (3206)46

Was wird’s am Ende denn
gewesen sein,
von allen Illusionen abgesehen?
Ein tief vernarbter Seelenstein,
gehärtet im Verwehen
zu Scheitern, Gram 
und Niedertracht.

Indes ich habe es 
schon früh gewusst:
Dass nur das Mittelmaß 
in dieser Welt auflacht,
sich werfen darf 
mit Stolz an seine Brust.
Korrupt und 
inszenierungsvirtuos.
Wiewohl das zwanghaft. 
Ohne Wahl.
Macht da sich doch 
ein Sieger groß,
jonglierend
mit Kalkül und Macht,
vor allem mit der Zahl.

Jedoch auch andres 
wird’s gewesen sein.
In Anbetracht 
so mancher Stunden.
Die still für sich 
und geistesfein
mir löschten alle Lunten.
Gewährten Einsicht,
wie sie selten
und tief und daseinsfern
sich offenbarte.
Befreit von Angst,
Gewinnsucht und Vergelten.
Wie sie der Seinsgrund
Geist bewahrte.

Bewahrte freilich 
nur als zarten Traum.
Der niemals 
eine Wirklichkeit berührt.
Und niemals auch vergisst,
dass kaum 
je einen Menschen er verführt.
Dass Mensch sein
letztlich 
doch bedeuten muss,
sich selber nie zu haben.
Sich zu betrügen 
bis zum Schluss,
man könne Sinn  
aus dieser Stoff-Farce 
schaben.

Sich verzeihen (3207)47

So war’s: Ein Strauß
von Träumereien,
von Illusionen und
von Lebenslügen.
Allein das darf ich
mir zuletzt verzeihen -
man muss sich nun mal
oft betrügen.
Sonst wär’s ja gar nicht
zu ertragen,
dies Dasein,
jeden Tag prekär.
Und mies genug,
uns hart zu plagen
mit Schmerz und Gram
und Tränenmeer.

Reizverführte (3208)48

Da will man 
ewig überrunden.
Obwohl man ahnt,
es winkt kein Sieg.
Das ist das Los 
düpierter Kunden.
Die müssen sich 
als Endzweck mimen,
sich selbst sakraler 
Überstieg.

Andererseits (3209)49

Primär genetisch doch begnadet,
des Zufalls Liebling, ja:
auf Du und Du mit Gott gar stehend,
obwohl von dem ich gar nichts wissen kann …
Ein Scheinwelt-Abklatsch,
der sich weiß als solcher,
als dieser geistig sich und Welt entkommend,
will ich bekennen hier,
dass ich ein Leben führte,
das sich schon deshalb hat gelohnt,
weil keinem je ich neiden musste
sei es sein Ansehn, sei’s sein Geld, 
sei’s seine Macht, sei’s seine Ehre,
sei’s seine Würde, was auch immer …
All diese Güter, die das Selbst erhöhen,
indem sie es sich unterwerfen … 
Die hab ich nie gesucht, schon weil ich ahnte früh -
und später faktenkundig wusste -
was denn „Gesellschaft“ heute heißen muss …
an und für sich; ich meine: substanziell …
Ein Zwangsverlies, das jeden beugt, 
ihn seiner selbst entfremdet, modelt sich;
und letztlich hilflos macht, sich unterwirft,
subtil ihn steuernd ihn sich fügt:
ihn einsichts-, glück- und orientierungslos,
ihn sich als Ding-Kalkül gefügig macht.

Und eben das 
ist jenes Zufalls geistiges Geschenk:
In mancher Stunde selber sich zu haben:
Als tief begriffne Spätzeit-Nichtigkeit.

Hingeworfenes für Empörungsbedürftige (3210)50

Die Gegenwart? Die ist mir völlig schnuppe.
Was sie auch immer bringen mag.
Mich okkupiert nur meine Körperpuppe,
dass sie bestehe jeden Tag.

Vermeide dieses Lebens Unterholz:
Zum Beispiel Ehre, Mittellosigkeit;
dann jede Form von eitlem Stolz;
kurz: Den Verlust von Selbst-Geleit.

Und wie begründe ich dies egoistische Gehabe?
Nun so: Man kann nur auf sich selber zählen.
Ist Schutz sich, Endziel, Zufalls-Gabe.
Zumal kein Mensch kann sich doch selber wählen.

Heißt für Moral? Sie schadet eher nur.
Man hat sie nötig; deshalb mimt man sie. 
Sie ist verlogen, da nur Selbstwert-Schnur,
sich aufzuplustern - ehrlich ist sie nie.

Grundbedürfnis Gesellschaftsmeidung/Sonett (3211)51

Was kümmert micht, was andre von mir denken;
zumal ich nicht um Zuneigung doch ringe.
Will ich vor allem doch Gedichte schreiben,
um Abstand zur Gesellschaft zu erlangen.

Primär, damit mich nicht die Mächte lenken,
die alles tun, auf dass ich mir misslinge,
indem sie mich in Selbstvergessen treiben,
verführend mich mit Spaß- und Traum-Belangen.

So bin ich denn bereit, in Kauf zu nehmen,
dass ich am Rande lebe; nur für mich.
Die meiste Zeit in Einsamkeit gewoben.

Und so nicht werde hin- und hergeschoben,
wie's widerfährt dem marktgelenkten Ich,
das steuernde Erlebnis-Räusche lähmen.
 

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