Seite 56

Ein Fremdwörterverzeichnis finden Sie hier

Diese Seite enthält 55 Gedichte (53 Prosa-, Reim-Gedichte und 2 Sonette)

Seinsnackt (2865a)1

Mir sind die Tränen ausgegangen.
Tatsächlich viel zu früh.
Und das erklärt wohl auch die Apathie
und den Zynismus, denen ich gefangen,
ich euch so kernnah fasse:
Auf Anerkennung und Besitz versteift,
auf Lust und Macht und das, was greift
als Regressionstrost einer infantilen Masse.
Euch selbst benommen und gesteuert
von immergleichem Sicherleben,
konsumverflachungsselig angeheuert,
nach nichts als Ablenkungsvollzug zu streben.

Evolution (2866)2

Nur Zufalls-Würfelei,
fatale Lotterie.
Zunächst biped,
dann Hirnwachstum 
auf 1350 Gramm 
im Schnitt.
Erst Jagdmagie,
dann Ackerplackerei.
Heut Warenapathie
und Phrasenbrei:
Das Individuum 
gewissensklamm.
Nichts weiter mehr 
als Zwischenschritt
zu Technikdespotie.
Doch Glücke
allen geistgesät?
Nein, solche Glücke,
solche gab es nie.

Lethargie (2867)3

Irgendwann tritt Lähmung ein.
Das ist unvermeidlich.
Weiß man doch  
nur aus sich selbst ums Sein.
Hilflos Dingknecht. 
Ziellos. Zeitlich.
Lebenslang zumal allein.

Geschlagen (2868)4

Selbst meine liebsten Erinnerungen 
habe ich 
als sentimentale 
Konstrukte entlarvt.

Nun bleibt mir gar nichts mehr,
mich über meine
trostlosen Tage 
hinweg zu phantasieren.

Ausgerechnet mir, der ich, wie kaum ein anderer,
Selbstbetrug, Einbildungen 
und Lügen nötig habe -
hellsichtig, wie ich nun mal bin.

Gelingen I (2869)5

Wer weiß denn,
was Gelingen sei?
Ich frage dich:
Wer weiß das schon?
Den meisten
ist es einerlei,
sie bergen sich
in jenem Mohn,
der allen 
zur Verfügung steht:
Sie nehmen hin 
und täuschen sich.
Um so zu meistern
dies fiktive Ich,
das Worten,
Drang und Wir
verweht.

Gelingen II (2870)6

Gelingen?
Wenn, dann nur als Nebenbei
der kommandierten Illusionen.
Als Husch etwa in Geistesringen:
Jenseits der kalkulierten Zonen.
Bedeutungslos mithin, nie frei.
Und dennoch lockend Sinn herbei,
Halt, Glücke ohnegleichen.
Die manchmal dann
bis in die Kerne reichen.

Trivial-Exzesse (2871)7

Ich hake meine Jahre ab.
Total vereinnahmt tu ich das.
Wohlstandsverwahrungszwängen subsumiert*.
Permanent zumal verstrickt 
in diese global inszenierten, 
unumkehrbaren 
produktions-, kapitalfluss-, kommunikations- und gleichungs-intensiven Trivialexzesse 
radikal verselbständigter Halluzinationskomplexitäten:
Pseudo-Metaphysik 
roboterisierter Zeichen-Kosmoi.
Unbegriffene Theologie 
konform sich entfremdeter Schein-Identitäten.
Auslauf-Menschtum.
Am Beginn künstlicher Paradiese.
Ohne Gott. 
Ohne Erlösung. 
Ohne jedwedes Glück.

*subsumiert: unterworfen, eingefügt, untertan gemacht

Zeitgeistfracht (2872)8

Ich weiß um Nichtigkeit 
und Niedertracht.
Weiß aber auch,
sie zu vergessen.
Mich treiben lassend,
infantil vermessen,
als wesenlose 
Zeitgeistfracht.

Selbsteinschätzung (2873)9

Verwiesen auf technisch generierte Magie,
ihrem Artefakten-Meer wehrlos ausgeliefert,
träume ich mich durch die Tage.
Ohne Orientierung - sei es metaphysische, kulturelle, 
politische oder ethische -
weiß ich mich als auf sich selbst
radikal zurückgeworfener Bedürfnisträger,
gesellschaftlicher Nützling,
Propagandaverwerter und dauerpotentielle Beute 
nackter ökonomischer Interessen.
Formell freies Rechtssubjekt,
bin ich auf mich allein gestellt,
faktisch meiner selbst entmächtigt,
weil hilflos ausgeliefert dieser hedonihilistischen* Massensause, die weder demokratisch 
noch rechtsstaatlich sein k a n n:
Fehlen doch längst die weder politisch noch rechtlich
zu schaffenden Voraussetzungen dafür:
Die geistigen …
Die selbstdistanzfähiger, 
reifer und hoch gebildeter,
asketisch auch ausgerichteter Individuen,
die fähig wären zu begreifen, 
dass Freiheit nichts anderes wäre als notwendige Selbstzurücknahme (Ichverzicht),
Ergebnis also wäre von emotionalen und intellektuellen Grunddispositionen als Bedingungen der Möglichkeit
subjektiven Selbstbestandshandelns 
im Eigen-, Allgemein- und Staatsinteresse.

Indes wie weit müssen wir schon heruntergekommen sein,
wenn ich glaube sagen zu dürfen,
dass wir doch heutzutage genau dann 
zu unserem eigenen Nachteil agieren,
wenn wir, etwa propagandistisch von Würde-, 
Vernunft-  und Autonomie-Idealen  
einer moralischen Person verblendet,
uns dann faktisch als eben diese 
ohne es überhaupt zu bemerken
und also folglich auch ohne Bedauern
selbst im Stich lassen.

Fundamentalgegnerschaft (2874)10

Ein Gegner bin ich dieses kindischen Tarot.
Versuch auch nicht, es abzustreiten.
Zumal ein Selbstbefehl ergeht, der lautet etwa so:
Gewöhnlichkeit und Ismen zu vermeiden.

Mich nicht im Stich zu lassen, zu verstricken 
in Selbstbetrug, in Lügen und Beschönigungen.
Die doch die Würdelosen stets so tief beglücken,
weil dadurch kreatürlich sich gelungen.

Ein Selbstbefehl? Allein wer gibt ihn, spricht ihn aus?
Doch Unvernunft, der ich mich selbst verschrieb:
Wer strebt schon über sich hinaus,
zu retten sich vor Affen-Trieb?

Ich würde jedenfalls mich schämen,
wenn Surrogat-Gelüste an mir zehrten,
dann so zu tun, als ob mir daraus Normen kämen,
die nicht entmündigten, verrohten und entehrten.

Und doch: Ich handle gegen meine Interessen, 
will ich mich strikt an jenen halten.
Warum? Es geht um Lust, um Macht und Ichkult-Messen.
Nie Geist. Pleonexie nur kann die Welt gestalten.

Schwieriges Sonett/An jemand ohne Selbst und Namen (2875)11

Ich habe in der Zeitung es gelesen,
dass du ganz sanft, so hieß es, seist verschieden.
Erlöst nun eingegangen Seinem Hüten.
Zumal ein Opfer langen Leids gewesen.

Zu Ihm gelangt so als befreites Wesen.
Sie sämtlich los nun: Dieses Daseins Nieten.
Die Er zerstöre schon durch seinen Frieden.
An dem auch du einst würdest ganz genesen.

Doch mir soll gelten: „Nichts - es sei denn Gutes“.
Was mich verpflichtet, eisern jetzt zu schweigen. 
Doch ohne Griff zur Krempe meines Hutes.

Schon gar nicht werde ich mich jetzt verneigen.
Doch eingedenk dem Jammer meines Blutes.
Es wäre schäbig, Rührung zu bezeigen.

Selbstverlächerlichung (2876)12

Mich ekelt an,
was ich da mache.
Hab ich es längst 
doch schon durchschaut.
Ich übe da subtile Rache
an dieser Welt,
vor der mir graut,
Die sich entzieht, 
sich selbst verborgen.
Ein rohes Gossenlied 
an totes Übermorgen:
Gewissenlose Huld.

Noch Kunst zu machen 
ist naiv. Ist kindisch.
Und ist so völlig folgenlos.
Geht’s doch um Geld,
Prestige, erlebnisflachen
Pleonexie- und Ich-
und Selbstwert-Kult.
Narzisstisch-
nihilismusrigoros.

Flüchtige Alterseingebungen (2877)13

Es wäre wirklich besser,
Schluss zu machen.
Ist es doch nur noch
eine Quälerei:
Da sind die Leibgebrechen,
die mir Schmerz entfachen,
mich drücken psychisch auch  
in fades Einerlei ...
tatsächlich permanent
es mir vergällen,
dies kurze Dasein
kruder Schicksalswellen.

Indes auch sonst
gibt's nichts zu lachen,
was die Gesellschaft anbelangt:
Da herrschen 
Korruption und Gaunerei,
die Faden 
und die Geistesschwachen,
das Mittelmaß, 
das sich um Vorteil zankt,
um Selbsterhöhung 
in der Tugend Schwaden.

Glücksintensivierungs-Lachen (2878)14

Ein mürrisch zügelloser Konsumismus, 
eudämonistisch-hedonistisch inszeniert.
Reflexhaft dumpfes Horten von Erleben. 
Auch technisch provozierte Soma-Mystik.
Und intellektuelle Selbstentmächtigung 
durch Leichtlauf-Hedonismus-Angebote.
Von andrem ganz zu schweigen, 
wie etwa urlaubsmetaphysischer Belämmerung.

Und das soll Sinn am Ende machen, 
Glück gewähren? 
Soll Wert auch haben, 
gar statistisch feststellbaren?
Soll Daseinsfreude und Erfüllung schenken?

Das ist doch alles eher ein Totalprogramm, 
sich von Entglückungssüchten zu entlasten,
sich hinzugeben an Bewusstseinswirren, 
auf immer frei von innrer Anteilnahme.

Drei Sonette in später Zeit (2879)15

Wozu? Wozu! Das liegt doch auf der Hand!
Wie kann man eine solche Frage stellen?
Da greift ein Stoffbefehl, ein Leibgebot.
Evolutionskommando: Drangsal-Spiel.

Und selbstverständlich ist da kein Garant,
der dich bewahrte davor, dass dich fällen
die Zufallsschläge irgendeiner Not.
Auch Glück, Erfolg und Güte gibt’s nicht viel.

Bei mir z. B. sollte alles passen:
Die Zeit, die Lagen, die Gegebenheiten.
Bis heute kann ich es nicht wirklich fassen:

Ich musste, durfte, sollte alles meiden,
was ausgesetzt mich hätte all den blassen
mich selbst mir nehmenden Verlogenheiten.
*
(2880)16
Doch selbstverständlich habe ich gelitten.
An Niedertracht und an Erniedrigungen.
Und manchem mehr, was dieses Dasein prägt.
Notwendig prägt. Wie Zwang und Amoral.

Indes der wichtigste von allen Schritten,
war der, dass mir es ist recht früh gelungen,
zu ahnen, dass sich niemand selber trägt,
sich nicht bestimmen kann durch eigne Wahl.

Dass dieses Dasein eher meistre der,
dem es gelänge, selbst sich zu begreifen:
Nichts weiter doch zu sein als Knecht der Mär,

dass er Bedeutung habe, dürfe streifen 
an eine solche, die nicht auch sei leer,
wie die der andern, die um Ichsucht schweifen.
*
(2881)17
Das Geistige ist wesensmäßig elitär.
Ist Einsichtsmut, Askese, Ehrfurcht, Ich-Verzicht.
Besagt indes auch dies, dass psychisch man prekär
am Rand lebt, asozial, so etwa im Gedicht,

in Intellekt-Gefügen, faktisch stehend quer
zu dem, was sich als kratisch-ethisches Gewicht
in Medien preist als wahr, human und tugendschwer.
So jener Gegenposition und Denk-Umkehr.

Das sei doch obsolet, bizarr und lächerlich.
Mal abgesehen von der frechen Arroganz.
Erbärmliches Geschwätz sei’s eines kranken Ich.

So lautete zu ihm des Durchschnitts Larmoyanz.
Der nicht begreifen darf, dass er sich selbst ist Schlich
in einem zwanghaft rationalen Totentanz.

Geistiges Niemandsland (2882)18

Welche seelischen Tiefenschichten 
ließen sich heutzutage denn noch 
von Gedichten ansprechen?
Wahrscheinlich nur die von der realen Welt 
unberührbaren träumerischen,
die zärtlich sich selbst nur ahnungsweise zurücknehmend in sich selbst rollenden,
ungreifbar sich auflösenden,
ins Diffuse sehnenden,
hyperfeinfühligen,
sich wirklichkeitsfern zu liebkosen in exquisitem Selbstgenuss,
angeregt durch die in Worte gemalten 
Landschafts-, Seelen- und Phantasie-Traumbilder 
solitären Exquisit-Konsums neurotisch-ichsüchtiger, 
privilegiert überfeinerter Iche.

Niemals also durch Gedichte, 
wie ich sie mache: substanzfaktische Ich-, Welt- und Wert-und Entmächtigungs-Sprachgefüge.
Indes die ins Unmittelbare schießenden, 
schmerzhaft-gewaltsam provozierten Affekte längst geldwirtschaftssteril liquidiert werden,
um sie durch die für den Markt vorteilhaften Kommandos der Reklame- und Pop-Industrie zu ersetzen,
konsumenthemmungsdrastische im Dienste von Asozialisierung, jetzt via Smart Phone, 
Internet und Social Media.
Unter diesen Knuten, Brutstätten alyrischer Banalität, 
dürfen dann die isolationshörigen Individuen 
selbst dafür sorgen,
nicht mehr zu sich kommen zu müssen.
Alles ganz legal..
Alles unzurechenbar.
Alles Neuronen-Ansich.
Totalitär - geistfremd.
Inszenierte Entlastungsonanie.
Man lege jenen träumerisch Hyperfeinfühligen 
und diesen Affektprothesenkrüppeln 
probeweise dieses Gedicht vor.

Späteste Gesellschaft (2883)19

Ein Notgebilde von Subjektverschnitten,
im Zaum zu halten sie durch Selbst-Abbau:
Bewusstseinssteuerung als Kick gefühlt
von dann entmächtigten Monaden.
Vergötternd ihr Medialabbild.
Doch nach dem Urbild niemals fragend:
Das wäre geistig nur zu fassen:
Als die Idee des rationalen,
des intellektgezeugten Lumpenproletariats.
Als Spaßrandale-Horde in KI-Montur.
Als Standardtypus spät vollendet.
Sich Depressionsgeschrei ergebend,
sich zu erbetteln noch im Niedergang
Identitätsnachweis durch Tugend-Aas,
durch Oligarchen-Klüngel-Despotie 
und metaphysisch unfehlbare Staatspartei.
Und lese dann noch einmal ganz von vorn.

Dröhnungszwang (2884)20

Sinnbrosamen abgeschunden:
Eine Existenz als Kick.
Tricksereien eingebunden:
Ich-Verbraucherglück.
Geldstrommanipulationen,
Lichterblitzen, Stargeleit.
Sex-, Erlebnis-, Lachgas-Zonen.
Reizzwang als Verdummung light.
Einmal ohne Dröhnungspillen,
Lustgeheiß, Reklame-Schur,
Wertbetrug, korrupten Willen,
nicht sein Kollektivmixtur.
Mitmachmännchen bis ins Mark,
wo Idol und Medien kneten
Fremdverfügtheit bis zum Sarg:
Inszeniert sogar die Lethen.

Mehrdimensionale innere Unruhe (2885)21

So ein endlos sich dahin schleppender Abend,
an dem man sich einfach nicht gelingen kann.
Ständig wechselt die ins Motorische übersetzte innere Unruhe ihre zufälligen Ziele:
Mal läuft man nervös im Wohnzimmer herum,
mal döst man völlig ungerichtet im Sessel vor sich hin, 
mal sieht man sich gar Bilderströmen von scheinbar längst Vergessenem ausgesetzt:
Man sieht die Gesichter von Menschen in seiner Erinnerung aufsteigen, 
weiß stupend mühelos selbst ihre Namen, 
erkennt auch sofort wieder die einmaligen Situationen und die persönlichen Umstände aus jener fernen Zeit,
einer Zeit vor nunmehr sechzig Jahren und mehr;
und fragt sich vergeblich,
warum ausgerechnet an diesem Abend diese Erinnerungen wieder in einem hochkamen …
Mal legt man eine CD ein, 
um sie nach einem Lied wieder anzuhalten …
Mal schaltet man den Fernseher ein
um dann freilich nur unschlüssig hin und her zu zappen;
sei’s zwischen den euphemisierenden Zumutungen von Diskussionsrunden mit sich allzu oft in der deutschen Grammatik 
verhedderndem politischen Personal, 
das sich zudem peinlicherweise permanent selbst lobt;
sei’s einer Interview-Sendung mit leptosomen, 
weiß beturnschuhten Sportidolen, 
meist ehemaligen Fußballprofis,
die wenigstens wissen,
wovon sie reden;
sei’s auch einer Talkshow mit Medien-Prominenz,
die sich zeitgeistkonform-pseudokritisch ergeht in gesinnungsethisch hypertropher Polit-Metaphysik.
Und bei all dem weiß man ganz genau 
(ich jedenfalls weiß es),
dass sich darin auch die eigene Orientierungslosigkeit und der bodenlose Stumpfsinn der Konsumdiktaturen
- in drastisch an einem zerrende Unruhe, 
Weltekel, 
resignativen Nihilismus und das klare Bewusstsein eines unaufhaltsamen kulturellen Niedergangs übersetzt -
psychophysisch offenbaren.

Feststellung V (2886)22

Je leerer, nichtssagender
und trivialer diese Welt,
desto länger, komplexer
und bezugsreicher 
werden die Gedichte,
die sich auf sie
zu beziehen scheinen.

Ein schneller Blick auf meine Zeit (2887)23

Der Ablauf einer Spätzeitposse,
garniert mit Hully Gully-Süßen.
Der Sturz in Barbarei, Gewalt und Gosse.
Der Affenkern lässt grüßen.
Mich wird das nicht mehr groß betreffen.
Zu alt, zu krank, zu todesnah.
Ich hab nichts mehr zu kläffen.
Hier raunzt genug Blabla.

Reklame-Puppe (2888)24

Steril. Kalt. Perfekt. Völlig deerotisiert:
Irgendwie tote Gängig-Schönheit.
Wir kann sich eine junge Frau es gefallen lassen,
zu einem solch hypergestylten,
persönlichkeitslosen blonden Reklame-Roboterchen herabgewürdigt zu werden.
Zumal doch der Grad der Körperbräune,
um den geht es, 
faktisch nichts beitragen kann zu einem wie auch immer
- unter den gegebenen Umständen - gelungenen Leben.
Indes das Geld kann’s allemal, das sie dafür erhält,
sich zu einer Karikatur eines KI-Avatars 
degradieren zu lassen,
zu einer hollywoodisierenden Verbraucherinnen-Phantasie,
auf die man nicht mal keine Lust haben kann.

Schöner Tod (2889)25

Trauerträchtiges Nieselgetröpfel.
Nasskühlgrauer Septembertag.
Vertrödle mich rauhäutig der Windwut.
Auf dem Gehsteigrand sitze ich.
Erfüllt von entlastender Gleichgültigkeit.
Äuge den feuchtgelben Blättern nach.
Die kreisen in Brackwasser.
Die trudeln der Fäule entgegen.
Die stieben klaglos vorüber.
Endwarm ist’s mir zumute.
Vergänglichkeitsendlich zumal.
Schöner Tod zerrt an mir.

Eigensinn (2890)26

Versucht hab ich, zurechtzukommen.
Und das ist mir gelungen.
Zumindest so nach außen hin.
Um wenigstens den Schein zu wahren.
Das, was mich umtreibt, habe ich verborgen.
Es wäre andern schnuppe.
Man ist allein mit sich im Leben.
Kann so auf sich nur zählen.
Das Meiste habe ich verschwiegen.
Und nehme es auch mit ins Grab.
Ich will’s vor allem nicht besudeln lassen
durch kindisches Gerede.
Durch dieses Seelenausdeutungsgehabe.
Dies fade Spielchen kalter Leute,
die nur erleben, nie erfahren.
Bar allen Ernstes, ohne Tiefe sind.

Die Große Fadheit (2891)27

Hätte ich noch irgendein Gefühl für dich,
wären wir eben zwei Einsame, 
die aneinander vorbei glitten.
Haltlose Monaden-Innerlichkeiten,
die, markthörig,
allein nach konsumtiven Glücken jagen.
Dabei verdrängend, 
dass es Glücke 
als nichtrügerische Freuden
gar nicht mehr geben kann:
In unseren heutigen Welt 
fungieren sie nämlich primär
als intendierte 
Entlastungs- und Trost-Behelfe:
Arten und Weisen der Weltmeidung:
Freilich fraglos notwendig,
um die Lebenslügen 
der Großen Fadheit: 
sich dauerwiederholender, 
geplanter Systemorgiastik, 
ertragen zu können,
sich aus ihr eine Art
träumerisch belämmernde 
Melancholie schaffend,
die sie ihre kaltleere Ichsucht 
und Rechenhaftigkeit vergessen lässt.

Kollektivtrauerkonsum (2892)28

Kollektivtrauerkonsum. Rituell inszeniert. 
Medial-Ereignis oft.
Blumen, Kränze, Kerzen und schriftliche Bekundungen 
säumen Mauern und Zäune, 
Gehsteige und Straßenränder.
Die Leute sind ergriffen, solche allgemeinmenschlich, 
existentiell verwurzelten Abgründigkeiten von Radikalverlusten miterleben zu dürfen, 
zumal diese die Gelegenheit bieten,
sich in einen sichtbar tiefen Ernst tauchen zu können, 
einen Ernst, der in ihrem privaten Alltagsablauf 
keinen Platz mehr hat,
da er nur noch als kollektiv inszenierter 
seine packende Wirkung entfalten kann,
die, als solche, eben dann nur noch 
eine mediale sein kann.
Die tragische Wucht des Außeralltäglichen 
ergibt sich nicht aus dem faktischen Ereignis,
sondern aus der Tatsache, dass dieses zum medial interessanten aufgewertet wird.
Es ist die öffentliche Wahrnehmung der Trauer, 
die das Trauerkollektiv zu einem solchen macht, 
nicht die Trauer selbst: 
Die Trauernden des Trauerkollektivs erleben Trauer anders als der anonym trauernde einzelne Mensch.
Der im Kollektiv Trauernde trauert sozusagen die Trauer der anderen Trauernden nach,
das heißt, er erlebt sein Trauern, ist es aber nicht: 
Er setzt ein Zeichen von Trauer.
Trauer erleben ist aber etwas ganz anderes 
als Trauer erfahren.
Erfahrene Trauer zwingt  zum Schweigen, zur Diskretion.
Ist eine Hilflosigkeit auch radikalen Alleinseins, 
erheischt also Einsamkeit.
Wirft sie einen selbst doch als Einzelnen zurück 
auf die eigene Vergänglichkeit, 
den eigenen Tod.
Dazu aber fehlen der medial abgerichteten Seele die Kraft, die Tiefe, die Sprache und vor allem 
die geistige Disposition,
sich dieser erschütternden Ausweglosigkeit überhaupt unmittelbar stellen zu können.

Momente echten kleinen Glücks (2893)29

Und wenn noch was die Kraft des Glückes hätte,
dann wäre es, ich bleib mir treu, nur das:
Zum Nachtisch eine Zigarette.
Ein Blau. Ein Halm. Ein Tier. Ein Glas.
Was sonst so heißt, ist pervertiert,
um irgend faktisch Glück zu lassen.
Weshalb der Kunde es auch inszeniert,
sich Zeitgeist anzupassen:
Der Glück doch gar nicht mehr zu fassen weiß
als etwas, was man gar nicht kaufen kann:
Weshalb er kennt nur seinen Preis,
es selbst als Bastard und als Bann.
Für uns ist Glück geknüpft an Gier.
Die aussaugt. Ohne irgendwas zu schenken.
Sie kann’s nicht. Steht nur noch sich selbst Spalier.
Auch ihre Krüppel noch zu lenken.

Zerfallende Innenwelten (2894)30

Nicht-Ich-Schemen fluten
das sprachlich verarmte 
Verbraucherbewusstsein.
Permanent.
Als Bild, Stimmung, Reiz und Signal.
Die Innenwelten zerfallen.
Empörung und Eskapismus
entschämen so weiter die 
orientierungslos sanft 
kollektivierten Medialerregten:
Singularisierungsopfer,
die’s ahnungslos über sich
ergehen lassen müssen.
Immer häufiger schon
darum bettelnd.

Perversionsschwermütiger Zukunftsalptraum (2895)31

All diese trauerharten Gesichter von Säufern, 
Verrohten und Hilflosen.
All diese armseligen Verstocktheiten von Haltarmen 
und existenziell wie intellektuell Überforderten.
Alle diese vergeblichen Versuche, 
sich eine spärliche Anerkennung 
und Selbstwertsteigerungschance zu verschaffen durch Anpassung, Nachäffen und Kriecherei.
Alle diese Beispiele von Verrat, 
Neid und widerlich-frecher Treulosigkeit …
Nur um eine kurze Aufmerksamkeit 
bei verrohungsanfälligen Orientierungslosen 
zu erhaschen, 
die jeweils das besagungslose Geschwätz zu bewitzeln 
und zu brutalisieren wussten …
Kein Wunder, 
dass mir angesichts solch früher Lebenserfahrungen 
am christlichen Menschenbild überhaupt nichts liegt: 
Ich halte es für naiv-ideell-masochistisch...
Noch an dem der Aufklärung: 
Ich glaube nicht an die Freiheit, 
Würde und Vernunftfähigkeit des durchschnittlichen empirischen Menschen.
Auch nicht an die Illusionen des Liberalismus 
und des amerikanischen Traums.
Und schon gar nicht an den sozialdemokratischen 
oder gar sozialistischen Optimismus, 
dass eine gerechte Gesellschaft geschaffen werden könne
und als solche dann auch Bestand habe.

Allerdings glaube ich daran, 
dass es menschliche Verhältnisse ohne 
Machtmissbrauch, 
Gewalt, 
Korruption, 
Niedertracht, 
Verrat, 
Lüge und Charakterlosigkeit gar nicht geben kann. 
Das hat mir Machiavelli bestätigt.
Was unter diesen Voraussetzungen 
zur gegenwärtigen Situation des Westens zu sagen ist, 
sei so umrissen:
Aufgrund der katastrophalen Verwerfungen der Zukunft wird es Kapitalismus, Technik und Naturwissenschaften nicht mehr in dem Ausmaße gelingen wie bisher,
Waren-Paradiese und mit ihnen 
die gängigen Erlösungs-Schemata und Vollendungs-Glücke in dem Maße hervorzubringen, 
dass der Großteil der Durchschnittspsychen 
auch weiterhin verlässlich gesteuert werden könnte 
durch Trivial-Hedonismus, 
Sport, 
Drogen, 
Effekt-Magie, 
Laisser-faire, 
Konsummystik, 
Subjekt-Ding-Identität, 
Pop-Musik, 
Verwahrlosungsemotionalität usw. usw. …

In Amerika und in Europa 
wird es zur Bildung eines schnell wachsenden Lumpenproletariats kommen, 
das nicht mehr wird ruhig gestellt,
noch wird daran gehindert werden können, 
sein Heil in Kriminalität, politischem Extremismus 
und marodierender Anarchie zu suchen.

Die Probleme des 21. Jahrhunderts - 
eben die katastrophalen Verwerfungen der Zukunft - 
werden den Westen entscheidend schwächen 
und umgekehrt wahrscheinlich China 
entsprechend stärken. 
Dies zu verhindern, 
sehe ich keine Möglichkeit.
Jene Probleme sind, 
um nur die gravierendsten zu nennen, 
folgende:
Der Klimawandel.
Der Ressourcenschwund.
Der unaufhaltsame Niedergang der USA. 
Niedergang in jedweder Hinsicht.
Der europäische, naiv verlogene und verwahrlosungsfundiert-masochistische, Tugendinfantilismus: 
Die angebliche ‚Wertgemeinschaft Europa’ 
ist nichts weiter mehr als die Idee, 
die sich inzwischen selbst korrumpiert und abträgt.
Der fatalistisch-hilflos-lethargische Gleichmut Afrikas: 
Der Kontinent scheint politisch, 
wirtschaftlich, 
rational-intellektuell und kulturell-geistig 
faktisch impotent ... und definitiv korrupt. 
Für den Westen speziell: 
Die das chinesische Volk als auserwähltes etablierende Staats-und Nationalmetaphysik Chinas 
als elitär-atheistische Ersatz-Religion mit dem Ziel der Schaffung folgender, global wirkender Formen unangefochtener Vorherrschaften:
Die der ethnischen, 
der politischen, 
der ökonomischen, 
der technisch-naturwissenschaftlichen, 
der militärischen, 
der sportlichen, 
der kulturellen und geistigen 
(die der Inthronisierung Chinas als elitärer Hort 
der das Verhalten der Menschen steuernden Meme: 
China als das Gelobte Land der kommunistischen Staatsreligion, der Kunst, des Rechts 
und sämtlicher fundamentalpsychisch 
auf Jahrhunderte angelegter formender Institutionen).
Diese heute noch weltumspannenden Massendeklassierungsschmieren werden vernichtet sein:
Die einer zutiefst korrupten US-Mammon-Oligarchie, 
die einer europäisch pseudodemokratisch parteienoligarchischen Realitätsverweigerungs-Clique kratisch unbegabter Staatskita-Verwalter, 
die eines global agierenden investoren-kapitalistischen Geldwirtschaftsbanditentums 
und die einer nahöstlich fundamentalistisch-theokratisch-islamistischen Gegen-Modernität.
Und ebenfalls am Ende werden sein 
der internationalistisch primitivsophistisch-tugend-emotionale, hybrisprall-arrogante 
Weltanschauungs-Intellektualismus ...
Und ebenso der nationalfaschistisch-rassistische 
Exterminations-Xenophobismus einer die Selbstvernichtung einschließenden radikalen Unbedingtheit.
Es sei mir daher erlaubt, 
offen einzugestehen, 
dass ich froh bin, 
durch meinen baldigen Tod allem dem zu entrinnen, 
was ich für kaum mehr vermeidbar halte: 
Dem wahrscheinlich sehr erfolgreichen, 
weil bis ins Detail durchdachten 
und technologisch allgestützten Totalitarismus, 
dessen Groß-Ideen von Freude, Glück, 
Zweck-, Ziel-, Individual- 
wie Gesamt-Sinn-Konzepten zu entkommen 
wohl dann für lange Zeit nicht mehr möglich sein wird,
zumal er bestimmen wird,
was Wirklichkeit zu sein habe.
Ein Menschheits-Alptraum, 
würde all das wahr.

Kleine Katze III (2896)32

Kleine Katze, lauf zu mir!
Tu’s! Du wirst es nie bereuen.
Bitte! Kann ich doch versprechen dir,
stets dich zu betreuen.
Wirst du doch, grad wie’s dir passt, 
dösen, schnurren, spielen, fressen …
Niemals sein mir Last.
Anlass aber mancher Daseinsmessen.
Wenn du nicht willst, sei’s verziehen.
Dir verzeihe ich gar alles.
Zauberwesen, Perfektion gediehen.
Alltrost eines Paradies-Nachhalles.

Die Liebe in Zeiten inszenierter Sentimentalität (2897)33

Ach die Liebe, ja: Die Liebe
wäre eine tiefe Sache.
Wenn sie nicht so schäbig trübe,
Scheinwelt wäre, Psychen-Lache.
Zentrum aller Niederlagen,
Lügen, Kindereien.
Daseinsöde von verdrängten Plagen
und Charakter-Sauereien.
Tonne aller Seelenkälten,
ist sie nur noch Medienposse.
Ungeheuer selten.
Unselbst exponiert in Gosse.

Entlastungsbedürftig (2898)34

Gleichgültig
dahin treibend 
entlarve ich im Gedicht,
was mich 
mir selbst wegnimmt.
Im Gedicht 
raffe ich mich,
Sinn gaukelnd,
mir selbst zurück.
Die Träume
wie die Fakten
gängelnd.

Selbstkonsum (2899)35

Was konsumiert man denn da? 
Da, in den Fängen dieser Wettläufe 
um kapitalistische Erlösungs-Nichtigkeiten?
Einen fesselnd an Kreatürlichkeit,
verrohenden Stumpfsinn und Entlastungsorgien?
Nun: Sich selbst, den narzisstischen Hampelmann
dauerinszenierter Entmündigungs-Dionysien.

Auch in sich selbst umstellt (2900)36

Wohin könnte man sich noch zurückziehen,
wenn nicht in sich selbst:
In drastisch distanzierende Affektschwaden?
Um wenigstens  träumerisch dieser surrealen 
Reize- und Propaganda-Welt zu entrinnen.
Um freilich dann unweigerlich auch in sich selbst 
den widerlich-gewalttätigen,
doch tief verinnerlichten Zeitgeist 
dieser spaßneurotischen Gesellschaft
kommandierend vorzufinden?
In Sprache, 
Stimmung, 
Einsichtsschwäche,
Täuschungsautomatismen
und Tugendverlogenheit etwa.
Wie sehr ist man doch außenvermittelt.
Noch in der sublimsten Selbstbezüglichkeit;
noch in der radikalen Ablehnung 
dieser mammonophilen Singularisierungsmaschinerie.

Globalisierte Welt (2901)37

Diffus begehre ich auf.
Aggressiv, verängstigt und hilflos zugleich;
versuche mich geistig zu wehren 
gegen diese globalisierte Welt,
die mich, ich erfahre es täglich,
längst zu einer Marionette
ihrer Unübersichtlichkeit, Unberechenbarkeit,
ihrer letztlich diktatorisch-totalitären
Gängigkeitszwecke technischer 
und naturwissenschaftlicher Art
und, tiefgründiger,
ihrer ihr substantiell fehlenden 
intellektuellen Steuerungs- und
Selbstverfügungsfähigkeit geworden:
Ist sie doch ein in sich 
radikal widersprüchliches
Geflecht von Macht-, Deutungs-,
Systemkompetenz-, Einfluss- 
Überwältigungs- und Überragens-Kämpfen …
So mache ich mich,
indem ich mich ihrer erwehren will,
lächerlich vor mir selbst,
mir angesichts ihrer doch 
meiner existenziellen Nichtigkeit
und Ohnmacht schmerzlich gewahr.
Gewahr freilich auch der Spätzeitverwerfungen,
denen jene Welt wohl nicht entrinnen wird:
Der spezifischen Irrationalität 
menschlicher Selbsttäuschungsbedürftigkeit,
Machtkorrumpiertheit, Verblendungsanfälligkeit,
Hybris, kindischer Arroganz
und der notorischen Leugnung 
möglicher Fehleinschätzungen und 
zumal der so schwer zu begreifenden Gewalt 
scheinbarer Nebensächlichkeiten.

So ein Gedicht (2902)38

Es lässt sich nun mal 
nicht erzwingen,
so ein Gedicht zu machen.
Grad umgekehrt: Gelingen
kann es nur gegen Ratio, 
Zwang und Sachen.
Als Geisteskleinod, 
fernab Gängig-Zwecken ...
wie Umsatz, Spaß, Moral 
und Machtintrigen,
muss es zumal nicht 
Speichel lecken,
vor keinem sich verbiegen.
Vor Oligarchen nicht, 
nicht Diktatoren.
Die diese längst hofieren:
Die Macher 
und die Tugendtoren.
Korrupte, die sich 
selber schmieren.

Es kommt aus tiefen Grambeständen:
Aus Einsicht, Schmerz, Gewalt, Verworfenheiten.
Wird freilich niemals seine Quelle schänden:
Verrat am Selbst als Geist zu meiden.

Auskunft (2903)39

Täglich tiernah und verschrieben
Job-Routine, Haushalt, Sport:
Existenzkram aufgerieben.
Sind ja große Zwecke fort.
Zynischdumpf das Vaterland.
Ohne Innen, ohne Außen.
Hedonisten ohne Band.
Urlaub, Spaß und Tugendflausen.
Pessimistisch ganz verschlossen,
zeichne seinen Lauf ich nach:
Täuschung, Indolenz und Gossen.
Kita-Staat. Und der liegt brach.
Dabei ganz klar mir bewusst,
was es hält, dies Kundenheer:
Wohlstandsinfantiler Lust,
Untergang in Selbstverzehr.

Auch eine Frage (2904)40

Wozu - sittlich oder künstlerisch - sich noch anstrengen 
in Selbstverführung,
halt-, einsichts- und sinnsüchtig über sich hinausschaffen,
Zusammenhänge, Inhalte und Bezüge halluzinieren, 
wo gar keine mehr möglich sind.
Eingelassen in eine globale Diktatur von Fortschrittsmythen, 
Affektfabrikation, Sport- und Starkult-Ergriffenheiten, 
sublimierter Brutalität und allersehnter Verwahrlosungsentlastung …
Und sei es auch nur mit Hilfe der vorgefertigten Räusche 
eines effektprimitiven Konsumenten-Messianismus?
Verkommt doch sogar das naiv-kreatürliche, 
narzisstische Streben nach Macht, 
Reichtum, 
medialer Präsenz, 
Glamour, 
Ich-Erhöhung und Ruhm 
zur Subtilform einer unvermeidlichen personalen Selbstdeklassierung.

Monadenblind (2905)41

Ein Heer von Augen erspäht sich selbst,
tränt sich zu, schuftet spaßwärts
die technisch ermöglichten Bilderwelten hoch.
Umsonst.  
Am Ende jedes für sich sich brechend,
kindlich ergriffen und einsichtslos heim weinend 
in dauerverordnete Blicklosigkeit.

Augenblicksaufnahme III (2906)42

Wenn jemand weiß, dass nichts zu ändern,
nichts zu verbessern ist am menschlichen Ansich.
Weder im Zentrum, noch auch an den Rändern.
Der ahnt: Sein Lauf erreicht nun letzten Schlich.
Es geht nur, sinnfrei, noch um Warenflut,
um rational verfügte All-Ohnmacht,
die sich entzieht den Werten schlecht und gut,
nur abläuft als globale Großstaats-Schlacht.
Und die mag ausgehn, wie auch immer:
Wird bestenfalls in sanfter Unterdrückung enden.
Wahrscheinlich freilich - weitaus schlimmer -
anomer Barbarei als Species-Selbst-Verschwenden.

Im Wartezimmer (2907)43

(1) 
Unbelebte Gemüter:
Lasten ihrer selbst.
Zeitsiech Heimgesuchte.
Monaden-Crowd.
Am liebsten flöhe ich
in mich selbst …
Täte ich’s freilich,
liefe ich Gefahr,
meiner Vernichtungssucht
ins Herz zu laufen …
rasend vor Gier,
ihr freien Lauf 
zu lassen

(2)
Die da gegenüber
ist bloße Arroganz,
räkelt sich in sich selbst,
kehrt sich 
kommandierend hervor,
scheint alles 
auf sich selbst zu geben;
Jeden Raum,
den sie einnimmt,
mit einem metaphysisch
verfügten Stumpfsinn
ichunmittelbar
für immer
zu erfüllen.

(3) 
Wenigstens
ist die Eckbank 
bequem;
nicht zu weich.
nicht zu hart.
Übrigens grau
wie die Stühle …
die Seelen, 
die Gesichter,
die Gedanken,
die Ansichten
und die schon 
ausgehobenen
Behelfs-
Krumen-
Gräber.

(4) 
Metastasen der
Besagungslosigkeit
wuchern an mir hoch.
Ich verrate ihnen 
- nihilismuskundig -
ihre Bedeutung:
Sie horeb-mystisch
beflammt 
anschweigend
für die nächste 
Runde leerer 
Verbrämungssentenzen.

Der sich selbst technologisch entmächtigende Mensch (2908)44

Das, was ich Geist hier nenne,
wird verschwinden;
und bleiben nur 
ein anonymes Laisser-faire.
Das wird die Markt-Atome
ihrer selbst entbinden,
auf dass sie allverfügbar 
ihm einst seien:

Sich spracharm kerntorpid,
meint: kulturell dann 
ohne Widerstände,
den ingeniösen Mächten hinzugeben,
sich diesen hörig 
wie von selbst zu leiten
durch trugperfektes 
Existenz-Ambiente …

Um so, sozial vereinsamt,
nach sich selbst zu streben
in einem permanenten Gleiten
durch hergestellte Wirklichkeitsphantome;
tatsächlich faktenleer …
Ihr Glück verteilend  
an tranceblind steuerbare,
in sich gefangene Anome.

Auto-Transzendenz* (2909)45

Nur sprachlich kann ich selbst mich sehen:
Als multirelative Perspektive.
Zugleich Bestands-Ich-Selbst und Leib-Vergehen:
Hadronen*-Direktive.

Ansonsten - faktisch - Wir gelungen
(dass frei ich wäre, das ist Träumerei):
Effektgewirre von Reklame-Zungen,
ein Markt-Erlösungs-Schrei.

Das ist im Augenblick mir freilich ganz egal,
weil ich das in Gedichte gieße.
Die mir sind Sinn- und Daseins-Gral.
Und eines toten Gottes Sehnsuchts-Grüße.

*Autotranszendenz: Selbst-Überschreitung
*Hadronen: Protonen (positiv geladen) und Neutronen (keine Ladung), Teilchen, die den Atomkern ausmachen
s. Fremdwörterverzeichnis

Trance als Entlastungsbann (2910)46

Was wird's denn groß gewesen sein?
Nicht viel, befürchte ich.
Vor allem Trauer, Einsamkeit und Schein.
Und manches, was zu schnell verblich,

als dass ich's hätte deuten dürfen.
Es ist ja schwer, das zu erfassen,
was wir als Trance aus Augenblicken schlürfen,
um der sich gierig zu verprassen.

Das Meiste wollen wir doch gar nicht wissen.
Wir nehmen's, selbst uns zu entgehen.
Der Sehnsucht nach Entlastungsbann beflissen,
die derlei Trance lässt unbesehen.

Mich mir selber bewahren!? (2911)47

So ist’s: Ich bin mir meiner Nichtigkeit* bewusst;
dem, dass sie ist total.
Ich setzte dennoch nie auf Selbstverlust:
Dazugehören, Wohlstand, Zahl.

Erstrebte Geist und Außenseitertum,
was beides ja dasselbe ist.
Es war mir lieber, denn es macht nicht dumm,
war mir - genau genommen - Daseins-List:

Mich wenigstens mir selber zu bewahren
durch Einsicht und Gedichte.
Um etwas weiser einst dann in die Gruft zu fahren
in Nichts- und Hyle-Dichte.

*Klarstellung: Wenn ich von der Nichtigkeit meiner Existenz rede, dann fälle ich ein Urteil über eine 
o b j e k t i v e Tatsache: Meine Existenz ist, objektiv betrachtet, in der Tat nichtig, bedeutungs-, sinnlos. Warum?
Vgl. dazu Seite 10 von S. 44 (44/10): "Naturalismus" (Die Seiten 39 bis 47 handeln von meiner Weltanschauung; Themenübersicht S. 39/1)

Zufrieden (2912)48

Für mich allein, ja: ganz zurückgezogen
verbringe ich mein Leben.
Zufrieden; auch weil unverbogen.
Nach was auch sollte ich denn streben?

Nach Ansehn, Ehre, Geld und Leibern
von gängig schönen Frauen?
Nach der Beachtung gar von Zeitungsschreibern,
Polit- und Tugend-Pfauen?

Mir reicht ein Abend ohne Aufregungen;
mit einer Flasche Wein;
mir selber adäquat gelungen
in diesem primitiven Sein.

Das niedergeht, weil geistig ausgelaugt;
so wehrlos, dekadent und schal.
Das nicht einmal für Mitleid taugt:
Verwahrlosungs-Moral.

Gefragt nach meinem sogenannten „ökologischen Fußabdruck“ (2913)49

Ich bitte Sie, mich zu verschonen
mit ihrer Weltanschauungsdringlichkeiten:
Was tun ich sollte und was meiden,
mich ethisch zu belohnen.

Ich fliege nie in Urlaub, fahre nur
8 km noch am Tag.
Lass überhaupt von dieser Wohllebenstortur
mit ihrem negativen Lustbetrag.

Macht doch nur Mühe; und viel Stress,
um Leeren dann zu lassen
für glücksunfähig infantile Klassen,
ergierend jeden Zeitgeistzwang-Exzess.

Dies allzerrüttete Land (2914)50

Nun ja, das ist 
ein Scherbenhaufen,
das Land, 
in dem ich Bürger bin.
Sich feige selber
längst entlaufen
in undeutbaren 
Pseudo-Sinn.
Da kamen hoch
zu viele Nieten,
Narzissten 
und Verruchte;
und die, die haben 
nichts zu bieten:
Von eben solchen 
Ausgesuchte.
Längst habe ich
mich abgewandt,
vertrauens- hoffnungs-
und empfindungslos.
Seit Jahren 
in mich selbst gebannt:
verbittert, zynisch 
und verachtungsgroß.  

Selbstbewahrung/Sonett (2915)51

Der Tyrannei des Mammons zu entrinnen,
hab ich mir diesen Selbstzweck hier erschaffen:
Mich mittels Kunstgebilden fort zu raffen
aus diesem Sog von Tugend und Gewinnen,

von Korruption, Neurotiker-Ansinnen,
narzisstisch inszeniertem sich Begaffen
und Selbst-Verdinglichung in Sex-Schlaraffen …
Kurz: Weisen, Selbstverfügung auszudünnen.

Doch ob Notiz auch andre davon nähmen,
ist sekundär für mich, ich seh’s luzide:
Mein Tun erlaubt mir, all den Schund zu zähmen,

der stündlich auf mich einstürzt als perfide
Verführungsmasche, geistig mich zu lähmen
als warenselige Verfügungs-Niete.

Andeutungen über große Ideen (2916)52

(Anlässlich der Durchsicht der Eigenschaften, die - nach Ernesto Che Guevara - der Neue Mensch haben würde, sollte es gelingen, eine kommunistische Gesellschaft zu etablieren)

Doch. Ohne Zweifel wäre der ganz groß,
der sich für dieses Ideal einsetzte:
neidlos zu sein, bescheiden, solidarisch, allselbstlos,
nicht einer, den nur Gier und Mammon hetzte.

Ich tu das nicht, weil ich’s für sinnlos halte.
Man heiße Zyniker mich auch deswegen.
Seh ich doch dies: Der Mensch ist eine kalte
Marionette wesenstiefer Trägen.

Auch eine seiner selbst, nicht böse und nicht gut.
Verfall und Zeit, Macht und Gesellschaft überlassen. 
Gebannte Organismus-Glut;
sich als Bedürfnisbüttel nur zu fassen.

Für sich allein zumal sein ganzes Leben lang.
Und zehrend so von Zeitgeistillusionen:
Die in sich selbst er modelt um in Zwang,
von Nihilismus sich und Randgewalten zu verschonen.

Sei’s metaphysisch, ethisch, rechtlich 
sei's gar existenziell …
egal … erkläre ich für völlig schuldlos ihn.
Ist er doch Stoffgefüge ohne Wahrheitsquell,
geworfen leeren Perspektiven hin.

In späten Jahren (2917)53

Sie wächst, die Antriebslosigkeit;
Ununterbrochen fast.
Man spürt die Alterslast,
dass man ist Grab geweiht.

Verliert so auch die Lust 
am Leben überhaupt.
Sich mehr und mehr bewusst,
dass man an Sinn nur glaubt.

Viel macht's ja auch nicht her:
Schein, Mühe, Zwang, Routine.
Ganz selten Selbsteinkehr.
In der sich's zeigt als eigne Schiene.

Auf der man selbst nur fährt; allein.
Die andern winken nur am Rand.
Man griff sie nie; und wenn als Schein:
Auf immer fremd und unbekannt.
 
semper idem* II (2918)54

Immer red ich von denselben Dingen:
Von Ich- und Hab-, von Macht-Sucht und
von sich entfremdeten Monadenmassen,
die sich erleben nur, doch nicht erfahren,
die ihrer selbst benommen sind durch Spaß,
die immer leichter auch zu lenken sind,
weil sprachlich sie so arm doch wurden,
dass sich im Wort zu fassen sie verlernten …
erlebnis-, drogen- und entlastungsgierig,
weil wirklichkeitsverlustig ohne Halt und Ort,
der ihnen Heimat könnte sein, doch eine solche,
die sie aus dieser Ratio-Wüste manchmal führte,
der Ahnung fähig, dass sie ichschwach sind,
Gegängelte, Verführte, Ausgebeutete,
die sich als Marktabklatsch berieseln müssen
mit dauerproduzierten Emotionen, 
sich zu verlieren in den Zeitgeist-Räuschen
von innrer Leere, kulturell entmächtigt
und ein für allemal Konsum-Fellachen.

Ich redete von stets denselben Dingen?
Gewiss doch, suchen sie ja heim auch mich:
Sie tun es dauernd, zu zermürben mich,
mich schmierig, sanft und rücksichtlos 
mit allem lockend, was berauschen kann,
mit Füllen, die subtil entkräften,
die schwächen jeden Seelenwiderstand,
zuletzt mich leiten wollen dann in Selbstverlust …
als ihrer Schund-Ekstasen höchster Sieg …
Verlassen metaphysisch auch, meint: geistig tot …
Entfesselt so auch dann zur Selbstzerstörung 
durch kindlich triviale Gegen-Welten

*semper idem lat.: Immer dasselbe

Stundengeschehen (2919)55

Oft sind es grad die leeren Tage,
gesäumt von Trauer, Einsamkeit und Stille,
die offenbaren mir die späte Lage:
Die seelenloser Fülle.

In der die Selbstaufgaben ganz subtil geschehen:
Verwahrlosungsberauscht und laut,
so dass die Leute sie sich gar erflehen:
mit derlei Außenlenkung tief vertraut.

Indes ich selber wieder deutlich greife
die Ohnmacht von uns Stoff-Monaden
auf unsrer vorgegebnen Daseins-Schleife
von Trancen, Zahlen, Quanten, Daten.

 

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.