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Selbstbezüge/Andeutungen über mich selbst.
Diese Seite enthält 65 Gedichte (19 Prosa-, Reim-Gedichte und 46 Sonette)
Heteronomie/Sonett (2801)1
Ging es um Selbstbestimmung, als ich gegen
die Werte aufbegehrte, die die Vielen
als Glücks- und Existenz-Grundlage fühlen,
zumal als Freiheitsgarantie auslegen?
Wo ich doch weiß, dass mich bis heute prägen
mein Selbst als Zwang, die Herkunft und die Mühlen
der hochprekären und ganz instabilen
Verwahrlosungen, die sich in mir regen?
Fakt ist, ich habe immer unterstanden
Gewalten, die mich, unfrei, vorwärts trieben.
Und die, die machten, dass mich nie ganz banden
- sei’s Zeitgeist, seien’s Reize, sei’s Belieben -
an all die Weisen, psychisch zu versanden
auf täuschungsträchtigen Entlastungswegen.
Lebenswerte Zukunft?/Sonett (2802)2
Ob wir’s in eine lebenswerte Zukunft schaffen?
Dank etwa intellektueller Höchstleistungen,
die Wissenschaft und Technik werden sein gelungen?
Schon immer unsre artzentralen Zugangswaffen
zu den uns tief erlösenden Konsumschlaraffen.
Wir, die wir sogar gieren nach Flamingo-Zungen
und Ich-Behelfe steigernden Belämmerungen,
uns jener Gleichungs-Nihilismus zu entraffen.
Schon dieser Gegenwart will ich indes entfliehen,
damit nicht ausweglos sie mich nach ihr nur präge,
betört verfallen ihren künstlichen Magien.
Auf dass ich geistlos, kindisch, roh, blasiert und träge
begeistert danach trachte, nur noch zu vollziehen
ihr Spaßprogramm subtil verdeckter Nackenschläge.
Genetische Lotterie III/Sonett (2803)3
Ich leg mich fest: Das Selbst ist angeboren.
Es ist die Form von Handeln und Erleiden.
Bestimmt das Wählen, Sehnen und das Meiden.
Ob ich mir selbst verfügt sei oder Toren.
Man ist ihm ausgeliefert, ja: verloren.
Es, Lotterie entsprungen, wird begleiten
ein Leben lang und prägen alle Seiten.
Ihm ist man als dem eignen Kern verschworen.
Ich hatte Glück. Ich muss es offen sagen.
Da doch aus jener flossen Geistesweiten,
die feiten gegen alle Niederlagen.
Und selbst des Nihilismus kalte Tränen
ließ sie in Lachen trocknen, ließ mich leiten
sie in Gedichte, jenen zu zerschlagen.
Selbstbesinnungswidersprüche/Sonett (2804)4
Mich mir in Selbstbesinnung zu verlieren,
muss immer wieder ich an mir erfahren.
Um dann in dieser schmerzlich zu gewahren,
dass, was als Selbstmacht lässt uns existieren,
meint, von uns selbst uns schroff zu distanzieren:
Vom Kampf um Geld und leibliches Bewahren.
Um geistig uns, meint: Logos aufzusparen …
Von Ichsucht frei, Geschwätz und Zeitgeistschlieren.
Doch andrerseits ist das ein bloßer Glaube.
Zeigt jene auch doch, dass ich Stoffding bin.
Tatsächlich mich aus Teilchenzufall klaube.
Und das heißt existiere ohne Sinn.
Dass auch der Geist sich den nur magisch raube,
sich letztlich Selbstbetrug so gebe hin.
Entmächtigt/Sonett (2805)5
Ich sehne mich nach Einsicht und Besinnen.
Will ich doch mehr sein als nur angedachte
Synthese, die als Abstraktion verlachte
der Jünger von Erfolgen und Gewinnen.
Der mir so fremd ist, weil ist bloßes Rinnen
aus Kreatürlichkeit, die ihn verbrachte
in Marktknechtschaft, die alle uns doch machte
zu Gram-Monaden, die in Trance zerrinnen.
Mir bleibt da nur, mich heimlich zu entflechten
den konsumtiven Ausweglosigkeiten
sterilen Rauschgebarens toter Seelen.
Die längst um inszenierten Selbstwert fechten,
sich so zu lindern ihr Narzissmus-Leiden,
in dem sie hilflos sich als Selbst verfehlen.
Progressiv zersetzende Narkose/Sonett (2806)6
Was wir jetzt für die höchsten Güter halten:
sei’s Selbstbestimmung, Wohlstand, sei’s Erleben,
das werden wir zertrümmern durch die Beben,
die - ganz notwendig - diese selbst entfalten.
Indem sie anarchistische Gewalten
in Psychen, schleichend kollabierend, weben.
Blasiert sich einem Ich dann hinzugeben,
nicht fähig, zur Person sich zu gestalten.
Ihr, die ihr nach mir kommt, werdet euch winden
durch digitale Barbarei und lose
sei’s Haltgefüge, die nicht seelisch binden,
sei’s Existenzbedingungen als bloße
Fragment-Behelfe, ziellos euch zu schinden
durch progressiv zersetzende Narkose.
Mein ganzes Leben/Sonett (2807)7
Mein ganzes Leben sind Versagenskreise.
So etwa der, mir Fakten umzutaufen,
um meiner Ängste Druck zu unterlaufen.
Auch dass mich weniger Alleinsein beiße.
Wobei ich mich in Selbstmitleid verschleiße,
um dann, versteckt in Psychen-Nebelhaufen,
mich nur Phantasmen-Trüben abzuraufen.
Orientierungslos in jeder Weise.
Und dennoch würde ich es noch mal machen,
um wieder in Sonetten zu bekennen,
wie’s um uns steht: Wie zynisch unser Lachen,
erbärmlich ist dies infantile Rennen
in dieser Daseinsfarce von Nebensachen,
um diesen, marktblasiert, sich auszubrennen.
Vier sich ergänzende Sonette
(1) Definitiv prägende Kindheit (2808)8
Sie hat mein Menschenbild so tief geprägt,
dass es sich nicht geändert hat bis heute.
Haben’s ja immer auch genügend Leute
durch das bestätigt, was zentral sie trägt:
Magie der Selbstsucht, die Prestige erregt,
Pleonexie subtilster Weltausbeute,
das Hasten nach Erlebnislust statt Freude
und Überragen (alles kerngelegt).
Ich höre manchmal, dass ich übertriebe,
uns würde substantieller Bosheit zeihen.
Indes der Mensch doch strebe auch nach Liebe,
Verständnis, Güte, Mitleid und Gedeihen.
Das ist so. Indes seltne Zufallsschübe,
genetisch ein paar Ausnahmen zu weihen.
(2) Infragestellung europäischer Grundwerte/Sonett (2809)9
Es ist gewagt, auf Toleranz zu setzen,
vernünftig sich und autonom zu heißen.
Schon weil wir um labile Kerne kreisen.
um Selbstwertmängel und Brachialergötzen.
Wir machtbesessen andre auch mal hetzen.
Zumal wir immer mehr auf fremden Gleisen
versuchen müssen, kompetent zu gleißen.
Kaum fähig doch, uns selbst nicht zu verletzen.
Doch diese Sicht wird niemandem gefallen.
Will man als zeitgeisttypisch gut doch gelten.
Indes nur hochabstrakt und blass aufscheinen
die Würde-, Gleichheits- und Naturrechts-Welten,
die Offiziellen, laut beklatscht, verhallen.
Indes sich Daseinsqualen still beweinen.
(3) Die Würde-Farce der Konsumdiktaturen/Sonett (2810)10
Verehrter Kant, ich will Euch nicht verraten.
Würde gar gerne Euer Erbe retten,
indem ich die entlarve, die sich betten
in Eurer Würde - und so schwer ihr schaden.
Indem sie sich in ihrem Glanze baden,
den ein sie fügen ihren Phrasenketten,
insinuierend, dass sie jene hätten.
Tatsächlich selbstwertarme Macht-Nomaden:
Mammonoman entschämte Schein-Eliten.
Doch außerstande, Würde zu gestalten.
Sie müssen deren Antipoden bieten:
Verdinglichung, Pleonexie-Gewalten,
dem Heer von um Adiaphora Bemühten,
die zeitgeisthörig sich an Spaß nur halten.
(4) Genetische Gnade/Der Würde Geisteswelten/
Sonett (2811)11
Es ist verkehrt, ja: magisch surreal,
zutiefst verlogen, eben Hybris-Mythe,
der Mensch sei gut (verfüge über Güte).
Und habe überhaupt die freie Wahl,
sich loszumachen von der Ich-Drangsal,
der Selbstsucht-, Macht- und Geltungs-Attitüde …
Sogar von der, die brachte ihn zur Blüte:
Materie, Verfall ihm wie auch Gral.
Ganz selten nur spürt jemand diese Gnade,
dass er sich dürfe selber überschreiten.
Und wenn, dann weder sich noch andern schade:
Statt füge lindere die Daseinsleiden.
Entronnen sich in einem solchen Grade,
dass ahne er der Würde Einsichtsweiten.
Resignative Spiegelungen/Sonett (2812)12
Wie werde ich einmal zugrunde gehen?
In welchem Zustand? Wo? In welcher Stunde?
Es sei. Geheilt sein wird dann diese Wunde
von Daseinsbarbarei und Ich-Versehen.
Zumal es mir gelang, auch zu verstehen,
dass alles doch bedrückt, was steht im Bunde
mit diesem Zwang zu kulturellem Schwunde:
Der macht, dass man will Unmaß unterstehen.
So lässt sich all dem nicht viel abgewinnen.
Es sei denn Einsamkeit, um es zu denken.
Sonst muss man Leistung oder Spaß verrinnen,
sich zu erregen oder abzulenken.
Um einem Psychenschwund sich auszudünnen,
der letztlich nur kann Selbstverluste tränken.
Gaukelrausch/Sonett (2813)13
Die Nacht hab ich geliebt und ihre tiefen Stillen.
Um konzentriert mir selber geistig nachzuhängen
und frei von existenzbezognen Alltagszwängen
mich gegenkreatürlich (schaffend) zu erfüllen:
Mich fasziniert der deutschen Sprache einzuhüllen.
Im Alltag unterwerfe ich mich dann den Engen
der Arbeit um des Lebensunterhaltes willen:
Erledigungen, Zahlenreihen, Datenmengen.
Mir sind die Würfel so denn optimal gefallen.
Weshalb von Gnade lieber als Verdienst ich rede:
Ich lasse nachts die andern und die Welt abprallen,
indem ich Zeilen schreibe als entlastungsstete
Versuche, ganz allein in mir nur nachzuhallen,
gebannt von einem Gaukelrausch diviner Lethe.*
*Divine Lethe: göttliches Vergessen
Unterschiede II/Sonett (2814)14
Welch wunderbarer Zauber liegt im Unscheinbaren:
Wenn etwa warme Sommerwinde leise brausen,
sich kleine Tiere zeigen, die in Ritzen hausen
und lange Schatten alter Mauern eng bewahren.
Wenn unter Himmelsbläuen weiße Wolken fahren,
sich Katzenkinder balgen und ihr Fell zersausen,
mir Seelenfriede zuspielt deutungsleere Pausen
und so gewährt mir, mich mir selber zu ersparen.
Und solche Kleinigkeiten haben mich getragen …
Von andern regelmäßig achtlos übersehen.
Zumal auch ständig ausgesetzt Familienlagen,
geeignet, mich Gelächter-Hämen hinzusäen;
die so bedrückten, dass ich konnte mir nur sagen:
Der Mensch muss Gram und Niedertracht sich blähen.
Erinnerungen an frühe Jugendjahre/Sonett (2815)15
Es waren diese Dinge, die mich hielten:
Zum Beispiel ein paar Mark für Zigaretten
und für Spelunken, wo sie Elvis spielten.
So wollte ich mich vor Verzweiflung retten
und Zukunftsängsten, die mich unterwühlten.
Wo sich die Assis trafen und die Fetten,
die auf ein Häppchen Anerkennung zielten.
Bereit, für die sich auch in Dreck zu betten.
Aus solchen Dingen lässt sich sehr viel lernen.
Tatsächlich prägen sie ein Leben lang.
Ich trage sie noch heute in den Kernen.
So warn mir Menschen niemals von Belang,
verblieben Schatten mir in weiten Fernen.
Sah sie als Grund für Leid und Niedergang.
Variante: 9-14
Ich spürte bald die übergrölten Leeren:
Zumal die waren faktisch mir zu greifen.
Als Einsamkeit und Sucht nach Selbstverheeren.
So wird man stets sich um sich selber schleifen
und nur ganz selten kosten von den Beeren,
die anderen zu höchsten Gütern reifen.
Spelunkenhalte/Variante/Alte Fassung (2816)16
Es waren solche Dinge, die mich hielten:
Zum Beispiel ein paar Mark für Zigaretten
und für Spelunken, wo sie Elvis spielten.
Sie sollten aus der Einsamkeit mich retten.
Da trafen sich, die mit Verzweiflung dealten.
Die Prolls, die kleinen Gauner und die Fetten,
die auf ein Häppchen Anerkennung zielten.
Bereit, für die sich auch in Dreck zu betten.
Was war das lehrreich! Schule für das Leben.
für einen seelisch schwerstverarmten Jungen,
für den es fürderhin nur konnte geben
Gewalt und Amoral, versiert gelungen
all denen, die Prestige und Macht erstreben …
Ein Vorurteil … Von Hass und Wut erzwungen.
Weder Selbst noch Vernunft noch Bedeutung/
Sonett (2817)17
Was sollte denn mein Leben schon bedeuten?
Kann ich doch selbst nicht über es verfügen.
Muss zudem ständig mir die Mär vorlügen,
dass ich mich würde nur für mich ihm häuten.
Mitnichten. Ausgesetzt sehr vielen Leuten,
die wohlstandstoll mich indirekt bekriegen,
indem Konsumrausch sie als Glück erliegen.
In dessen Folgen mich dann mit vergeuden.
Wenn man sein Leben gar nicht selber spuren
und kein Vertrauen mehr sich kann bewahren,
verschwimmen einem schleichend die Konturen.
Man wird zum Abklatsch dann der Hauptstromscharen
und ihren rauschbasalen Mammon-Suren,
Pleonexie verfügt bis auf die Bahren.
Tiefenstruktur/Sonett (2818)18
Meist hab ich mich am Rand nur aufgehalten.
Denn in der Mitte tummeln sich die Hechte
und smarten Sieger cooler Ich-Gefechte
um Spaß und Spannungsrausch auf Wohlstandshalden.
Die, unterworfen stillen Marktgewalten,
gar nicht durchschauen deren Kerngeflechte
der Haltverluste bis in Psychen-Schächte.
Die muss sich jeder von sich selbst abspalten.
Wiewohl die Menschen müssen akzeptieren,
dass sie, genormt auf sich zurückgebogen,
weil ähnlicher grad fremder sich verlieren.
Von Geldwirtschaft und Mythen aufgesogen.
Als Kunden nur noch auf sich selbst zu stieren.
Begeistert auch noch von sich selbst betrogen.
Mittagsglocken/Sonett (2819)19
Die Glocken läuten mich aus Wirklichkeiten,
die nun im Alter ich exakter fühle:
Als technologisch generierter Kühle.
Vereinzelung, in der wir hilflos gleiten.
Uns fremd und haltlos manisch strikt vermeiden
die Einsicht, dass sie weder Sinn noch Ziele,
nur Leerlauf bieten kalkulierter Mühle.
Zu überformen durch Ekstase-Pleiten.
Doch wenn ich jene Glocken läuten höre,
dann schwindet das bedrückende Gehabe
der Großen Farce und ihrer stummen Chöre.
Dann zählt nicht mehr dies Ich am Bettelstabe.
Ich spür den Zauber einer stillen Kehre
aus dieser Zeiten destruktiver Gabe.
Hoffnungslos/Sonett (2820)20
Von welcher Hoffnung sollte ich denn zehren?
Da ich dem Gängigen bin nicht gewogen.
Es auch als Fehlweg deute: tief verlogen.
So nicht mal willig, es als Not zu ehren.
Was soll denn das: Profane Lüste mehren,
nur von Erlebnisketten aufgesogen;
und so dann geistig selber sich entzogen?
Das muss doch führen in verdrängte Leeren.
Da leb ich lieber meinen Widersprüchen:
Bedrückt allein an den sozialen Rändern.
Und illusionslos angesichts von Brüchen,
die nicht mehr heilbar sind, sich nie mehr ändern.
Mit denen meine Nichtigkeit verglichen
belanglos ist: Nur subjektives Kentern.
Geistgnade und Einsamkeit/Sonett (2821)21
Gegen die Einsamkeit was auszurichten,
sie zu beherrschen oder zu verdrängen,
ist aussichtslos. Erst mal in ihren Fängen,
ergreift sie alle personalen Schichten.
Um einen ihr gemäß dann zu gewichten:
Profaner Stille mit ganz stummen Zwängen.
Man traut nicht mehr den vorgegebnen Gängen,
um sich dann Du und Nicht-Ich zu entpflichten.
Ich durfte sie als ein Geschenk erfahren,
warf sie mich doch zurück auf meine Mittel.
Die geistig sind und mich so strikt bewahren,
mich anzubiedern dieser Welt als Büttel
von Selbstbestimmungsmärchen und von Waren,
von Daten, Ethiktrug und Gleichungs-Knüttel.
Ein Gedicht/Sonett (2822)22
So ein Gedicht, na ja, sucht einen heim.
Es lauert einem auf. Man macht es nicht.
So ist es meistens. Sei’s auch noch so schlicht.
Doch bricht’s hervor aus subjektivem Keim.
Ob’s nun in Prosa schieße oder Reim.
Ist manchmal Weltflucht, manchmal Selbstgericht.
Zuweilen auch brutale Tiefenschicht.
Hervorgequältes aus Materieschleim.
Und es ist Zwang, der sich nicht leicht begründet.
Ein Psyche-, Körper- und ein Selbst-Fanal
Was dreifach einen unbegriffen schindet.
Als sei es a priori schon ein Mal,
das einen lebenslang an Scheitern bindet
und eine still basale Einsichts-Qual.
Eine Freiheit/Sonett (2823)23
Die Anerkennung andrer nicht zu brauchen
für die von mir verehrten Gegenwelten:
Die geistigen, nicht auf Betrug gestellten
und nicht geeigneten, um abzutauchen
in Illusion, sich Wahn und Rausch zu stauchen,
wie Mimik primitiver Leinwandhelden,
sich aus der Wirklichkeit dann abzumelden,
sich eskapistisch Stumpfsinn einzuhauchen …
gewährt mir Freiheit, die ich nicht will missen.
Ist sie doch Selbstbezug intimster Weise.
Macht weder Zeitgeist noch Konsum beflissen,
Schaumschlägerei nicht, noch der Führungskreise
Ideologen-Trällern, um gerissen
sich zuzuschanzen auch noch Tugendpreise.
Außenseiter/Am Rheinufer in Ludwigshafen (2824)24/Sonett
Mein Leben lang war ich ein Außenseiter.
Warum? Das ist so schwer wie leicht zu sagen:
Ich fand mich oft in recht prekären Lagen
am untern Ende der sozialen Leiter.
Es fehlte ein erwachsener Begleiter.
Ich fühlte andre klar mich überragen.
War adipös … und Häme, die macht zagen.
Und wusste oft ganz einfach nicht mehr weiter.
Und doch hab ich aus all dem rausgefunden.
Wie, kann ich letztlich selbst nicht nachvollziehen.
Was gab mir diese Kraft, mich aufzurunden:
In Geistgebilde mich zurückzuziehen,
mich abzusetzen vom Geschick von Kunden?
Ich find’s nicht raus. Ich mag mich noch so mühen.
Mir Schicksal/Sonett (2825)25
Nicht viele Stunden könnte ich benennen,
wenn man mich bäte, ungeschminkt und offen
die aufzuzählen, die mich ließen hoffen,
dass irgendwann in mir zuletzt gewännen
die Kräfte, die mich seelisch nicht verbrennen -
Von Angst dann und Verzweiflung nicht betroffen,
wär ich nicht ausgeliefert diesem schroffen
Diktat, mich ziellos selbst zu überrennen …
Ich wusste immer: Das wird nie passieren.
Und doch gab’s Glücksmomente ohnegleichen.
Dann, wenn mich überkamen diese schieren
Bestandszufälle, mir befehlend Zeichen,
mich zu erheben über mein Vertieren,
um tiefster Einsicht Frieden zu erreichen.
Daseins-Entspurungen/Sonett (2826)26
Ich hab versucht, mein Dasein zu begreifen.
Obwohl doch dafür gar nicht ausgerüstet.
Man wertet nämlich, statt, was ist, zu sehen.
Wird irgendwas sich so zusammendichten.
Da sind die lotterieverzerrten Schleifen,
Versuchung, dass man sich, statt einsieht, brüstet.
Und diese Sucht, sich ichschwach zu erhöhen,
um andere sich freundlich auszurichten.
Zuletzt ist man tatsächlich außerstande,
sein Dasein als komplexes zu durchschauen.
Das ist ja auch nicht möglich dem Verstande:
Man kann sich nicht nur rational aufbauen.
Zumal verliert zuletzt im Staub der Sande.
Entronnen diesem trivialen Hauen.
Stilles Scheitern/Sonett (2827)27
Man sieht ein Bild aus längst vergangnen Zeiten.
Mit Menschen, die schon lange nicht mehr leben.
Und weiß genau, es kann nicht wiedergeben,
was würde in die tiefen Schichten leiten.
War’s doch gestellt, um grade das zu meiden.
Verschleiern sollte es doch all die Gräben,
die sich schon aufgetan doch hatten neben
Entfremdungsschweigsamkeit auf allen Seiten.
Ich schau’s mir trotzdem an, um zu erhaschen
in der Erinnerung die Augenblicke,
noch nicht verstellt durch inszenierte Maschen.
Als sich noch zeigten ganz basale Glücke:
Gelingensträumereien ohne Aschen
und sehnsuchtsdurstig kindsnaive Blicke.
Ausweg/Sonett (2828)28
Warum ich auf dem Friedhof bin so gerne?
Weil dort sich zeigt, wie drastisch wir doch meiden,
dass wir sind nichts als Zufallsnichtigkeiten -
Materieprodukt bis in die Kerne:
Uralter Staub einst explodierter Sterne.
Ein Wissen freilich, das kann nie geleiten
durch diese Existenz, die sich muss weiten,
bis wo sie ausschlürft jede Lustzisterne.
Doch kann der Stoff im Wort sich transzendieren,
sich selbst als Geistesträger so erfahren:
Als nicht mehr leibstet primitives Gieren
substanzkomplexen Sogs des Atomaren.
Darf so sich einem Traum von Sein verlieren,
der nicht mehr hochschießt aus Erlösungswaren.
Verzweiflungstrübe/Sonett (2829)29
Es gibt so Tage zwischen Wut und Reue,
da fühlt man sich verzweifelt und verloren.
Als sei man nur noch Scheitern auserkoren:
Dem eignen Schicksal ohne Halt und Treue.
Man blickt nach oben, wo man sucht nach Bläue,
ein wenig Trost zu finden vor den Toren
des weiten Himmels, dem naiv verschworen
noch immer sind der frühen Kindheit scheue
Verflüchtigungen aus der Daseinsschwere.
Heut ist so einer: Nihilismusschübe
und in Vereinzelung erstarrte Leere
enttarnen mich in solcher Daseinstrübe,
dass ich begreife sie als die Misere,
die niemals sein wird ohne Gram und Hiebe.
Friedhofsbesuch/Sonett (2830)30
Gesichter kriechen hoch von einst Gekannten.
Mit stumpfsinnbrachen, indolenten Blicken.
Die heute noch mit Ekel mich bedrücken.
Wie damals, als sie sich zuerst einbrannten.
Von solchen, die des Zufalls Würfe bannten
in hochprekär beengte Daseinslücken.
So dass sie nie sich konnten menschlich glücken.
Bestimmt, in ihrem Schicksal zu versanden.
Warum nicht ich, das mag, wer kann verstehen.
Mir selbst wird immer es ein Rätsel bleiben:
Warum die einen hilflos untergehen,
indem sie sich dem eignen Ich aufreiben.
Und andern Zufall, Chance und Glück aufwehen,
sie weit dann über sich hinaus zu treibe
Immer/Sonett (2831)31
Ich wusste es so ungefähr zu fassen,
dies Dasein unter Wohllebensprämissen.
Zumal doch ohne Chance, es zart zu küssen:
Ich war ein Außenseiter, Rand den Massen,
die’s ihrerseits begrüßten mit Grimassen,
die deutlich machten: Auf, wir wollen’s wissen.
Entschlossen, sich zu schnappen jeden Bissen:
Auch um sich nah zu fühlen ihren Assen.
Vom Rand her wird man immer schärfer blicken
als jene, die im Durchschnittstrubel weben.
Wird gar gewahr auch jener feinen Tücken,
die dieses Dasein können steil erheben.
Sogar durch Sauereien es so schmücken,
dass es dann gilt als ehrenwertes Streben.
Am Grab der Eltern II/Sonett//3.1.21 (2832)32
Ich war am Friedhof oben, eurer zu gedenken.
An diesem trüben Tag enthemmter Trauerschübe.
Auch um von jenem stillsten Gram mich abzulenken,
der, bräche aus er, mich in kalte Einsicht grübe.
Sodass mir wieder einmal nur Verzweiflung bliebe,
die schon seit Kindheit meinen Nihilismus tränken
und offenbaren muss mir Wut und Hass und Hiebe.
In Hinterhalten lauernd tiefster Psychen-Senken.
Im Laufe von Jahrzehnten mag sich manches heilen.
Doch niemals Wesensfremdheit und versäumte Worte.
Denn die, die kann man gar nicht miteinander teilen.
Sind sie doch stumme Brachen dunkler Orte.
Und werden weiter so in meinen Leeren weilen:
Kristallne Alptraumschemen ohne Seelenpforte.
Substantieller Gleichlauf/Sonett (2833)33
Längst spüre ich, dass meine Kräfte schwinden.
Die körperlichen zweifellos am meisten.
Der Stoff wird müde, kann nicht mehr viel leisten.
Er musste sich ja pausenlos auch schinden:
Als Leibgeflecht und Triebgefüge gründen,
da Moleküle doch sein Wirken speisten.
Das auch Exzesse mochte sich erdreisten.
Sei’s. Bald wird all das ja in Nichts einmünden.
Auf immer irgendwann dann sein vergessen.
Obwohl doch jeder muss es wiederholen:
Bedürftigkeit und Rätsel-Los durchmessen
zwischen denselben beiden Kreislaufpolen:
Geburt und Tod. Um sich als Ich zu messen
mit andern Ichen, gleichem Drang befohlen.
Über die Fragwürdigkeit des basalen Daseins/
Sonett (2834)34
Längst bin ich körperlich ein Wrack. Spür’s Tag für Tag.
Rapide schwinden Kräfte, indes Schmerzen quälen.
Da tobt ein Niedergang, dass ich in etwa zählen
die Jahre kann, die mir noch bleiben bis zum Schlag.
Vielleicht hab ich ja Glück, so dass es letztlich mag
gewährt mir sein, mich ohne Leiden raus zu stehlen
aus dieser Farce, die kaum doch jemand würde wählen,
wenn um sie wüsste er als Trance und Nullbetrag.
Und doch will ich versuchen, bis zur letzten Stunde,
ein paar Sonette noch aus mir herauszupressen.
Obwohl ich nichts zu sagen habe, keine Kunde
von Sinn, Gelingen, Würde weiß - Nur von Exzessen
der Wir-Gefangenschaft: Dass die in jeder Runde
erzwingt, an sich zu scheitern und sich zu vergessen.
Resignierte Kerneinsichten/Sonett (2835)35
Ich, Ohnmachtsbündel, bin verbracht globalen
Gestaltungskräften, die mich dirigieren
mit Medien-Mythen, Tugenddruck und Zahlen.
Die unablässig mir diskret diktieren,
was für mich gut sei, fülle meine Schalen.
Damit ich, scheelzahm vor Entlastungsschlieren,
mir könne jenen Daseinszweck ausmalen,
zu dem mich solche Zwänge sollen führen.
Nicht nur nicht frei bin ich, nein: auch geschoben
von jenen Mächten, die sich mir nicht nennen.
Die schamlos darauf zielen, dass enthoben
ich meiner selbst sei, um in ihrem Rennen
mich enthusiastisch geistlos auszutoben.
So ihrem Vorteil menschlich auszubrennen.
Verwahrlosungslüsternheit - Eine kynische* Tirade/
Sonett (2836)36
Wer will an mir denn Interesse nehmen,
wenn ich den Zeitgeist radikal verneine?
Zumal vertrete eine lupenreine
Askese-Ethik, mich nicht zu entschämen.
Was Kunden machen, aber sich’s verbrämen.
Die, permanent an der Reklameleine,
subtil gesteuert werden und so keine
Distanz mehr zu sich haben, sich zu zähmen.
Ich sage offen, wie ich sie so fühle:
Nur noch Objekte in Konsumgesteche,
Monaden, die im zynischen Gewühle
vergotten Eskapismus, Lust und Bleche.
Die sich längst drehen einer Schicksalsmühle,
nicht mehr zu zahlender fataler Zeche.
*Kyniker s. Fremdwörterverzeichnis
Sinnlos trudelnd/Sonett (2837)37
Nicht einen Menschen will ich, dichtend, bessern.
Schon gar nicht einen mir als Bruder hüten.
Das würde mir die Einsicht doch verwässern,
dass wir mitnichten über uns gebieten.
Geliefert aber sind den Wohlstandsmessern,
Pleonexie-Sog und Verdrängungsriten.
Und uns entlasten mit Vernunftluftschlössern.
Das sind die Fakten, die sich mir darbieten.
Als Einzelner kann ich nur selbst mir zählen.
Doch deshalb ist das Ganze nicht gleich böse:
Gerichtet gegen mich, den’s wolle quälen.
Dass ich allein bin, ist normal - Und Größe
kann kaum sich einer leisten, denn Verfehlen
gehört zu uns. Wie die verdeckte Blöße.
Den Koryphäen des Geistes gewidmet/Sonett (2838)38
Nach dieser Mitternacht und eins, zwei Stunden
werde ich siebzig Jahre hier auf Erden
bedeutungsloser Niemand sein wie viele.
Wenn auch ganz illusionslos und alleine
in diesem Tross von gleich gemachten Kunden,
die täglich sich als Umsatzmehrer werden
in diesem formelhaft globalen Spiele,
das alle lockt und nimmt an seine Leine.
Ich werde dankbar dann mein Glas erheben
auf jene, die mich all die Jahre trugen.
Mich so entrissen dürftigem Erleben:
Mich aus dem Griff von Markt und Phrasen schlugen.
Und mir erlaubten, Geist mich zu ergeben:
Mir zu entkommen durch der Einsicht Luken.
Warum, das weiß niemand/Sonett (2839)39
Was gab es denn zu meinen Gunsten vorzubringen?
Dem Durchschnittsmenschen, aus der Masse Bauch gekrochen?
Ich konnte nicht einmal auf Traditionen pochen,
auf ihnen aufzubauen Halt und Selbstgelingen.
Zu fürchten war, dass ich so würde gängig singen
- von vornherein doch schon entnervt gebrochen -
des Marktes Durchschnittsglücke. Seinem Sog versprochen.
Und: Außerstande, seinen Stumpfsinn zu durchdringen.
Indes kam’s anders. Doch warum, kann ich nicht sagen.
Dem Zeitgeist bin ich mehr und mehr davongelaufen,
entschlüsselnd seine Täuschungsmacht und seine Haken.
Er wollte immer nur mir Pseudo-Glück verkaufen.
Um dann, tatsächlich absichtslos, in Geist getragen,
mich diesem, einsichtstief verfeinert, abzuraufen.
Andeutungen früher Lebenserfahrungen/Sonett (2840)40
Vermochte nie an Ideal zu glauben.
Das war von vornherein mir nicht gegeben.
Zu mir war’s nicht so freundlich, dieses Leben.
Schon früh nur bietend ziemlich saure Trauben.
Ein Glücksfall. Konnte ich mir doch erlauben,
scharf hinzusehen auf dies Trauerweben.
Auch auszuspähen tiefste Seelengräben.
Genug, um Ideale mir zu rauben.
Ich durfte lernen, nicht von Schuld zu sprechen.
Weil ich zuweilen Stumpfsinn drastisch fühlte,
der mich erahnen ließ ein Kerngebrechen,
das durch ein mittelloses Ich sich spülte,
um dieses kommandierend zu verzechen:
Ein Ich, das nichts begriff und auf nichts zielte.
Angriff II/Sonett (2841)41
Ich bin nicht dumm genug, mich einzugraben
Vernunft und Würde, um mich auszurichten.
Weil Faktenwelten und Erfahrungsdichten
doch stündlich zeigen, dass sie keine Gaben
der Menschen sind, die sich als Drangsal haben.
Man wage nur den Blick in Psychen-Schichten,
um ihre Zwangsbefehle sich zu lichten:
Kommandowogen dichter Selbstsuchtwaben.
Kulturinhalte, die auf Selbstzweck zielen,
auf Maß und Mitte und Verfeinerungen,
verbleiben immer Traum in Geist-Asylen.
Nur Mittel fassen kann der Schnitt, gedungen
von Mächten, die sich halten, w e i l verspielen
ihn selig schicksalhaft von sich umschlungen.
Befund II/Sonett (2842)42
Auf Zeitgeist wütend, seine dumpfe Leere,
das deute an, wie ich mich oft befinde.
Indes ich weiß, es lohnt nicht mal die Tinte,
es aufzuschreiben. Und gar noch als Lehre.
Es fehlt der Sinn für geistige Misere
bei einem auf Konsum dressierten Kinde,
das nichts bemerkt von jenem Marktgebinde,
mit dem es schnürt sich seine Daseinsschwere.
Doch spricht man’s aus, dann lässt’s mal ab von einem.
Es ist, als könne geistig man es lähmen.
Dann glänzt auch auf in so präzis wie reinem
Befund, was Scheitern heißt in Tauschsystemen.
Und man begreift: Gegeben ist es keinem,
sich ohne Täuschung noch zu übernehmen.
Existenz-Determinismus/Sonett (2843)43
Dass ich gewählt mich hätte, kann ich nicht erkennen.
Zumal ich weiß, dass tiefenpsychisch mich umranken
die Kindheitsschemen, die, gleich ungreifbarem Schwanken,
in meinen Kernen wispern, um mich zu berennen
als Schatten-Iche. Von mir selbst nicht mehr zu trennen.
Ganz frühe Ohnmachtsopfer, die in Scheitern sanken:
In Ausgesetztheitsfron, an der wir alle kranken.
Um Zufallswirren je nach Lage zu verbrennen.
Ich würde nie von mir behaupten, ich sei frei,
mein Dasein zu bestimmen, wie es mir gefalle.
Dass ich Vernunft-, Bedeutungs-, Würde-Träger sei.
Wenn ich doch schon mir selber sitze in der Falle:
Ein folgenlos Vergänglichkeit verfügter Schrei,
sich selbst aufzwingend, dass er ungehört verhalle.
Ich will/Sonett (2844)44
Was es mit mir persönlich auf sich habe?
Nichts, was für andere Bedeutung hätte.
Ich laufe doch nicht mit in der Stafette
der Konsumenten mit der großen Gabe,
sich zu verhehlen, dass ihr Ich-Gehabe
auch zeigt, wie sehr sie an der Zeitgeistkette
des Wohlstands hängen: Basis einer Wette,
dass Frieden er erhalte und sei Wabe.
Indes ich, gegen diese Wohlstandsmesse,
was andres will, will geistige Prägnanz.
Und nicht Verflachen fader Gleichheitsblässe.
Nicht Tugendterror eines Machtspielbanns.
Verstand und nicht Belämmerungsanlässe,
Realitätssinn will und Selbstdistanz.
Objektive Fesseln/Sonett (2845)45
Ich kann’s doch eigentlich mir gar nicht leisten:
Zu wissen, dass ich faktisch nicht verfüge
über mein Dasein; dass ich nicht genüge
dem eignen Anspruch, diesem längst entgleisten
so pfiffig gaunerhaften mammondreisten
System des Selbstbetrugs durch Ichsuchtsiege
nicht so zu dienen, dass es mich verbiege
zum smart und frech erregten Ramschverwaisten.
Tatsächlich nämlich kann ich nur agieren
ins Wesenlose künstlicher Finessen.
Zumal zerstört sind Traditionsbestände.
Von denen gar nichts blieb in dieser stieren
Gefühlsfabrik, mich so mir zuzumessen,
dass ich begeistert mich für sie auch schände.
Frühformung/Sonett (2846)46
Zuweilen denk ich an die Kindheitstage,
grad weil sie ärmlich waren und nur selten
bestimmt von Halt in Unterschichtenwelten;
noch weniger Geborgenheit … Die Lage
ließ es nicht zu, dass mich Familie trage,
die nach und nach zerbrach an Nachkriegskälten,
durch die Sibiriens Dawais nachgellten
und lockten: Lass dich treiben und versage!
Genau so kam es. Das hat mich begründet:
Den Außenseiter ohne hehre Werte.
Der sehr bald wusste, dass in Floskeln mündet
des Bürgers kulturelle Hybris-Fährte.
Dass, was der Bürger als Humanes kündet,
vor Faktenbarbarei in Hohn sich erde.
Gegengängigkeit/Sonett (2847)47
Objekt von Propaganda: Werbung, Phrasen …
verliehe Vorrang ich den Unterschieden,
die nicht aufgehen in Verzückungsblasen.
Getragen nur von geistigen Eliten.
Denn die verlangten keine Gleichheitsmythen
und zählten nie auf das Gespür der Straßen.
Sie würden mehr als Unterhaltung bieten,
sich niemals Unterdrückungsramsch anmaßen.
Ich traue einfach nicht mehr Aufsichtsräten,
Politikern und Würdedilettanten.
Will nicht im Sog der social media beten
zu Stars, die sich gerieren als die Granden
der Panverwahrlosung erregter Späten …
Nicht Zeitgeiststümpern noch Effekttrabanten.
Bestimmung (2848)48/Vergl. (57/2950)
Gar nichts bist du.
Nur Verbrauchergröße.
Gedacht für Umsatz,
Lust, Sakral-Getöse.
Damit du unbedacht
(und immer weiter)
dem Markt dich hingibst,
diesem Geist-Vermeider.
Sagt die Einsicht.
Ich sag dies:
Tu es! Tu es unbedingt!
Ist es doch
grad umgekehrt:
Nur noch Markt
setzt Zweck und Sinn,
Halt und Macht
und Glück allein.
Er nur mehrt
den Hauptgewinn,
dreht des Daseins
Seelen-Spin:
Quanten-Glück,
das nie gelingt.
Bleibt indes
als Hoffnungslicht.
Mystisches
Verbraucher-Vlies*.
*Spin = Drehung
*Vlies = Goldenes Vlies; griech. Mythos: Das Fell des goldenen Widders (s. Argonautensage)
Dein Körper/Für Chrisbe… (2849)49
Dein makelloser Körper fiel mir ein.
Warum,
das weiß ich letztlich auch nicht so genau.
Wahrscheinlich,
weil mal wieder Einsamkeit mich plagt,
die jener damals mir so zart vertrieb.
In jenen Dämmerstunden vor so langer Zeit.
Wenn du doch wiederkämst,
nur einmal noch mir diese Einsamkeit,
ja überhaupt die Daseinsleere,
ein letztes Mal ekstatisch zu verdecken.
Indem noch einmal du mir deinen Körper schenktest,
dies Hyle-Wunder, seinssatt übersät
von Sinnverzückung und Berückungstrost.
Banaltranszendenz (2850)50
Alltäglich ist man völlig leer,
nur Wir konform und also ziemlich fad.
Man saugt umsonst an einem Reize-Heer,
ist’s doch Reklame-Destillat.
Man gräbt sich fort in Augenblicken,
fort von sich selbst und Wirklichkeit.
Sich etwa in Orgasmen zu ersticken
in einem Dasein light.
Das Selbst, mediatisiert vom Ich
und dessen Ausverkäufen,
macht nur noch einen fiktionalen Stich,
Vergeblichkeitsvertuschen sich zu häufen.
Vergnügen (2851)51
Macht letztlich doch nur Arbeit das Vergnügen.
Und, kaum gehabt, will es sich wiederholen.
Drum bleib ich meistens lieber liegen.
Und denke: Bleibe mir gestohlen.
Wie überhaupt man es doch überschätzt.
Ist’s letztlich doch Gefangenschaft.
Als Drang, Vergessenstrost. Zu guter Letzt
nichts weiter doch als nur Verdrängungskraft.
Nun ja. Man kann’s auch anders sehen:
Als eigentliches Daseinsziel.
Lässt es selbst schlimme Sorgen noch vergehen.
So typisch doch für unser Lebensspiel.
Gar manchmal mag sich als Gefäß erweisen
ekstasezarter Züge.
Zwei ihrer Ichsucht zu entreißen;
fort in Versöhnungsräusche leerer Überstiege.
Selbstgewinn im Rausch (2852)52
Dich habe ich - welch Glück! - gefunden.
Und rücksichtslos sogleich mir aufgesogen.
Zu einem Daseinssinn dein Schamhaar mir gewunden
als nachtverzückte Traumweltwogen.
Mir auszufüllen diese Leeren,
die so bedrückend starr mein Sein ausmachen:
Mich radikal erotisch abzukehren
von biederem Büro-Verflachen.
Um mich an dich dann zu verlieren:
An Selbstgewinn in Rausch.
Mir Existenzinhalt zu delirieren:
Magie als Körpertausch.
Auch existentielle Gegebenheiten (2853)53
Wer könnte sagen, was dies Dasein soll?
Zumal es sich uns schlicht entzieht.
Von Angst, Verrat und Qualen voll.
Ein unterschwellig tristes Lied.
Fakt ist auch, dass wir widersprüchlich sind:
Meist unfrei, amoralisch und nicht gut.
Und unvernünftig, wie ein Kind.
Rabiat emotionale Glut.
Auch selbst kann man sich nicht begreifen.
Man ist sich selbst verschlossen.
Und lässt das Wichtigste fast immer schleifen,
sich hinzugeben Spaß, Geschwätz und Possen.
Ich seh es so: Dass es nichts soll.
Ist Zufallswurf in die und jene Lagen:
Und für die Mehrheit meistens gar nicht toll:
Die sich durch Trug zu Traum muss tragen.
Sich abzumühen für die Smarten:
Für Sieger, Stars, Korrupte und Eliten.
Die einfach besser zinken ihre Karten.
Obwohl nur Oberflächlichkeiten bieten.
Doch daran sind wir, Masse, selber schuld.
Zumal wir jene uns zum Vorbild nehmen:
Wir machen sie für uns zum Kult:
Uns geistig selbst zu lähmen.
Nun ja. Egal. Ich red jetzt endlich offen:
Sag, dass es völlig sinnlos ist.
Dies Dasein: Ab sich rackern und vergeblich hoffen.
Fiktion, Verfall ist. Panprekäre Frist.
Am Rheinufer in Ludwigshafen (2854)54
So einer dieser traurig schönen Nachmittage.
Ich lungere herum auf lichtgebleichten Bänken;
die Stadt kann mich nicht warenwunschbedürftig tränken.
Nur Uferwasser, Schaum und Gischt und Schnakenplage.
Das Rheingeplätscher lindert meine Niederlage,
die, vordergründig aus Verschmähen und aus Kränken,
lässt Selbstmitleid sich in Gestank und Brühe senken.
Mich greift der lausige Verlust, an dem ich trage.
Und der wiegt schwerer als nur: “Dich will ich nicht sehen!“.
Das Wort Verlust, das täuscht vielleicht; ich sag’s genauer:
Verlieren kann man gar nicht, was man doch nie hatte:
Dazugehören. Ganz basal. Nicht abseits stehen.
Nicht immer fühlen diese kalte Daseins-Mauer,
weil man ein Fleischkloß ist; der einer fetten Ratte.
Determinierte All-Perspektiven (2855)55
Man legt sich diese Welt zurecht,
wie man sie selber sehen muss.
Als perspektivisches Geflecht
durch Du und Wir und eignen Deutungsfluss.
Und kann sich selbst so nur erträumen.
Doch öffnen keinem Artgenossen.
Der wird, wie alle wir, sich selbst versäumen.
Weil selber sich verschlossen.
Nicht mal ein nahes Du kann man erfassen.
Man kann es allenfalls zurecht sich legen.
Wird so es letztlich dann verpassen,
muss man’s doch subjektiv sich prägen.
Wunsch I (2856)56
Sich selbst verhökert an Fiktionen,
muss dieses Dasein (Reiz und Trick)
gerissen inszenierter Seichtheit fronen.
Die nächste Niete immer schon im Blick.
Ich wünsche dennoch mir, dass es so bleibe.
Hält’s doch auch Kinderei im Zaum.
Was macht, dass man sich geistlos hintertreibe,
selbst seiner achte kaum.
Ein Hoch daher auf die Adiaphora*
und Phrasenorgien, die uns heben,
auf Nepp und das Moral-Blabla,
all die Betisen*, selbst sich zu verschweben.
*Adiaphora griech.: Dinge, die man absolut nicht braucht,
die zu haben, völlig überflüssig ist.
*Betisen franz.: Dummheiten, Kindereien.
Sinn und Existenz (2857)57
Er: Als Psychenschutzdamm heutzutage fort.
Sie: Sich Waren und Fiktionen spreizen.
Beide: Zerlegungsstierer Anti-Hort.
Ein inszeniertes Ich-Ausreizen
und analytischer Abort.
Man kann sich faktenkommandiert
so nur verheizen.
An diesem panhysterisch toten Ort.
Solipsismus (2858)58
Gedichte kriege ich noch immer hin.
Beruhten sie auch nur auf Selbstbetrug.
Was zählt ist,
dass ich bei mir selber bin,
mir selbst gehöre: Bin als Wortvollzug.
Ob ich mich dabei selber träfe,
mein Wesen, Du,
die Welt, das Wir …
Das weiß ich nicht.
Zumal die Schläfe
des Seins doch schlägt
allein in mir.
Für mich allein,
der in sich selbst gefangen,
auch dies vermutet nur.
Zurecht sich’s legt,
in allen Existenz-Belangen
sich setzen muss
als sprachhermetisch dunkle Spur …
Durch einen Gott nicht,
noch auch Wirklichkeit,
durch gar nichts letztlich doch gehegt.
Trostdroge (2859)59
Gesoffen hab ich wieder
mal zu viel.
Ich schätze mal zwei Flaschen.
Auch zu ertragen
dies absurde Spiel
von Habsucht,
Niedertracht,
Entlastungs-Haschen
nach ephemeren
Nichtigkeiten:
Die dieser
zweckentblößen Zeiten.
Was man sich ist (2860)60
Gekehrt in sich
Ganz unnahbar.
Geworden
als je eignes Sein.
Das ist so.
Ist es ausnahmslos.
Man ist sich unverfügt,
ist ganz allein.
Mein Hirn legt sich
das so zurecht,
entflechtend,
was es selber schuf:
Welt-, Ding- und
Du- und Wir-Geflecht:
Ein lebenslanger
Ich-Ausruf.
Wunsch II (2861)61
Adieu! Das heißt auf Nimmerwiedersehen.
Doch so genau weiß ich es nicht.
Ich wünsch dir Kraft,
dich zu bestehen:
Familie, Alltag, den Verzicht
auf die Genüsse der Vergeblichkeiten
erotisch überhöhter Stunden.
Kurzum:
Ich wünsche Glück euch beiden.
Und Freuden ohne Wunden.
Neuronengewoge (2862)62
Gewiss. Ich habe dich erfunden.
Rausch und Magie verfallen.
Ich habe dich den Fakten abgebunden,
um diesen Seichten - allen -
existenziell mich zu entziehen.
In dich als körpermystische Substanz.
Mir selber ausgeliehen
in seufzend infantilem Glanz
vergötterungssubtiler Leiblichkeit.
Die indes hielt, was sie versprach:
Entkrümmendes Geleit
aus diesem Markt-Joch,
fad und alltagsbrach.
Selbstgespräch II (2863)63
Was für ein Geist denn, welches Lot?
Und welche Götter, Zwecke, Ideale?
Das ist vergangen alles. Es ist tot.
Schwappt nur noch durch die Sprachrinnsale.
Als Kunde brauchst du nur ein Angebot,
das Lustgewinn verspricht und Ich-Randale,
befreit von aller Deutungsnot:
Sinn liefern nämlich die Regale.
Du bleibst Behelfsschicksal bis zum Finale.
Als Geldabklatsch bis in den Kern verroht.
Füllst gierig deine Selbstwertschale.
Narziss, heißt: Ohne Seelenbrot.
Realitätsverluste (2864)64
Das Angemessne gibt’s nicht mehr.
Die Leute können’s nicht mehr deuten.
Sie sind steril, blasiert, sind cool und leer.
Gran selbstverdinglichter Verbrauchermeuten.
Der alte Gott ist trivialisiert.
Verkümmerte Behelfsschimäre.
Vor der sich niemand mehr geniert,
dass er sich schamlos nur noch selbst begehre.
Auch Wirklichkeit ist längst verschwunden:
Sie sei das subjektiv Genehme.
Mit Anerkennung und Respekt verbunden:
Wer’s leugne, zeige Häme.
Sozialkonstrukt - frei, gleich und selbstbestimmt -,
kann jeder wählen, wer und was er sei.
Wie er sich selbst wann und warum verschwimmt …
Als objektives Einerlei.
Es sollen schwinden alle Grundmaßstäbe,
von Fakten, Lagen: Zwängen vorgegeben.
Als ob es eine Mystik gäbe,
beliebig sich ein Selbst zu weben.
Unfertige Sicht auf einen illusionslosen Glückspilz (2865)65
Ich bin nicht rechts, ich bin nicht links.
Steh nicht für oben, nicht für unten.
Mich widert an, davon umgeben rings,
die Geistesarmut von Geschwätzes-Runden.
Das Dilettieren der Funktionseliten,
die tatgehemmt und selbstbestandslos walten,
von Fakten mehr und mehr geschieden.
Und kaum noch fähig, selbst sich zu gestalten.
Versuche, von mir selbst mich loszumachen,
mich so zugleich der andern zu entledigen.
Den Opfern von Total-Verflachen,
von Kindlichkeit und dem Verstetigen
all dessen, was an Stumpfsinn rührt.
Wie Spaß, die Sucht nach Ich-Erweitern,
Erfolg, der Fremdbestimmung mit sich führt …
Verstrickt in Niedertracht und Scheitern.
Mich kümmern keine Ismen, keine Götter.
Ich bin doch nur ein Hyle-Automat.
Bedeutungsloser Affen-Vetter,
Sozial-Partikel, Ware, Existenz-Spagat.
Ich halte fern mich auch von Intellektuellen,
Proleten, Bürgern … jeglichen Milieus.
Die sei’s in Form von Tugendphrasen schwellen,
sei’s infantil sind, sei es maliziös*.
Ich würde dennoch ohne groß zu zögern
dies Dasein zählen zu den schönen Dingen.
Ich muss mich nämlich nicht verhökern.
darf mir, in Rand verliebt, zum Schein gelingen.
Vor allem darf ich mich verschweigen,
muss diese All-Erniedrigung nicht loben:
die Zeitgeistlügen und Gewissens-Neigen.
Doch fast schon Last und Schmerz enthoben.
Mein Leben lang blieb ich allein.
Blieb’s ausnahmslos, blieb’s innerlich.
Was anbetraf das eigentliche Sein:
Das geistige. Nicht das des Ich.
Das meint die objektive Leibeinheit,
die aller Menschen-Kreaturen:
Verfall, Gewalt und Einsamkeit,
die Wucht gesellschaftlich-sozialer Spuren.
Mir selbst zum Vorteil. Wenn auch nicht gewählt.
Kann sich doch niemand selbst bestimmen.
Fakt ist, dass man sich selbst nur zählt.
Für sich allein auch dann muss still verglimmen.
Auch dazu bin ich völlig außerstande:
In uns was anderes zu sehen
als Ich-Schauspieler im Gewande
von Tugendkoryphäen.
Von wohlstandsbrachen Nihilisten,
die sich als diese stumm verweigern.
Gezwungen sind, sich selbst zu überlisten,
indem sie wertblind ihre Ohnmacht steigern.
Naivmessianisch und verwahrlosungserpicht
gesinnungsradikal sich anzuschmachten
im Büßer-Blick auf jenes Trancewelt-Licht
enthemmungsfrommer Schein-Andachten.
Der Deutschen Tage sind gezählt.
Und bin ich ehrlich, musste es so kommen.
Dies Volk, das immer nur den Abgrund wählt,
ist selbsthasssiech: realitätsfremd wertbeklommen.
*maliziös franz.: boshaft
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