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Diese Seite enthält 46 Gedichte (42 Prosa-, Reim-Gedichte und 4 Sonette)

Der Kern der Dinge (2755)1

Es hat nun mal nicht sollen sein,
dass gängig ich was aus mir mache:
Zumal ich bin am liebsten ganz allein.
Kurz: Einsamkeit ist für mich Grundtatsache.

Für mich war somit vorgegeben:
Von dem, was ist, zu sehn den Grund.
Das ist ein Zwang, ich muss so leben.
Ich kann's nicht ohne Einsichts-Fund.

Zum Glück fehlt mir auch nicht die Psychen-Kraft,
die Dinge ohne Angst zu sichten:
Dass sie uns treiben, nehmen uns in Haft,
sind kalt; und kalt nur zu gewichten:

Dass sie nichts sind, was Sinn ausweise,
verrate eines Geistes Lenkungswollen:
Sie ziehen unberührbar ihre Kreise,
ganz leer von Zwecken, Halt und Sollen.

Der Tod (2756)2

Was hab ich Glück!
Da steht er doch 
im Rahmen meiner Tür.
Steht still, ganz still,
blickt wohl zurück
auf meines Daseins
Lauf und Joch;
auf seine Stunden
voller Geistesfülle,
auch wunderbarer
Drangsal-Illusionen.
Und fordert dann: 
„Komm mit ein Stück!
Ein bisschen weiter weg
von all den Daseinskronen,
zumal versteckten Lunten.
Die du bald los sein wirst
in deines Grabes Stille.“

Aussichtslos/Sonett (2757)3

Ein Leben lang hab ich am Rand gestanden.
Da ist viel Platz. Und es ist nicht so laut.
Auch deshalb günstig, weil man überschaut,
wie man mag fehlen oder Treffer landen.

Verhindernd so, dass man sich kommt abhanden.
Auch weil man kaum mal Gängigem vertraut.
Wie in der Mitte, wo sich Durchschnitt staut.
Nach dem sich richten auch Repräsentanten.

Das alles tut man, um nicht mit zu heulen.
Obwohl das einsam macht und tief verschlossen.
Indes was tun man nicht, zu meiden Gossen,

sich zu bewahren auch vor Psychen-Fäulen?
Die gierig machen und zugleich verdrossen,
verfügen hilflos Markt- und Zeitgeist-Keulen.

Außengesteuerte Selbstregelung (2758)4

Ich? Tagelöhner der Verlautbarungen.
Mir selbst und Wir und Du verstellt.
Selbst mein Intimstes ist gedungen
von einem Wohlstands-Psychen-Feld.

Bewusstsein? Spracharm. Spaß erschlafft:
Entfesselnde Gefühle.
Belämmert ist man in sich selbst vergafft.
Umjohlt das Infantile.

Dem bleibt man gleich: Identisch seicht.
Auf allen Pfaden der Neuronen.
Bemüht sich zwangsfroh, dass man die erreicht: 
Genusssucht, Konto, genitale Zonen.

Feststellung IV (2759)5

Ich könnte keine Prosatexte schreiben.
Seh ich doch keinerlei Zusammenhang.
Nur noch Fragment-Flöz durcheinander treiben.
Mich selbst auch ohne jeglichen Belang.
Zusammenhang? Das meint so was wie Mitte,
in der die Daseinslote eingelassen,
erlaubten metaphysisch sichre Schritte,
indem das Ganze sie als Einheit fassen:
Als Geistzusammenhang statt Intellekt-Gewerke,
die Innenwelten ohne Halte formen,
die faktisch so was sind wie Seelensärge:
Verspaßungsdumpfheit ohne Normen.
Die radikal verflachend hintertreiben,
dass sich noch Selbstbestands- und Sinnstrukturen
in Ratio und Kalkül einschreiben,
die unsre Zukunft längst verhuren.

Keiner kann was dafür (2760)6

Es ist deprimierend,
wenn man sich dabei ertappt,
dass man seine Erinnerungen schönt,
manche geradezu erfindet,
nur um überhaupt noch welche oder wenigstens erträgliche zu haben.
Indes sind wir nun einmal,
Systemabklatsch,
hilf- und orientierungslos geworden,
gleichgültig vor allem.
Darauf angewiesen,
uns unsere Existenz zuweilen geradezu zusammenzulügen.
Aus Ehrgeiz,
Selbstwertsucht,
Narzissmus,
Ich-Gier.
Aber niemand kann was dafür,
kaum noch jemand auch ist fähig und willig,
für sich einzustehen und sich dann zu übernehmen,
seiner Lebenswirklichkeit entsprechend 
sich scharf fassend und luzide deutend.
Grad weil uns in der Regel Reize steuern und nicht Werte,
Überzeugungen oder Selbstansprüche.
Reize,
ausgehend von Waren, 
sich verführerisch darbietenden Körpern (Ich-Dingen),
Effekten,
Emotionen (Sensationen, Tugendempörungen, Leerformeln, Stargehabe usw.)  
Darauf angewiesen,
unsere Existenz zu inszenieren …
Sind wir doch nicht einmal mehr am Sosein 
unserer selbst interessiert,
sondern daran,
uns,
um die Aufmerksamkeit anderer zu erhaschen,
vorteilhaft darzustellen:
Lebenslaufgaukler,
Aufmerksamkeitsjäger,
oft ängstlich gewissenlos und seelisch verkümmert. 
Um dann nach dem Schauspiel wieder in Lethargie, 
Indolenz und Fatalismus zu verfallen,
selten aber in Selbstzweifel.
Dem Nihilismus dieser Konsumdiktaturen hilflos ausgeliefert,
ohne dass wir dies,
unser radikales Alleinsein,
unsere Markt-Verfügtheit, 
als Unfreiheit und Selbstentfremdung 
wissen wollen könnten.

Pessimismus (2761)7/Variante zu (52/2675)

Die Großmoral ist mir suspekt.
Wer sie vertritt, 
hat nicht begriffen,
dass man nach Lust und Nutzen leckt.
Das ist genetisch eingeschliffen.
Man ist nicht gut.
Doch auch nicht böse.
Man wird sich nur in Augenblicken.
Rein faktisch Stoff-Gekröse*.
Subjekt von auferlegten Stücken.
Was denn auch sonst?
Der Wille ist nicht frei.
Man kann sich selber nur belohnen.
Man muss es. 
Wer man immer sei.
Verstrickt in Emotionen, 
Bedeutungs- und in Ich-Diktate.
Und ausgeliefert Fremden.
Kurzum: gesteuerte Monade.
Als Spielball von Enthemmten ... 
Man stolpert in Entseelungs-Barbarei.

*Gekröse: Das Wort meint immer einen Fleischhaufen
Variante zur Zeile 9: „sensibel nur für Geld und Selbstwertgröße.“

Hörigkeit (2762)8

Nichts gibt es mehr,
was von Belang noch wäre.
Noch nicht einmal
die eigene Person.
Ihr fehlen Ernst
und kulturelle Schwere.
Genau genommen 
ist sie Hohn.
Indes es ging
mir immer gut.
Was Geld angeht,
Beruf, Vergnügen.
Ritt manche Welle 
von Geschwätzesflut,
mich um mich selbst 
herum zu lügen.
Doch weiß ich jetzt,
das muss so sein.
Das ist die Art,
sich zu bestehen:
Als Marktabklatsch.
Erleben sich: Allein ...
Sich fraglos 
um sich selbst nur drehen.

ZINSJA (134) (2763)9

Warum ich Gedichte schreibe?
Völlig illusionslose in einer gottlosen,
erregungsnihilistisch allgeprägten Welt?
Unter anderem aus dem Grund,
mir selbst,
meinen Zeitgenossen,
vor allem dieser substanzbanalen Realität pseudokommunikativen Stumpfsinns,
und sei es nur für ein paar Stunden,
transzendenzhungrig,
geistgetrieben,
selbstschaffungssüchtig und kindsfrühemystisch 
zu entrinnen:
Heimzukehren in ein Innenweltgefüge 
völlig illusorischer Versöhnungsideale.

ZINSJA (135) (2764)10

Radikaler Gegner dieser kapitalistischen Sause,
bin ich mir doch im Klaren darüber,
dass ich gut daran tue,
sie öffentlich zu loben und hochzuhalten.
Garantiert sie doch,
als Wohllebensgenerator, 
den Bestand des politischen Systems 
und leidliche gesellschaftliche Stabilität.
Gehorcht sie doch auch 
sämtlichen kreatürlichen Imperativen,
die uns Menschen zuweilen
despotisch kommandieren:
Mammonmacht, somatische Ekstasen, Entlastungsumnachtungen.
Ganz zu schweigen davon,
dass auch ich,
mehr als mir lieb ist,
Produkt bin 
ihrer packend lethargisierenden 
Nichtigkeits-Euphorien.

Psychen-Schwund (2765)11

Reicht grade mal für ein paar Zeilen,
was ich an innerem Bestand noch habe.
Vermag zumal mich nicht mehr mitzuteilen:
Mir fehlt doch längst die menschlich schlichte Gabe,
vertrauenssicher zu verweilen 
bei etwa einem fremden Du.
Um es vielleicht mir langsam zu gewinnen.
Stattdessen frage ich sofort: Wozu
etwas beginnen, was ich besser ließe?
Schon weil wir geistig nicht mehr uns gehören.
Kalkül verfallen sind und Vorteilsanalyse.
Gewissenarm uns zu zerstören.
Sind wir doch Zeitbestandssubjekte,
kalt, ichschwach und narzisstisch fad.
Kultur entwurzelte Erlösungssekte
sich selber feiler Psychen-Saat.
Auf Selbstwertfetzchen gierig,
Drogen … Intellekt-Unflat.

Nüchternheit (2766)12

Kulturhoch? Bildungspathos? Nicht mit mir.
Zumal ich weiß, weiß es genau:
Dass wir um Leeren uns, den eignen, drehen.
Nichts als Gepferchte in Verbrauchs-Helau.
Das einzig allprobate Elixier.
Kurzum ich muss den eignen Vorteil sehen:
Was sich hier austobt, kommt auch mir zugute.
So etwa garantiert es mein Gehalt.
Wie überhaupt all dieses ungehemmte Krude -
Der Geist ist unrentabel: Er durchschaut zu bald.
Ich habe stets es so gehalten:
Die Fakten müssen über Ideale gehen.
Man kann nicht leben nur von Geistgestalten.
Man muss auch rechnen mit der Gier:
Dass sie Verstand, Vernunft und Einsicht flute.

Rätsel (2767)13

Es ist mir ein Rätsel,
wie man jemals glauben konnte,
eine proletarische Revolution
machte die Welt besser,
gerechter, leidärmer, friedlicher.
Vermenschlichte den Menschen,
indem sie sein vermutetes Wesen:
Das eines sich in den Dienst 
des Kollektivs stellenden,
sozial wachen,
ausschließlich an der Idee
des Sozialismus orientierten,
intellektuell und seelisch-geistig 
hochentwickelten 
und sittlich virtuosen Ideen-Dieners 
zur Entfaltung brächte.

Es ist mir ein Rätsel,
wie man das irrationale,
inkompetent-wertstöhnende Gehabe
einer sich pseudokommunikativ
und medial versteckenden 
Parteien-Oligarchie 
geistig eher impotenter,
intellektuell mittelmäßiger 
und gelegenheitskorrupter
Macht-Strategen
und einer hedonistisch-utilitaristisch
lückenlos befangenen,
wohlstands- und erlebnishörigen Masse 
von staatsindifferenten Sozialmonaden
eine Demokratie nennen kann.
Zumal chronisch eingetaucht
in eine angenehm 
entmündigende Despotie 
mystisch-magisch packender
Emotionsblasenentfesselung.

Es ist mir ein Rätsel,
wie man sich überhaupt 
einen freien Willen, 
Vernunft, Persönlichkeit und Würde
anmaßen kann angesichts einer permanent
und unwiderruflich knebelnden
Artefakten-Gefangenschaft,
die allenfalls 
die ungerichtete Progression 
eines sich zivilisierenden Tieres,
aber niemals die Autonomie 
eines ethisch souveränen,
einsichts- und schuldfähigen 
kantischen Übermenschen
vorantreiben kann.

Es ist mir überhaupt ein Rätsel,
wie ich das alles aushalte:
Das Lügen, Beschönigen, Verdrängen
und Ignorieren einer Tatsächlichkeit,
die untrüglich auf Niedertracht,
Ichsucht, Amoral, Spaßtrance 
und Gewissenlosigkeit verweist:
Vollzugsverborgen anonym.

Schicksalslose Fluchtgenossen (2768)14

Willig 
aus der Zeit 
gefallen,
träume ich 
von Götterböen;
nicht zu kaufen,
nicht zu lallen,
schaffend freilich 
andre Wehen:
Unerträgliche 
den meisten …
Strack vor Klarheit, 
Faktenflügen.
Wer indes 
kann sich 
das leisten,
was ihn doch 
in Trauer trüge,
schöbe 
in die große Leere,
würfe
vor sich selber hin:
fremdbestimmtem 
Ich-Gefüge,
schleichender Misere …
Einem Rennen 
ohne Sinn.

Ihrer selbst benommene Systemgesteuerte (2769)15

Wenn eins gewiss ist, dann ist’s dies:
Wir können unser Leben nicht mehr selber führen,
betäuben uns in einem Waren-Paradies
mit dauerinszenierten Spaß-Allüren.

So sucht uns ständig das Bedürfnis heim,
uns von uns selber abzulenken;
und dies, um zu ersticken schon im Keim,
dass Nichtigkeiten uns und leere Worte tränken.

Wir reagieren nur  noch auf  Gegebenheiten,
die subjektiv nicht mehr zu meistern sind,
indes uns stündlich drängend doch begleiten:
Weisen aus als bloße Mittel: Als entlastungsdaseinsblind.             
Zwie-Schicksale (2770)16

Kein Thema mehr: 
Geist gegen Macht.
Der erste schwach. 
Die zweite seicht-korrupt.
Als ziemlich weltfremd 
haben beide sich entpuppt.
Behelfsgestochere 
in Ich-Andacht.
Er: sehr, sehr selten.
Faktisch ohne Relevanz.
Ein Taumler 
gegen dekadente Welten.
Nicht spleentriste, 
sondern Gossentanz.
Indes was wird 
die Zukunft bringen?
Dann wird er sein 
KI-verloren.
Und jene nur noch
so gelingen:
als Daten-Kosmos
anonymer Psychen-Sporen.

Sittlicher Selbstzweck und Polit-Sophistentum (2771)17

Dieses unschuldig verantwortungslose,
pseudodemokratische, rhetorisch impotente,
sich selbst kratisch verschlingende 
Polit-Sophistentum,
das permanent das Schibboleth* 
der Würde des Menschen im Munde führt,
um auch dadurch das Politische durch das Ethische 
und Emotionale als scheinbar 
gegenmachiavellistische Vernebelungsdialektik 
zu ersetzen,
begreift überhaupt nicht,
dass es seine schwebende Stellung 
gerade dem verdankt,
der gar keine Würde zulassen kann:
Dem Kapitalismus.
Denn der darf nichts wissen 
von einem sittlichen Selbstzweck,
der gerade nicht Mittel wäre.
Wirkte der doch antiutilitaristisch,
antikonsumtiv, antieudämonistisch.
Für ihn, den Kapitalismus,
also selbstzerstörerisch.

Sich selbst entfremdete Entfesselung (2772)18/Sonett

Die Erosion der Normen und der Halte,
des Sinnes für die Faktenaußenwelten,
der Grundaffekte Mitleid, Scham und Güte,
die kann ich lesen in den dumpfen Blicken
- narzisstisch leere und bezugslos kalte -,
die Eskapismus, Kick, Vergnügen gelten:
Die Blicke einer smarten Austausch-Niete,
verschworen Selbstverweigerungs-Beglücken.

Da drehen sich im Kreise Kultmonaden,
sterile abklatschfromme geistarm Gleiche,
die sich entlasten in den Reizkaskaden
der sie enthemmenden Gewissensbleiche.
Die nicht begreifen, dass sie sich auf Raten
belämmert schaffen Unterwerfungsreiche.

Gegen Charakterlose, Inkompetente, Narzissten und Selbstsuchtbüttel/Sonett (3) (2773)19

Verdummen freilich lasse ich mich nicht
- politstrategisch tugend-monoman:
durch Eitelkeits-Kotau vorm eignen Wahn …
Rhetorisch platt und ohne Faktensicht.

Ein biederes Getue vorm Gewicht 
der Wählerschaft … Die, selber ohne Plan,
zieht ihre wirtschaftlich bedingte Bahn:
Die Mehrheit ausweglos erlebnisschlicht.

Indes ich werde immer radikaler,
mich in Verachtung, Hohn, gar Hass ergehend:
Doch Stimmvieh, Umsatzgröße, Netto-Zahler.

Als der für Staatsschauspielertum einstehend:
Charakterarme, fade Traumwelt-Maler,
ergriffen ihrem leeren Selbst verwehend. 

Vertraute Schwankungen (2774)20

Gerade gestern galt noch das.
Heute nun gilt dies.
Morgen dann vielleicht schon Drittes.
Manches aber bleibt bestehen. 
Etwa diese Gier nach Fraß.
Auch die Jagd nach Lust und Kies.
Und das Zaudern meines Schrittes,
mich zuweilen umzusehen.
Hoch zu blicken in die Bläuen,
auf die Wolken, nachts den Mond.
Meine Seele zu vertäuen,
wo sie Halt und Stille schont.
Hört nichts von der alten neuen
Lüge, dass sich Dasein lohnt.

Selbstzerfall II (2775)21
Vergleiche (47/2352)

Es ist gewiss nicht nur Erschöpfung. Nein.
Es ist vor allem Selbstzerfall:
Das rückhaltlose, resignierte Sein
als Zeitgeistwiderhall.

Ich kann und will nicht mehr.
Das lässt sich nicht verdrängen.
Wozu auch weitermachen, ist doch leer
dies Menschtum der abstrakten Mengen.

Längst bin ich überflüssig hier,
entfremdet diesem Trog
korrupter Tugend, primitiver Gier
und fadster Einfalt heilsgestütztem Sog.

Doch, doch! (2776)22

Ob sich’s lohnte,
hingesprochen,
ohne groß zu überlegen,
was ihm faktisch
innewohnte,
sei’s verführend,
sei’s gebrochen …
Nun mein Fühlen
stellt sich gegen
diese Farce 
des Trivialen.
Komödiantisch,
flach, Groteske,
Hyle-Lauf 
des sinnlos Schalen,
apokryphe Pseudo-Freske,
Kult, Verrat und
Ausverkauf.
Andrerseits,
wenn ich gedenke
all der Stunden,
einsichtsleichten,
frei von Gier 
und Kundenjoch.
Wissend,
dass Ananke lenke,
die der Gleichung,
die des Wir,
Souverän der 
Psychen-Schrunden,
die sich ungeschönt
mir beichten.
Dann sag ich: 
Ja doch! 
Doch, doch!

Weltlose Seelenheimat : ER (2777)23

Du bist nicht Geist 
und nicht Person.
Bist überhaupt nicht
irgend Kernsubstanz.
Bist herrlich-tiefe 
Trance-Fiktion:
ein Kindheits-Licht,
das mich aus 
Diesseits reißt
und mich umgibt 
mit einem Daseins-Glanz,
der Halt und Sinn 
und Zweck mir flicht,
und macht in sich 
mich menschlich ganz:
Was Seinserfahrung 
in Vollendung heißt.
 
Selbstversäumen in Trostfeuchten (2778)24

Schon wieder betteln wir uns an um Sex.
Erpicht auf jede Art von Selbstbestätigung.
Du: zu sich selbst verdammte Marktmonade.
Ich: ein versoffener Entweltlichungs-Sophist..
Weshalb wir uns auch auf die Kissen werfen,
Trostfeuchten dann uns auszulutschen; 
genauer: Verzückungsgeilheit zu vollziehen.
Nur um für ein paar Augenblicke 
uns selbst, entlastungslüstern, zu entrinnen.

Indes doch angewidert von beider Unfähigkeit,
sich nicht als verdinglichte Mittel, 
verhilfloste Surrogatejäger 
und ihrer selbst nicht mehr 
verfügte Existenzmonaden 
begreifen und verachten zu müssen.

Frühe Verfehlungen I (2779)25

Was ich erreichte, sind Fragmente, 
Halbheiten, Unzulänglichkeiten überhaupt.
Versagensträchtig armselig 
und völlig verschieden von dem,
was ich ursprünglich zu beabsichtigen meinte
oder mir tatsächlich nur einbildete, 
erreichen zu wollen.

Damals noch ohne diese Geisteskälte,
meine Abhängigkeit von Gegebenheiten,
fremden Artgenossen, Niedertracht und Pleonexie, 
eigenen Unfähigkeiten und naiven, 
auf kindlichen Wunschvorstellungen
beruhenden Selbsttäuschungen,
kühl, lebensklug und realistisch:
nihilistisch illusionslos zu erfassen.

Gegenwärtige Gesellschaftsgebrechen (2780)26

Selbstbestandslos.
Ichwertgierig.
Geistig korrupt und
tugendprimitiv feige.
So manche Repräsentanten
der Funktionseliten:
Manager, Vorstände,
Amtsträger, Kompetenzlose,
Spracharme. Geistlose … 
Wertdilettantisch 
Machtvergessene.
Desorientiert, indolent,
hedonistisch infantil,
wohlstandsbrachial indes
und dekadent erlebnisgesteuert 
recht viele der Wähler, 
des souveränen Volkes, 
Individuen, Gruppen …
Das Partialgefüge der 
gewissensverzwergten 
Oberflächendifferenzierten.
Eine Gesellschaft,
die sich selbst ignoriert:
Ihre Verwahrlosung,
ihre Lebenslügen,
ihre Ausreden und 
Selbstbelämmerungen.
Realitätsverweigerer.
Selbsthassoptimistisch
sich selbst verkennend.
Naiv messianisch ichsiech.
Bis wieder 
die Seelengrund-Gnome
ihre faszinierende Barbarei
und Gewaltsehnsucht, 
die selbstbestandslosen
Gemüter erleichternd,
vernichtungsmetaphysisch
entfalten.

Gram-Stafette (2781)27

Ich hab es nun mal so erlebt:
Als undeutbares Zufallswalten,
in dem man hilflos sich allein verschwebt,
ein Spielball anonymen Machtgewalten.

Ein Stoffgebilde als Bedürfnisknecht,
heteronom an Selbstbetrug gebunden
in einem sinnlos tobenden Gefecht,
von Sehnsuchtsgaukelei an Hoffnungsrausch gebunden.

Bewusstseinsträger, sich vorbei zu träumen 
an Irren, Scheitern und an Lügen.
Realität und Einsichtsschweren zu versäumen.
Stattdessen Illusionen sich zu fügen.

So sehe ich nun mal die Dinge.
Nicht, dass ich’s ausgesucht mir hätte.
Dabei mir selbst oft Falle, Netz und Schlinge.
Und doch des Ablaufs kundig dieser Gram-Stafette.

Der Westen/Sonett (2782)28

Woran denn sollte ich noch Interesse,
das nicht von mir geheuchelt wäre, haben?
Ich lebe nur noch meinen Geistesgaben.
Versuche so zu meiden die Exzesse

wie auf sie zeigen immer mehr Anlässe:
Da schaffen Sachverwirrte eigne Waben,
an Wirklichkeitsverlusten sich zu laben:
Sie lesen sich des Ideellen Messe.

Indes die Volksherrschaft geht so verloren.
Radikalismus wird sie überbieten.
Den Westen führt ein Tross von Wohlstandstoren,

dem keine Zukunft wird wohl sein beschieden:
Sie bilden phrasenreiche Tugendforen,
Phantasmen gegen Fakten auszubrüten.

Heutiger (2783)29

Er ist beeinflussbar in hohem Grade.
Verglimmt in Medien-Halluzination.
Er ist sich selbst und als sich selbst Fassade.
Und wenn er wertet, täuscht er schon.

Führt gegen Fakten und Begriffe Kriege,
emotional geprägt auf Selbstbetrug.
Ein Spielball im Sozialgefüge,
Ein Ding, geträumt als Ich-Vollzug.

Ein Mime zudem, der nicht anders kann
als Star-, Prestige- und Waren-Kram zu dienen.
Er schwärmt für Hollywood und Cannes,
den Schaulauf inszenierter Mienen.

Und dennoch trägt er keine Schuld.
Da ausgesetzt Komplexitätsbedrängen 
und hedonistischem Erlebniskult:
Ihm gar nicht ausdeutbaren Zwängen.

Einsichtslüsterner Drückeberger (2784)30

Ich war doch auch nur so was wie ein Drückeberger:
Ob nun sozial, ob intellektuell,
ob mehr privat … dem sei wie immer:
Ich strebte bald schon hin zum Rand.
Der Grund? Na ja ich hatte bald kapiert,
dass diesem Lachgasreich vergehen:
Dem Markt, dem Ich und Spaßverwehen
in Kunstwelt-, Formel- und Genuss-Geröll,
das Leben reduziert zum Schattenschimmer
verhunzten Inhalts zweiter Hand.
Weswegen ich mich habe durchlaviert,
mich abseits von der Mitte hielt,
um ungestört, in aller Ruhe,
zu greifen, was die erste Geige spielt:
Nicht jenes Tingeltangel-, Star- und Show-Getue.
Nein: Technik, Kapital und Wissenschaften.
In deren Schlepptau sich Parteien,
die an der Wohlstandsschöpfung jener haften …
dem Untergang mit jenen Ratio-Mächten weihen.

Hinterrücks (2785)31

Es lebe der Ich-Rausch
erträumter Gestalt.
Im menschlichen Austausch
der einzige Halt,
der unhinterfragt
spontan sich vollzieht.
In Du-Auren ragend
mit Vor-Glück versieht.

Unterschiede I (2786)32

Sie sind für mich eine Nummer zu groß.
Emanzipiert, wie Sie es zweifellos sind.
Sie haben gewiss eine Menge los.
Schielten nach oben wohl schon als Kind.
Sie wissen immer exakt, was Sie wollen.
Und das, was Sie wollen, das kriegen Sie dann.
Sie gehen dafür sofort in die Vollen,
sind besser als jeder Mann.
Sind prototypisch erfolgsverwöhnt.
Durch Können, Intellekt und Persönlichkeit.
Mit sich selbst nur durch Kompetenz versöhnt. 
Riskieren selbst Missgunst und Neid.

Ich bin da ziemlich anders als Sie.
Recht skeptisch, was angeht Karriere.
Ein Träumer, den schreckt Erfolgshalali:
Prestige sich erstrampeln, Vermögen und Ehre.
Das alles konnte mir nie so recht zählen.
Es liegt mir nicht. Ich bin zu verschlossen.
Und seh keinen Sinn drin, mich rumzuquälen
mit siegertypischen Artgenossen.
Die geldgierig sind, blasiert sich verfehlen.
Bedenkenlos mehren auch seelische Gossen.
Für mich auch eine Entlastungsmanie,
das Dasein zu meiden als tiefe Misere.

Unabänderlicher Lauf (2787)33

Beeindruckt bin ich nun mal nicht so sehr.
Sei es von euch, sei’s auch von mir:
Zerstreuungssüchtig, kalt und leer,
sind wir doch Büttel permanenter Gier.
Die wir befriedigen wohl müssen
durch diese Jagd nach Nichtigkeiten.
Sonst würde unsre Wirtschaft doch zerrissen.
Und das verursachte soziales Leiden.

Fakt ist, dass wir uns Glück verhindern,
indem wir nach ihm gängig jagen.
Erlebniszufuhr suchen, um zu lindern,
dass wir uns selber nicht mehr können tragen.
Uns selber geben müssen als verloren:
Als sanft entmündigt und dabei gelenkt
von Medien, auf Bespaßung eingeschworen.
Weil die uns Halt und Richtung schenkt.

Für uns ein unabänderlicher Lauf:
Genießen, leisten, leisten und genießen.
Bis hin zum Geistesausverkauf.
Was man nicht merkt, verfügt präzisen
Kompensationsbelämmerungen:
Wie Anerkennung, Statuszuwachs, Luxus gar.
Zumal den eignen Träumen nun gelungen:
Exakt geworden, was an sich man war.

Hintergründige Systemformung (2788)34

Viel war es nicht. Und konnte es nicht sein.
Was ich erfuhr, erlebte, phantasierte.
Das Zeichenleben, das ich führte,
war strikt systembedingt, war ein …
Bewahren mich vor Ich-Monaden,
die, Zeitgeistopfer, nicht begriffen,
dass sie, sanft selbstisch aufgeladen,
befohlner Objektivität sich schliffen:
Der hochabstrakter Späten,
dem drastisch ausgeliefert sind,
die ihre Ich-Befehle beten
vom freien Selbst (Fiktionsabsinth).
Das gibt es nicht: Autonomie.
Noch gibt es Weltverfügung und 
ein Dasein, das an sich nicht wäre die:
Stoff, Zeit, Verfall: Ein Nihilismus-Schlund.

Küchenuhr (2789)35

Wieder mal lausche ich dem Ticken der Küchenuhr.
Seit frühester Kindheit fasziniert 
von der strikten Monotonie des Zeigerganges.
Längst freilich wissend inzwischen 
um die Gleichgültigkeit alles dessen, 
was da in dauerprekären Lagen,
kratisch, 
ökonomisch,
kulturell und biologisch kommandierend angetrieben, 
zufällig Gestalt annehmen, 
seine Drangsal entfalten und dann unweigerlich umsonst wieder dahin gegangen sein wird. 
Ein menschliches Leben etwa:
Doch in der Tat nichts weiter als Materie,
Zeit und nunmehr spätsapient schier endlose Abfolge 
von Verdrängungsverkitschungen,
hineingeträumt in ein abstrakt hochkomplexes Gefüge 
von intellektdiktatorischer Barbarei.
Sinnlos und untergangsgeweiht.

Sinnlosigkeitsattacke (2790)36

Ein Tag schleppt sich dahin.
Widerspenstig jedwede Ausrede verweigernd,
was die ihn tragenden Ereignisse anbelangt.
Ein Tag,
wie geschaffen, an Selbstmord zu denken.
Zumal meine Gleichgültigkeit sich förmlich selbst anfällt.
Stumpfsinn und Orientierungslosigkeit wetteifern mit Erschöpfung und Schwäche,
physischer wie psychischer,
um das Vorrecht,
mich aus Lebensmut,
Widerstandskraft und Selbstdisziplinierungswilligkeit zu drängen.
Von Stunde zu Stunde robbe ich geistig über die Bruchstücke meiner Existenz,
selbstverschuldete, 
wie ich mir eingestehen muss.
Mein Scheitern zeigen sie jedenfalls deutlich an,
so deutlich,
dass jedwede Ausrede,
die mir einfallen könnte,
diese Tatsache zu beschönigen,
scheitern,
ja mir gar aufzeigen müsste, 
wie weit ich bereits heruntergekommen,
verwahrlost und gängig verlogen sei.
Freilich bin ich auch einfach zu klug, 
mir jene Befunde umdeuten zu können,
durchschaue ich doch auch meine eigenen Lebenslügen,
Innenweltverwerfungen und existenziellen Tagträumereien sozusagen unausweichlich.
So etwa bin ich mir auch der Tatsache bewusst,
dass meine Selbstaufgabe gänzlich belanglos wäre,
eine naive Kinderei …
Sinnlos wie das, 
wogegen sie ein vermeintlich individueller Protest wäre,
anstatt ein nur folgenlos leeres Agieren einer 
vor sich selbst fliehenden, 
bedeutungslosen biologischen Einheit.

Klarsicht (2791)37

Wenn man am Rand lebt,
sähe man, man meint’s, 
viel klarer.
Verwerfungsgrade etwa 
unsrer Existenz.
Tatsächlich stimmt das,
denn die Ichbetonten:
Die Jünger 
dieser Wohlstandstraumessenz,
verschreiben kopflos sich
nur Zeitgeistgötzen:
Pleonexie, Erfolg
und Täuschungseffizienz.
Das sieht man klar
vom Rande her:
Dass ihrer selbst 
sie keineswegs gewahr,
ja dazu gar nicht 
fähig sind:
zu abstandslos,
zu gierig und 
zu leer.
Sie müssen sich
beständig hetzen,
doch faktisch noch betagt
ein Kind.

Das Sauerrfeigh-Syndrom/Moral und Kohle (2792)38

Es zeigte klar, es geht nicht nur um die Moral.
Die wird als Selbstdarstellungsmittel oft benutzt.
Es ging um die Diäten-Zahl:
Sie sollte werden stark erhöht
staatsparasitär, sprich: selbstversorgungssiech.
Das stand (und steht) steht den Tugendbolden ja auch zu:
Gewählt zu melken jede fette Kuh.
So wie’s halt um uns alle steht:
Wir fressen ichsuchtknechtisch auch die Tugend kahl …
Das ist jetzt 30 Jahre her.
Und mir fiel’s wieder ein:
Auch Tugendbolde sind nun mal nicht hehr,
wenn’s geht um Geld, dies Wesens-Sein.
Da wird gemauschelt, abgezockt,
gelogen, selbst sich zu bereichern.
Der Steuerzahler muss dann blechen:
Auf dass die Volksherrschaft nicht kann zerbrechen.
Denn dann, dann hätte man’s verbockt:
Man könnte nicht mehr Tugendschein
und Geldgier setzen auf dasselbe Schwein,
das dann als Sau sie führt als Pärchen ein.
Moral und Kohle sind tatsächlich gleich:
Sie machen beide uns doch menschlich reich.
Und das kommt allen doch zugute;
indes gerade auch der Tugend-Schnute:
Besonders gierig doch auf sich:
Schon weil nichts einbringt so ein Ethik-Ich.

Ratio-Büttel/Sonett (2793)39

Mit Argumenten kommt man nicht mehr weiter.
Indes auch nicht mehr mit Moralbegriffen.
Haben wir abgesägt doch jene Leiter,
die einstmals führte zu den Großen Kniffen:

Wie etwa Gott. Uns längst benommen; leider.
Ist doch die Durchschnittsseele abgeschliffen: 
Zu Ichsucht und zu Anomie bereiter,
um sich als Massenlebenswert zu kiffen.

Sie glaubt sogar, sie folge eignen Spuren,
wenn sie, erlöst von Tingeltangel-Drogen,
sich an sich selbst darf sinnbefreit verhuren.

Nur Mächten, die sie steuern, noch gewogen.
Zu formen sich nach deren Hauptstrukturen:
In diesen sinnfern um sich selbst betrogen.

Gefangenschaften (2794)40

Nach Realitätsflucht ist mir jetzt zumute: 
Mich abzusetzen von dieser lückenlosen Abfolge
Bespaßung kommandierender Banalitäten,
mediendespotischer Traumweltwogen,
semantischer Simplifizierungspropaganda
und halluzinationsträchtigen Bilderterrors.
Verbraucherillusion indes ist das:
Wer entkäme schon jenen Mächten,
deren Zugriffsgewalt 
doch längst reproduziert wird
in den eigenen psychischen Manifestationen
von Denken, Wollen, Fühlen, 
Sehnen, Hoffen und Planen?
Niemand vermöchte das noch. 
Er wage es auch nicht.
So wie ich zuweilen.
Völlig auf mich selbst 
zurückgeworfen dann.
Faktisch geistverwahrlost asozial.

Start in den Büroalltag (2795)41

Die Haufen von flüchtig hin gekritzelten, 
kaum noch entzifferbaren Notizzetteln, 
gilt es durchzusehen, um herauszufinden,
was klugerweise am heutigen Tag 
zuerst bearbeitet werden sollte.

In der Hauptsache handelt es sich bei diesen Zetteln
um vorläufige Erledigungsanleitungen, 
um etwa auf amtliche Anordnungen zu reagieren.
Zum Beispiel durch Erläuterungen, sachdienliche Hinweise und möglichst ungeschönte Stellungnahmen.

Auch vorläufige Zahlenwerke finden sich da, 
akribisch genau und umständlich erklärt, 
um den Gemeinderat dazu zu bringen, 
die benötigten Zuschüsse für die Kulturinstitution, 
für die ich arbeite, zu bewilligen.
Selbstverständlich muss ich dabei fast betteln,
muss die Wichtigkeit der Parteien herausstellen, 
muss an ihre kulturelle Verantwortung appellieren, 
ihnen fast schmeicheln damit, indem ich darlege,
wie wichtig Kultur für die kommunale Daseinsvorsorge sei.

Eigentlich handelt es sich um nichts anderes 
als mühsam versteckte, wortreiche Selbstentwürdigungen.
Vor allem um den narzisstisch-eitlen Erwartungen 
mancher ehrsüchtiger oder gar selbstreklameerpichter,
zugleich sehr kritischer Ratsmitglieder zu entsprechen.

Dann gibt es da Entwürfe von Antworten auf Kulturmacherpapiere.
Wobei ich mich, was diese Sache angeht,
immer mal wieder insgeheim frage, 
von welcher Kultur denn überhaupt noch die Rede sein könne;
oder besser, ob überhaupt noch von einer.

Bis ich ans Geld denke, das ich verdienen muss, 
begreife ich so nicht einmal ansatzweise, 
wie es mir gelingt, diesen Schwall von Nichtigkeiten,
menschlicher Irrationalität und den sich dahinter verbergenden selbstgefälligen Stumpfsinn 
Tag für Tag zu ertragen.

Und obwohl mir nichts anderes übrig bleibt
als mich selbst zurückzunehmen 
und halbwegs klug zu taktieren,
verachte ich mich doch immer auch ein wenig selbst, 
weil ich mich tatsächlich bei alle dem selbst korrumpiere,
mir eingestehen muss, dass ich mich eigentlich schämen sollte.

Indes von meinem Idealismus kann ich nicht leben.
Noch weniger davon, dass ich mir eingestehe,
mich wissentlich selbst zu korrumpieren.
Am allerwenigsten freilich davon, dass ich mich schäme.
Damit kann ich meinen Lebensunterhalt nicht bestreiten.

Und eingesehen, dass hehre Werte zu nichts führen,
auch nicht in einer Parteienoligarchie, 
noch viel weniger in einer Diktatur,
ja in überhaupt keiner Gesellschaft, sie sei organisiert, 
wie auch immer, habe ich schon längst.

So überzeugt davon, schon froh sein zu müssen,
wenn ich in Frieden leben kann,
ein wenig geistige Freiheit genießen darf.
Um auch von Idealen zu träumen, 
denen ich freilich selbst definitiv nicht gewachsen bin.

Selbsterhellung (2796)42

Zuweilen, in meinen besten Stunden,
begreife ich gleichsam überdeutlich
die Nichtigkeit, Banalität und Sinnlosigkeit
meiner Existenz.
Und trauere doch nicht,
klage und weine doch nicht.
Wende nicht einmal den Blick,
sie entlastungssüchtig zu verdrängen,
von diesen radikalen Bewertungen,
von denen ich glaube, dass sie nicht nur 
für meine Existenz allein zutreffen.
Und sage mir zugleich, 
dass, wer das kann, jemand sein muss,
der sich gerade in dieser Selbsterhellung
als Mensch beweist und gewinnt:
Standhaft, sachfähig, illusionslos. 
Und so schon für die kleinsten Glücke,
in kürzesten Augenblicken,
zutiefst dankbar sein muss.

ZINSJ (38) (2797)43

Ich addiere die Quasi-Nullen 
einer Außenseiterexistenz.
Die metaphysischen, 
die kulturellen,
die politischen,
die persönlichen.
Ich tu’s klaglos.
Und ohne Bedauern,
Weiß ich doch,
dass ich dieselben 
Quasi-Nullen addierte,
wäre meine Existenz hier 
welche auch immer 
andere gewesen.
Indes es mich tröstet,
dass ich ökonomisch
ein wenig reüssierte.
Immerhin fähig so,
mir die ungestörte Ruhe
gönnen zu können,
die ich brauchte,
um jene als das, 
was sie sind, exakt 
zu begreifen:
Verhängnisse dieses
Spätzeit-Nihilismus,
von niemandem gewollt
und von niemandem
letztlich zu bewältigen.

ZINSJ (14) (2798)44

Nichts hat es auf sich mit mir. Gar nichts.
Immer schneller z. B. rasen 
die kosmischen Galaxien auseinander.
Offenkundig uns gegenüber völlig gleichgültig.
In der Tat: Um unseretwillen,
auf dass wir in Existenz träten,
entstand dieses All nicht.
Wir sind uns selbst:
Unseren Trancen, 
Ausdeutungsbehelfen,
Gleichungen, 
Sehnsüchten, 
Hoffnungen
und Sinnphantasmen, 
überlassen.
Solange uns jene kosmischen Vorgänge
noch tragen: Sie noch strukturfähig sind. 
Aber bis dahin 
werden wir längst vergessen sein:
Äonenferne Zufallsspielereien 
einer quasigöttlichen Materie. 
Wer sollte sich an uns noch erinnern?
An dieses insofern herrliche Nebenbei,
als in ihm für ein paar Augenblicke
jene Materie zum Bewusstsein 
ihrer selbst gelangte,
gar dazu, sich, zweck- und zielblind,
bis hin zu Geist organisiert zu haben.

Wenn du kämst (2799)45

Es wäre, als ob wir versuchten,
uns den Tod zu verbannen
aus den verfallenden Körpern.
Hilflos doch den Zufällen 
kommandierender Vergänglichkeit ausgeliefert: 
Krankheit, Angst, Schmerzen 
und manchmal auch schon Verzweiflung …
So wäre es, wenn du kämst
und dich zu mir legtest.
Den kommenden Agonien 
späteste  Glücke nutrostgierig
noch zu entraffen.

ZINSJA (37): Ängstliches Selbstbewahrungsversäumen (2800)46

Doch ganz so trostlos ist dies Dasein nicht.
Im Gegenteil: Es birgt Vollendungsglücke.
Indes man braucht im rechten Augenblick das Licht,
Um zu erkennen jene - und die Tücke,

dass wir sie uns verderben, weil nicht sehen,
zerreden sie, weil nicht so richtig an sie glauben,
Bedenken tragen, dass, wenn sie geschähen,
sie würden unsre Selbstverfügungskräfte rauben.

Und ist es so - so ist es sogar ziemlich oft -
muss man sich selbst die ganze Schuld dann geben,
weil ängstlich-mutlos man auf Glück zwar hofft,
doch scheitert dann, es selig auszuleben.

Tatsächlich ist es eine Sünde, auszuschlagen,
was heimlich man sich wünscht doch: Glück.
Es kommt halt nicht zu dem, der’s nicht will wagen …
Und irgendwann kommt’s nie mehr dann zurück.






 

 

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