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Diese Seite enthält 64 Gedichte (47 Prosa-, Reim-Gedichte und 17 Sonette)
Selbstverlust/Für Immanuel Kant/Für Verehrte (2691)Sonett
Kann es sie geben: Kantische Subjekte,
durch Selbstbestimmung freie Würdeträger,
in diesem Artefakten-Sog der Jäger
nach Surrogaten für Konsumerweckte?
Geht es doch darum, dass sich diese Sekte
der Dauer-Spaß verbrachten Ichwertpfleger
gewöhne an je neue Sinnerreger.
Im Wohlstandsrausch für nur profan Gedeckte.
Die Antwort lautet "Nein" auf jene Frage.
Das Ökonomische darf nie verkennen,
dass ihm Kants Selbstzweck zählte seine Tage.
Es müsste sich von den Kommandos trennen:
Erhöhe dich, stech aus und überrage!
Tu alles, zu gewinnen dieses Rennen!
Für-sich-Sein (2692)2
Das Meiste habe ich für mich behalten:
Hass, Niederlagen, Angst, Erniedrigungen.
Auch weil man selber sich nicht kann gestalten,
sich fremd bleibt, anonym gezwungen
in Sprachkonstrukte einer Wortbrigade:
Wie Gott, Erfolge, Liebe, Werte …
Um abzuschreiten eine Illusions-Parade
als deutungslose Fährte.
Sie zeigt dann einem diese Einsamkeit,
die man muss ganz alleine tragen.
Auch gegen Phrase, Formel und Effektgeleit,
die letztlich die Person zerschlagen.
Pan-Nihilismus VI/Sonett/Für Demokrit* von Abdera/
Für Verehrte (2693)3
Wie könnten, Welt und Ich verfügt, wir etwas zählen?
Doch nichts als Zufallsformen atomarer Hyle.
Die weder Zwecke kennt noch Gott noch Sinn noch Ziele,
sodass uns Zufall und Notwendigkeiten quälen.
Auch müssen wir als Freiheitsträger uns verfehlen.
Wir, Nebenbei-Produkt von jener stummem Spiele.
Auch dass Verzweiflung uns nicht psychisch unterwühle,
gilt’s, dass wir, wertbedürftig uns Phantasmen schälen.
Organisierte Stoffe bis in tiefste Kerne,
müssen wir wieder restlos körperlich zerfallen.
So Staub und Gas eingehen wie die toten Sterne.
Und auch das Große Universum wird verhallen.
Um dann - wer weiß? - in ungeheurer Zeitenferne
vielleicht als Teilchentaumel wieder aufzuwallen.
*Der Philosoph Demokrit von Abdera (5. Jh. v. Chr.) ist zusammen mit Leukipp der Schöpfer der antiken Atomtheorie: Es gibt nur Atome und das Leere, durch das sich die Atome bewegen und immer wieder aus ihnen zufällig zusammengesetzte Körper hervorbringen, die freilich irgendwann dann wieder zerfallen/auseinanderfallen
USA III (2694)4/Sonett
Was ich, bedacht, muss unter Geist verstehen,
bezeichnet deine nationale Wunde.
Amerika, dir selbst Fiktion und Schrunde,
erliegst nun deinen Inszenierungswehen:
Sex, Mammon, Inbrunst und sich Show aufblähen.
Du glimmst dir selbst doch als verdeckte Lunte,
politdüpierter, aggressiver Kunde,
der sich nicht greifen kann als Grundversehen.
Geist ist bei denen, die sich selbst begreifen,
sich selber realistisch auszudeuten.
Dabei auch nicht vor Niedrigkeiten kneifen.
Um so vielleicht die Umkehr einzuläuten
aus Selbstbetrug und infantilen Schleifen
um Ich- und Hab-, Macht- und Genuss-Sucht-Freuden.
Angriff I/Sonett/Für Sigmund Freud/
Für Verehrte (2695)5
Wir führten Kriege, töteten und raubten.
Dem Wesen nach doch letztlich auch Barbaren.
Doch könnten wir vielleicht am Tropf der Waren
gezähmt und friedlich endlich uns behaupten,
sodass zuletzt wir dann, schon träge, glaubten,
Wirtschaft und Technik könnten uns bewahren
vor jenem doch so niedrigen Gebaren …
Wir gar am Ende auch noch Sinn aufklaubten?
Das ist doch kindisch. Denn als Drangsallose
zu existieren ist uns nicht gegeben.
Nie hielte sie uns, die Konsumnarkose.
Drauf angelegt, uns roh zu überheben
und nachzujagen jeder welken Rose,
muss, was uns ausmacht, sich Gewalt verweben.
Angriff/Zusatz-Sonett (2696)6
Konnte das Es sich nicht schon längst befreien?
Zerfiel das Über-Ich doch (das Gewissen).
So werden wir noch mehr uns Gossen weihen.
Uns, Niedertracht verwoben, selbst nur küssen
und lukrativer Sauerei ausleihen.
Uns als Person nicht ein Moment vermissen.
So ohne Widerstand auch Mob einreihen -
verbrecherisch, brutal, verroht, gerissen.
Dass wir uns Wölfe* seien, dürfte stimmen.
Ob freilich immer müssen, bleibt zu fragen.
Gewiss ist, dass wir eignem Ich* nur glimmen.
Zumal verdammt, alleine uns zu tragen -
Der Grund der meisten, mit dem Strom zu schwimmen.
Wird, wer allein ist, doch normal verzagen.
*Uns als Wölfe zeigen: homo homini lupus: Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf; so Hobbes und auch Freud. Ich, Sa., stimme zu
*Ich: Name für den Körper, der uns ausmacht und unser Wesen radikal bestimmt
Bilanzgedicht (17) (2697)7
Es ist Magie,
von der wir zehren.
Magie in Form
von Illusionen.
Magie durch Kunst,
durch Tausch,
Gewalt, Begehren:
Als Trostentwürfe
dämmernder Neuronen.
USA IV: Ein Mammon-Oligarch (2698)8/Sonett
Ein in sich selbst gefangner Infantiler,
politisch unbegabt, weil asozial.
Ein seelisch armer Macher-Posen-Dealer,
der, ichschwach, sich geriert als Mammon-Baal.
Sich selber greifbar nur als Rollen-Spieler,
neurotisch wiederholend Kindheits-Qual,
der gar nicht anders kann als sich als Wühler
nach kalter Härte zeigen - ohne Wahl.
Ermangelt er doch aller Selbstwert-Stützen,
kann so sich nicht entfalten als Person,
Produkt autoritärer Daseins-Spitzen:
Erniedrigung, Zurückweisung und Hohn.
Er kann sich daher vor sich selbst nicht schützen …
Unschuldig so System- und Herkunfts-Klon.
Ineinanderlaufende Resignationsgegebenheiten (2699)9
Meine geistige Müdigkeit
wird immer intensiver.
Jahr um Jahr denn auch
gähnt, verfallsvertrauter,
mit dem metaphysisch kulturellen
auch der sich unaufhaltsam
nähernde physische Tod mit.
Erlösung von jenem
glaubhaft versichernd.
Illusionslos III/Sonett (2700)10
Zu vergleichen wären, sind (20/1190), (23/1362), (57/2936)
Nie allzu willig war ich, an Moralgebote
als faktisch uns erfolgreich steuernde zu glauben.
Braucht es Askese-Zucht doch, um sie einzulösen,
zu distanzieren sich vom Drang nach Überragen,
durch Selbstdistanz und Zwang zu halten sich im Lote
und nicht gar aller Schmeicheleien aufzuklauben.
Sind doch Vernunft und Würde elitäre Größen,
vor denen wir im Allgemeinen krass versagen.
Indes ich muss, erfahrungssatt, es eingestehen:
Wer Wohlstand sich, Prestige und Lüsten macht zur Beute,
den werden Ichsucht und Erlebnisdrogen treiben,
wird sich als Sieger zeigen wollen, dass die Leute
in ihm den Star, den Macher, ja: den Halbgott sehen.
Doch nie die Zwänge, sich narzisstisch aufzureiben.
Variante Verse 9-14 (zu „Illusionslos“):
Wir sind nicht frei und doch stets auf uns selbst verwiesen.
Uns spiegelnd permanent in fremden Artgenossen.
Die uns in ihre Perspektivenbilder gießen,
die wir dann übernehmen, um sozialen Trossen
als Zufallsselbst wie als Person uns abzubüßen,
in sie als Schicksalsselbst genetisch eingegossen.
Bilanzgedicht (32) (2701)11
Wenn man bedenkt,
wie oft man lügt,
beschönigt,
faselt und verdrängt …
dann muss man
zu dem Schluss gelangen,
dass letztlich niemand
über sich verfügt.
In Artefakten, Ich
und Wort gefangen.
Sozialjoch zudem
dauernd untertan,
sich Tag für Tag
von selber lenkt,
Wahn, Niedertracht
und Einsamkeit
zu meiden.
Erotische Transzendenz/Sonett (2702)12
Obwohl nur ephemere Drangeinheiten,
gebunden an die Flucht von Augenblicken,
sind sie es, die uns manchmal so berücken,
dass Sorgen wir und Alltagslast entgleiten.
Sogar befähigt, selber uns zu meiden:
Sei’s, dass uns eigne Mängel schwer bedrücken,
sei’s, dass wir wissen um den Bruch der Krücken,
uns in Entlastungshoffnung zu geleiten.
Das schenkt uns Eros, dieser Antipode
von Elend, Scheitern, Angst und Gramverzagen.
Nur Eros kann uns schenken jene Lote,
Vergeblichkeit und Ende zu ertragen.
Spielt er allein doch jener Räusche Note,
im Du ekstatisch Selbstverlust zu wagen.
Dorfschatten: Für T. (2703)13
Es hat geschneit heute.
Zum ersten Mal in diesem Winter.
Und wieder habe ich an T. gedacht.
Und erlebte ich auch noch hundertmal
das Fallen des ersten Schnees …
Ich dächte immer an jene T.,
trauerte jenem milchig grauen Tag im Dezember 1968 nach,
da ich hätte zum ersten Mal lebensklug,
auf das Du bezogen
fundamental einsichtig werden können:
Denn dass der Kuss,
den ich ihr absog,
mir gleichgültig war,
schrie sich schroff und kaltfad hinein
in meine sie anfremdelnden seelischen Stillen.
Das hypertrophe Hirn/Sonett (2704)14
Wenn ich es auch nur ungefähr beachte,
bemerke ich den allgemeinen Willen,
die Wohlstandsproduktion noch zu verstärken.
Wohl auch, weil niemand mehr mag darauf wetten,
dass es noch etwas gäbe, das nicht sachte
auf Untergang, das heißt des Nichtseins Stillen …
auf Barbarei zuliefe und Verzwergen
sapienter Ratio vor den Elendsketten.
Doch falls wir wirklich sollten uns zerstören,
dann wäre das der Preis der Bipedie:
Das hypertrophe Hirn muss uns versehren,
sich selber stürzen in die Agonie.
Wohl außerstande seiner selbst zu wehren:
Zwang sekundärer, technischer Magie.
Innere Verarmung (2705)15
Affektive Implosion:
Die feineren Seelenschichten
werden abgetragen:
Ehrfurcht, Scham, Selbstbescheidung …
Unbemerktes Vergröberungswerk,
den Konsum anzukurbeln,
der kapitalistisch-technischen Effekte-Diktatur,
die den Kunden psychisch verarmt,
auf dass er, desorientierungstypisch, anbete
versimpelungssanfte Verlotterungsentlastung.
Notwendiges Scheitern/Sonett/Für Arnold Gehlen/
Für Verehrte (2706)16
Die meisten wollten gar nicht es begreifen,
dass das Niveau des Wohlstands könnte fallen.
Denn dann, dann müssten wir uns wieder krallen
an solche, die Verheißungsfloskeln keifen.
Entlastungseuphorie uns vorzupfeifen
mit Phrasenzauber und Erlösungslallen.
Bis die im unverfügten Kern nachhallen
und so Gewaltbereitschaft lassen reifen.
Ich hätte uns indes nichts vorzuwerfen.
Ich weiß um diese Dinge, selber mir verloren.
Ich muss nur meine eignen Sinne schärfen,
um zu erkennen, dass wir eingeschworen
auf technische Ersatzwelt sind und surfen
in ihr als Knechte, die nach Scheitern bohren.
Prosafetzen (133) (2707)17
Ich liebe den Wind.
Verzweifelt wie
vollendungsselig,
liebe ich ihn.
Noch auf dem Totenbett
werde ich
nach ihm haschen,
ihn erlauschen wollen,
sei ich auch
meiner selbst
nicht mehr
mächtig.
War er es doch,
er allein,
der mich fortriss
von Ich, Du
und Wir.
Mich wehte
in Träume,
Geborgenheitsnischen,
weg von Verkümmerung,
Stumpfsinn und
unschuldsprallen
Seelenleeren.
Hochkultur-Verlust/Für Arnold Gehlen/
Für Verehrte (2708)/Sonett
In einer Welt diffuser Wirklichkeiten
und gleich gestalteter Realitäten,
in denen Trance und Waren ziehen Fäden,
gibt es nur eine Chance noch, sich zu meiden:
In Pseudo-Subjektivität zu gleiten,
um sich als Selbst-Schimäre anzubeten
und als Person von sich zurückzutreten,
standardisiert sich selig zu erleiden.
In dieser Diktatur der kleinen Seelen
blüht ein Phantasmen-Strauß des Surrealen,
in dem nicht Fakten, sondern Werte zählen,
die, Traumbefehle absoluter Zahlen,
als leere Formeln und Tabus befehlen,
sich als sakrale Leiblichkeit zu prahlen.
Prosafetzen (142) (2709)19
Pleonexie,
die sich selbst
sakralisiert.
Faktengerecht.
Ohne Schuld.
Ohne Bewusstsein.
Ohne Alternative.
Beschlichen von
Verkümmerungslüsten
und Untergang.
Das bedürfnishörige Körperding/Sonett/Für Max Scheler/Für Verehrte (2710)20
Wir leben alle in prekären Lagen.
Und wissen das. Obwohl wir’s meist verdrängen.
Wir alle vegetieren in den Fängen
von hirnverfügter Technik und Versagen,
uns selber gegen uns allein zu tragen.
Wir unterliegen hilflos all den Zwängen,
die Innenwelten in Entschämung drängen
und so in Glück umdeuten Wohlstandsplagen.
Allein der Geist mag die abstrakt noch zwingen,
objektivierend sich in harten Worten,
die dieser Gleichungsorgie Noten singen.
Die ihren Nihilismuskultus orten
und ihre Seinsbezüge kalt durchdringen:
Als Joch von Körpern stummer Teilchensorten.
Prosafetzen (327) (2711)21
Die Schneereste
schmelzen der
Sonnenwärme entgegen,
als seien sie todessüchtig
wie ich …
in meinen luzidesten
Verwahrlosungsmomenten.
Entmündigte Gegenwartsmassen/Sonett
Für Alexis de Tocqueville/Für Verehrte (2712)22
Friedlicher Knechtschaft spaßbewegt verwoben,
verschludern sie sich einfachen Gehalten.
Die hilflos unselbständig sie umtoben
als Amüsements und Ablenkungsgewalten.
Entmündigungsroutine, angeschoben
durch selbstbegehrtes technisches Gestalten
von Infantilen und von psychisch Groben,
um geistig anspruchslos sich zu entfalten.
Doch mich kann all das nicht empören,
da alle doch, selbst Macher, danach gieren,
gedrillt sich von sich selber abzukehren.
Zu schwach, ein eignes Leben noch zu führen,
sind sie die Opfer artlicher Miseren,
die sie am Ende werden wohl verzehren.
Genauer hingesehen (2713)23
Genau genommen biologisch Tier,
durchlauf ich eines solchen Bahn:
Verfallen Trieb- und Wesenssucht ...
verstrickt in diesen Wahn,
dass dieses plumpe Dasein hier
ziele auf mehr als Zeit und Ende hin …
Zumal nur Stoff als Zufalls-Flucht:
Zerfallszwang schier.
Ich lebe Rauschzwang
ohne Zweck und Sinn.
Des Sittengesetzes Ziel: Die autonome Person. Hinweisende Fragmente. Für Immanuel Kant/Für Verehrte (2714)24/3 Sonette
*(1)
Ich soll mich, Sinnenwesen, transzendieren,
aus Pflicht zum Noumenon: Zum Selbstzweck machen,
Pleonexie entziehen, nicht an Sachen,
heteronom gebunden, mich verlieren.
Autonomie sei, alles zu negieren,
was das Gesetz entlarvt als Sog der Lachen
von Selbstverfehlungsfrevel und Verflachen,
um geistig tot dann auf sich selbst zu stieren.
Indes: Wozu zu Freiheit sich beschränken,
wenn alle nur nach Lust und Nutzen hungern,
erlebnisselig Außen feil sich lenken,
vor Kick, Behelfsglück und Vernutzen lungern,
wodurch sie Markt enthemmt sich selber kränken?
Wozu - noch mal - sich mit sich selbst beschenken?
*(2)
Um jene geht’s nicht mehr. Nur um Monaden,
die als Idole statt Personen gleißen.
Und so als Starabklatsch sich mit ausweisen.
Empörungsaggressiv sich selbst verraten,
Respekt einfordern via Medien-Schwaden,
identitätsstupid als Standard-Iche kreisen
um eine Mitte, die sie ihre heißen.
Von Selbstbetrug verführt in hohen Graden.
Das, was man sieht, ist eine Körperschnuppe.
Doch die Person allein muss letztlich zählen.
Die nie doch Leib ist und Gesinnungspuppe.
Die niemals wird statt Selbstzweck Phrasen wählen,
zu zeigen sich als Glied der Nachhuttruppe,
nicht fähig, Selbstverzicht sich zu befehlen.
*(3)
Solch Unterschiede spielen keine Rolle:
Wie etwa Herkunfts- und soziale Zwänge.
Auch nicht Kultur, Geschlecht und Hautmerkmal.
Und in der Tiefe auch nicht irgend Glaube.
Nur ob ich mir und andern Würde zolle:
Mir selbst als Träger des Gebots gelänge:
Mich wände gegen Kreatur und Zahl,
Neid, Korruption und jede Machtsuchtschraube …
charakterlose fade Selbsttäuschungen.
Nur was sich Geisteskraft hat ausbedungen -
die Barbarei der Bestie Mensch zu hindern.
Vergänglichkeit ihm, Angst und Gram zu lindern -
Das ist der Zweck: Person durch sich gelungen.
Doch ist gegeben das perfiden Kindern?
Prosafetzen (399)/Für… (2715)25
Du, vollendeter Materiewurf:
Feingliedriges Leibwunderwerk,
narkotisierender Geruch,
Pandora magischen Stumpfsinns …
Eine Liebe, unbegreiflich denen,
die Seele anraunen, Werte, Charakter …
bedeutungslos mir zerrinnend
in schlürfender Vierlippigkeit,
zungenvirtuose Zitter-Rhythmik
imperativen Ineinandertobens
an zeitträgen Nachmittagen
stofffrommer Alltagsübersteigung.
Schlichtes Sonett/Für Platon von Athen/Bezug Höhlengleichnis, Staat, 7. Buch, ab 514ff (2716)26
Wer möchte nicht das größte Stück vom Kuchen:
Erfolg, Geld, Lust … Was immer Eindruck schindet?
Und hebt. Auch weil es andere beneiden?
Auch Jubelramsch, die Welt sich schön zu färben?
Dies zu ergattern wird man doch versuchen,
zumal das alles an Gesellschaft bindet.
Sodass man Angst und Einsamkeit mag meiden,
die Psychen erst verhärten, dann verderben.
Ich hab was völlig andres wollen müssen.
Warum, ist unerfindlich. Und soll’s bleiben.
Mich hielt das Faszinosum Geist besessen.
Nicht immer Schattenbildern so beflissen,
um Bauch und Nichtigkeit mich aufzureiben …
entkam ich manchmal jener Höhle Blässen.
Bilanzgedicht (3) (2717)27
Der Ausdruck ‚sinnlos’ ist,
versucht man,
ihn präzise zu denken,
schlechterdings
unverständlich.
Aber gefragt nach dem,
was ich
als grundlegend,
als zentral
für die mein Dasein
prägende Welt
erfahren habe,
würde ich ihn
ohne Zögern
benutzen.
Frühes Grambild/Sonett (2718)28
Letztendlich kann ich’s nicht genau erklären,
dass alles mich nur oberflächlich packte.
Es sei, was immer: Menschliche Kontakte,
Ideen, Anerkennung, selbst Begehren.
Schon gar nicht Macht mit ihren schalen Beeren.
Durchzog doch Leere jeden meiner Akte,
mir anzudeuten eine sinnlos nackte
Vergeblichkeit, in der sich nichts lässt mehren.
Stets seh ich abendstarre fahle Lichter,
die einen feuchten kargen Raum bescheinen,
in dem sich austobt saufendes Gelichter,
sich Scheitern und Verkommen auszuweinen.
Und dann sagt mir ein tränenloser Richter,
ich solle das durch Geistesmacht verneinen.
Bilanzgedicht (31) (2719)29
Welche eine Last doch,
so ein Du;
sich selber fremd
und angewiesen
auf ein sozial
gewürfeltes Wozu.
Um dann,
wie ich,
ihm hilflos
zu verfließen.
Nihilismus-Söldner/Sonett (2720)30
Ich wüsste nicht um meine Illusionen?
O doch. Ich kann sie mühelos durchschauen.
Und muss sie trotzdem meinem Sein einbauen.
Und nicht nur deshalb, weil sie seelisch schonen.
Auch deshalb, weil es fasziniert zu wohnen
in Geisteswelten, die was andres schauen
als nur gesellschaftlich-soziale Klauen:
Die jener, die als Krone sich betonen.
Der Geist? Längst folgenlos; er wird’s auch bleiben:
Nicht er, der Wohlstand garantiert den Frieden:
Pleonexie nur kann uns faktisch treiben
durch Spaß und Nihilismus, der, dank Riten,
die wohlstandsreligiös das Ich aufreiben,
uns kollektiv so wird als Söldner mieten.
Bedarf’s der Worte? (2721)31
Viel Worte
muss man da
nicht machen;
man hat es
täglich doch
vor Augen:
Man soll
sich selber
bis ins Mark
auslaugen
und tief erregt
verflachen.
Selbstbewahrung III (2722)32/Sonett
Vergleiche (38/2265) und (47/2357)
Ich sitz hier rum und frage mich ganz offen,
warum ich überhaupt Sonette mache.
Was sinnlos ist in dieser Reizwelt-Lache,
die, von Exzessen ihrer selbst betroffen,
gibt kaum noch Anlass, Zukunft zu erhoffen …
Mal abgesehen jetzt von dieser Sache:
Dass kulturell sie grad global verflache.
Von Schlichtheitsschund und Kindlichkeit besoffen.
Um mich an jener Trug nicht zu verlieren.
Um mich als Geistperson nicht aufzugeben.
Um nicht zu imitieren Marktallüren.
Um nicht in Mittelmaß mich zu verstreben.
Um mich nicht zynisch selber zu verführen,
mich zu verschreiben kommandiertem Leben.
Selbst-Lähmung (2723)33
Zu lethargisch,
faktenflüchtig,
kann ich kaum noch
mich entscheiden.
Mein Problem ist,
geistessüchtig
möchte ich, was ist
nur meiden.
Dabei selbst mir
auch entfliehen:
Antriebslosigkeit
entgleiten,
Sosein, dem real
ich bin gediehen.
Des Nutzlosen Vollendungsträchtigkeit/
Sonett (2724)34
Umsonst hab ich sie allemal geschrieben,
all die Sonette hier auf diesen Seiten.
Doch keine Stunde musste ich das leiden.
Ich folgte dabei nämlich Geistantrieben,
die, selber sich genug, in sich verblieben.
So niemals kreuzten Kreatürlichkeiten,
profanem Dasein Nutzen zu bereiten,
um sich aus dem dann Zweck und Ziel zu sieben.
Meint Dasein doch den Drang, sich zu betasten
als Stoff, Erfüllungstrance sich zu geloben,
in dieser sich ekstatisch zu entlasten.
Auch davon, dass man dabei wird geschoben
von Triebfragmenten, die vorüberhasten …
Nur Geist allein ist all dem still enthoben.
Bilanzgedicht (14)/So steht es um uns (2725)35
Für einen Knecht der Gene und Neuronen,
Knecht ohne Einheit eines Ich,
heißt Würde, Selbst und Freiheit sich betonen,
dass er nur deliriert und damit eigentlich
Phantasmen aufsitzt, Trance, Fiktionen …
Sich also diesen als Subjekt ausblich.
Weiteres zu den Sonetten/Sonett (2726)36
Viel Leidenschaft war schon damit verbunden,
aus mir hervorzuzwingen die Sonette.
Das war ein Los und nicht Erlebniskette.
Und ließ vergessen auch so manche Wunden,
die ich mir zuzog in gewissen Stunden
und dann danach so gern vermieden hätte.
Doch leider ist das Dasein nicht das nette
wie's die Reklame vormacht smarten Kunden.
So will ich weiter mich an jene halten,
wenn’s darum geht, mir das, was ist, zu heben.
Darf ich in jenen doch mich selbst gestalten,
nach Einsicht, Tiefe und Gehalten streben,
die ungeschminkt mir zeigen die Gewalten,
die uns an Trauer, Gram und Scheitern kleben.
Was Sache ist (2727)37
Ganz illusionslos?
Ja. Das stimmt.
Der Einsicht bloß,
dass nichts mehr glimmt,
mir nichts mehr macht
Zweck, Hoffen, Sehnen.
Längst im Verdacht,
mir zu verbrämen,
was Sache ist.
Nun was denn, was? -
Schoß, Sinnsucht, List,
Geschwätz und Fraß.
Bedingte Anabasis*/Sonett (2728)38
Wer will das nicht, in Lust und Luxus schwelgen?
Um sich ein Aura-Selbst so zu verschaffen.
Auf das dann Habenichtse neidvoll gaffen
und dabei träumen von smaragdnen Nelken.
Allein das weiß man doch. Selbst Autofelgen
erzählten, wenn sie’s könnten, von solch Laffen,
die unermüdlich und verbissen raffen.
Obwohl am Ende sie dann auch hinwelken.
Ein Phänomen bei allen Kreaturen.
Doch immerhin mag Geist die transzendieren:
Narzissmus, Geldgier und Erlebnistouren.
Indes nur dann, wenn alle klug agieren.
Schutz ist nur das dem Geist: Dass nicht vertieren
und Frieden halten, die sich gängig spuren.
*Anabasis griech.: Ausfstieg, Weg nach oben
Zu spät (2729)39
So ist es nun mal
mit Einsichten,
die unzweifelhaft
als solche
gelten dürfen:
Sie kommen
unweigerlich
zu spät.
Ausweglos I/Sonett (2730)40
Ist’s nicht absurd, dass ich Sonette schreibe?
Indes der Geist schoss immer schon ins Leere.
Doch heutzutage gilt gar dies Verquere:
Verwahrlosung statt Geist wird Seelenbleibe.
Auf dass begeistert man sich Markt aufreibe,
vermeide intellektuelle Schwere
und sich, dem Zeitgeist hörig, selbst aufzehre …
Sich Eskapismus in die Fänge treibe.
Wiewohl die Menschen müssen unterlaufen
Persönlichkeit, Vernunft und Selbstgelingen.
Systemabhängig müssen sie sich raufen
um sich Entlastungschancen zu erzwingen:
Ein bessres Los in dem Monadenhaufen,
in dem sie täglich um ihr Dasein ringen.
Ausweglos/Sonett/Alte Fassung: Variante (2731)41
Es ist absurd, dass ich Sonette schreibe.
Indes der Geist schoss immer schon ins Leere.
Doch hat sich jetzt vollendet das Verquere:
Enthemmungsspaß statt Geist wird Seelenbleibe.
Auf dass begeistert man sich Markt aufreibe,
vermeide intellektuelle Schwere,
sich, Zeitgeist unterworfen, selbst aufzehre.
Dem Simplen hörig, durch Phantastik treibe.
Wiewohl die Menschen müssen unterlaufen
Persönlichkeit, Vernunft und Selbstgelingen.
Systemgefesselt müssen sie sich raufen
um die Entlastungsdrogen, die sie zwingen,
sich selbst zur Standardmaske umzutaufen,
konform in Pan-Verflachung einzudringen.
Die gegenwärtige Gesellschaft (I) (2732)42
Man wird vereinnahmt wider Willen,
ist permanent ihr ausgesetzt.
Noch in ganz später Nächte Stillen
wird man von ihr gehetzt.
Man kann sich ihr nicht mehr entziehen,
zumal sie greift mit Emotionen
und Grund-Affekten, grad durch sie gediehen:
Entfesselungsirrationalen Zonen.
Kurz: Sie ist krank, hysterisch, inhuman,
sie ist verknechtungsprimitiv,
wirft einen seelisch-geistig aus der Bahn …
Als spaßtotalitäres Kollektiv.
Form des Nihilismus (2733)43
Nichts ist selbstverständlich mehr.
Alles darf ja gelten.
Grund, warum die Psychen leer:
sind enthemmt die Innenwelten.
Menschen fühlen sich verlassen,
hilflos ihrer selbst benommen;
meinen, nur noch Trug zu fassen,
aggressiv beklommen.
Tief verängstigt und verworren;
ohne Mitte, ohne Halt,
müssen sie verdorren,
roh gewissenskalt.
Daran könnte es zerbrechen,
dieses würdesieche Land;
dekadent sich selbst verzechen:
gossenjämmerlich in sich verrannt.
Hauptbahnhof (2734)44
Was mögen die da denken und was fühlen,
die dich beäugen; maskenschwer.
Dies Pärchen auf den Gitterstühlen.
Mit Fratzen, ganz verzerrt von Du-Abwehr.
Was ist es wohl, was sie so mürrisch macht?
Gram, den man selbst sich hielte gern verborgen?
Welch Päckchen tragen sie und welche Daseinsfracht …
Sind’s einfach Alltagssorgen?
Das wirst du freilich nie erfahren.
Und muss es auch nicht, denn du weißt:
Dass niemand kann sich vor sich selbst bewahren,
was Scheitern, Wirrnis, kurz: Verhängnis heißt.
Die Maße Gottes (2735)45
Entlastend wär's ja schon,
an Gott zu glauben.
Doch glauben wollen
kann man nicht.
Grad wenn man weiß,
man ist nur Teilchen-Fron,
verfügt zu sollen
und zu rauben.
Und wesenstypisch
ohne Gleichgewicht.
Gotte wäre Geist
und Hyle-Transzendenz,
Quell zarter Güte,
Einsicht, Weisheit gar.
Indes wer wüsste noch,
was das denn heißt?
Gewiss nicht,
dass die Ichsucht wüte
und seelenlose Indolenz.
Wem wäre freilich
das denn klar?
Zeitloser Nachtwind (2736)46
Ein tanzender Nachtwind
- warm, scheu,
verspielt und traumträchtig -
lässt mich heraustreten
aus Isolation,
Teilnahmslosigkeit,
Stumpfsinn und
artefaktiellen Selbst-Vermittlungen:
Herrliche Wiederholung
kindlicher Grunderfahrungen,
tanzt er heran,
noch mit Resten,
so male ich ihn mir aus,
mittelalterlich-bäurischer
und naiv affekthypertropher
Distanzlosigkeit aufgeladen.
Jenseits noch aller industriell
euphorisierenden
Emotionen-Standardisierung,
die sich zum Beispiel
darin verriete,
dass ihr schlitzohrig-
abgezocktes Trägersubjekt
jene Trance als obsolete Sentimentalität
rohsmart zu brandmarken
reflexhaft-cool
versuchen würde.
Auflösung I (2737)47
Sogar die Trauer wird sich schal.
Entkernt und trivialisiert
von dem, was hier diktiert:
Enthemmungs- und Entwertungs-Qual
global abstrakter Welt-Komplexität.
Entschämt das Selbst, das implodiert,
sich als Person entkernt an Ich verliert,
begeistert selbst sich dann verrät.
Doch Schuld trifft niemand.
Hier ist ganz basal
der bindungslose Mensch berührt.
Den nicht mehr trägt Ideen-Band:
sei’s Gott, Kultur, sei’s Geistes-Majestät:
Gewissenlos. Verlassen.
Gesteuert und verführt.
Existenzweise (2738)48
Nur Kunde, könnte ich mir nicht gefallen.
Und das, was als Moral hier gilt,
bedeutet mir nicht viel.
Mir ist nur wichtig, geistig es zu fassen,
Es zu entlarven, dieses Spiel.
Zu meiden seine Wohlstands-Fallen.
Damit ich kann Gedichte schreiben.
Und das bedeutet, selber mich zu schaffen.
Mich in Momente tiefsten Glücks zu treiben:
Mich diesem Ratio-Nihilismus zu entraffen.
Will ich doch ungeschoren dem entrinnen:
Den Klippen der Verwahrlosungen,
der Barbarei der Phrasenbrände
und dem narzisstisch kranken Sinnen
nach inszenierten Selbst-Belämmerungen.
Privilegierter Ausweg (2739)49
Über einen Kamm gescherte,
alle wir, Sozialmonaden.
Trotz Genuss von Gram beschwerte
Sucher ohne Selbstwertfaden.
Wühler in abstrakten Räumen.
Dort Bedeutung zu erhaschen,
rational sich zu versäumen:
Aufzusitzen Werttrugmaschen.
Was bleibt, ist ohne letzten Zweck zu leben,
sich an sich selber geistig auszurichten.
Gibt es doch nichts mehr zu erstreben,
was würde Halte einem schichten.
Was würde nicht man müssen fassen
als objektive Selbstaufgabeposse:
Verfügt, sich zu entlassen
in tauschgeknüpfte Tugendgosse.
Innenweltbesetzung (53/2740)50 /Trias A 202
Das zeigt die Tiefenanalyse:
Totale Spannung sanfter Art.
Durch Selbstentmächtigung - präzise:
Durch Mächte, die man kaum gewahrt.
Zum Beispiel in den Netz-Spielwiesen,
die faszinieren Fans und Kunden,
die wähnen sich in Paradiesen,
vergessen lassend alle Alltagsschrunden.
Tatsächlich Trivial-Magien
von bannender Alltäglichkeit.
Komplex, vor dem die User knien,
sich einzusaugen einer Trance-Einheit.
ZINSJ (109) (2741)51
Halt ist nirgends.
Es sei denn,
man hat das Glück,
die paar Illusionen,
an denen man ihn festmacht,
nicht zu durchschauen.
Ich hatte
dieses Glück nicht.
Depersonalisierungszwänge/Sonett (2742)52
Zu vergleichen (32/1881)
Zerstört sind alle Selbstverständlichkeiten
in dieser Tauschfarce ohne Hochkultur.
Die Einzelnen sind auf sich selbst verwiesen,
sich Wertverfallentschämung anzupassen.
Und völlig außerstande, sich zu leiten,
gar zu erwehren dieser Diktatur.
Zumal sie sollen doch sich selbst genießen.
Sich nicht mehr als Person und Selbst auffassen.
Das ist das Ende aller Psychen-Halte.
Der Ausverkauf auch aller Selbstbestände.
Auf dass die Innenwelten Spaß gestalte
und so Verwahrlosungsentlastung spende
für eine ruinös gewissenskalte
Entwirklichung bis in die Selbstwert-Brände.
Grundgefühl (2743)53
Mein Dasein hab als sinnlos ich empfunden.
Und das von vornherein.
Gestand mir ein das auch.
Das tat ich unumwunden.
Ich musste ehrlich sein.
Es hilft ja nichts,
sich etwas vorzumachen.
Sei’s zu verdrängen,
sei es schönzureden.
Da gilt’s zu klären selber sich
und Sachen.
Vor denen nichts hält stand.
Auch nicht das Beten.
Indes dies Grundgefühl verhindert schon,
sich gängig auszuleben.
Ich kann das nicht,
empfände es als Hohn.
Obwohl es mag Erfüllung geben.
Für mich ist Leben Stoffasyl.
Das zweckfrei ist
und ohne jede Wahl.
Bedürfnis-, Emotionen-,
Wert-Phantasmen-Spiel.
Strikt festgelegt. Durch Gene,
Ich-Verlies und Deutungsqual.
Doch mag das eine Sicht nur sein,
subtil mich selber zu betrügen.
Entlastungshungrig mir
mein Scheitern zu erklären.
Doch glauben kann ich nicht
an all die Mären
von Tugend, Würde, Sinn, Vernunft.
Von Macht und Zugehörigkeit und Siegen.
Zumal der Intellekt mir aufweist unser Streben
als ethisch-metaphysisch eitle Brunft,
als Aushub innrer Schützengräben,
als Krieg mit mir
und andern Daseinswunden,
mir völlig gleich in ihren Lebenslügen,
jedoch als fremd und feindlich
beidseits sich empfunden.
Kleine Katze II (2744)54
Ach komm doch her,
du liebes Tier!
Ich will nur gut dir sein:
Dich streicheln, fühlen
und dich wiegen.
Um so mit dir
die Welt zu meiden,
von ihren Lasten leer.
In deinem Schnurren
will ich ihr entgleiten.
Ihr, diesem Ratio-Wahn.
Und diesem
seelentiefen Murren
von Daseinssiechen
ohne Bahn.
ZINSJA (64) (2745)55
Dass es sich lohnte,
ein gängiges Leben
zu führen:
Wohlstandstrunken,
stumpfsinngeborgen,
bilderübertölpelt,
propagandaberuhigt,
marktgesteuert,
phrasenbewehrt und
popniveaumystisch
stimmungsgefangen,
so ausweglos angewiesen
auf Lebensvollzüge
eines dauerokkupierenden
Pan-Trivialismus …
Das zu glauben
bin ich gänzlich
außerstande …
ich,
der ich vergeblichkeitslüstern
hinauslausche in die
grandios sinnleeren Überräume
einer selbstenfesselten,
Gottes nicht bedürftiger, Materie.
So hab ich es sehen müssen (2746)56
Zu viel, ich habe viel zu viel begriffen.
Und das, das hat mich schroff gemacht.
Auch zynisch, hoffnungslos und ungeschliffen.
Ich sag’s mal so, sag's sacht:
Dass lebenslang wir uns verweigern
den objektiven Sachverhalten.
Wir müssen, das ist Kerndrang,
doch uns selber steigern
in dieser Welt der drastisch kalten
Gegebenheiten als Vergänglichkeit.
Und Leben hochprekär ist: Lotterie.
Wir ausgeliefert sind oft Niedertracht und Neid.
Erfüllung finden können nie.
Ist’s Zufall doch, den niemand kann bestehen.
Dem sind wir alle gleich verloren.
Ihm unbegriffen uns dann hilflos hinzugehen.
Zu keinem Zweck geboren.
ZINSJA (66) (2747)57
Dass an uns nichts liegt,
ist offenkundig.
Man richte seine Aufmerksamkeit
nur einmal
auf die seelischen Eskapaden
dieses genussontologisch befangenen Zeitgeist-Büttels,
der sich,
befehlsdevot von sich selbst ergriffen,
durch eine Existenz mogelt,
die jeder sinnbegabten Affektlage
vollständig entbehrt,
exakter Abklatsch ist dieser Erlösungsdreiheit
von Wohlstandsdauerzufuhr,
abstraktionsrationalem Intellekt
und chemisch intensivierter,
Entwirklichungsraserei
verpflichteter Zeitgeistmystik.
Großstadt-Plebejertum (2748)58
Erregtes Großstadtsog-Plebejertum:
Die Stadt sei metaphysisch anerlöst,
Ersatz-Jerusalem frenetisch Heimatloser,
ein Faszinosum dionysischer Magie.
Getrieben auch von technischen Effekten,
steriler Körper Inszenierungs-Schub.
Ein Stimmungsdom der Transzendenz
in Kollektiv-Ich und Entlastungsdrogen,
geplanter Einfachheit verbrauchercool verfallen.
Ergeben Tinnef*-Gurus, Trosteinpeitschern
und Underdog-Motorik-Trancebombastik.
Ergriffenheitsgebote, hörig umgesetzt
in was man ichvertrudelt fühlen soll,
sich, Standard-Selbstbruch, zu verhehlen
die knechtische Getriebenheit,
das medienprimitive Kultgehabe
verinnerlichter Zeitgeistanomie.
Subjektivierungs-Eskapismus,
Faktenqualen trash-siech zu vergessen,
sich aufzugeben schundurbanem
Quantenzufalls-Nichts.
*Tinnef jiddisch: Schund
Das empirische Selbst (2749)59
Immer nur vorläufige,
gesellschaftlich-soziale Quer-Bilanz,
dynamisch, schillernd, schwankend,
Erfahrungs- zu Wert- zu Deutungs-Haltungen:
Faktenbasierte psychische Jenachdeme,
objektiv an sich veränderbar in jedem Augenblick,
nie wahr, zumal vielfach- und überdeterminiert.
Immer nur als solche angenommen,
die für einen selbst gerade gelten müssen,
was man freilich glaubt, nicht weiß,
irrationale und auch unbewusst
verankerte Interpretationen eben.
Zusammengestoppelt aus biologischen Vorgaben,
Herkunft qua Familie, Schicht oder Klasse,
ausgelegten Widerfahrnissen,
unentwirrbaren Innenweltverstrickungskomplexen,
Kultur, Sprache und Staat,
Geschichte, Verfassungsform und Institutionen,
Technikstand und Wirtschaftsweise.
Es ist das vage Bewusstsein
einer unaufhebbaren Gefangenschaft
in genetischer Zufälligkeit
und einer von seiner (noch)
nationalen Artgenossenschaft,
also fremd und einem selbst nur
bedingt begreiflich,
hervorgetriebenen Gesamtkonstruktion
je subjektiv unbegriffener Welthaltigkeit.
An der man,
ohne die Wahl zu ihr oder zu sich zu haben,
mehrdimensional dauerbedürftig,
physisch wie psychisch halbwegs gehalten,
ja: auch geborgen, mit baut,
auch, um quasi nebenbei,
sich selbst und anderen darin auszudrücken,
was man unverwechselbar zu sein scheint.
Jedenfalls einzigartig sich sein wollend und geltend …
So sinnlos das auch sein mag,
da, heutzutage, sein Leben lang
Mächten ausgesetzt,
die man partiell gar nicht kennt.
Zumal sich mehrend
in einer globalen Welt,
die mehr und mehr totalitär i
n sich selbst sich verflüchtigt:
Psychisch-kulturelles Nomadentum,
einheitsblind zerfallend
sich selbst ausgeliefert.
Selbstverlust (2750)60
Ich lebe in wahrhaft seltsamen Zeiten.
Seltsam, weil auch so leicht zu verstehen:
In ihnen m u s s man dies Schicksal erleiden:
Man muss als Person sich selbst vergehen.
Man kann sich nur noch entgleiten.
Und dies durch repressive Toleranz:
Es sei Freiheit, sagt sie,
sich um sich selbst nur zu drehen,
Freiheit, sich auszuleben ganz,
Freiheit, nur eigenen Vorteil zu sehen.
Um dann am Ende, allen anderen gleich,
dasselbe zu wollen wie alle:
Sich pausenlos widmen diesem Warenreich,
bis man dann zappelt in seiner Kralle:
Entmündigt, belämmert, verdinglicht und weich.
Zur Republik der Korrupten, Trickser und Charakterlosen (2751)61
Was willst du sagen?
Nun, spuck’s aus!
Dass du’s Gefühl hast,
nichts mehr kann dich tragen?
Dass, was hier abgeht,
scheint dir Kartenhaus,
dabei, sich selbst zu machen
den Garaus?
Durch jenes Hohen Hauses
Trickser-Gaus?
Da liegst du richtig.
So wie’s steht,
ist’s faktisch nur noch
Leerwort-Pfusch:
Recht arrogant
und völlig nichtig.
Wie sollten Trickser auch
begreifen Sachen?
Für die kann zählen nur
der Machttross-Tusch.
Illusionen-Träger (2752)62
Doch Gramhort eines Ich-Verlieses,
meist Niedertracht und Korruption gelungen,
dem Hang des Durchschnitts,
sich zu überschätzen …
Macht,
Ehrgeiz,
Hybris und Verblendungsraffen
sich plattnarzisstisch
einzuweben,
erscheint’s mir angebracht,
zu sagen dieses:
Man ist nun mal sich selbst gedungen,
verheddert sich in eignen Psychen-Krätzen,
maßt sich nur an,
sich selber frei zu schaffen …
Ein Kreatürchen eben.
Und zwar ziemlich mieses.
Vergötzte Lyder-Hure* (2753)63
Vergötzte lydische Hure;
narkotisierendes Verlies.
Uns Durchschnitt
die tiefste Daseins-Fuhre:
Uns Göttin und Paradies.
Formierend das Ich,
das Wir und das Du.
Man kann ihr Kommando
nur ahnen:
Sie deckt uns mit Sinn
und mit Beute zu,
uns selbst nach oben zu bahnen.
Macht leer und verkommen
die Zeiten,
zerrüttet die Psychen,
macht gleich alles Dinge.
Macht auch, dass das Ich
sich als Mythe gewinne;
ihr sklavisch-verdinglicht
zerrinne.
Um letztlich als Halbgott
durchs Leben zu gleiten.
*Lyderhure: Geldmünze, Geld. Die Lyder sollen das Geld erfunden haben.
Sehnsuchtssterben (2754)64/Für Homo sapiens
bambergensis
Und bis zum Ende werd ich manchmal gehen
zum alten Parkplatz, nah der matten Neonlampe.
Wiewohl versoffen, krank: Gekrösepampe.
Ein Wrack, das träumt, dein Staubgedicht
noch mal zu sehen.
Dich selbst, dich ferner Tage Haltversprechen:
Das eines Traumes Singsang-Tiefenlied.
Die Schönheit deines Körpers mir zu brechen
aus was nur meine Sehnsucht sieht.
Trotz längst verschwommener Erinnerungen.
Wohl wissend, dass ich phantasiere
Schimären, der Vergänglichkeit entrungen,
auf dass es meine dünne Seele rühre.
Ich rufe so herauf dein Angesicht,
noch jung und zart und makellos.
All das bezeugt mir jenes fade Neonlicht,
von deinem Glanz betört mir gaukelnd Daseinsfloß.
Gefühlsromantizismus und Verklärungskinderei?
Gebrochner Popanz eines schon Senilen?
Mag durchaus sein. Doch auch ein Schrei
nach Sinn in deinen Leib-Asylen.
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