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Diese Seite enthält 67 Gedichte (59 Prosa-, Reim-Gedichte und 8 Sonette)
Politiker*innen (2491)1
Ichschwach sind sie
durch die Bank,
Macht verfallen und Applaus;
inszenierend Pseudo-Zank,
schändend so ihr Hohes Haus.
Müssen freilicn solche sein,
weil nur noch
nach oben kommen
Halbbegabte, dienend Schein,
ihrer selbst fatal benommen.
Da agiert nur Mittelmaß,
Menschtum drastisch selbstwerttrunken,
geistkorrupt und faktenfremd;
intellektuell gehemmt.
Ohne Überzeugungsfunken.
Lebenszeiten (2492)2
Es war recht mühsam bis hierher
ins Alter von jetzt siebzig Jahren.
An manchen Tagen nur ein Trauermeer.
An andern dann Routine und Verfahren.
An dritten kleine Glücke und Erfolge,
sodass ich dankbar aufsah in die Bläuen.
Zu suchen eine weiße Wolke
als Zeichen dieser Stunden ohne Gram und Reuen.
Indes muss ich der Zeiten auch gedenken,
da Körper jenem Rausch verfielen,
wie ihn nur Geist und Eros können schenken:
Orgiastisch den Verlust des Selbst zu spielen.
Geistige Selbstbewahrung (2493)3
Täglich zwar der gleiche Trott.
Doch ich kann mich nicht beklagen.
Ist's auch zynisch-kalter Spott ...
Spaß-Dasein an allen Tagen:
psychoethischer Bankrott.
Weil man muss nach Lüsten jagen,
um das Ganze zu ertragen ...
Ohne Inhalt, Sinn ... ein Pott
provozierter Emotionen.
Ich hab's immer gut ertragen:
Geistgeborgen und in Gott
durfte ich mich selber tragen,
mich mit dieser Welt verschonen.
Lohnende Selbstzerstörung (2494)4
Dafür lohnt sich’s allemal,
selbst zugrunde sich zu richten;
indes dafür nur allein:
Sich zu deuten in Gedichten,
nicht in Haben, Macht und Zahl ...
Fliehen unser Kunstwelt-Sein.
Auch das eigne, diese Plage,
die’s in solcher Welt sein muss:
Drogen, Selbstbetrug und Pein,
Einsamkeit und Trauer-Kuss,
Lebenslügen, Sinn-Gebein …
Trost sich dann
als Traum zu schichten:
wesensleer entlastungsschal.
Astrophysik: Botschaft aus der Vergangenheit (2495)5
Vor eine paar Tagen,
genau am 15. Januar 2006,
ich glaube um 3 Uhr Ortszeit,
landete die Sonde „Stardust“
nach 7 Jahren Flug
und 3 Milliarden zurückgelegten Meilen
durch das Sonnensystem
auf einem Salzsee in Utah.
Staubpartikel brachte sie mit
von einem 4,5 Milliarden Jahre alten Kometen.
Ich hoffe auf sichere Ergebnisse
der Untersuchungen dieses Kometenstaubs,
bis ich selbst wieder zu ihm werde,
dem Staub,
der am Anfang war,
Milliarden Jahre
vor dem Wort.
Selbstbetrachtung (2496)6
Ca. 28 000 Lichtjahre vom galaktischen Zentrum entfernt befindet sich mein Heimat-Sonnensystem,
Alle 220 Millionen Jahre dreht es sich einmal um jenes Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße.
4,6 Milliarden Jahre ist die Sonne alt.
Die 9 Planeten um sie her herum sind Materieüberbleibsel.
Und alle diese Himmelskörper sind angereichert mit schweren Elementen, Reste einer Supernova
von vor vielleicht 10 Milliarden Jahren.
Auf dem 3. Planeten vom Zentralgestirn weg,
der Erde, ich, ein homo sapiens,
Angehöriger der letzten Art der Gattung Homo,
die vor ca. 2,5 Millionen in Afrika entstand.
Homo sapiens: Ein sich selbst unverfügtes
molekulares Evolutionsprodukt:
opportunistischer Räuber, Sozialtäuscher
und ingeniöser Techniker,
großhirnig, Pleonexie hörig, der Natur
aus der Hut gesprungen,
wesenswidersprüchlich so seiner Autodestruktivität ausgeliefert …
stoffabhängiger Organismus, hypertroph intelligent, Tugendschauspieler und manchmal, ganz selten,
auch Geistmensch:
Ein von dieser Daseinslotterie beschenkter, Einsicht lebender Existenzvirtuose …
Homo sapiens: im 20. und 21. Jahrhundert
ein wohlstands- und erlebnislüsterner,
sich permanent Entlastungsspaß organisierender
Zeitgeist- und Dingfetisch-Knecht,
längst - und immer öfter und intensiver - heimgesucht
von Lustkatersymptomen …
Die Nacht ist wunderbar warm und klar.
Am Firmament ein Spiralarm der Milchstraße,
ein weißes Band, majestätisch, gewaltig, ehrfurchtgebietend, mir eine metaphysische Ahnung
von Heimat eingebend:
Von jener Heimat im Zustand einfachster stofflicher Identität,
kaum dass sich aus der uranfänglichen Teilchenmasse
die ersten Atome gebildet hatten.
Materieheimat, die auch mich aus sich entließ,
bewusstlos-zufällig schuf aus den Urkernen,
von denen sich einige wenige auch zu mir,
diesem späten Ich, zusammenfanden …
Zu staunender Selbstanschauung in Fremdheit verneinender, sternprächtig glitzernder Nacht,
gerade in diesem zweckfrei-sinnlosen Geschehen auf einfachste Geborgenheit auch verweisend.
Wissensschwären (2497)7
Vor ca. 14 Milliarden Jahren der Urknall.
Nach und nach Abermilliarden von Galaxien.
Vor ca. 4,5 Milliarden Jahren entstand dann das Sonnensystem, in dem ein Teil unsere Erde ist.
Vor 7 Millionen dann Sahelanthropus tchadensis.
Dann die Gattung Homo. Vor 2,5 Millionen Jahren.
Ein Primat, der aus der Hut der Natur sprang:
Dieser und sich selbst so notwendig eine Katastrophe.
Wir, die Sapienten, beweisen dies nunmehr drastisch:
Als pseudorationale Naturübermächtigungshirnlinge:
Gott entweder Affektprojektion, Neuroeinheit,
Nebenprodukt der Sprachentwicklung oder
evolutionäre Hilfsfiktion,
das chronische Übermächtigungsringen,
dies Seßhaften-Pankration erfolgreicher zu bestehen.
Mit Hilfe metaphysischer Projektionen.
11.10.2003, morgens 4.35 Uhr (2498)8
Guten Morgen,
blasse Sterne.
Einer,
schlaflos, ohne Mitte,
grüßt euch
trotz der fahlen Ferne.
Hat seit Kindheit
euch so gerne,
euer Leuchten,
euer Blinken.
Auch weil Seinsgrund
ihr ihm seid.
Ist er doch
nur Sternestaub.
Der euch lieben darf
und winken.
Euch, wie er,
der Zeiten Raub.
Notwendiges Vollendungsscheitern (2499)9
Mag es auch leer sein, ohne Sinngefüge,
nichts weiter sein als Teilchendiktatur,
dies Taumeln durch Bedürfniskriege
als Gram-, Gewaltlust- und Vergänglichkeits-Tortur.
So ist es doch ein Absolutes,
mit Ehrfurcht nur und Staunen anzusehen.
Das weder Böses kennt noch irgend Gutes,
Nichts weiter ist als werdendes Vergehen.
Dem, nur ein Zufallstaumeln, auch ich selbst entstamme,
bedeutungsloser Husch durch Augenblicke.
Doch auch zuweilen geistig konzentrierte Flamme,
entlarvend all die tiefe Tücke
des homo sapiens: Seine Barbarei
und seine Selbstverknechtungsniedertracht.
Indes er ist sie doch. Er, dieses widersprüchlich,
sich selbst entzweite rationale Nebenbei
der stumm materiellen Teilchen-Macht.
(SMS 37)//Zufällig aus einer Papierhalde gezogen (2500)10
Regentrauerschmächtig
hinkt ein Sommerpuls
durch gewaltleere
Abendstunden,
einer seinstrunkenen
Straßenlaterne zuweinend,
die nun schon
zum siebten Mal
einer Stromschnake
klippensüchtig
Hyperions Schicksalslied
vorträgt.
Trivial-Kultur (2501)11
Ach ja, was macht man nicht so alles mit
in diesen Zeiten provozierter Selbstwert-Qual:
Gesinnungsethischer Verworrenheiten
als Wohlstands-Mystik jenseits aller Fakten,
als solche selbstzestörerisch, weil ohne Einsichts-Kitt;
gesellschaftlich latent fatal.
Zum Glück kann ich mich meistens selber meiden:
mich gegengängig realistisch takten,
begreifen halbwegs diesen kulturellen Schnitt ...
der freilich muss mir sie verleiden
die Zugehörigkeit zu diesem Bacchanal
des allseits provozierten Abgeschmackten.
SMS (19)//Zufällig aus einer Papierhalde gezogen (2502)12
Geschlossen
meutern
die Augenblicke,
verhängnisbesoffen,
gegen die Zeit.
SMS (36)//Zufällig aus einer Papierhalde gezogen/
Das schwindende Glück (2503)13
Das Glück ist seltener geworden,
seit es uns Kunden wurde Daseinspflicht,
erlebniseskapistisch es zu horten.
Gar einzuklagen vor Gericht.
So wird’s als tiefes langsam untergehen.
Und nur als inszeniertes bleiben.
Als vorgetäuschtes, um zu sehen,
wie’s andre, echt dann, lässt sich Neid zerreiben.
Zu steigern ist es doch schon längst nicht mehr;
zumal man keins mehr sich versagt.
Befriedigung bleibt deshalb häufig leer,
so immer häufiger vertagt.
Indes war Glück schon immer selten.
Ist letztlich es doch geistiger Natur:
Erotisch asozial etwa und frei von Kälten
geplanter Psychendruck-Abfuhr.
SMS (28)/Zufällig aus einer Papierhalde gezogen/
Frühe Fundamental-Prägungen (2504)14
Dass mein nihilistisches* Weltbild,
mein Materialismus
und meine Ablehnung
jedweder Form von Idealität,
sie sei ethischer,
metaphysischer,
kultureller
oder auch gesellschaftlicher Art,
in prägenden Erfahrungen
der Kindheit angelegt sind,
das ist so,
beschlich mich doch schon
in frühen Jugendtagen
das bestimmende Grundgefühl,
dass wir willenlose Marionetten
und eben nichts weiter als Spielbälle
eines unleserlichen Schicksals seien.
Unschuldig.
Und, bricht sie durch,
hilflos ausgeliefert
jener uns unterschwellig
dauerbedrohenden Wesensbarbarei.
*Der von mir ohne Wenn und Aber vertretene „objektive“ Nihilismus meint freilich kein individuelles Weltbild, sondern eine alles Sein umfassende Tatsache; kurz:
(1) Wirklich ist nur die physikalische = materielle Welt
(2) Es gibt neben und vor dieser (gar eine als jene geschaffen habende) keine geistige Welt = als Welt einer göttlichen Schöpfungsmacht (AT) oder als ewige, rein geistige Ideen (Platon)
(3) Die Entstehung des Universums vor 13,82 Milliarden Jahren hat(te) weder Zweck noch Ziel; Das Universum ist jedenfalls nicht unseretwegen entstanden
(4) Der Mensch ist ein Zufallsprodukt der biologischen Evolution: Er musste nicht entstehen (weil etwa ein der Materie vor- und übergeordneter reiner Geis/Gott ihn geschaffen habe)
(5) Der Mensch ist ohne Zweifel Geistwesen (als dieses Schöpfer von Selbstbewahrungs-und Entlastungs-Illusionen; Voraussetzung: die Lautsprache); er ist aber vor allem - und das bestimmt sein Schicksal - ein Tier: Materie-Gebilde (der Geist ist ein Nebenprodukt der Gehirnentwicklung und ausnahmslos an Sprache gebunden, lebenslang bedürftig, triebgebunden, verfallsverfügt (alternd und sterbend)
(6) Die menschliche Existenz ist, objektiv betrachtet, sinnlos (subjektiv ist sie das nicht, weil wir uns gewöhnlich so etwas wie Sinn „zusammenphantasieren“; manche anerkennen die objektive Sinnlosigkeit, ziehen aber aus dieser die Konsequenz, dass sich wir Menschen gerade deshalb zuträgliche Verhältnisse - diese seien möglich - schaffen sollten. Solche zuträglichen Verhältnisse zu schaffen, sind wir außerstande: Die Geschichte der Menschheit folgt
(a) äußeren naturbedingten Zufällen
(b) der nicht „guten“, unfreien = determinierten Natur des Menschen, der nicht über einen freien Willen verfügt
(c) von Menschen geschaffenen Umständen/Gegebenheiten/Zufällen usw. (heute etwa Klimawandel, Naturausbeutung und -zerstörung, Vernichtung der Artenvielfalt usw.; der Mensch ist eine Naturkatastrophe, so, richtig, Franz Wuketits)
(d) der Tatsache, dass der Mensch notwendig Techniker/Werkzeughersteller ist, gezwungen, die naturwüchsigen Umstände für seine Zwecke (Kleidung, Behausung, Nahrungsbeschaffung usw.) umzuschaffen, weil er nur so überleben kann (der Mensch ist homo inermis, so, richtig, Arnold Gehlen)
(e) Es ist davon auszugehen - ich, Sa., tue das - dass wir uns selber abschaffen werden - und zwar aufgrund unserer hypertroph entwickelten: überspezialisierten Rationalität, an der wir zugrunde gehen werden, also, scheinbar absurderweise, an der abnormen Leistungsfähigkeit unseres Gehirns, das uns zwingt(!), seine „Kapazitäten“ auszuschöpfen (d. h. wir laufen auch in dieser Hinsicht ab wie die Bratenwender (ein Ausdruck von Immanuel Kant,
der absolute Unfreiheit: Heteronomi meint) - soll heißen: Wir werden wieder verschwinden von diesem Planeten, wahrscheinlich in den nächsten Jahrhunderten infolge
(א) des Ruins unserer natürlichen Grundlagen oder
(ב) durch Kriege (etwa einen Weltkrieg) oder
(ג) durch Einschläge von Himmelskörpern oder …? Jedenfalls lange bevor die Sonne zum roten Riesen (in ca. 3,5 bis 4 Milliarden Jahren) wird, um als dieser dann die Erde in sich hineinzuzuziehen (zu vernichten).
SMS (29)//Zufällig aus einer Papierhalde gezogen/ Seinsimmanente Vergeblichkeit (2505)15
Das Alter merke ich.
Nicht nur physisch,
ich merk’s auch psychisch.
Vollenden sich doch nunmehr
die lebenslang gefühlte
innere Leere und die
stupende Gleichgültigkeit,
die so typisch für mich sind.
Und: Die von mir nie tiefer
als jetzt empfundene
kindlich-ergebene Liebe
zu der in jedem Augenblick,
in jedem Ding,
in allem Geschehen
so deutlich sich mir
aufdrängenden
seinsimmanenten Vergeblichkeit.
SMS (30)//Zufällig aus einer Papierhalde gezogen/ Moralisch völlig überfordert (2506)16
Newshörig sitze ich den Abend ab.
Stündlich versorgt mit Informationen.
Bedrückenden. Beängstigenden.
Manchmal schlicht undeutbaren.
Aufgefordert auch,
die Schlechtigkeit der Welt zu begreifen:
Ihre Bestialität, ihre Ungerechtigkeit,
ihre Unterdrückungsintensität.
Mimisch-gestisch auch daran erinnert,
all das zu bedenken, mir meiner,
des wohlstandsgesättigten
privilegierten Verbrauchers,
indirekten Mittäterschaft bewusst zu werden,
Mitleid zu haben, überhaupt sittlich
aufzubegehren gegen Kriege, Unvernunft,
Ausbeutung, Benachteiligung und Zerstörungssucht.
Indes zeigt sich meine moralische Irritabilität
als weitaus schwächer und begrenzter,
jedenfalls zu schwach, um das kommunizierte Elend
erwartungsgemäß betroffen verarbeiten und
bewältigen zu können, mich auch,
mir meiner Mitschuld beschämt bewusst,
innerlich vor ihm zu beugen.
Agape-, vernunft- und humanitätstrunken
deshalb irgendein abstraktes Zeichen
meiner Humanität zu setzen:
sei’s schweigend innzuhalten,
sei es, die Faust zu ballen,
erschiene mir indes als
ein weiterer Schlag ins Gesicht
all der tatsächlich leidenden und
darbenden Verkümmerungsverfügten
unserer grausamen Art.
SMS (31)//Zufällig aus einer Papierhalde gezogen/
Ein herrlicher Tag (2507)17
Achte Sätze aus dem Alten Testament übersetzt.
Circa zwanzig Odyssee-Verse nach metrischen Vorgaben
des homerischen Hexameters
mit Punkten zwecks Anzeige der Hebungen versehen.
Einige Gedichte in eine Computerdatei getippt …
Keine Nachrichten gehört,
nicht ferngesehen.
Mich überhaupt von allem ferngehalten,
was mich hätte ablenken, gar stören können.
Das heißt, ich war völlig allein.
Und so habe ich
einen herrlichen Tag verbracht.
Mehr gibt’s nämlich nicht:
Geistige Herausforderungen,
Geschwätzes-Ferne,
Stille
und Einsamkeit.
SMS (32)//Zufällig aus einer Papierhalde gezogen/
Der Entertainer (2508)18
Die andeutungsweise lasziv lächelnde Ansagerin lässt keinen Zweifel an seiner überragenden Persönlichkeit aufkommen.
Star, winner, good guy, ja, Helfer und Vorbild sei er.
Ein Botschafter jedenfalls bester Fernsehunterhaltung.
Garant für Quote, illustre Gäste und Qualität.
Und dennoch sei er, trotz seiner großartigen Erfolge über all die Jahre hin, ein Mensch wie du und ich geblieben,
einer von uns, den Normalos.
Nett, unkompliziert, ohne Allüren, ganz natürlich eben: authentisch.
Ein Kumpel, einer zum Anfassen.
Und doch in allem ganz er selbst.
Schon im Frühstücksfernsehen habe er beeindruckt
mit dem Kommentar zu seiner neuen Abendshow.
Diese sei dann überwältigend gewesen, eben Wahnsinn! Abartig! Geil! Super sei der Erfolg gewesen.
46% der Zuschauer hätten sie verfolgt.
Die im Saal Anwesenden hätten gar laut getrampelt,
gepfiffen und geschrien; einfach ungläubig gestaunt über die phantastischen Zaubernummern, Tanzeinlagen und Spiele.
Der Applaus sei denn auch rauschend gewesen.
Gegen Schluss hätten einige sogar geweint, als er und die Promis aus Politik, Sport Wirtschaft und Show-Geschäft
sich in die Arme fielen und, zum Publikum gewandt, „Ein bisschen Frieden“ sangen.
Um dann miterleben zu können wie er am Ende der Gattin des Bundespräsidenten, zusammen mit dem Generalsekretär der Regierungspartei,
der seit Wochen in den Charts vertretenen Rock-Lady
der Gruppe „Groovy Tubes“ und dem Ausnahmestürmer des Traditionsclubs an der Tabellenspitze der Fußballbundesliga einen Scheck über 1,2 Millionen € überreichte, bestimmt für notleidende Straßenkinder in Brasilien.
Bei dieser Gelegenheit habe er dann eine Lanze gebrochen für mehr Hilfsbereitschaft und Solidarität,
größeres Verständnis füreinander, weniger Egoismus in der Welt; überhaupt mehr Liebe und weniger Krieg.
Denn dass gelte „All you need is love“, wüssten wir ja schon alle seit den Tagen der Beatles.
Und all das habe er dann gleich mittags in die Tat umgesetzt, als er in einem Obdachlosen-Asyl den Weihnachtsmann gab und dabei - das sei für ihn selbstverständlich - um noch mehr Unterstützung für die Randgruppen und Benachteiligten in der Gesellschaft geworben habe.
Nicht nur bei den Bürgerinnen und Bürgern, nein, auch
- und bei denen sogar besonders nachdrücklich - den VIPs aus Politik, Wirtschaft und Unterhaltungsindustrie, die, wie er betonte, ihm stets aufs Neue glaubhaft versicherten,
wie stolz sie auf die Bevölkerung und deren Spendenbereitschaft seien, eine Bevölkerung, aus der immer wieder wunderbare Anstöße beispielhafter Menschlichkeit hervorgingen.
Ehrenhaft sei dies, lobenswert.
Und nicht zuletzt ein lebendiges Zeichen für unsere demokratische Zivilgesellschaft.
Und genau das habe er dann noch einmal betont in einem Interview anlässlich eines viel beachteten Prominenten-Balles in der Hauptstadt.
Die anwesenden Volksvertreter - Parteispitzen, Filmgrößen, Olympiasieger (derzeitige und ehemalige),
Zeitungsleute, Manager und auch zahlreiche öffentlich Unbekannte, hätten sich - so verlautete es jedenfalls aus einer nicht näher bestimmbaren Quelle - begeistert emporgetragen gefühlt von ihrer offenkundig
überragenden Bedeutung, hätten sich gleichsam geschüttelt vor Wichtigkeit, emotionaler Überwältigung und Überhöhungsdrang, seien förmlich trunken gewesen von ihrem prototypischen Repräsentanten, so, als hätten sie eine noch deutlichere Ahnung empfangen davon, wie bewusstlos perfekt und mit erfolgreicher, alle überwältigenden Masche der Entertainer ihr Anliegen zu inszenieren gewusst habe.
*
Der Souverän gab sich da selbstkonform:
Effekt vergafft und infantil.
Und zeigte seine Wesensnorm:
Verpflichtungsloses Spiel.
Repräsentanten seiner Lebenslügen
benutzten die Gelegenheit,
zu zeigen, dass hier alle solidarisch trügen
der Menschengattung Kerneinheit.
Soll ich das ins Bewusstsein heben?
Ich lasse es, mir doch im Klaren,
dass, Kinder die an Emotionen kleben,
die Reste selbst von Güte aufbewahren.
SMS (113)/Zufällig aus einer Papierhalde gezogen/ (2509)19
Marodierende Powerfrauen,
wie’s aussieht, deutsche Amts-Amazonen,
sollen gestern in der Ebene von Marathon
die Verwendung der Konjunktive I und II
als verdeckt antiegalitäre
und implizit rassistische Hochkultur-Hybris
radikal in Frage gestellt haben.
Immerhin soll es einer Abteilung
skythischer Bogenschützen gelungen sein,
das Schlimmste zu verhindern,
indem sie die Situation nach und nach,
ohne den Einsatz ihrer Waffen,
beruhigten.
Wenn auch verängstigt
durch die vielen geifernden Anwürfe
blindwütiger Tugendraserei.
Nicht allerdings gelang der Versuch,
das kitaerprobte Familien-Ethos
der, wie sie sich stolz nannten, Kümmernden
als Primat allen politischen Handelns
zurückzunehmen.
Übrigens unter dem wiehernden Gelächter
des Dämons der Verwahrlosungs-Normen
des längst schon würdetotalitär entkernten
Grundgesetzes.
Der Geist des Aischylos soll freilich,
irgendwo über die Ebene Richtung Athen strebend,
erschütternd resigniert vor sich hin gemurmelt haben:
τόλμησον εἰδέναι*?
*Griech.: Wage es zu wissen!
ZINSJA = Zusammenschau in späten Jahren
ZINSJA (1) Tabuisierte Zeitgeistperspektive (2510)20
Jenseits meiner,
dort,
wo die Gewissensleeren
trivialdionysisch
sich selbst zulärmen
ziehen auch
die Herzen
der Ich-Blinden blank.
Jeden Augenblick
unterwerfungsfrenetisch
ihre Marktverfügtheit
anjohlend.
Als ob sie beteten,
dass diese sie
für immer berge
in verantwortungsloser
Kindlichkeit.
ZINSJA (2) Die fordernde Zeit (2511)21
Rücksichtslos
wächst mir
die Zeit ins Hirn,
auf dass ich
sie bedenke,
mir vor Augen halte,
dass sie mir bald
ausgehen wird …
Genauer:
Ich aus ihr
herausfallen werde
in ein absolutes
Nichts.
ZINSJA (3) Der überforderte Artgenosse (2512)22
Dieses Du neben mir,
in seiner unbegriffenen
Orientierungslosigkeit,
versäumt keine Gelegenheit,
geistig seiner selbst entmächtigt,
uns waren- und erlebnishörig
auseinander zu lallen.
Indes ich ihm
Unrecht tue,
etwas von ihm
einfordernd,
was doch
kaum jemand
zu leisten vermag:
Nämlich
sich einzugestehen,
dass es
nichts als Lebenslügen sind,
die ihn seelisch
notdürftig
über Wasser halten.
Etwa die,
angesichts der Verhältnisse
nicht vollständig
heteronom zu sein.
ZINSJA (4) Selbstauflösung (2513)23
Diese herrliche Stille
zeitloser Vergeblichkeit
will in dieser Stunde,
noch einmal,
von mir aus Gewohnheit
angstfrei erfühlt,
in mir zerfließen -
vertraut,
wie wir einander doch sind
seit nunmehr
13,82 Milliarden Jahren.
ZINSJA (5) Selbsttraumkriechen (2514)24
Ungerührt
spüre ich dem nach,
wie unsere Körper
sich jeder für sich verzehren,
in von uns geliehenen Worten
in Bedeutungslosigkeit
sich verfangen
und unsere unersättlichen Iche
haltlos sich
mit kindischen Wesenlosigkeiten
daseinssiech anpreisen.
ZINSJA (6) Hypersensibel (2515)25
Herausfühlen muss ich’s,
wie sich meine Artgenossen
vergeblich mühen,
sich erlebnismonoman
orgiastische Glücke zu verschaffen.
Und mag ihnen das
auch stundenweise gelingen …
Ich spüre ihr definitives Alleinsein,
ihre anonymisierte Unzufriedenheit …
ihr systemverfügtes Grundversagen,
sich, hedonistisch entfesselt,
einen sie auf Dauer tragenden
Lebensinhalt zu schaffen.
ZINSJA (7) Substanzerfahrung (2516)26
Wäre ich nicht vollständig
determinierte Materie,
ertränke ich
sei’s in der Trance
hirngezüchteter Gottunmittelbarkeit,
sei’s im gierigen Eifer
despotisch auf Dauer gestellten
Selbstbetrugs,
eingegangen in diese Welt
von Anfang an
und milliardenfach fortrauschend
im vergeblichen Schrei des Begehrens
nach Erlösung,
Selbst,
Wert und
vollendetem Gelingen.
ZINSJA (8) Strohhalmhaschen (2517)27
Nicht trancefähig genug -
man könnte auch sagen:
selbstquälerisch,
weil einsichtslüstern -
begreife ich längst,
dass der indolente Stumpfsinn
dieser sich selbst organisierenden
physikalischen Materie
mich bald wieder
in sich zurücknehmen wird,
um irgenwann erneut
die Teilchen der Atome
zu verwürfeln,
die mich einmal ausmachten …
Mich einmal Ich sagen ließen,
mich einmal jeden Strohhalm
möglicher Selbststeigerung
in jedweder Bedeutung
zu erhaschen zwangen.
ZINSJA (9) Eine Form der Humanität (2518)28
Besser wär’s
- indes es dir sagen,
kann und will ich nicht:
träfe es dich doch,
dich selbstwertlüsternes Kind der Zeit,
im Kern -
du schwiegst jetzt,
zertrümmertest nicht auch noch
die Pseudo-Nähen zwischen uns …
Du gezwungen narzisstische Daseinshülse
abrichtungskonform
auf sich selbst pochender,
dauerschauspielernder
existenzieller Verlassenheit.
ZINSJA (10) Vollzugsdiktatur (2519)29
Ich werde umsonst gelebt,
keine Spuren hinterlassen,
nichts Wertträchtiges geschaffen,
immer nur
- und zwar gegen meinen Willen,
den ich, selbst wenn er frei wäre,
als solchen gar nicht mehr würde
betätigen können -
systemkonform mich vollzogen haben:
Einer von ganz unten,
dem die bürgerliche Naivität abging,
man könne sein Leben führen,
könne es anreichern mit Gehalten,
die es über diese
sinnleere Vollzugsdiktatur
träumerisch gierigen Ungefährs
auch nur ansatzweise
hinaus höben.
ZINSJA (11) Basale Barbarei (2520)30
An den Schlafkojen
steril entlastender Panbedeutungslosigkeit
klebt die geronnene Sehnsucht
von uns Marktuntertänigen,
in die Fänge verbannt
unschuldig gedankenloser Barbarei
als Herzmacht gesellschaftlicher
Entmächtigungsgewalten.
ZINSJA (12) Stimmt das? (2521)31
Von einer neuronal fundierten,
evolutionären Sackgasse gehe ich aus -
Dieser:
Unserer hypertrophen Rationalität.
Deren radikale Vergottung
als alllenkende Existenzmacht -
man preist ihre Ergebnisse als Fortschritt -
erscheint mir als Falle,
eine uns evolutionär verfügte.
Weswegen wir auch wohl
unfehlbar in sie taumeln,
ja: johlend vor Glücksgaukeleien
giersiech triumphierend
laufen werden.
Nur uns selbst überantwortet,
sind wir freilich ausweglos:
notwendig verloren.
ZINSJA (13) Weisen des Sich-Verfehlens (2522)32
Wer rauschte nicht an sich vorüber,
wer ließe nicht sich auch im Stich,
versäumend sich und gar verratend?
Wer setzte nicht auch noch aufs Spiel
das letzte Quäntchen Weltenthobenheit,
verzichtend so dann auf Zufriedenheit?
Nur um diesem zutiefst fragwürdigen,
dem Zeitgeist außengesteuert abgefühlten,
illusorischen Begehren nach Selbstbestimmung,
faktisch: Marktmonadennarzissmuszwang,
gängigen Erfolgsmären, Erlebnisstakkatos
und Beseligungsstumpfsinnweisen zu frönen …
und so dem Irrtum ausgeliefert,
dadurch andere zu überragen,
um dieses Gefühl dann
als Selbstgelingen zu glorifizieren.
Indes es gibt kein nicht auch inszeniertes Selbst mehr,
dessen Bestrebungen, Ziele, Zwecke und Inhalte
nicht marktdevot übernommen wären,
gleichsam als ein für alle gleiches und alle gleich machendes
Selbstbespiegelungszwangshaus fungierend …
Zumal’s nur ein Gelingen geben kann.
Und das ist geistiger Natur.
Als Einsichtsmacht, die sich die Dinge spann,
so wie sie wirklich sind …
systemverfügte Lusttortur …
verhindernd Selbstbeschränkungsglücke,
völlig blind.
ZINSJA (14) Die Tyrannei dieser Monadenschmiere (2523)33
Zuweilen geradezu angewidert
von Dauergeschwätz, Tugendfanatismus,
menschlicher Mittelmäßigkeit, Erlebnisverklärung,
linkisch-einfältiger Politschauspielerei,
unverschämter Verlogenheit und menschlicher Erbärmlichkeit,
unterdrücke ich meine letzten Hinwendungsimpulse …
Um nicht noch mehr Hass, Verachtung,
Wut und Gewaltphantasien
angesichts kollektiver Realitätsverluste
in sie hineinnehmen zu müssen …
Wohl wissend, dass diese Gesellschaft
auf diese Art und Weise
eigentlich nur ihren unaufhaltsamen Niedergang
kulturell völlig hilflos inszeniert:
Eine Empörungsgroteske von nihilistisch
gezeichneten Wohllebensopfern.
Nachmitternachtsgedicht (2524)34
Ungestörte Stille,
kunstlichtlose Schwärze.
Und ein tiefer Wille,
dass ein Vers
mein Sein entschmerze,
schaffe mir Entrinnen
aus des Daseins Plagen,
nichtend Ende
wie Beginnen
meinen kruden,
leeren Tagen.
Fazit (2525)35
Lebst nun mal in einem kranken
Kosmos wirrer Mittelmäßigkeiten.
Von Banken dominiert
und von Gewissenspleiten.
Von Daten und Narzissmus-Wehen,
von Ignoranz und Stargehabe:
von Gossendekadenz-Geschehen,
das anonym sich trägt zu Grabe.
Schwer zu fassen, zu entwirren,
da entlastungsmonoton
Brache schrillem Tugendgirren:
Faktenfremdem Hohn.
Warum Sonette? (2526)36
Nun: Um der deutschen Muttersprache abzuzwingen
- man braucht sie, selbst sich auszudeuten: zu erfassen;
ist sie zu arm, muss man sich fremdem Zwang verprassen,
kann man sich selbstabständig geistig nie gelingen -
wie’s steht um einen im gesellschaftlichen Ringen:
Ist man ein Opfer der verführerisch doch krassen
Verdinglichungs-Belämmerungen, zu verblassen,
indem man überlässt sich wahllos allen Dingen?
Oder versucht, sich selbst als Mittel zu durchschauen …
sei’s seiner selbst, sei’s solcher auch, die Macht ausüben,
um Einfluss sich und Privilegien aufzubauen …
sei’s solcher, die sich einem Ideal verschrieben,
von dem sie glauben, es verklärte alle Trüben:
Aus allem Menschenelend könnte raus uns hauen.
Übergeordneter Kommentar zu meinen Sonetten/
Sonett (2527)37
Sie kreisen manisch um uns Marktfellachen:
Um die Entmächtigung der Geistesschichten
und um die Selbstverheiligung von Wichten,
entlastungsbrünstig gierend nach Verflachen.
Um Wichte, die sich selber niedermachen,
verloren alle Halte, die gewichten,
noch feien könnten gegen all die schlichten
Kommandos, sich zu sehen selbst als Sachen*.
Und hat man all das erst einmal begriffen,
dann kommt man nicht herum um Indolenz,
um Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Trauer.
Dann ist man jenem Niedergang verschliffen,
zieht angewidert auch die Konsequenz:
Schreibt Wahn-Sonette auf die eigne Mauer.
*Das meint das Verb "verdinglichen": Sich zu sich selbst verhalten, als wäre man eine Sache/ein Ding.
Schon Max Stirner meinte, dass das apollinische/delphische Gebot "Erkenne dich selbst" in unserer Zeit (Stirner starb 1856) sich verkehrt habe in ein "Verwerte dich!" Und eben genau das hat in der Gegenwart gleichsam überhandgenommen; man denke nur an die radikale Glorifizierung des Körpers/Leibes.
Kant argumentierte, dass der Mensch - von sich selbst und anderen - als Person betrachtet werde müsse: Eine Person sei keine Sache/kein (wie es etwa der römische Sklave nach römischem Recht war) Ding, sondern ein Zweck-an-sich, dem allein eine Würde zukommen könne (in der Tat haben Sachen/Dinge keine Würde, sondern nur einen Gebrauchswert und einen Preis).
Auch dieses Phänomen der von immer mehr Menschen gesuchten und praktizierten Selbstverdinglichung ist - neben dem Atheismus und dem Nihilismus (u. a.) der heutigen Überflussgesellschaften ein zentraler Grund für meinen übertrieben erscheinenden Pessimismus, was die Zukunft anbelangt: Der sich selbst verdinglichende Mensch wird nach und nach sich tatsächlich zur Sache, was zur Folge hat, dass er psychoethisch verkümmert, verroht, überhaupt menschlich verarmt, selbstbestandslos wird,
d. h. eine Verlassenheits-Monade: einsam, seelisch verzwergt und gewissenlos auf sich selbst zurückgeworfen.
Für Unternehmer, Techniker und Wissenschaftler
(ein Dankgedicht) (2528)38
Gewiss ist meine Zeit schon bald vorbei.
Doch will ich’s nicht bereuen.
Denn das, was kommt, wird letztlich Barbarei,
das wird ein Menschtum sein, das sich nicht scheuen,
es auch nicht können wird, zu raffen,
was ihm der Zufall grad wird bieten:
So eine Hoffnungschance für zwangsbrutale Affen,
am Ende Scheitern, Trauer, Selbstverlust beschieden.
Ich habe mich noch geistig leiten dürfen,
gerade auch dank großer Denkleistungen
genialen rationalen Würfen,
indes Bedürftigkeit gedungen.
Hab daher keinen Grund, sie zu verdammen.
Sie taten, was sie tun doch mussten:
Sie, ingeniöse Wohlstandsammen,
verfügt notwendigen Verfallsverlusten.
Dorfschatten/Für B. H./Der Letzte aus der Straße stirbt dahin (2529)39
Seine Stimme ist schon schwach;
von Siechtum belegt.
Der Tod ist schon da; wartet.
Wir spüren ihn beide.
Er, der Dahinscheidende,
ich, der Hilflose:
Meine Worte treffen nur noch
auf eine sich definitiv auflösende
subjektive Realität:
Sie tönen vorbei an dieser
in die absolute Leere
des heraufziehenden Nichts.
Vielleicht trösten sie ja
noch ein wenig;
im Großen Schweigen
sinnlos
sich verlierend.
Drohung (2530)40
Wär ich nicht innerlich
so völlig leer,
so zynisch kalt und indolent,
gewaltbesessen und
vernichtungssüchtig …
Ich legte aus dich dir,
nähme dir die Gegenwehr,
dass kein Entrinnen
sich dir böte
in irgendeinen
noch so kleinen Halt.
Bereit, von Hass und Rachsucht schwer,
dir zu zertrümmern
dein so kaltes Ich,
das nicht mal weiß
um seine Selbstwertnöte,
um sein vergeblich fades Sinnen,
verfügt neurotischem Selbstverlust.
Ich bräche auf dir
deine Maskerade
aus Lebenslügen und
aus Seelenleeren.
Zu zeigen dir die Missgestalt,
die du doch bist:
Ansich-Ausschuss
am Zeitgeistmohngestade.
Erlebnisschaum Verfügte/Sonett (2531)41
Wir sind gewissenlose Dekadente,
ganz kleine Seelen, von sich selbst verlassen,
die hedonistisch-kindisch sich verprassen,
sich weh-reich fallen in die eignen Hände.
Als Autonome jedenfalls am Ende:
Menschlich Verarmte, die sich selbst verpassen.
Kurzum Erlebnisschaum Verfügte Massen
qua Wohlstandsdünkel ohne Geistakzente.
Wir können nicht mehr für uns selbst einstehen,
da technodionysisch uns entzogen.
Nur einer Mär von Staat und Recht hin säen,
Events und Shows, Effekt anom gewogen.
Zum Spiel korrupten Tugendkoryphäen,
von Wirklichkeitsverlusten schwerstverbogen.
Das Positive (2532)42
Ist denn da gar nichts Positives,
was vielleicht Sie auch mal zu sagen hätten?
Statt immer nur so nihilistisch Schiefes,
was nur zum Rasseln bringt uns unsre Ketten?
Doch hab ich - und zwar gleich in Mengen.
Zum Beispiel, dass man durch Verzicht allein,
sich unterwerfend Selbstmachtzwängen,
mag frei und menschlich, würdig und vernünftig sein.
Begreift zumal, dass alles Große
zwar selten ist, nicht lehrbar und von Zufall nur bedingt.
Doch faktisch auch die andern Daseinslose
erlauben, dass man sich gelingt.
Realitätssinn nur verpflichtet,
als allbegrenzt und selbst sich ausgesetzt erkennt.
Sich nicht nach Markt allein, Konsum und Popanz richtet,
vielmehr sich Alltag, Pflicht und Leistungszwang verbrennt.
Nach- und Einsicht (2533)43
Wie immer man
es sehen muss,
dieses sich Bemühen,
sei es um Geltung,
Haben und Genuss,
sei es um Macht,
Applaus und Selbstwert-Kuss …
Dulden sollte man’s
als Zwangs-Ausfluss
Trance
vermählter Seins-Magien -
Nie sie deuten wollen …
bis zum Schluss
unsrer panabsurden Schlacht.
Traurige Tatsachen/Sonett (2534)44
Im Grunde ist mir alles hier egal:
Die Plumpheit der Parteien-Machenschaften,
Naivitäten der Konzern-Elite,
Die Selbstentmächtigung der Kunden-Heere.
Ich weiß zu viel von diesem Jammertal,
das nicht mehr fähig ist, für sich zu haften,
weiß, dass ich selbst bin eine Hyle-Niete.
Ansonsten Ausfluss menschlicher Misere.
Zumal’s hier nichts mehr gibt, was Zweck und Ziel,
was Daseinssinn, stabilen Halt gewährte:
Das Ganze ist ein Sekundärwelt-Spiel,
das jeden trancestumm setzt auf eine Fährte,
auf dass er zeitgeisthörig rauschdebil
auf dieser eine Unperson sich werde.
Gedicht vom Geschenk großer Seelenkraft (2535)45
Nie blieb ich lange hilflos depressiv.
Mich hat mein Daimon souverän gehalten.
Lief doch bei mir nicht grade wenig schief.
Indes: Ich konnte sogar Hass gestalten.
Vermochte mir in Antrieb zu verkehren,
was andern wegschlägt Widerstand und Stützen,
blieb reserviert vor bürgerlichen Ehren,
begriff: Vor Gängigkeit musst du dich schützen;
dich wappnen gegen Wert und Artgenossen,
die Zwangs-Phantastik ihrer Ideale,
die Perfidie von Kleinen und von Bossen
und jener Ich-Last deiner Herkunfts-Male.
So blieb ich trotz der seelischen Blessuren
ganz illusionslos in Ananke-Spuren.
Ein heteronomer Ideologe (2536)46
Hysterisch, wertsteril
und glücklos mittelmäßig:
Narzisstischer Lakai,
sich selber Last,
da geistig tot und faktenblind.
Charakterschwach, verwirrt
und ohne Seelengröße,
gelernter Daseins-Mime,
selbsthasssiech, verlustig
seiner wie der Wirklichkeit.
Und doch nicht schuld dran:
Ein Getriebener,
der sich verfehlen muss,
orientierungslos:
haltloser Zeit so mittellos zu trotzen.
Selbstverfehlen (2537)47
Vollendeten Entlastungstrost,
den schenkt der Tod allein.
Wenn er uns reißt aus diesem Sein,
das uns an Scheitern, Traum und Rausch verlost.
Das wir in keinem Augenblick begreifen,
von Selbstverfehlen heimgesucht.
Uns allenfalls als Sehnsuchtswunsch zu streifen,
zu Kreatürlichkeit und Wert verflucht.
Orgiastik-Kore* (2538)48
Hast mich aus Lethargie gerissen,
aus Hoffnungslosigkeit und Leere.
Und dafür dank ich dir, das sollst du wissen,
du trostbegabte Daseinsfähre.
Du leibbegnadete Orgiastik-Kore,
vom Zufall in mein Sein gespült,
um mir in jeder Pore
ein Glück zu formen, das sich doppelt hielt.
Du Glanzstrahl meiner späten Stunden,
resignativ verfallsgeweiht,
zumal doch ausgesetzt dem Kernbekunden,
dass lebenslang uns ist nur Stoff Geleit.
*Kore griech.: Mädchen
Zwecklos wertbeliebig (2539)49
Ich bin so müde.
Ich war’s immer.
Bewusst mir dieser Illusionenschmiede
sei es in Alltags-Ichvollzug,
sei’s als Konsum-Geflimmer.
Das Ganze ist ein Trance-Ablauf,
zu meistern all die harten Fakten,
die zwingen uns zu einem Selbstverkauf:
Nach Trieb und nach Bedürftigkeiten uns zu takten.
Und das macht interesselos,
weil geistig völlig unergiebig:
Man kann es nur noch stellen bloß
als zwecklos wertbeliebig.
Einsichtsängste/Sonett (2540)50
Was ließe diesem Kreislauf sich noch abgewinnen
von Artefakten und abstrakten Relationen,
erlebnisdeliriertem Ich-Kult, Lustansinnen,
propagandistisch fabrizierten Emotionen?
Entmündigung, Verlassenheit und Spaß zu spinnen
im digitalen Kosmos fader Psychen-Zonen,
sich spracharm so zu steuern und dann zu zerrinnen
den Show-Einlagen primitiver Markt-Ikonen.
Nun: Nichts, was einem Einsichtsängste noch ersparte.
Die dies wohl zeigen: Dass wir in die Falle laufen,
in der die Ratio sich mit Gossenmystik paarte,
um sich an Kreatürlichkeiten zu verkaufen,
in denen sich das Gattungserbe auch bewahrte:
Gewaltrauschlüste sich in Tugend umzutaufen.
Spätes Alptraumschreien (2541)51
Indes es ist so, wie es ist;
und musste auch zuletzt so kommen.
Was sich da durch Millionen Jahre frisst,
gefährdet manchmal, stets beklommen,
das hat sich jetzt die Weltherrschaft gegriffen:
neuronenhypertroph und rücksichtslos.
Und immer Hybris eingeschliffen.
Jetzt wird sich’s selbst zu groß.
Was sonst auch sollte es zerstören?
Da kommt nur noch es selbst in Frage.
Und manchmal kann ich schon die Schreie hören
auf meine alten, hoffnungstoten, Tage.
Verbraucherdasein abgelauscht (2542)52
Trotz Niedrigkeit
und Psychen-Wehen,
trotz aller
meiner Niederlagen,
bin ich noch immer
kalt bereit,
die Dinge,
wie sie sind zu sehen.
Und also nicht als solche,
die uns tragen;
vielmehr als solche,
blass vor Leid:
Verkommenheiten,
die sich drehen
in Hass, Gewalt,
Verstocktheit, Neid …
So immer nur
dasselbe sagen:
Hier fehlt der Sinn
hier greift kein Halt,
zumal Fiktion auch ist
die Selbsteinheit.
Scheinbar unerklärlich (2543)53
Warum ich dich nicht akzeptieren will,
das kann ich letztlich dir nicht sagen.
Zumal du schön bist, anmutsstill
bereicherst meine Daseinslagen.
Es liegt an mir, ich will’s gestehen.
Ich finde kaum noch aus mir raus.
Gebannt von Trauer, Wut ... genau besehen:
Von einem allpräsenten Lügenstrauß.
Den ich exakt zu deuten weiß:
Als faden Daseinsscheiterns Spätgebilde.
Da schließt sich dann der Kreis:
Ich hab verloren alle Schilde.
Wenn man erst mal ist tief gefangen
durch solche Einsichtsschwären,
dann hindern Gram und Einsamkeitsverlangen,
verzückungsoptimistisch sich zu klären.
Seins-Gesamtheit (2544)54
Sehr früh schon hab ich das gewusst
- indes man frage nicht, woher -,
dass seelisch ich nie unterginge,
verfügte über eine Gegenwehr,
die mich vor Gram, Verzweiflung, Selbstverlust
bewahren würde (diesem Schlag der Dinge) …
Die Menschen ohne Absicht machen,
sie fügen, ohne Drang zu überlegen …
sie folgen dabei einfach Wesenszwängen.
(Das Dasein ist nun mal Befehl von Sachen).
Bedürfnisdruck entgegen allen idealen Wegen,
von Trieb und Zeit (Verknechtungsdrängen),
sich zu verirren in den eignen trüben Lachen …
Dem Faktum sich zu beugen, dass man muss
sich selbst verraten, so dass immerhin als Traum gelinge
die Daseinsleere auf zerbrochnen Stegen
(gegeben einfach: Stoff- und Zufalls-Zwinge) …
sich Zweck und Sinn so vorzugaukeln bis zum Schluss.
Noch mal: Mir war das immer fraglos klar.
Die Seins-Gesamtheit hat es mich gelehrt,
dass das, was eigentlich geschieht (ist wahr),
uns unfehlbar verheert
(zuweilen anonym gar von uns selbst begehrt).
Von der Liebe (2545)55
Hab grad so einen Liebesfilm gesehen.
Verkitscht. Sentimental.
Ein Hollywood-Geschehen.
Für Kultverbraucher kryptisch ideal.
Ich selber glaub ja nicht an irgend Liebe.
Weiß nicht mal, was sie sei.
Entlastungsträumerei im Marktgetriebe?
Ersehnte Sinnsuchtmogelei?
Doch wenn ich’s mir dann
durch den Kopf gehn lasse,
dann ahne ich:
Sie mag sein Großes:
Dass man gemeinsam zwinge sich durch diese Gasse
eines für beide hochprekären Daseinsloses,
sich in die Einsamkeit des andern schiebe,
ihm Halt zu sein.
Noch in der tiefsten Qual.
Anmut, Schönheit, Geist und erotische Exzellenz/
Sonett (2546)56
Ich hab so manches hier schon mitgemacht:
Betrug, Gewalt, Imstichgelassenwerden.
Sogar im Rausch noch einer Liebesnacht.
Gibt’s überhaupt noch was, was könnte erden?
Nun ja. Nach dem, was mich die Dinge lehrten,
und dem, was ich erfasste mit Bedacht,
riskiert man ja, sich selbst auch zu gefährden.
Und das nicht nur als Opfer dieser Schlacht
der nur mit Ratio, Trance und Lust Bewehrten.
Doch andrerseits, wenn ich genau hinschaue,
dann gehen mir schon fast die Augen über.
Da reichen Freuden bis hinauf ins Blaue.
Nicht die indes der Kapitalmarktschieber …
Nein die, die schon die toten Götter ehrten.
Determinismus (2547)57
Es ist absurd, daran zu glauben,
man könne selbst bestimmen sich: Sich wählen.
Ja, mehr noch, selbststolz sich sogar erlauben,
auf sich allein zu zählen.
Für mich ist das massiver Selbstbetrug.
Indes in dieser Welt normal.
Ist sie doch hybrisfrecher Pseudohöhenflug,
pathetisch, tugendplump sich selbst sakral.
Man ist als Individuum nie frei.
Zumal doch Stoffgefüge nur.
Ist allenfalls sich Zeitgeistlitanei:
Dies Daseins austauschbare Spaßtortur.
Lob des Realitätssinnes/Sonett (2548)58
Ach du, mein großer Sinn für Wirklichkeit,
wie oft hast du mich vor mir selbst bewahrt:
Vor meiner geistesradikalen Art.
Die mich so oft doch mit mir selbst entzweit.
Ein Zustand, der mir fügt so manches Leid.
Indes mich andrerseits mir selbst aufspart,
weil zeigt mir, was sich da an Machtsucht paart
mit Korruption und fader Eitelkeit.
Ich habe wirklich Grund, dir tief zu danken.
Warst du es doch, mich vor der Welt zu retten:
Mich Einsichtsmacht und nicht Konsum zu betten.
Halbwegs zu meiden auch die Spätzeitpranken
verspaßungsknechtischer Erlebnisketten …
Der Freiheit, Mündigkeit und Würde Schranken.
Glück (2549)59
Wahrscheinlich fragen sich das alle mal:
Was das denn sei, das Glück.
Schenkt’s uns sei’s Macht, sei’s Lust, sei’s Intellekt,
sei’s Zahl?
Ist’s Dauer oder Augenblick?
Was immer auch, es scheint als großes selten,
was ganz Besonderes zu sein.
Fernab von Zwängen, Trauer, Seelenkälten.
Vor allem auch von Schein.
Ich selber glaube nicht an es.
Zumal ich was viel Bessres habe:
Ich lebe nämlich diesem Satz gemäß:
Dass mich geleiten soll nur Geistesgabe.
Gepaart mit einem wachen Sinn für Fakten
und dem Bewusstsein, dass allein man ist:
Auch ganz allein muss sich als Zufallswesen takten …
Bedürfnisknecht mit kurzer Frist.
Entscheidend ist so zu begreifen,
dass man nie frei ist, selbst sich ausgesetzt.
Wie andre, die indes vor dieser Einsicht kneifen,
dass man - man muss - nur Traumwahn hetzt.
Verinnerlichter Dorfgassenwiderschein (2550)60
Ein derber Außenseiter bin ich stets geblieben.
Denn solcher Prägung kann man nicht entkommen.
So auch nicht Vorbehalten gegenüber Idealantrieben,
die nichts zumal mir hat auch je genommen.
Ein Gegner Aufklärung und Sozialismusträumen,
wie viele Intellektuelle sie vertraten.
Sich gegen Ungerechtigkeit und Elend aufzubäumen
als bürgerliche Avantgarde-Prälaten.
Ich konnte nie mich für ein Menschenbild begeistern,
das uns - als frei, vernünftig, selbstwertfähig, gut -
lässt optimistisch unsre Wesensschatten meistern:
Pleonexiedruck und Entfaltungsglut.
Für mich ist alles menschlich Große elitär:
So Geist (Welt-Selbst-Distanz), Verzicht, Demokratie.
Und Würde. Doch ein Anspruch, völlig leer,
wenn man gefangen ist in Leib-Magie.
Nicht weiß, dass Ratio nicht ersetzt den toten Gott.
Sich folglich widersprüchlich unverfügt
doch selber Feindin ist: In Trance Komplott
und schale Fortschrittsmären lügt.
Obstmücken-Lektion (2551)61
Hygienisch ist das nicht besonders
- und ziemlich lästig, bin ich ehrlich -,
wenn ihr in großen Schwärmen zielt
auf diesen Bioabfall,
den ich sammeln muss,
ihn dann gesondert zu entsorgen,
akribisch ihn dann weitrer Nutzung zuzuführen …
Bananenschalen, Pflaumenkerne,
Süßkirschenteilchen, Apfelfäulnisreste …
Und was euch sonst noch nähren mag.
Ich lasse trotzdem euch gewähren.
Und schlage euch nicht tot.
Ihr müsst ja auch, wie ich, euch nähren:
Das ist ein biologisches Gebot.
Müsst fressen, kämpfen, euch vermehren,
durchlauft so aller Wesen Not.
Und die kann alle uns verzehren,
doch ständig ausgesetzt auf diesem Daseinsboot
brutalem sich Verheeren.
Vor allem auch: Ich kann nicht sagen,
ob ich, der Großhirn-Virtuose -
mir meiner selbst bewusst, weil sprachbegabt,
mich sei es auszudeuten, sei’s zu täuschen,
mich zu betrügen, mich auch zu gefährden …
Ja: Ich der Künstler und der Schöpfer seiner
als Techniker und Gleichungsbildner,
der sich gestehen muss, dass die Materie,
nicht Gott und Geist, allein ihn trägt,
ist er doch durch und durch ihr Zufallswurf -
tatsächlich mehr wert sei als ihr,
weil die Natur beherrschend, die euch zwingt.
Ich gebe zu, ich weiß es nicht,
muss doch die Frage ohne Antwort bleiben.
Auch zeigt, dass da ein Atomar-Gebilde,
sich selbstverständlich als das höchste Wesen sieht,
sich hybrisbrünstig an des Lebens Spitze stellt,
Vernunft, Intelligenz und Geist sich nennend.
Um freilich jetzt sich vielleicht auszurotten,
verfallen stierer Kreatürlichkeit …
Und wenn nicht dies, sich selbst zu deklassieren
zu einem technologisch selbstgeschaffnen Untertier,
sich unterwerfend einer Kunst-Natur.
Abseitsvirtuos (2552)62
Ich würde mich ja beugen diesem Schmierenstück,
wenn’s nicht so schofel und so eitel wäre.
Noch als Erlebnislust doch Schatten-Zähre:
Was man nicht merkt zum Glück.
Indes ich jedem rate, mitzumachen.
Aus Ichsucht, aber Überzeugung auch.
Ob so, ob anders: Ist’s doch Schall und Rauch …
als inszeniertes Heils-Verflachen,
als Hully Gully, Schmu, Behelfserlösen.
Auch das muss freilich gut ich heißen.
Bedeutet’s auch, sich Zwangsbefehlen zu zerreißen:
Sich Show- und Lachgas-Drogen einzuflößen.
Warum noch selbst sich überschreiten wollen?
Wenn’s keinen Grund mehr dafür gibt?
Jetzt steuern Reize ohne Sollen:
Ist’s Über-Ich per Markt ins Es gekippt.
Ich selber werde nie mich beugen.
Ich brauch’s nicht, abseitsvirtuos.
Ich will erkennen nur und dann mir still bezeugen:
Die Wesensbarbarei geht wieder los.
Das Ende des Individuums/Sonett (2553)63
Totalitär? Ich glaube ja. Schon das Banale.
Das alle Seelentrauerhiebe magisch heilt.
In Stumpfsinn birgt, zumal auch reizt das Leibsakrale,
das als Steril-Motorik dann auch mit sich teilt.
Zu retten sich ins primitiv Emotionale:
Sexistisch-pornographisch künstlich aufgestylt.
Das hemmt das Denken, sorgt so für das ganz Normale,
dass man ein inszeniertes Dasein an sich peilt.
Ein Großprozess, dem niemand sich entziehen kann.
Das Individuum zerfällt: Bewusstseinssplitter,
nur als Effekt noch, Reiz und Lustschub zu verstehen,
um multipersonal sich selbst zu hintergehen.
Den Großen Bruder endlich bittend dann um fun:
Identitätslos hechelnd durch ein Cloud-Gewitter.
Gedankenverlorenes Streicheln meiner Katze (2554)64
Liebe Katze … letzte Nähe
zynisch trauerloser Tage.
Für Minuten zu vergessen
die so aussichtlose Lage
dieser Großhirnkoryphäe.
Denke nicht einmal an Kriege,
Viren oder Wirtschaftsflauten …
Vielmehr inhumane Blässen …
denke, dass als Fremdheit füge
sich die Ächtung des Vertrauten …
Durch verdrängtes Scheingedeihen,
Wirklichkeitsverluste und
anonyme Barbareien,
wie Verheiligung von Schund,
tugendaggressive zähe.
Zarte Katze, lass dich streicheln …
Muss doch auf sich selber lauern
Nietenmystik, sich zu speicheln,
Ethikmärchen auf zu schauern …
Ohne Sinn und ohne Grund.
Frühe Kindheitserfahrung (2555)65
Herrliches Frühjahrsmorgengrauen.
Unter einem wolkenverhangenen Graudunkelhimmel
tönt das seit frühester Kindheit
so vertraute Vogelgezwitscher
in schnell dahin wehende laue Winde hinein …
als ob ein Versprechen läge
von geheimnisvoll gewaltigem Überweltlichen
in diesem flüchtigen Moment
einer das Ganze verklärenden
kindlich-sehnsüchtig-vertrauensvoll-naiven
Augenblicksergriffenheit.
Materie-Geist-Ich (2556)66
Produkt der physikalischen Materie?
Das bin ich in der Tat.
Synthese einer Serie
von Sonnenexplosionen. Toter Saat.
So darf ich sagen: Die Synthese
von Elementen, Zellverbänden und Neuronen …
Genomgefüge. Weder gut noch böse.
Ergeben Daseinsillusionen.
Und doch, sie hebt mich, meine Vers-Manie:
Als Sprache immanenter Geist.
Der letzte Einsicht saugt aus Was und Wie …
So Sinn mir als sie selbst aufweist.
Für euch alle. In Dankbarkeit (2557)67
Ein wenig dankbar sein,
das muss ich schon.
Wiewohl allein
und eures Marktes Klon.
Auf euch doch
ruhte stets ich auf.
Mir selber Joch
und Ausverkauf.
Mein Leben lang
von euch geduldet.
Ein Nicht-Belang,
nur Geist geschuldet.
Kurzum ich denke
an euch alle,
mir anonym Gelenke,
in dieser Ratio-Falle.
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