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Diese Seite enthält 65 Gedichte (46 Prosa-, Reim-Gedichte und 19 Sonette)
In der Wesenstiefe (2379)1
Ein Leben lang
in mich versunken.
Allein.
Da kam nichts,
was berührt mich hätte.
Nur Leeren
hab ich ausgetrunken
auf dieser Waren-Illusionen-Stätte
der Phrasen, Reize
und Effekt-Spelunken …
Ruinen
ohne Seins-Belang.
Unterschied (2380)2
Sie? Sie sind, nun, eine Nummer mir zu groß,
emanzipiert wie sie es fraglos sind.
Sie haben eine Menge los.
Für Sie zählt's Oben wie ein Ball dem Kind.
Sie wissen stets exakt auch, was Sie wollen;
und das, das kriegen Sie auch dann.
Sie gehen dafür in die Vollen,
sind weitaus besser doch als jeder Mann.
Ich bin da anders, nicht so cool wie Sie;
recht skeptisch, was benennt man Karriere.
Liefert die aus doch auch Erfolgs-Manie:
Man schielt auf Macht, Prestige und Ehre.
Der Weg nach oben konnte mir nie zählen.
Indes warum, blieb mir zuletzt verschlossen.
Ich weiß nur, dass man da für Ziele sich muss quälen,
wie sie begehren Durchschnitts-Artgenossen.
Was soll denn daran faszinierend sein?
Vollzieht man doch nur diesen Wesenszwang:
Pleonexie, erpicht auf diesen Wohlstands-Hain,
in dem verkümmert jeder andere Belang.
Schlichte Weisheit/Für Pindar von Theben (518-446 v. Chr.)/Für Verehrte (2381)3
Der Mensch sei weiter nichts als eines Schattens Traum.
Pindar von Theben schrieb’s. Vor langer, langer Zeit.
Er dachte wohl primär an die Vergeblichkeit,
die Ungeborgenheit auch im Bewusstseinsschaum,
die ohne Illusionen wir ertrügen kaum,
Getriebene von Gram, Versagen und von Leid,
Verblendungssucht, von Hybris und Verlassenheit.
Die lebenslang besetzen diesen Elendsraum.
Indes wir heute müssen uns konstant bemühen,
uns optimistisch, fit und kompetent zu zeigen.
Sind wir doch einer Warendiktatur gediehen
und unsrer Selbstsuchtzwänge Lustgebaren-Reigen:
Effektmonaden, die sich spaßbetört verglühen,
verdrängend jene Weisheit vor des Stoffes Schweigen.
Glücke II (2382)4/Vergleiche (4/225)
Für mich geschehen sie als Selbstvergessenheit.
Sei’s dass zu Gott ich trancetreu heimgefunden habe,
sei’s dass im Du-Rausch ich Erotik mich verlor,
sei’s dass ich Inhalt denke anstatt nur Konturen,
sei’s dass ich weltfern mir gelinge in Gedichten …
Dann bin ich selbst mich los, bin nicht Sozialeinheit.
Dann lenken mich der Daimon, Geist und jener Knabe
vor einen ort- und zeitlos sehnsuchtszarten Chor,
zersingend all die Drangsal- und Gewalt-Strukturen,
die mir die Existenz als völlig sinnlos lichten.
Dann fühle ich, und sei’s auch nur für Augenblicke,
das diesem Dasein innere Vollendungsstreben:
Substanzentfesselungen sonst versteckter Glücke,
die’s fraglos lohnend machen, dies prekäre Leben.
Zufälliger Selbstgewinn/Sonett (2383)5
Geläut, vertraut aus frühsten Kindertagen,
lässt mich noch immer in sich untergehen.
Auf dass es nehme mir die Seelenplagen
und Widersprüche unsrer Daseinswehen.
Will mich in ihm doch dieser Daimon tragen,
mich kommandierend von hier wegzudrehen
in weltentwirrte transzendente Lagen.
Selbst mir muss ich dann nicht mehr widerstehen.
Er war’s, der mich im Sog von Zufallswürfen
bestimmte einem Dasein ohne Ruten:
Mich selbst zuweilen nur aus ihm zu schürfen.
So zu entkommen all den Warenfluten,
die trugsubtil doch würden aus mich schlürfen
und unterwerfen marktsterilen Knuten.
*Der Daimon = Gott
Noch einmal Gott VI /Sonett (2384)6
Vergleiche (21/1287)/Anmerkung
Ich frage gar nicht, ob er existiere.
Er wirkt aus seelentiefen Seins-Bereichen.
Der Niedrigkeit des Menschlichen enthoben,
verbleibt er, mystisch nur berührbar, Leere.
Der reinen Güte Träger ist er schiere
Verneinung aller triebgebundnen Zeichen,
die in den Leibern als primäre toben:
Als Stoffgefängnis und Bedürfniskehre.
Geniales Nichts, ist er mir Kindheitsschemen:
Ein Trost aus Ähren, Winden, Tieren, Sanden:
Durchgottungsstrom und Nu-Husch ohne Hämen.
Ein Sehnsuchts-X aus solchen Unbekannten,
die wir nicht fassen können, weil uns lähmen
der Hyle Zwänge, die uns ontisch bannten.
Kleine Varianten (zu „Noch einmal Gott“)
(13-14/1) die wir nicht fassen könnten, wenn sie kämen
und in Vollendungsahnen ein uns bannten.
(13-14/2) die wir nicht fassen können, weil uns lähmen
die Hyle-Zwänge, die uns doch gewanden.
*ontisch: seiend, empirisch, tatsächlich, faktisch …
Sich selbst ausgelieferte Ich-Monade/
Sonett (2385)7
Ein Hyle-Organismus: Quarks und Elektronen,
der hilflos-unfrei ist, verfügt Globalprozessen
von Ratiomacht-Ekstasen: Technik, Wissenschaften,
den ingeniösen Dienern wirtschaftlicher Blüten …
Der als Monade flieht in normative Zonen,
sich eine Mär von Daseinszwecken abzupressen.
Wie etwa Würde, sich als Ich-Ding zu verkraften.
Doch letztlich Zeit, Verfall und Nichtigkeit beschieden.
Doch wird als Geisteskraft er seine Grenzen fassen
als dem Verstand verwobene Notwendigkeiten
von wesenstypisch kommandiertem sich Verfehlen:
Dass er sich Sinnverlusten muss doch überlassen,
gezwungen, rational sein Dasein auszuweiten …
Doch ohne Gott nicht fähig, auf sich selbst zu zählen.
Ungeschminkte Erklärung (2386)8/Sonett
Ich sehe diese Welt ganz anders als die meisten.
Weit unverblümter, negativer, radikaler.
Das hab ich mir nicht ausgesucht, das ist ein Erbe
zufällig kindheitsfrüher Schicksalsschläge.
Die um Sozialverwerfung, Mob und Krankheit kreisten,
die, täglich still verletzend, machten psychisch kahler,
mir wuchsen aus zu einer Art Verzweiflungskerbe
von illusionslos niederdrückendem Gepräge.
Doch anderen da irgendeine Schuld zuweisen,
das lehn ich ab. Und zwar aus richtig guten Gründen:
Uns allen ist bestimmt, notwendig zu entgleisen.
Wir sind vom Wesen her Versager, müssen münden
in Haltverlusten, Amoral und Traumweltschneisen.
Heteronome Opfer unbegriffner Finten.
Die Kraft zu entrinnen (2387)9
Ich darf ihr widerstehen, dieser Gier,
sich haltlos auszurichten an der Zahl,
Enthemmungsseligkeiten und der Qual,
ob ab mich lehnt, ob aufnimmt dieses Wir.
Wenn ja, mir Halt zu schäumen, um dann schier
mir hinzugehen ihrem Wunden-Mal:
dem inszenierten Spaß, der krud und schal
auf Gleichschritt eicht und Kollektiv-Plaisir.
Ich muss das nicht, verfügend über Geist:
Realitätssinn, Macht zur Selbstdistanz,
das Wissen, dass Gesellschaft nur verheißt
Verlockungstrug als immer gleicher Tanz,
damit man ihren Kernen sich verschweißt:
Entlastungsglücke in verlognem Glanz.
Wesensgefangenschaft II (2388)10
Vergleiche (12/717)
Uns selbst zu meistern,
sind wir völlig außerstande.
Ein Faktum,
das auch unsre Rationalität aufzeigt.
Ist die doch Selbstsucht im Gewande
von Gleichungsexzellenz und technischen Verfahren ...
Kapitalismus also, der sich tief verneigt
vor unsrem Ich- und Hab-,
Genuss- und Macht-Sucht-Kernbestande.
Noch mal: Wir sind uns selber nie verfügt.
Es geht nicht um Vernunft, es geht nicht um Moral ...
Es geht um Lebensmeisterung,
Pleonexie und Zahl.
Und einzig darum, selbst uns zu bewahren.
*
Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
Am besten wär's, ich schwiege.
Wir kriegen unsren Daseinkrug nie voll,
bedürfen also mancher Lebenslüge.
Z. B. dass wir seien Zweck an sich:
Person als selbstbestimmte freie.
Nicht nur ein Tier als Ich,
das Hybris sich, Gewalt und Täuschung weihe.
*
Wir laufen ab auf vorgegebnen Spuren,
von Zufall und Notwendigkeit geschoben.
und werden einst erliegen unsren Ich-Torturen,
als Hyle-Zufall sich bedeutungslos enthoben.
*
Vielleicht entrinnen wir dem Klimawandel,
der Selbsterniedrigung durch die KI;
vielleicht auch kulturellem Niedergang,
gar Kriegen, Diktaturen, Hass, Erniedrigung ...
Was immer auch. Doch selbst uns nie.
Uns Wesen ohne jeden Seins-Belang.
Sozialer Zwangs-Prozess (2389)11
Glücke? Nun, die gibt's kaum mehr.
Fast nur noch dies konsumtive.
Leicht zu haben, wenn man seelenleer
auch ermangelt jeder Tiefe.
Was indes ein Vorteil ist,
weil man nicht mehr recht begreift,
dass da wirkt soziale Schlüssel-List,
die auf Oberflächlichkeit versteift.
Dass man dürfe doch sich gehen lassen,
weil und wie man es ja soll:
Als Monade in Erlebnis-Massen.
Ohne Einsicht, Leid und ohne Groll.
Unwiederbringlich zerstoben (2390)12
So viele, aus dem Kreis gelaufen,
die niemals wiederkamen.
Man kann sich letztlich selbst nur raufen
aus dieser Einsamkeiten Amen,
das man alleine spricht. Und ungehört.
Ich hab’s für manchen mitgesprochen.
Von Sehnsuchtsweh betört.
Und nur dank Seiner ungebrochen.
Ich werde niemand mehr von damals treffen
in jenen Jahren: kindsnaiv.
Mich würde ein Phantom doch äffen,
das meine Tränenbucht erlief.
Das mich genarrt dann hätte, weil ich’s wollte.
Noch immer euch verbunden.
Der frühen Jahre Traumweltgolde,
der Gnade Gottes abgeschunden.
Einsamer, stiller Abend (2391)13
Ein wenig Trauer und Bedauern;
ein wenig auch Melancholie.
Was macht, dass scheue Tränen lauern,
zu netzen meiner Psyche tote Harmonie.
Der Abend immerhin ist einsam still.
Zumal ein dunkler, winterspäter.
Der mit ermöglicht, dass ich gar nichts will;
schon gar nicht werde Selbst-Verräter.
Na ja: Ich habe mich denn auch durchschaut;
vergegenwärtigt mir mein Traumwelt-Ich:
Dass ich mich Daseins-Himmeln hatte anvertraut,
obwohl längst aus doch auf den letzten Stich.
Quarks und Elektronen (2392)14
Produkt der physikalischen Materie?
Das bin ich in der Tat.
Gefüge einer Serie
von Sonnenexplosionen … Aggregat
von Quarks und Elektronen.
Genomgefüge. Weder gut noch böse.
Ergeben Daseinsillusionen
durch sprachliche Synthese.
Mich hält nur meine Versmanie.
Als Sprache immanenter Geist.
Der Trostkonstrukte saugt aus Was und Wie.
Die mir als Sinn anpreist.
*Quarks und Elektronen s. Fremdwörterverzeichnis
Zeitgeistdruck (2393)15
Was hat sich da nicht oft
von selbst erledigt:
Als illusorisch
oder unklug auch erwiesen …
Hat Faktensinn und Einsamkeit
nur noch verstetigt;
weshalb man Zeitgeistdruck
sich sollte streng verschließen.
Macht einen der doch
schlicht systemstupide:
Zum Daseinslaffen
als Narzissmus-Niete.
Freimütig (2394)16
Ob’s was taugt,
was ich hier schreibe,
ist mir letztlich doch egal.
Werd ja nirgendwo
ich finden
irgend Halt und Bleibe …
Dafür viel zu radikal.
Gegner dieser Despotie
eitler Massenlebenswerte,
Gegner dieser Apathie
cooler Zeitgeistsucht-Gebärde.
Zeilen schreibend nur für mich
zwecks Bewahrung davor auch,
dass mich dieser Phrasen-Strich
mache doch zum Quoten-Gauch.
Nicht dass ich‘s mir ausgesucht,
frei gewählt gar hätte.
Zufallsdrastisch fremdverrucht
fürcht ich diese Mammon-Stätte:
kennend ihre Finten.
Kindheit (2395)17
Sie war mir die ganze Lehre,
die es zu beachten gilt,
um sein Leben zu bestehn,
dass es einen nicht versehre.
Ist‘s doch Triebdruck
bis zum Schluss,
währende Bedürftigkeit,
Sich-Vergreifen, Seelenleid,
womit stets man rechnen muss …
kann nur hoffend so angehn,
aus auf Geltung, Selbstgenuss …
pflegend je nachdem ein Bild,
das dann täusche, die abwehrt,
die verfolgen uns mit Neid,
Hass, Gerede und Verdruss.
Nie vergesse dies dann auch:
Dass man ist ein Mammon-Knecht,
machtverstrickt und wertgedungen,
selber sich nur ein Phantom:
ausgedeutet schlecht und recht,
aber niemals seinsgerecht …
mit nur schwimmend in dem Strom,
der uns fortreißt, uns verzecht,
selten sein lässt uns gelungen;
indes wenn, dann traumverzehrt:
allgeschöntes Truggeleit
dürstend siecher Leibeinheit.
Drängende Fragen (2396)18
Wie wird das wohl weitergehen?
Sind politisch doch gefährlich
Oligarchen, Diktatoren
und korrupte Autokraten;
weltanschaulich Faktenblinde,
hassfanatisch Religiöse …
Die, die werden angetrieben
von Besessenheits- Ideen.
Nun, es ist nicht abzusehen.
Faktum ist, dass jene Toren
oft sind Hybris-Wahn vergoren,
müssen ihren Völkern schaden,
ihrer Macht doch aufgerieben:
Ich-Bann, weder gut noch böse
Knechte einer Wesens-Finte,
dass sie könnten sich bestehen.
Bliebe noch die Volksherrschaft,
dieses Griechen-Schibboleth;
zu bewahren Recht, Gedeihen,
Friede, Ausgleich und Vernunft.
Doch ob habe sie die Kraft,
sich zu halten gegen Brunft,
geistkorrupte Trug-Parteien,
und der Selbstsucht Gier-Parkett?
Das Leben (2397)19
Dass weder Ehre es
noch Größe habe,
noch Würde, Anstand,
Redlichkeit, Vernunft ….
Das sage ich mitnichten.
Doch sie sind selten:
Ausfluss einer Zufalls-Gabe:
Gabe, die’s erlaubt,
sich’s so zu lichten:
Dass man es erkennt
als Triebgefüge,
Brunft und Rausch,
als triviale Deutungs-Lüge …
Als Ausgesetztheit
an Entlastungs-Gelten …
Und an die Macht
von Phrasen-Zelten.
Zufallsbegünstigt (2398)20
Ob man mir Anerkennung zollt,
ob nicht.
Ob ich was zähle
meinen Artgenossen,
ob ich als dunkles gelte:
Existenz-Irrlicht.
Zumal von Zweifeln
an mir selbst
doch übergossen …
Das ist tatsächlich
ganz egal.
Begehre ich doch
keinen Daseins-Gral
und neide niemand
seiner Glücke Zahl,
bin ich doch gängig
nie verdrossen.
Verfall (2399)21
Mein Körper gibt es nicht mehr her:
Verfällt und kränkelt ohne Gegenwehr,
wird schwach und schwächer,
was dann letztlich macht,
dass psychisch auch ich bin recht leer:
greif immer öfter nach dem Drogen-Becher.
Warum auch nicht? Das ist der Lauf der Dinge.
Mir löscht sich nach und nach das Lebenslicht,
so dass ich nicht mehr mir gelinge,
verliere zumal Schicht um Schicht
an Körper- und an Psychen-Stärke …
Verfall - ich sag’s ganz schlicht -
zersetzt mich - für den Tod am Werke.
Kunst machen II (2400)22
Kunst machen? Nun feinster Selbstbetrug:
Existenziell entlastet, sich scheinbar schaffen
eine Gegenleere ohne Ich.
Heißt: Dieser Faktenwelt entzogen,
sich selber los zu sein, geborgen tief im Wort,
Verzweckungs-Illusionen an zu phantasieren
durch Rückzug in abstrakte Geistigkeit.
Sich dichterisch herauszuwinden aus den Dingen
und Psychen-Scherben der Verreizungs-Zwänge,
die längst negierten die Person:
Das Individuum als Selbstzweckträger.
Kunst machen meint doch, sich verschwenden
an Innenwelten monomaner Sucht,
sich schöpferisch ein Ziel zu peilen,
das metaphysische Gehalte gäbe.
Indes ist das nicht durchzuhalten.
Auch weil man es durchschaut zugleich als Flucht,
den Kult zu meiden dieses Warenanimismus,
den Nihilismus dieser Gleichungslangeweilen,
die Einsicht auch, dass Kunst ist ohne Boden
in einer gossenhaft banalisierten Welt,
die Gott- und Selbstverlust
sich in Freiheit umdeuten muss.
Dialektik deutscher Seelenkälte/Sonett (2401)23
So etwa dieser Tugendmasochismus
als hybrisarrogantes Unterfangen,
narzisstisch-kultmessianisches Verlangen,
das man als Faktenleugnung sehen muss.
Ein doch sehr deutscher seelischer Erguss,
gesinnungsstier empirischen Belangen -
die würdetrunken werden übergangen -
sich zu verweigern per Gewissensschluss.
Obwohl viel tiefer doch verbunden Zahl,
dem Wohlstandshedonismus hingegeben,
dem grade fehlen Wert und Ideal.
Der dekadent macht, metaphysisch kahl,
der zwingt, sich Seelenkälte auszuleben,
Gewissensarmut ohne Reue-Mal
Entfesselungszerstörungswut (2402)24
Spielball meiner Widersprüche
war und bin ich in der Tat.
Opfer substanzieller Brüche
ohne Heilung, ohne Naht.
Dies halt eben: tief zerrissen,
selbst mir hilflos untertan:
Lastendem Zermürbungs-Wissen,
mündend manchmal gar in Wahn.
Kindlich gierig zu vernichten
alles, was mein Sosein stört;
mich in jenem einzurichten,
von Vollendungs-Hass betört:
niedrig, roh, brutal, entseelt …
Geisttier, das sich Abschaum wählt.
Glaubt zumal, dass der nichts zählt.
Wunderbare Tage (2403)25
Ich hatte wunderbare Tage.
Da war mir alles einerlei.
War das verwerflich? War es. Ohne Frage.
Sprach ich mich von Verantwortung doch frei.
So war’s denn faktisch asozial:
Ich pfiff dem Wind nach, malte Bläuen.
Vertat mich Trance: Ich war mir selbst egal.
Ein Seelengammler ohne Reuen.
An diese Tage werd ich immer denken,
weil sie verträumt vergingen.
Von meiner Hellsicht auch mich abzulenken,
dass ich mir würde nie gelingen.
Dass diese Welt mich würde stets belasten:
Ich würde sie begreifen.
Sie bis in ihre Kerne tasten,
wo sich Gewalt und Ichsucht nähen Tugendschleifen.
Gegenglück/Sonett (2404)26
Ich kann das immer noch. Und ziemlich gut:
Das, was an sich ist, in Sonette zwingen:
Die Mär von Würde, Menschlichkeit, Gelingen.
So dass man ständig sein muss auf der Hut.
Vor sich, den andern, all den Illusionen,
die ihre Schleier über Fakten breiten,
um deren Zwangsgewalten abzuleiten.
Auch Neid nicht und nicht Bosheit zu betonen.
So steh ich im Sonett auch gegen mich:
Als Kreatur doch schon mein ärgster Feind.
Denn Kreatur meint: Triebverstricktes Ich,
meint Kinderei, die um Banales weint:
Lust, Wohlstand, Anerkennung … Unterm Strich:
Das, was der Geist als Gegenglück verneint.
Wesensschwere (2405)27
Fremdheit, Kälte, Häme, Leere:
Allpräsente Daseins-Größen.
Ob man hasse, ob begehre,
ob entlarve Wert-Synthesen,
Arroganz, auch Tränen-Meere …
Man erahnt sie, ihre Spuren,
so im Guten wie im Bösen,
ob bei Priestern, ob bei Huren …
Zeichen sind sie der Misere,
dass wir können uns nicht lösen
von uns selbst: Uns Wesens-Schwere.
Der metaphysisch-kulturell verhilfloste: unschuldige Mensch (2406)28
Er ist doch gar nicht frei,
ist das mitnichten,
ist weiter nichts
als Zufalls-Nebenbei,
das sich Bedeutung
muss erdichten ...
Als rational, vernünftig, gut,
gar gottgewollter Zweck-an sich.
Doch faktisch nichts
als Selbstsucht-Glut:
Pleonexie verfallnes Ich.
Gezwungen auch,
als Selbst sich zu fingieren,
als sittliche Person ...
Um so getäuscht dann,
nur zu gieren,
zu täuschen und zu lügen:
Indes er muss das,
muss sich selbst verführen ...
weil außerstande,
über sich je zu verfügen:
Atomgefüge: Ein Materie-Joch,
Zeit und Verfallsgefüge doch.
Ein ungeborgner stiller Schrei:
Als Geistsehnsucht gerade tot
und völlig einerlei.
Geistiges Gelingen/Sonett (2407)29
Mich völlig nutzlos hätte ich verschwendet Dingen,
wie Machterwerb, Vermögenshäufung, Zeitgeistzwecken.
Obwohl bei Menschen die die tiefste Sehnsucht wecken:
Die, über andre sich sozial hinaus zu schwingen.
Ich musste scheitern. Oder geistig mir gelingen.
Warum indes, vermochte ich nie aufzudecken.
Obwohl’s mich trieb durch Über-Ich- und Es-Schlamm-Ecken,
mir aufzuschließen dies subtile Daseinsringen.
Und dass subtil es ist, steht völlig außer Frage:
Schon weil es Abstand schafft und muss zutiefst bedrücken:
Ist es doch Einsamkeit, von stillem Gram besessen.
Und geht in Einsichtstrauer hin die meisten Tage.
Verweisend immer radikaler auf die Tücken
von digital gesteuerten Verhärmungsblässen.
Gegenwärtige deutsche Politelite (2408)30
Politische Elite ist das nicht,
was sich in diesem Land als solche preist.
Da fehlen schlicht die personalen Gaben,
die Bildung, das Gefühl für Wirklichkeit.
Da fehlt auch das rhetorische Gewicht,
das Feingefühl für das, was griechisch heißt:
Kairos*: Im rechten Augenblick zu haben
Intuition als inneres Geleit.
Sie sind noch nicht mal fähig, zu erhalten
die eigne Macht, weil deren Opfer doch,
was sich erkennen lässt schon wenn sie reden:
Sie können’s einfach nicht, sich selbst zu gestalten,
geschweige, dass sie wüssten um dies Joch:
Dass Macht als Rausch kann nur sich selbst anbeten.
*Kairos: Der richtige Moment. Im nie wiederkommenden richtigen Augenblick seine Chance ergreifen
Korrektur (2409)31
Dass an uns
kein gutes Haar
ich ließe:
An Gesellschaft,
Politik und Welt,
das, mit Sicherheit,
stimmt nicht.
Bezeugt das doch
schon ein Gedicht,
das, wenn ich es
Welt einschließe,
Hoffnung flüstert
bis ans Krumen-Feld ...
Gottverbürgte:
Ich-Verzicht.
Innere Verarmung (2410)32
Affektive Implosion:
Die feineren Seelenschichten
werden abgetragen:
Ehrfurcht, Scham, Selbstbescheidung …
Unbemerktes Vergröberungswerk,
den Konsum anzukurbeln,
der kapitalistisch-technischen Effekte-Diktatur,
die den Kunden psychisch verarmt,
auf dass er, pariatypisch, anbete
versimpelungssanfte Verlotterungsentlastung.
Deiner dankbar gedenkend/Für … (2411)33
Und doch hat sich’s gelohnt,
wenn ich der Tage
im Rauschgrab deiner Leiblichkeit gedenke:
Die Welt war fort,
ich von mir selbst verschont,
egal war mir die objektive Lage:
Dass diese uns wohl ins Verderben lenke.
Was war das schön,
dich zu genießen,
in deinen Körpernischen
selbst mich zu vergessen …
Faktizität bewusstlos zu verfließen
im Banne deiner Feuchtenmessen.
Die ökologische Katastrophe/Sonett (2412)34
Glaubt ihr, ich hätte Spaß daran, zu unken,
dass diese Welt sich dreht ins Negative,
sich selbst gefährdet mehr von Jahr zu Jahr,
um letztlich irgendwann dann auch zu kippen ...
Vielleicht entzündend dann die Schicksals-Funken
der längst befürchteten finalen Schiefe,
bedeutend uns, dass es für uns das war ...
so dass auf Untergang wir müssten tippen?
Nein, hab ich nicht; indes ich nichts verdrängen,
beschönigen, gar lügen will mir vor.
Wiewohl ich es doch sollte letztlich machen.
Grad weil ich weiß, dass wir notwenig sprengen,
das, was uns trägt, führt vor ein Hoffnungs-Tor:
Gezwungen, zu zerstören unsre Nachen.
Misslungen I und II (Variante)/Widersprüche (2413)35
Pausenlos hab ich geschrieben,
versuchte, rücksichtslos mich auszulassen.
Ein Außenseiter, radikal getrieben,
sich ohne Schminke selbst zu fassen.
Tatsächlich ist mir’s nicht gelungen.
Ich spürte sehr fein meine Widersprüche.
Und die, die flüsterten mit tausend Zungen,
dass auf ich säße dieser Schliche:
Mich vor mir selber zu verbergen.
Aus Angst, mich nicht zu schonen
vor Schwermut, Dauerschweigen und Verzwergen.
So früh doch fassbar meinen Seelen-Zonen.
Variante ab Zeile 9:
Mir alle jene zu verbergen,
um mich nicht irgendwann dann zu verlieren
in Schwermut, Antriebslosigkeit und Psychensärgen ...
Statt dessen nach mir selbst zu gieren.
Für mich ist das nur Selbstaufgabe:
Diktat der blanken Kreatürlichkeit.
Indes warum man sich nur geistig selber habe,
bleibt unklar, Traum von Geisthoheit.
Wesenszwang/Sonett (2414)36
In diesem Kosmos inszenierter Spaß-Ekstasen,
der Gaunereien und Gewissenlosigkeiten,
des Tugend-Animismus, der Charakter-Dellen
der bieder ichsuchttrunkenen Verlautbarungen,
wär es substanznaiv, zu glauben all den Phrasen,
die korrumpieren sollen, selbst sich zu entgleiten,
um mit zu schwimmen auf gelenkten Werte-Wellen,
Ideologen-Fanatismus ausbedungen.
Auch das ein Grund, warum ich gern Gedichte schreibe -
nicht um Beachtung: Anerkennung hier zu finden -
Vielmehr um einzugehen ihrer Geistes-Bleibe,
frei von Verwahrlosung, von Macht- und Mammon-Finten,
vom Zwang, dass ich mich derer Idiotie aufreibe.
Was würde Selbstverachtung mir und Wahn begründen.
Meine Sehnsucht (2415)37
Meine Sehnsucht schießt ins Leere.
Diesem rann sie ja auch aus.
Träumend eine Daseins-Beere
und intaktes Seelen-Haus.
Fand jedoch nicht dies, noch jene.
Wie auch? Beide gibt’s gar nicht.
Sodass ich vergeblich sehne
nach verbürgtem Seins-Gewicht.
Muss mich so Verzweiflung stellen.
Diese irgendwie ertragen.
Leiden meines Daseins Dellen:
Quellen seiner Niederlagen.
Entlaufen (Sonett) (2416)38
Tatsächlich sind wir unsre eignen Macher:
Gegängelte von neuronalen Werken.
Die geistig-seelisch lassen uns verzwergen
im Bann von Technik, Gleichung und Geschacher:
Der Markt ist uns Demiurg. Er macht uns flacher.
Und infantiler. Kann uns so nicht bergen.
Zerstört Vernunft er doch und Selbstzwangstärken.
Zu werden uns zum Innenweltbewacher.
Das ist das Drama von uns Zwie-Naturen
dass wir auf Geist und Technik angewiesen
verfallen mehr und mehr Kalkülzensuren
und künstlich provozierten Traumspielwiesen …
Verlieren so die kulturellen Spuren.
Um eben das verwahrlost dann zu büßen.
Ratschlag III (2417)39
Ich muss dir nichts bedeuten.
Und nimmermehr was sein.
Ich kenne meine eignen Freuden:
Geist, Stillen, Einsichtsschübe, Wein.
Vor allem kenne ich die Nichtigkeiten,
die unser Leben unterfüttern.
Die freilich wir nur selten leiden,
umstellt von Wohlstandsgittern.
Ich rate dir, von mir lassen.
Ich habe faktisch gar nichts dir zu bieten.
Lauf lieber ab die dir bekannten Gassen,
dir gängig leeres Glück zu schmieden.
Triebtotalitärer Realitätsverlust (48/2418)40/
Für homo sapiens bambergensis
Dein Fleisch,
mir Stunden-Manna,
schlürfe ich
unverdorben
an Verfall,
Vergeblichkeit
und Ekel
jetzt vorbei -
Heimat aus ihm
zu bauen,
makellos
wie alles an dir
in diesen Stunden
zügellos-kryptischer
Stofftraum-Gefangenschaft.
(IV) Weltanschauung
Geniales Spiel/Materialismus/Pan-Nihilismus I
(Sonett) (2419)41
Das, was mal klassisch Sein hieß, muss ich so verstehen:
Dass Stoff es ist: Materiell und nichts als bloßer
Gesamtzusammenhang determinierter Lagen.
Wir selber aber sind nur seine Zufallsknechte,
die, atomar gefügt, sich willenlos geschehen.
Als Körper ihrer selbst bewusster Hirngrandioser.
Die Sinn erphantasierend müssen wertend wagen
als Randfiguren sich prekärer Urknallmächte.
Indes Materie ist nichts als schiere Pracht
kommandoblind geschlagner Teilchenschneisen,
die frei von Sollen sind und jeder Geistestracht.
Die nie, wie wir, Gewalt, Tristesse und Scham entgleisen,
wenn sie gestalten ihrer Formen stumme Schlacht.
Sie spielend heben, spielend sie dann zu zerreißen.
Geniales Spiel/Pan-Nihilismus II/Variante zu I
(Sonett) (2420)42
Ich hab die Dinge nun mal so gesehen:
Dass sie absurd sind und doch makellos.
Von einer Einfalt, die wir nie berühren:
Hirnhypertrophe, mittellos entlassen
in dieses unwägbare Dranggeschehen …
Sapiente ohne transzendentes Los.
Die Sinn und Halt sich müssen delirieren,
grad weil Vergänglichkeit sie sich verprassen.
Was für ein sehnsuchtsschönes Zufallswalten,
das lockend lässt die Augen übergehen.
Zwar wissen wir um seine zweckfrei kalten
zerstörungsradikalen Stoffgeschehen.
Doch wird der Geist sich dankbar an es halten.
Ist es doch Heimat ihm und Grundbestehen.
Variante zu Variante I:
Materie, das ist die schiere Pracht.
Ein Schönheitstaumeln, das sich selbst umkreist.
Ganz Indolenz und Zweckfreiheit verbracht.
Und doch auch zu Bewusstsein sich entgleist,
auf dass de Geist bedenke ihre Schlacht:
Dass, was sie hebt, gehoben sich zerreißt.
Haltlos/Pan-Nihilismus III/(Sonett) (2421)43
Kann unsre Unzufriedenheit nicht jeder spüren?
Ist sie derweil doch allerorts schon auszumachen.
Woran indes sie wäre letztlich festzumachen
ist schwer zu sagen. Sicher ist, die Psychenschlieren,
die aus dem fragmentierten Leben resultieren,
orientierungslos und übersät mit Nebensachen,
bewirken unvermeidlich geistiges Verflachen:
Wie dies, dass wir versuchen, Glück zu kalkulieren.
Vor allem sind wir ausgeliefert Abstraktionen,
dem Einfluss öder, immer gleicher Kunstdressuren,
gebannt in technologisch ausgefeilte Zonen
von Phantasie verkümmernden Apparaturen.
So dass am Ende wir nicht in uns selbst mehr wohnen
und, Nihilismus feil, an was uns drückt, verhuren.
Außenseiter-Prägungen (2422)44
Für mich ist’s ziemlich asozial,
dies Hektik-Dasein permanenter Ablenkungen,
fixiert auf Unterleib, Prestige, Geschwätz und Zahl.
Den Zeitgeist-Mythen stramm gelungen.
Mich hat mein Außenseitertum bewahrt
vor allen diesen Selbstaufgabezwängen;
Vollendung nach Reklame-Art:
Die Fakten zu verdrängen.
Indes was will ich mehr? Ich durfte letztlich meiden
Systemverknechtung: Trance in Selbstverlusten,
durfte Verspaßungs-Diktatur entgleiten …
Und so die Kerne greifen; nicht nur Krusten.
Dieses Dasein (2423)45
Nun, manchmal ist es wunderbar
und, wenn auch selten, gut.
Dann bringt es sich vollendet dar,
verbrannt in eines Glückes Glut.
Man ist geneigt dann, zu verzeihen,
bereit auch, zu vergessen,
dass es indes nicht kann befreien
von den ihm immanenten Kern-Exzessen.
Gedenke dankbar also jener Stunden,
in denen es als schön sich zeigte,
sich gab in illusorisch bunten
Momenten, die kein Schmerzhieb neigte.
Daseinszwerge ohne metaphysischen Halt/
Sonett (2424)46
Wie war’s mir möglich, nicht zu resignieren?
Zumal doch heimgesucht von Einsichtsschweren.
Die ausnahmslos nur dieses Eine lehren:
Dass wir uns, selbst uns ausgesetzt, verlieren.
Zumal narzisstisch nur auf uns noch stieren.
Und dabei einen Menschentyp verehren,
der nicht die Wahl hat, nicht sich zu versehren.
Dem sich Gedanken in Verlangen kehren.
Er so nicht rechnet mit den Hintertüren,
die Selbstdarsteller ins Verderben führen.
Und so, das zeigt sich, waren wir verloren,
auch schon bevor wir prometheisch schufen.
Dann, als wir Ehrfurcht, Gott und Scham abschworen:
Zu Selbstverfügung glaubten uns berufen.
Grundtatsachen/Sonett (2425)47
Allein - nicht nur am Anfang und am Ende -
ist man sein Leben lang. Das gilt für alle.
Man mag’s auch noch so vehement bestreiten.
Es ist so. Halte man es auch verschlossen
in unbewusstem seelischen Gelände.
Doch ohne Rücksicht greift uns seine Kralle
in aller Stunden Leere, Lust und Leiden
Erst dies macht uns zu gleichen Artgenossen.
Und trotzdem gab’s da manche Augenblicke,
in denen mir’s egal war, ihr zu fronen.
Schossen doch hoch in diesen solche Glücke,
wie sie nur geben können Geisteskronen.
Denn die, die werfen fort des Daseins Krücke,
Alleinsein tauchend in Vollendungszonen.
Keine Ideale (2426)48
Ich hab keine Ideale.
Und dies auch deshalb,
weil ich weiß:
Schält man sie erst mal ab,
die Schale,
liest man nur
leeres Traumgeheiß.
Gewahrt man sich als Zeit
und zellenkahle
Beliebigkeit
als stofflicher Verschleiß.
Seelische Verarmung (2427)49
Das Menschliche ist konsumtiv vernichtet.
Die Geldwirtschaft erlaubt’s nicht mehr.
Hat sie sich doch die Seelen längst geschichtet,
frenetisch trümmerschwer.
Verschwunden ist das Individuelle,
ein Allgemeines inszeniert.
Vertrocknet jede kulturelle Quelle.
Man selbst ist, allen gleich, allein;
sich Traumgerüst als Starkultabklatsch-Schein …
Fiktionsmonade, die sich kollektiv verliert.
Bespaßungsblende (2428)50
Man selbst verrät und wird verraten.
Und ist doch immer nur für sich:
Behelfsphantastisch sich gemeintes Ich.
Ein Beispiel gleicher Zwangsmonaden.
Der Geldwirtschaft doch ausweglos verschrieben,
den Lebenslügen Freiheit, Wohlstand, Würde, Lust.
Durch jene geistig sich längst aufgerieben
und nur noch kollektiv-konform bewusst.
Man selbst verrät und wird verraten:
Verzweiflungsdekadente Perfidie.
Hat längst verhökert seine Selbstbestände,
sich einzufinden digitalem Wie
verkümmernder Bespaßungsblende.
Behelfsschicksal (2429)51
Da schwappt was über mich hinweg.
Ich weiß ja, was; und dass ich machtlos bin.
Es ist der Markt mir Schicksalssteg.
Er packt mich straff in seinem Sinn.
Macht so mir klar das Ausweglose,
das mich auf sanfte Weise deklassiert
und so mir aufzwingt dieses scheingrandiose
Behelfsschicksal, das mich subtil negiert.
Eine Faszination (2430)52
Diese Konsumdiktatur hat mich lebenslang fasziniert,
gelingt es ihr doch seit Jahrzehnten,
psychischen Verfall und geistiges Elend zu schaffen,
aus denen zugleich doch
- und, wie es scheint, notwendig -
sich alle diese Erlebnislustvarianten ergeben,
die die Individuen geradezu als Selbsterlösungen erfahren,
als Entlastungsglücke zumindest …
Offenbar unbelehrbar davon überzeugt,
oder besser: alternativlos darauf verwiesen,
dass nur ein diesseitssakraler Wohllebenshedonismus die Maße an Glück,
Befriedigung,
Prestige und Selbstintensivierungsorgiastik bieten könne,
die dann hinreichten,
das eigne Dasein als gelungen ansehen zu dürfen
Wofür es sich zu leben lohnt (2431)53
Wenn’s etwas gibt,
wofür sich’s lohnt zu leben,
dann ist es dies für mich: Gedichte machen.
Der Rest ist Drangsal,
Lust und Phrasen beben;
ist Wohlstandsreizen zu verflachen.
Und grade dabei
ist man ganz allein.
Auf sich zurückgeworfen als Monade
in einem drastisch subjektiven Sein:
Ein Perspektivenspiel
vom Kindswort bis zur Lade.
Jedoch verströmt man sich
in ein Gedicht,
- man tut’s, als sei man von sich abgelöst -
dann ist man los das Körper-Ich,
ist geistig sich sein Selbstgericht:
Sich sprachlich-objektiv entblößt.
Deutungs-Klemme (2432)54
Beschränkt, ist man in sich zurückgebogen,
erfasst nicht einmal das, was objektiv
sich abspielt als verschlungenes Geschehen.
Sodass man immer nur vermuten kann,
was Zufall vortäuscht durch Entlastungsdrogen.
Die man sich sog aus einem Kollektiv
der Artgenossen, die sich unbesehen
doch überlassen ihrem Selbstsuchtbann.
Und doch: Mit einer Klarheit ohnegleichen
erfasst man manchmal Lagen, Selbst und Wir
im Chaos der Prozesse und der Zeichen
des Kampfs um Anerkennung und Plaisir …
Dass Wert-Belämmerung uns stellt die Weichen:
Gesellschaftlich getrieben ohnmachsstier.
Von der Ohnmacht der Machtbesessenen (2433)55
(ein dichterischer Kommentar zur deutschen
politischen Funktionselite. 6. Mai 2025)
Fatal die individuellen Defizite,
zu harsch der Fluch
der Mediokrität,
auf dass nicht das Gewissen litte,
zerrisse das Charaktertuch.
Sie wollen Macht um jeden Preis,
obgleich von dieser
so besessen,
dass sie die Macht
der Macht vergessen:
Sie leichthin
ihrer selbst benehmend:
Sich Handlungsschranken*
ohne Geistes-Gleis.
Das sind erbärmliche Figuren.
Wie alle wir, die wir versagen,
wenn selbstwertgierig wir uns
an uns selbst verhuren,
weil weigern uns,
uns wissend selbst zu tragen:
Dass wir nichts weiter sind
als sinn- und deutungslos,
als still verwehende Verfalls-
und Zufallsspuren.
*Oder: "Schicksals-Hürden" bzw. "Ichsucht-Fesseln"
Emotionsmisstrauisch (2434)56
Zu tiefer Nähe hab ich’s nie gebracht;
schon gar nicht einer Liebe.
Hab einfach viel zu viel gedacht
an Selbstbetrug, Verrat und Alltags-Trübe.
Mir fehlte auch das Grundvertrauen
in diese marktgeprägte Subjektivität.
Die nur noch in sich selbst darf schauen,
da hilflos existenzunstet.
So bleib ich Einsamkeit und Stille treu.
Denn die sind immer gleich:
Verbunden Einsicht, die, ganz kühl und scheu,
entlarvt die Welt als ein Versagens-Reich.
Was ich objektiv war, bin und sein werde.
Bis zum Ende (2435)57
Ich? Immer Umsatzpotential.
Verbraucher, Arbeitnehmer, Stimmvieh, Spießer.
Ein Ding. Verwaltet als Statistikzahl.
Und Warenstromgenießer.
Das musste sein. Das habe ich begriffen.
Der Wohlstandskreisel muss sich schließlich drehen.
Auch muss man sich ja selbst umschiffen,
um sich nicht ungeschönt zu sehen.
Das wäre schlimm, denn was man sähe,
das wäre ein gelenkter Büttel:
*Bestandsgarant für diese täuschungszähe,
verdeckte Barbarei im Würde-Kittel.
*Variante
... Büttel:
im Sinnlaufrad der Großen Mammonkrähe.
Ein pseudorational verbognes Mittel.
Verträumungsthalassal/Sonett (2436)58
Mein ganzes Dasein ist bedeutungsbloß.
Das ist so. Und als Faktum abgetan.
Zumal in diesen Zeiten gar nichts groß,
nur Medien-Trance ist: Angenehmer Wahn.
Ein marktgesteuertes Verbraucher-Los,
erregungsintensiv und allprofan.
Nur so kommt’s freilich bei Entschämten an:
Den Ich-Berauschten via Geld und Schoß.
Doch letztlich muss mir all das schnuppe sein.
Ein Narr, wer hier um Glücksgehalte ringt.
Wärn die gebunden doch an Trug allein,
aus dem man Selbstverlust und Leere trinkt
sich passiv aalt verträumungsthalassal
in Ich-Magie, in der man Scheitern winkt.
Endzeitmagie (2437)59
Verwahrlosungsselig getrieben
von Nichtigkeit zu Nichtigkeit
hungern sich
standardisierte Verbraucherpsychen
durchs magische Ungefähr
umtobter Entmündigung.
Dumpfer Verzückung
anheimgegeben
und sich selber verdunkelnd
im Dingselbst
magischer Ware.
Soziophob (2438)60
Büro entronnen, trinke ich ein Glas.
Zu fliehen ins soziale Nichts.
Dabei sind mir egal Warum und Maß.
Selbst die Bedeutung meines Du- und Wir-Verzichts.
Obwohl signifikant mitunter.
Mir ist danach, mich zu verbergen.
Sei’s vor Geschwätz, sei es vor Geltungsplunder.
Um nicht noch radikaler zu verzwergen
sterilen Weisen smarter Seelen.
Die permanent sich wichtig tun.
So mich mit ihren Kindereien quälen.
Narzisstisch gegen Wirklichkeit immun.
5 Sonette: Diese Sonette sind genommen aus: „Nüchterne Existenzbilanz in Sonetten“, S. 147, 148. Varianten zu „Kapitalismus XXII, XXIII, XXIV und zu „Scheinverfügungskompetenz (A/V) und „Monadentum“ (A/V), beide Sonette auch S. 158, S. 44/45 Notdatei
Die verinnerliche Geldwirtschaft/Sonett (1) (2439)61
Die Psyche als Funktion der Geldwirtschaft
bedarf der Chance, sich mystisch zu verklären.
Durch Kultprodukte, die den Selbstwert mehren,
weil man wird ihretwegen angegafft.
Vereinzelt durch des Mammons Prägekraft,
gezwungen, den Systemzwang zu begehren,
versäumen wir uns selbst im Ungefähren
von Freiheitstrancen, spiegelnd Warenhaft.
Und niemand kann sich dem Prozess entziehen.
Er wird als Selbstverständlichkeit erfahren.
Man merkt nicht, dass man sich nur noch geliehen,
ein Knecht ist, tummelnd sich in Rauschgebaren.
In dem den Schmerz der Einsicht dann zu fliehen
dass man sich nicht mehr selbststolz kann bewahren.
Vernichtungsrationale Verwahrlosung/Sonett (2) (2440)62
Mir geht es nicht um sachlich obsolete
Subjektphantasmen, die zu Hybris führen.
Dass wir für Freiheit etwa würden frieren.
Als ob uns die, was wir begehren, böte:
Gepackt von Spannung, Spaß und Stargerede,
uns Marktkommandos willig zu verlieren.
und dabei permanent auch zu zensieren:
In Glück uns umzuträumen das Konkrete.
Was flüstern denn die kollektiven Takte,
Systemgewalten, die uns aus sich richten;
wie Gleichung, Technikfortschritt und das nackte,
anarchisch ökonomische sich Lichten
im Zwangsrausch rationaler Großhirnakte?
Dass wir uns werden - schuldlos - wohl vernichten.
Schicksal als Entborgenheit/Sonett (3) (2441)63
Wir können uns doch gar nicht übernehmen.
Da chronisch ausgeliefert Perspektiven.
Und dass bedeutet: Viel zu primitiven
Bedarfsfiktionen, es uns zu verbrämen,
dass wir, entlastungssüchtig, selbst uns lähmen,
ja müssen. Um komplexe Umstandsschiefen
(die stets uns doch aus Halt und Ruder liefen)
durch Scheinverfügungskompetenz zu zähmen …
Kann dann wer schuld sein? Hätte können tragen
Vernunft, die doch des Menschen Wesen bilde?
Es ist begreiflich, so naiv zu fragen.
Was gäbe sonst es denn, was uns verhüllte
Determinismus, Hirnsucht und Verzagen? -
Verlustig instinktiver Lethe-Schilde?
Perspektivensolipsismus/Sonett (4) (2442)64
So sei es angedeutet, unser Wesen:
Vor dem wir alle uns doch beugen müssen:
Da ist der Zwang, sein eignes Ich zu hissen.
Und trotzdem sich in andern stets zu lesen.
Aus deren Tun ein Selbstbild sich zu fräsen,
Betrug und Überhöhungssucht beflissen.
Zumal wir uns als Konkurrenten wissen,
Gewohnheitstäuscher und Sozialsynthesen.
Wir spüren, dass wir dieses Selbst nicht fassen.
Das unsre nicht. Nicht das der Artgenossen.
Verwiesen darauf, uns aus ahnungsblassen
Behelfseindrücken, von uns mitgegossen,
ein andres Ich uns wertend anzupassen,
uns immer fremd entzweit und stumm verschlossen.
Das ethisierte Ideal des Wohllebens/Sonett (5)/
Für Götz Briefs (2443)65
Warum denn immer mehr dasselbe denken,
das Gleiche wollen und identisch fühlen?
Das ist Ergebnis rationaler Kühlen,
die konsumtiv geprägte Psychen lenken
nach dem Gebot, sich selber zu beschenken.
Man nutzt das Angebot an Spaß und Spielen,
Effektmagien und Berauschungszielen …
Routine-Emotion sich einzusenken.
Nun: Wohlstandssicherung ist drauf verwiesen,
das Kindliche der Menschen auszubeuten,
sie dazu anzuhalten, zu zerfließen
in solchen Glücken und in solchen Freuden,
die sie als Daseinszwecke dann begrüßen
und sich als allerhöchste Güter deuten.
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