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(G) Warum schreibe ich Gedichte? 
Was sind, wofür stehen, was intendieren, was leisten Gedichte? Kurze, zuweilen dunkel-präzise Angaben.

(1) Ich schreibe Gedichte
Weil ich muss: Für mich ist das Schreiben von Gedichten ein geistiger Imperativ. „Weil ich muss“ soll also heißen: Es liegt meinem Schreiben von Gedichten kein freier Wille zugrunde: Ich habe mich nicht aus freien Stücken entschlossen, Gedichte zu schreiben. Vielmehr muss ich es tun - um mich selbst zu bewahren, zu stabilisieren, zu wappnen gegen Gesellschaft und Welt; mich selbst zu bewahren vor allem vor den verlogen-unverschämt-lässig-primitiven Zugriffen (Reklame-, Polit-Mären, Gesinnungs-Korruption und -Emotionalität, Selbstbeweihräucherungs-Arroganz, Tugendanmaßungen, Wortklauberei-Entfesselungs-Hysterie, erzieherischer Belämmerungs-Motorik,  usw. usw.) … kurzum: vor den narzisstischen Trivialisierungskräften der Überflussgesellschaft, in der ich mein Leben fristen muss. 
Wenn ich Gedichte schreibe, bin ich mich selbst (s. u.) diese Gesellschaft, ja: die Welt überhaupt los; also auch deren Bedrückungs-Intensität und v. a. ihren Nihilismus

(2) Weil es die einzige Form von ungetrübtem Glück ist, die zu erfahren ich in der Lage bin … das konsumtive Glück erlebt man nur, erfährt es aber nicht: es ist materie/körper-, triebabfuhr- , entlastungs-zentrisch und schein-gebunden … also: eine Form der zeitgeistpsychisch determinierten Monaden-Vernutzung. 
Ich meine geistiges Glück, das ich als „Nebenprodukt“" aus dem Erschaffen sprachlicher Kunstgebilde schöpfe; oder anders gesagt: Indem ich Gedichte schreibe, bin ich mich selbst als empirisches Individuum (Kreatur/Organismus, Widersprüchlichkeit/Einsamkeit/ Einsichtsträger/ Politverdummungsobjekt/Gesellschaftsknecht usw. usw.) los; ebenso das heutzutage so gut wie immer selbstsüchtige Du. 
Dazu noch einmal Arthur Schopenhauer (1788 – 1860), Aphorismen zur Lebensweisheit, Kröner-Verlag, 1974, S. 7) …“Denn die höchsten, die mannigfaltigsten und die anhaltendsten Genüsse sind die geistigen; wie sehr wir auch, in der Jugend, uns darüber täuschen mögen, diese aber hängen hauptsächlich von der geistigen Kraft ab.“
Und auch noch einmal Chamfort, maximes et pensées, Editions mille et une nuits 1997, S. 51: „Préjugé, vanité, calcul, voilà ce qui gouverne le monde. Celui qui connaît pour règle de sa conduite que raison, vérité, sentiment, n’a presque rien de commun avec la société. C’est en lui-même qu’il doit chercher et trouver presque tout son bonheur.“ 
Ü/Sa.: „Vorurteil, Eitelkeit, Berechnung … da haben wir, was die Welt regiert. Derjenige, der als Regel seines Verhaltens nur Vernunft, Wahrheit, Gefühl und Empfindung kennt, hat fast nichts mit der Gesellschaft gemein. Er muss fast all sein Glück in sich selbst suchen und finden.“

(3) Ich gehe auf in einem packenden geistig-sprachlichen Prozess, im Rahmen dessen es mir gelingt, diffus-schwankende Bedeutungszusammenhänge aus mir hervorzutreiben, die zunächst nichts weiter als sprachlich fundierte Selbst- und Welt-Auslegungs-Versuche sind, 

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die mich dann weiter orientieren; aber gleichermaßen „geistige Defensiv-Waffen“ sind gegen meine 
(i) innere Unstete
(ii) mein bedrückend zwiespältiges, sehr kritisches Verhältnis zu der Gesellschaft, in der ich lebe: einer Gesellschaft, die ich als in fast jeder Hinsicht als verworfene empfinde und 
(iii) gegen meine innere Leere, meinen Nihilismus und meine notorische Illusionslosigkeit

Gedichte schreiben meint also 
(4) Selbststabilisierung, Relativierung der radikalen Fremdheit, die ich Artgenossen gegenüber erfahre, also auch: Kompensationen der Tatsache (es ist dies eine für mich), dass man sich letztlich nicht mitteilen, noch andere tatsächlich verstehen und begreifen kann.

(5) Gedichte machen meint also weiter:
(a) Meiden meiner selbst (als eines zutiefst widersprüchlichen, zumal, was konsumtives Glück anbelangt, glücksunfähigen Wesens: meiner als Kreatur)
(b) Meiden von Du und Wir
(c) Meiden der Gesellschaft, der ich nicht zu entrinnen vermag (s i e bestimmt mein Dasein grundlegend, ausnahmslos, vollumfänglich; ich vermag nichts auszurichten gegen z. B. ihren schleichenden (zumindest kulturellen) Niedergang; muss mich zumal in ihr bewegen, um meinen Lebensunterhalt durch eine berufliche Tätigkeit sichern)
(d) Meiden von Welt überhaupt: Sie ist - wie an sich immer - ein Ort nicht zu verhindernder  Schäbigkeit, Barbarei, Gier, also auch: ein Ort vollendeter Pleonexie, Verlogenheit, Korruption, ein Ort allfälligen Machtmissbrauchs, ein Ort des Verbrechens, der Gewalt, der Barbarei, des Krieges, der Tugendschauspielerei, der Heuchelei, der geistigen Feigheit: sie ist - notwendig - ein Ort menschlichen Versagens: Der Mensch ist - ich sage es noch einmal - kein moralisches Wesen (jedenfalls keines im Sinne Kants; s. dazu den Abschnitt unten über Würde)

Weitere allgemeine Angaben
(6) Gedichte sind sprachliche (geistige) Schöpfungen ohne jedwede praktische Verwertbarkeit - soll heißen: sie haben weder eine utilitaristische,noch hedonistische, noch konsumtive, noch erzieherische, noch überhaupt gängigkeitsträchtige Funktion/ Bedeutung/Wertigkeit; anders ausgedrückt:
(a) sie bringen kein Geld, keine Macht (schon gar nicht politische), keine Ehre
(b) kein Ansehen/kein Prestige
(c) keinen Ruhm
(d) sind zumal, zumindest meine Gedichte,
(e) subjektiv sehr eigenwillige
(f) sprachlich sehr komplexe, also oft nur schwer verständliche Hervorbringungen eines gesellschaftlichen Außenseiters
(g) eines an seinem Dasein still leidenden, intellektuell krankhaft Hyperwachen, einem überhaupt
(h) an der Welt oft verzweifelnden Hochsensiblen, Eigenwilligen, Hadernden usw. usw., der Gedichte macht, die
(f) bei der großen Mehrheit der Zeitgenossen überhaupt keine Beachtung finden (können), vielmehr, würden sie gelesen, als Reaktionen in der Regel diese hervorriefen:
(i) Reserve
(ii) Misstrauen
(iii) Unverständnis
(iv) zwiespältige Verwunderung,
(v) Spott oder gar

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(vi) Ablehnung überhaupt oder völlige Gleichgültigkeit; der Punkt ist nämlich, dass 
(g) Die Zeit des geistigen Schaffens als eines drängenden, besser: kommandierenden, und zugleich tief faszinierenden Bedürfnisses nach Selbstschöpfung(!) vorbei ist. Gedichte sind geistige Wege, sich als dieses Selbst, das man an sich zu sein glaubt, glaubt, sein zu wollen oder zu sollen (diesen Wendungen liegt die Tatsache zugrunde, dass wir „Neuronen-Lakaien“: durch und durch heteronom  - unfrei - sind, es meistens nur zu einem scheinbar klaren Bewusstsein unserer selbst bringen), zumal 
(i) Gedichte als „Muttersprache-Sprößlinge“, auch das gilt es zu beachten, sich nämlich sozusagen auch von selbst machen, indem sie aus personalen Tiefen „hervorbrechen“, zu denen, würde man keine Gedichte verfassen, schwerlich einen Zugang fände, der sich nur in einem träumerischen Umgang mit Sprache/eine einen gerade überkommende Stimmung/momentaner psychischer Verfasstheit und diffuser Augenblicksverhaftetheit öffnet. 
(ii) es weiter Tatsache ist, dass sich Gedichte mir auch morgens beim Aufwachen geradezu aufdrängen - es sind Anfangszeilen, eine, manchmal zwei, die mich dann förmlich aus dem Bett treiben, um sie schriftlich festzuhalten, denn tue ich das nicht, kann ich sie später in der Regel nicht mehr erinnern
(iii) man zuletzt nie vergessen darf, dass ein kollektiv hervorgebrachtes Kulturgut: die Muttersprache, einem dazu dienen muss (und dies allein: einem geistig zu Diensten zu stehen, auch vermag/kann), subjektive „seelische Erschütterungen“ (Gefühle, Affekte, Stimmungen, Anwandlungen, augenblickliche Befindlichkeiten, Gedanken usw. usw.) zunächst noch irrational-wirr zu greifen, dann mittels Lauten, Worten und Begriffen zugänglich zu machen, um sie endlich in nachvollziehbare Sätze, Zeilen, Verse oder „Worthalden“ zu zwingen/zu ordnen. Und dabei geschieht etwas Entscheidendes: Das intim Subjektive als (etwa) „seelische Erschütterungen (= Affektverwirrungen, Gefühlswidersprüche und bedrückende Stimmungen)“ muss sich der kollektiv geschaffenen Muttersprache bedienen, um sie, diese seelischen Erschütterungen, sich zu Bewusstsein zu bringen, soll heißen: die Muttersprache färbt das Subjektive mit sich selbst ein: erlaubt es ihm überhaupt erst, Zugang zu sich zu finden. 
(iv) Und daraus ergibt sich dann auch die Frage, ob man zu sich selbst überhaupt einen direkten geistigen Zugang haben kann. Antwort: Nein. Es gibt nur den indirekten Zugang zu sich selbst über die Muttersprache

(7) Gedichte sind weiter 
(a) Versuche einer allumfassenden Selbstentbergung(!) (Gedichte machend, lernt man sich selbst kennen: Man holt oft - schon mittels des Suchens nach Worten - Persönlichkeits-Anteile aus der Tiefe des eigenen Wesens, die man, keine Gedichte schreibend, schwerlich jemals kennengelernt hätte: Gedichte sind Arten und Weisen, sich (mich: Sa.) als Selbst - empirisches: was man ist und sein muss, wie ideales: was man gerne wäre (in meinem Fall: Ich möchte als ideales Selbst das Selbst sein, das ich zu sein wollen muss, eben weil mir - genetisch-zufällig, d. h. aber auch: mich als apriorischer Lebensmeisterungs-Imperativ verpflichtend - das Geschenk geistiger Begabung zuteilwurde); und als Me* ins Bewusstsein zu heben 

Anm.* Das „Me“ nach George Mead, Geist, Identität und Gesellschaft, Frankfurt 1980, suhrkamp-Verlag, S. 216: 22. Das „Ich“ und das „ICH“, s. Anm: The „I“ and the „Me“ = das sich selbst als Objekt erfahrende Ich). Mead, S. 218: „Das „ICH“ - heißt/meint: das Me - „ist die Reaktion des Organismus“ - das Ich als biologisches Wesen - „ auf die Haltungen anderer; das ICH ist die organisierte Gruppe von Haltungen anderer, die man selbst einnimmt. Die Haltungen der anderen bilden das organisierte „ICH“, und man reagiert darauf als ein „Ich“ … „Die Existenz dieser organisierten Gruppen von Haltungen ist es nun, die das „ICH“ 

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ausmacht, auf das er, jener Organismus, als „Ich“ reagiert“ Und S. 219  „Die Haltungen der anderen, die man selbst einnimmt und die das eigene Verhalten beeinflussen, bilden das „ICH“. Wiederholung: Das ICH ist das Me. Weiter „Das ICH ist gegeben, die Reaktion darauf aber noch nicht gegeben.“ Und Mead, S. 221: „Das „Ich“ ruft das „ICH“ nicht nur hervor, es reagiert auch darauf. Zusammen bilden sie“ Ich und ICH (Me) eine Persönlichkeit, wie sie in der gesellschaftlichen Erfahrung erscheint.“ Es ist dazu der ganze Abschnitt 22 in Meads Buch zu lesen (S: 216 bis S. 221). Dazu auch - sehr  erhellend -: Hösle, Moral und Politik, München, Beck-Verlag 1997, S. 322: „Entscheidend sind unsere deskriptiven und normativen Selbstbildnisse geprägt durch die Bilder, die die anderen von uns haben** - bzw. durch die Annahmen, die wir über die Bilder der anderen von uns hegen. George Mead hat diese Annahmen “Me“ genannt - ein Wort, das im folgenden unübersetzt verwendet wird und das m. E. das dritte Identitätsmoment neben Ich und Selbst bezeichnet“

deskripiv: beschreibend
normativ: wertend
------------------------------Ende der Anm*

Anm.**: Müsste eigentlich heißen: die die anderen von uns zu haben glauben, glauben, haben zu sollen, haben wollen, haben müssen, denn: die anderen wissen n i c h t genau anzugeben, warum sie gerade diese Bilder von uns haben (wissen nicht, dass sie diese, unabhängig von uns, auch als Diener ihres(!) Selbst hervorgebracht haben. 
Ich sage es immer wieder: Man kann - jedenfalls nicht erschöpfend - weder die anderen verstehen/begreifen noch sich selbst, noch in sich selbst, warum man die anderen so und nicht anders versteht/ auffasst/begreift …
------------------------------Ende Anm. **

(8) Also: Gedichte sind Arten und Weisen, sich zugleich 
(*) als Ich (Kreatur/Organismus)
(*) als empirisches Selbst (habituell vollzogene, in Handlungen vollzogene Haltungen zu sich als Organismus): 
Das empirische Selbst (dasjenige, das andere beurteilen und mir zurückmelden als soziales Selbst) meint das alltäglich sich zeigende Eigentliche, das (scheinbar, weil habituell erfahrbare) Wesenhafte, das Grundlegende eines Menschen, meint den (gewöhnlich-alltäglich 
greif-/erfahrbaren) personalen Kern eines Menschen, meint also die Besonderheit und die Unverwechselbarkeit der Persönlichkeit eines Menschen; oder anders gesagt: 
Das empirische Selbst eines Menschen zeigt sich in seinem
(a) gewöhnlichen, sich durchhaltenden Denken
(b) Werten (also etwa seinen moralischen und politischen Einstellungen)
(c) Wollen (nicht freiem Bevorzugen und Ablehnen)
(d) Fühlen
(e) Hoffen
(f) Urteilen (über andere Menschen, sich, die Welt, das Dasein usw. usw.)
Also: In den grundlegenden Komponenten seiner/einer komplexen Persönlichkeit,die sich regelmäßig ausweisen mag z. B. als 
(i) hart, schroff, morose, pessimistisch, zynisch, schwerblütig oder
(ii) gütig, zugänglich, selbstkritisch, ehrlich, bescheiden oder 
(iii) weltgewandt, unternehmenslustig, unbekümmert, wagemutig, draufgängerisch 
(iv) oder vergeistigt, grüblerisch, die scheinbar selbstverständlichsten Dinge in Frage stellend, weltflüchtig, randständig, scharfsichtig, radikal usw.

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(v) oder naiv, lebenslustig, erlebnishungrig, in den Tag hinein lebend, optimistisch usw.
(vi) oder: als eine je besondere Mischung aus (i) bis (v)

(*) als ideales Selbst (was jemand/man gerne wäre; in meinem Fall: das geistige Selbst) und 
(*) als soziales Selbst = das Me; meint Ich-Selbst im Banne der anderen (ausgeliefert den anderen), und dieses Me dann nicht nur möglichst „ungefärbt“, heißt: faktentreu - soweit es möglich ist: ohne Lebenslügen usw. - zu betrachten und zu ertragen, sondern - weiter - als dieses Ensemble von subjektiv erfahrbaren Seinsweisen, Seinstufen und mannigfaltigen Bezügen auch ausdeuten zu können; dabei gleichzeitig versuchend, die historischen, politischen, kulturellen, gesellschaftlich-sozialen und ökonomischen Bedingungen, in die man sich, als diese existenzielle „Vierheit“ von Ich, empirischem Selbst, idealem Selbst und Me „verflochten“ vorfindet, zu erhellen, sie ihrer jeweiligen Formen trügerischen Scheins entkleidend (was nur unzureichend gelingt), um sie so dann ideologisch, ethisch, politisch und kulturell nicht zu verfehlen (glaubend, sie nicht zu verfehlen), sondern sie zu erfassen - auch als einen entlastende Eigenkonstrukte, sich in diese hineinphantasierend, um seine faktisch hochproblematische Existenz sich zu verhehlen, zu „schönen“, umzudeuten, zu verdrängen usw. usw.***

Anm.***: Ich will dazu ein instruktives (aber nicht vollständig ausgeführtes, da ich gewisse Hemmungen habe, das zu tun) Beispiel geben, um das Verständnis des eben Angeführten zu erleichtern und  einen wesentlichen Grundzug meiner Gedichte zu erhellen: ihren allumfassenden, radikalen Nihilismus:
(1) Das Ich (als Kreatur/Organismus), mein Ich: „Frühchen“, blau angelaufen, die Nabelschnur um den Hals geschlungen und „scheintot“ am Anfang(?) des 8. Schwangerschaftsmonat mit 3,5 Pfund Gewicht (1750 Gramm also) auf die Welt gekommen (Heimgeburt) - oder besser: von Frau Dr. R., wie es ihre Aufgabe war, medizinisch in die Welt „gemaßnahmt“ (so der Bericht meiner Mutter, den sie immer als diesen selben mir zuweilen lieferte, ohne dass ich selbstverständlich in der Lage wäre, auch nur annähernd zu beurteilen, was damals, am Anfang, tatsächlich geschah/geschehen war). Mag sein, dass es nicht so schlimm war, wie dieser Bericht es nahelegt (vielleicht die Sache ein wenig dramatisierend, denn: kann man, etwa, mit 1750 Gramm Geburtsgewicht, zumal in einer Zeit - Anfang der 1950er Jahre - ohne hochentwickelte Apparate-Medizin, überhaupt überleben, zumal lediglich durch einen „Klaps“ - der Ärztin: diese habe mir einen Schlag auf den Hintern „versetzt“, auf dass ich befreit werde aus meiner bläulichen Unzulänglichkeit eines zu früh Geborenen - sozusagen „lebenswach“ getätschelt? Das erscheint mir unglaubhaft. Indes sei’s. Fakt ist, es gelang mir scheinbar nicht, unproblematisch, sozusagen „geordnet“, in diese Welt einzugehen.
(2) Fakt ist, dass ich sehr früh (im Alter von ca. 2 Jahren) von einer schweren Adipositas heimgesucht wurde, die auch mit den eben dargelegten Sachverhalten - vielleicht, ich vermute es: d. h. ich spekuliere da - in einem Zusammenhang stehen könnte; und eben diese Adipositas hat das Me für mich zu einer geradezu alltäglich bedrückend heimsuchenden Bedeutungskraft: zum übermächtigen Identitätsmoment werden lassen. Fakt ist, dass sie mich hat
(a) zum Außenseiter werden lassen
(b) zu einem „Virtuosen“ im Umgang mit Einsamkeit; die war (und ist) tatsächlich meine existenzielle Dauerbegleiterin als „ontologische All-Verlassenheit“ (s. Ende (d))
(c) zu einem Menschen, der innerlich immer weiter „verhungerte“, seine seelischen Regungen vergleichgültigen/ unterdrücken musste, auf dass sie ihn nicht heimsuchten mit zunehmend deprimierender und auch gewaltträchtiger „Prägungs-Wucht“
(d) zu Auffassungen, Ansichten, Wertungen, träumerischen „Sonderlingsverhaltungen“ und, ich deutete sie oben bereits an, zu einer regelrechten Innenwelt-Verkümmerung und 

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gleichzeitigen Innenwelt-Verfeinerung, die ich als „hypertrophe (übermäßige, ja: abnorme) Sozialsensibilität“ bezeichnen muss: es ist die sehr belastende Fähigkeit, fremde Innenwelten intuitiv zu erfassen, die, diese Fähigkeit - für mich - in der Regel deprimierend war, weil ich Verachtung, Häme, Niedertracht und die schäbige Lust tief befriedigender Herabminderung meiner Person (auch aufgrund meiner unterschichtlichen Herkunft) mühelos zu erspüren vermochte. Und: Um überhaupt noch menschliche Kontakte pflegen zu können, muss ich sie unterdrücken, zumal das definitive Ergebnis jenes adipös grundgelegten „Existenz-Spießrutenlaufes“ dies ist: Unaufhebbare Fremdheit anderen gegenüber, soll, genauer, heißen: Das Du ist mir fremd geblieben, wovon ich der existenzielle Grund bin: Es erreicht mich nicht, kann das auch nicht, weil ich es als existenzielle Herausforderung an- und aufzunehmen völlig außerstande bin. Daraus folgte (und blieb so)
(e) Mein empirisches Selbst als 
(*) menschlich determinierender Verlassenheitsvollzug 
(*) Herkunftsbewältigung („seelische Verarbeitung“ etwa familiärer Verwerfungen)
(*) sich abfinden mit individuellen Zwängen, Heimsuchungen, mit Verzweiflungsattacken, mit den Grenzen, gesetzt von unterschichtlich geprägter Schicksalshaftigkeit, mit mancherlei leibpsychoethischen Defiziten, Einseitigkeiten usw. usw.
(*) als Subjekt gesellschaftlich-materieller Daseins-Meisterung: Subsistenz-Sicherung, durch eine berufliche Tätigkeit 
(*) Verweigerung jedweder Form geselliger Kontakte: zwanghafte Ablehnung gesellschaftlicher Normalität, wann immer ohne Nachteile für mich möglich
(*) völliges Desinteresse an den gesellschaftlich als normal, gängig und wünschenswert geltenden, in einer Überflussgesellschaft so wichtigen und also auch individuell prägenden,  Freizeitvollzügen - nicht, weil ich sie ablehnte, verachtete usw., nein: weil sie mir gleichgültig sind; ich habe keinerlei inneren Bezug zu ihnen
(f) Mein ideales Selbst: Als Vollzug mich kommandierender geistiger Imperative: 
(i) Gedichte als in jeder Hinsicht selbst- und seinsexplikationsmächtige zu schaffen und
(ii) möglichst umfassende Einsichten zu gewinnen
(iii) in die (rational naturwissenschaftlich gewonnenen) materiellen Grundlagen der menschlichen Existenz, 
(iv) die anthropologisch uns charakterisierenden Zwänge (z. B. technische Überlebensstrategien) und 
(v) in die - auch irrationalen - Kräfte menschlicher Schicksalshaftigkeit: progressive technologisch-kulturell fundierte Selbstentmächtigung bis hin zur möglichen Selbstzerstörung
(vi) um mich vor allem auch möglichst zu bewahren vor den subtilen, marktstrategisch-konsumdiktatorisch den Individuen als ihre eigenen (tatsächlich ihnen – z. B. von der Reklame, quais-kollektiven Zeitgeist-Belämmerungen usw.) in die Seelen „geschwindelnden“) Daseinsvollzugs-Illusionen: Selbstverdinglichungsverzückungen als
Selbstentfesselungs-Orgiastik und Emotions-Sentimentalitäten usw. usw.
-----------------------------Ende der Anm.***

(9) Gedichte sind 
(a) Versuche der (existenziell-gesellschaftlichen) Selbstpositionierung, auch sich selbst gegenüber (auf der Grundlage von (oben Anm.***: (f)/(i) und (ii))
(b) Versuche der Selbststeuerung (in der heutigen Zeit nur noch möglich als - mit Paul J. Tillich zu reden (zitiert in: David Riesman, Die einsame Masse, Hamburg 1958, S. 18 in der Einführung von Helmut Schelsky, S. 7 - 19): partielle Nicht-Partizipation an der heutigen Gesellschaft. In meinem Fall freilich nicht metaphysisch (wie - ich vermute das - bei dem Theologen Tillich); ausgerichtet, sondern lebensgeschichtlich und geistig-ästhetisch fundiert …
(c)  ich kann auch sagen: Gedichte verfassend, was dann meint eine Form der Selbststeuerung

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durch geistiges Schaffen, um sich dem heteronomisierenden (verknechtenden) und verdinglichenden „Zugriff“ der heutigen, unvermeidlich nihilismusträchtigen, gesellschaftlichen Gegebenheiten: existenziellen, sozialen, ethischen, politischen, kulturellen usw. auf diese Weise zu entziehen … hinein zu retten in die Einsamkeit geistigen Schaffens und Ringens um (auch) fundamentale Einsichten, wie gesagt, über sich selbst, die Gesellschaft, in der man lebt, die Welt, der man ausgesetzt ist … bis hinein - heute - in globale Zusammenhänge, weil die für einen persönlich massive Auswirkungen haben oder zumindest haben können. Ich denke dabei an die Tatsache, dass Deutschland sich in den letzten 30 bis 40 Jahre wirtschaftlich von China so sehr abhängig gemacht hat, dass es inzwischen erpressbar ist - in meinen Augen eine Resultat massiven Versagens der deutschen wirtschaftlichen und politischen Funktionseliten, deren an Dummheit grenzendes Versagen in diesem Fall mir völlig unerklärlich ist - und bleiben wird
(d) Die gegenwärtige deutsche Konsumdiktatur ist (flachschichtig-trivial-dekadent) keine Hochkultur, sondern eine Erlebnissammler-, Spaßjäger-, Narzissten- und also auch ein Realitätsverweigerer-(Zerfalls-) Gebilde - auch als Tugend-Republik wirklichkeitsverlustiger intellektueller Ideologen …Ein sich selbst schädigendes, weil unbemerkt selbst sich aufgebendes (herunterbringendes, herunterwirtschaftendes) Laisser-faire-Paradies (faktisch: -Verlies)

(10) Für viele meiner Gedichte gilt: Sie sind nur unter bestimmten Voraussetzungen zugänglich, um sie angemessen verstehen zu können: so muss man über ein gediegenes (primär Erfahrungs- und sekundär Bildungs-) Wissen von der Gesellschaft, in der man lebt, verfügen: Gedichte sind niemals nur subjektive Selbstentäußerungs-Enigmen (Enigma = Rätsel), sondern reichen tief in die Kerne der Zeitumstände und der Gesellschaft hinab, deren kollektives Unbewusstes multiperspektivisch und relativ verzerrt in die Gedichte eingeht (was dem Verfasser der Gedichte nicht unbedingt deutlich sein muss). Gedichte sind ja auch Arten und Weisen der (oft eigensinnigen) Enträtselung gesellschaftlicher Umstände, Probleme, Gefährdungen, Fehlentwicklungen usw. usw. Meine Gedichte z. B. sind sprachliche Objektivationen (hier: Hervorbringungen) komplexer allgemeingesellschaftlicher Verhältnisse (ökonomischer, politischer, moralischer, ideologischer, pathologischer, psychischer usw.), die mir selber wiederum als Spiegel meiner subjektiven Innenweltverfassungen dienen, seien es belastende, seien es zunächst undeutbare, seien es zweideutige, seien es überhaupt ungreifbare usw., deren Ursachen mir zumindest ungefähr bekannt sind, um mich dann auf diesen Grundlagen als Individuum und Gesellschaftswesen sprachlich sozusagen zu rekonstruieren und zuweilen gar - deprimierend scharf - zu erkennen.

(11) Gedichte sind also - weiter -
(a) subjektiv perspektivierte Selbst- und Weltvergewisserungs-Versuche; freilich nicht
(b) vollständig erschließbare Bedeutungsträger; vor allem auch
(c) monomane Versuche, dem letztlich ungreifbaren und zutiefst widersprüchlichen menschlichen Dasein geistig: ordnungs-, entlastungs- und sinnbedürftig, Widerstand zu leisten; und zuletzt

(12) sind Gedichte existenzielle Revolten gegen die
(a) unabänderliche traum- und rauschhafte Verworrenheit
(b) schleichende Hinfälligkeit
(c) lückenlose Ausgeliefertheit (an sich selbst, Du, Wir, Gesellschaft, dann greifbarer, wie sich entziehender Welt)
(d) Vergänglichkeit und objektive (wie letztlich auch: subjektive) Sinnlosigkeit unseres heutigen Daseins …
(e) auch um zu vergessen, was man selbst an und für sich ist: ein hinfälliges Zufalls-

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Gewebe aus baryonischer Materie: Ein letztlich nur hilflos-devot hinzunehmendes Wimpernschlag-Sein allumfassender Bedeutungslosigkeit

(13) Andere Stimmen (ganz kleine Auswahl): 
Gedichte seien
(a) Manifeste/Programme (MAJAKOWSKI, Wladimir Wladimirowitsch, 1893 – 1930, Georgier, ein Anhänger des Kommunismus und des Sowjetsystems, für welche er auch warb mit Agitationsgedichten, Selbstmord 1930, am 14.4.)
(b) Ichbefragungen (BENN, Gottfried, deutscher Dichter der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts; 1886 - 1956)
(c) Epiphanien (= Erscheinungen einer Gottheit), EZRA POUND, 1885-1972, amerikanischer Schriftsteller)
(d) Erleuchtungen des Augenblicks (UNGARETTI, Giuseppe, 1888 – 1970, Italiener)

(14) Hier ein paar Gedichte:

Sonett/Der deutschen Sprache gewidmet (42/2291)*

Der deutschen Sprache Adel? Längst doch schon verloren;
vermag so kaum mehr irgendjemand zu bekunden,
dass anonym ihn steuern Trivialweltwunden,
die lassen sein ihn dann Erlebnisspaß vergoren.

So längst doch seiner selbst benommen und verschworen
Infantilismus, Selbstverlust und Geistesschrunden
im Bann von Schund- und Ich-Konsum-Entlastungs-Stunden:
so marktgewirkten Sinnfiktionen dumpf vergoren.

Ja: Sie ist dürr geworden, wortarm und gemein,
die schöne deutsche Sprache - kurzum primitiv;
kann nicht vermitteln mehr dem Sprecher jenes Sein,

das psychopsychisch trägt: beschwörend daseinstief.
Zumal sie’s deuten müsste als ein Zeitgeist-Nein:
Als Einsamkeits-, als Angst- und Nihilismus-Pein.

Siehe dazu den allerletzten Abschnitt in Golo Mann‘s Werk: Deutsche Gesichte des 19. und 20. Jahrhunderts.
Der lautet:
„Wir hoffen, das, was die Nation von anderen Nationen immer unterschied und unterscheiden wird, auch wenn ephemere Gegensätze verschwunden sind, unsere schöne Sprache, werde nicht dürr und gemein werden, sondern ihren Adel erneuern; und mit ihr alles, was im Wort seinen Ausdruck findet. Geschähe es nicht, was würde alle widergewonnene Großmacht und Scheinmacht uns dann helfen?“

Was ich tue (42/2292)

Schreibe, 
wo ich geh und stehe,
auf, was ist, von Schein befreit …
Sätze, 
niederschmetternd simpel,
Sätze , 
die dies Wirrspiel dunkeln,
das wir alle doch vergotten:
Diese wohlstandsdekadente,
infantile Mammon-Sause …
Sätze,                                                                      Seite 9  
die im Kern sie treffen,
sagen 
ihrer Leeren Macht.

Hilfloses Fragen (42/2293)

Demokratie bewahren?
Aber wie?
Wie könnte überzeugen man
die Scharen,
die sich ergeben haben
Indolenz 
und Wohlstands-Glücksmanie?
Ich weiß es nicht.
Wahrscheinlich wird's
wie immer laufen:
Die Tiefenschicht
wird die Vernunft verkaufen:
Das Es sich 
mit sich selber paaren.

Nur ER (42/2294)
Vergleiche die Variante (26/1544)

Nur ER, der undeutbare Geist,
könnte als dieser uns bewahren:
Uns, der Natur entlaufen, so sich selbst entgleist
zu Ichsuchtknechten, also: Waren.
Wir sind dazu nicht selbst imstande,
weil uns nur Formeln und Fiktionen stützen,
uns wesensfremd sind andre Bande,
uns vor uns selbst zu schützen.
So werden wir wohl untergehen,
am Ende an uns selber scheitern,
verfügt der Hybris von Verstandes-Wehen ...
die zwanghaft technisch wir erweitern.

Eine deutsche Funktions-Elite/Sonett (42/2295)

Es nagt des Menschenwesens Arroganz,
sein intellektuelles Halbvermögen.
Auch als moralischer Gewissens-Tanz
um weltumspannende Erlösungs-Hegen.

Man sieht sich selbst als höchste Relevanz,
wenn man erbetet sich Sozialstaats-Segen,
flicht überhaupt sich jeden Tugend-Kranz,
den man dann trägt auf seinen Tränen-Wegen.

Indes tobt da auch diese Wesens-Tücke
in Extremismus-Doppeldeutigkeiten:
Man mehrt nur noch die eignen Machtsucht-Glücke,
lässt von Charakterlosigkeit sich leiten ...
                                                                            Seite 10
Bis einen Würde dann so tief berücke,
sich gleichsam all-verheiligt zu entgleiten.

Weltoffen (42/2296)/Für Max Scheler

Weltoffen? Bin ich; bin es unbedingt:
Bin's selbstabständig-sachlich-objektiv;
auch wenn es mir nur schwer gelingt:
Bloß was zu fühlen wäre primitiv.

So ist mir das Geschwätz von Vielfalt so zuwider;
und jenes, das von bunten Welten träumt.
Emotional-verlogne Einsichts-Gitter,
ideologisch-pfaffenhaft umschäumt.

Dem Geistigen kann's nur um Fakten gehen -
und eben nicht um Kirchenraum-Moral.
Um sich nicht selbst zu hintergehen,
so zu entlarven als verlogen-schal. 

Gedichte VI (42/2297)

Gedichte, das sind Selbst-Konstrukte:
Abgerungen Muttersprache,
Sinnverlusten, Trauer, Leeren,
Einsichtsqualen, Einsamkeit.

Manchmal voller Hass gedruckte
Seelen-Wunden dieser Brache,
Pseudo-Zwecke uns zu nähren:
Mammon-Allmacht-Kleid.

Gedichte sind Eroberungen,
geistesstill vollzogen.
Dass man selbst sich sei gelungen
und nicht Waren-Drogen.                      Seite 11:

Ist man diesen doch gedungen,
überspült von Ichgier-Wogen
konsumtiv korrupter Zungen,
schäbig allverlogen.

Geistige Ersatzrauschsucht (42/2298)

Man ist sich selber los,
Gesellschaft, Welt:
All diese andern Artgenossen,
die einem fremd sind,
bleiben ewig rätselhaft,
wahrscheinlich haltlos,
wie man selber auch:
als Seelenschmerz-
und Gram-Verwerter,
Verfall verfügt als Exemplar,
als gleicher Trancen-Konsument.

Man ist das alles los,
schreibt man Gedichte,
sich selbst zu fassen,
seine Daseinslasten,
um sich so aufzulösen
in der Worte Fluten,
aus diesen sich zu klauben
einen Schein von Trost …
in ihren Sehnsuchtswirbeln
träumend sich zu greifen 
als Nichtigkeitsgefüge,
nach Ersatz-Rausch süchtig.

Lob der Einsamkeit (42/2299)

Ach du, geliebte Einsamkeit.
Wovor hast du mich nicht doch schon bewahrt!
Vor Langeweile, Du-Getue, Neid …
Was hast du mir nicht alles schon erspart!

So werd ich immer dich vorziehen
der Inszenierungssucht von Artgenossen,
die ihnen Zeitgeisthörigkeit hat leicht verliehen:
vergöttern sie doch deren Gossen.

Tatsächlich will ich nur für mich noch sein.
An stillen Abenden, dem Rausch ergeben.
Ersehnend mir in deren dunklem Hain,
dass ende all dies leere Streben.          Seite 12:

Vergebliche Sehnsucht II/Sonett (42/2300)
Zu vergleichen ist, wäre: 22/1327

Es fehlt die metaphysische Magie:
Das Feingewebe Gottesleidenschaft.
Fort ist das kulturelle Was und Wie,
das aus den Zwängen kalter Einsicht rafft,

dass Sinn und Halt gab’s freilich faktisch nie:
Nur Macht und Habsucht fanden Bodenhaft,
zu zwingen uns in Angst und Perfidie,
Vernichtungslust und Hass-Komplizenschaft.

Vielleicht ja wird’s zu einer Wiederkehr
der tiefsten aller Hirn-Fiktionen kommen:
Dass einst die Menschen, wieder gottesschwer,

von seiner Seelenheilungskraft benommen,
noch mal erahnen seines Geistes Meer …
Von Stoff-Verfallenheit dann nicht beklommen.

*Perfidie: Hinterlist, Falschheit

Ein Gedicht machen/Variante I (42/2301)

Was wäre tiefer denn als ein Gedicht zu machen?
Gewiss nicht übermächtigen durch Inszenieren.
Schon gar nicht dieses marktbefohlene Verflachen
in Zeitgeistgossen, Pseudosinn sich zu verlieren.
Nichts ist beglückender. Was immer es auch sei.      

Denn wer Gedichte macht, formt kalte Seelen-Trümmer
von diesem all-verflochtnem  Zeitgeist-Einerlei,
verfügt etwa durch Kunstrausch: Pop-Musik-Gewimmer
und konsumtive Primitivisierungs -Zwänge.

Es ist der Geist - nur er -, der diese Farce legt bloß,
am Rand hin vegetierend fernab aller Ränge,
befreit von sich verfallenen Verbraucherlos.
So nie devoter Diener dieser Mammon-Schmieren.

(H) Der politische Niedergang der BRD

(1) Max Weber und Max Scheler
Dazu zunächst Max Weber, Politik als Beruf, Gesammelte politische Schriften, Tübingen, 1980, 
S. 545 f: 
„Man kann sagen, dass drei Qualitäten vornehmlich entscheidend sind für den Politiker: Leidenschaft - Verantwortungsgefühl - Augenmaß. Leidenschaft im Sinne von Sachlichkeit: leidenschaftliche Hingabe an eine „Sache“, an den Gott oder Dämon, der ihr Gebieter ist. Nicht im Sinne jenes Gebarens, welcher mein verstorbener Freund GEORG SIMMEL als „sterile Aufgeregtheit“ zu bezeichnen pflegte, wie sie einen Typus vor allem russischer Intellektueller (nicht etwa: allen von ihnen!) eignete, und welches jetzt in diesem Karneval, 

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den man mit dem stolzen Namen einer „Revolution“ schmückt, eine so große Rolle auch bei unseren Intellektuellen spielt: eine ins Leere verlaufende „Romantik des intellektuell Interessanten“ ohne alles sachliche Verantwortungsgefühl. Denn mit der bloßen, als noch so echte empfundenen Leidenschaft ist es freilich nicht getan. Sie macht nicht zum Politiker, wenn sie nicht, als Dienst an einer „Sache“ auch die Verantwortlichkeit gegenüber ebendieser Sache zum entscheidenden Leitstern des Handelns macht. Und dazu bedarf es - und das ist die entscheidende psychologische Qualität des Politikers des Augenmaßes, der Fähigkeit, die Realitäten mit innerer Sammlung und Ruhe auf sich wirken zu lassen, also: der Distanz zu den Dingen und Menschen. „Distanzlosigkeit“, rein als solche, ist eine der Todsünden jedes Politikers und eine jener Qualitäten, deren Züchtung bei dem Nachwuchs unserer Intellektuellen sie zu politischer Unfähigkeit verurteilen wird. Denn das Problem ist eben: wie heiße Leidenschaft und kühles Augenmaß miteinander in derselben Seele zusammenge-zwungen werden können? Politik wird mit dem Kopfe gemacht, nicht mit anderen Teilen des Körpers oder der Seele. Und doch kann die Hingabe an sie, wenn sie nicht ein frivoles intellektuelles Spiel, sondern menschlich echtes Handeln sein soll, nur aus Leidenschaft ge-boren und gespeist werden. Jene starke Bändigung der Seele aber, die den leidenschaftlichen Politiker auszeichnet und ihn von den bloßen „steril aufgeregten“ Dilettanten unterscheidet, ist nur durch die Gewöhnung an Distanz - in jedem Sinne des Wortes - möglich. Die „Stärke einer politischen „Persönlichkeit“ bedeutet in allererster Linie den Besitz dieser Qualitäten.
Einen ganz trivialen, allzu menschlichen Feind hat daher der Politiker täglich und stündlich in sich zu überwinden: die ganz gemeine Eitelkeit, die Todfeindin aller sachlichen Hingabe und aller Distanz, in diesem Fall: der Distanz sich selbst gegenüber.“

(2) Zusammenfassung: Unabdingbare Eigenschaften des Berufspolitikers nach Max Weber:
(a) Leidenschaft für eine Sache 
(b) Verantwortungsgefühl 
(c) Augenmaß 
(d) Distanz zu den Dingen, den Menschen, sich selbst 
(e) Distanzlosigkeit ist eine Todsünde für jeden Politiker 
(f) Das Zusammenzwingen von heißer Leidenschaft für eine Sache mit kühlem Augenmaß 
(g) K e i n e sterile (= geistig unfruchtbar; ertragslos) Aufgeregtheit; das ist Dilettantismus 
(h) Distanz sich selbst gegenüber; also: 
(i) Bekämpfung der eigenen Eitelkeit* als der Todfeindin aller sachlichen Hingabe und aller Distanz (hier: sich selbst gegenüber)

Anm.* Eitelkeit versus Narzissmus. Der Narzissmus ist das entscheidende, auch, u. v. a., politische Problem heute, ist weit folgenreicher als die ganz normale menschliche Eitelkeit, denn: Narzissmus - im Gegensatz zur Eitelkeit - geht in der Regel einher mit
(a) massiven Wirklichkeitsverlusten
(b) maßloser Selbstüberschätzung
(c) machtstrategischer Seelenkälte
(d) ideologischer Gewissenlosigkeit 
(e) Staats- und Tugend-Schauspielerei
(f) Messen mit mehrerlei Maß
(g) geistiger Korruption (Selbstglorifizierung, Arroganz, Unfehlbarkeit, ideologische Nutzung drängender Probleme: n i c h t um sie exakt zu benennen, nicht um sie zu lösen, sondern um sie p o l i t t a k t i s c h für die eigenen Machtinteressen auszubeuten, joviale Anbiederung, diffuse Phraseologie, Standpunktunklarheit, offenkundige Charakterlosigkeiten, die oftmals 

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folgenlos bleiben usw. usw.)
(h) Für den Narziss ist Machterwerb eine Bestätigung seiner Grandiosität (nach der eine typische Gier besteht bei allen Narzissten, die es nämlich nötig haben, sich selbst als Ideal nötig zu haben, d. i. all die Eigenschafte
n i c h t aufweisen, die Max Weber oben als unabdingbare Eigenschaften des exzellenten  Politikers aufzählte): Der Narzissmus ist heute d e r Prüfstein für politische Kompetenz; soll heißen: der Narziss ist, weil völlig geistlos und die Marionette seiner selbst qua ichknechtischer, realitätsblinder,  intellektschlichter, verantwortungsunfähiger und orientierungsloser Pseudo-Person).
--------------------------------Ende der Anm*

(3) Und nun Max Scheler, Philosoph, 1874 - 1928, der die entscheidenden Kategorien nennt, die mit dem das Phänomen Geist unmittelbar notwendig verbunden sind: (Die Stellung des Menschen im Kosmos, 2010, S. 27 ff; insbesondere S. 40): 
„Der Mensch ist das Lebewesen, das kraft seines Geistes sich zu seinem Leben, das heftig es durchschauert, prinzipiell asketisch … verhalten kann. Mit dem Tiere verglichen … ist der Mensch der „Neinsagenkönner“, der „Asket des Lebens“, der ewige Protestant gegen alle bloße Wirklichkeit.“
Und Scheler weiter:
S. 28: „ … dann ist die Grundbestimmung eines geistigen Wesens seine existenzielle Entbundenheit vom Organischen, vom „Leben“ und allem, was zum Leben gehört - also auch seiner eigenen triebhaften „Intelligenz“.
Ein „geistiges“ Wesen ist also nicht mehr trieb- und umweltgebunden, sondern „umweltfrei“ und, wie wir es nennen wollen, „weltoffen“: Ein solches Wesen hat „Welt“. Ein solches Wesen vermag ferner die auch ihm ursprünglich gegebenen „Widerstands- und Reaktionszentren seiner Umwelt, die das Tier allein und in die es ekstatisch aufgeht, zu „Gegenständen“ zu erheben und das Sosein dieser Gegenstände prinzipiell selbst zu erfassen, ohne die Beschränkung, die diese Gegenstandswelt oder ihre Gegebenheit durch das vitale Triebsystem und die ihm vorgelagerten Sinnesfunktionen und Sinnesorgane erfährt. 
Geist ist daher Sachlichkeit, Bestimmbarkeit durch das Sosein von Sachen selbst. Geist „hat“ ein zu vollendeter Sachlichkeit fähiges Lebewesen. Schärfer gesagt: Nur eine solches Wesen ist „Träger“ des Geistes, dessen prinzipieller Verkehr mit der Wirklichkeit außerhalb seiner wie mit sich selber sich im Verhältnis zum Tier mit Einschluss seiner Intelligenz dynamisch geradezu umgekehrt hat.
S. 29: „Weltoffenheit“ meint „die prinzipielle Abschüttelung des Umweltbannes … „Der Mensch ist das X, das sich in unbegrenztem Maße „weltoffen“ verhalten kann. Menschwerdung ist Erhebung zur Weltoffenheit kraft des Geistes.“

(4) Nähere Ausführungen: Der Begriff der Sachlichkeit bei Max Scheler und bei Max Weber
(a) Scheler (s. o. (G), (19)) Geist ist daher Sachlichkeit, Bestimmbarkeit durch das Sosein von Sachen selbst. Geist „hat“ ein zu vollendeter Sachlichkeit fähiges Lebewesen. Schärfer gesagt: Nur eine solches Wesen ist „Träger“ des Geistes, dessen prinzipieller Verkehr mit der Wirklichkeit außerhalb seiner wie mit sich selber sich im Verhältnis zum Tier mit Einschluss seiner Intelligenz dynamisch geradezu umgekehrt hat.“
(b) Weber: „Man kann sagen, dass drei Qualitäten vornehmlich entscheidend sind für den Politiker: Leidenschaft - Verantwortungsgefühl - Augenmaß. Leidenschaft im Sinne von Sachlichkeit: leidenschaftliche Hingabe an eine „Sache“, an den Gott oder Dämon, der ihr Gebieter ist … Denn mit der bloßen, als noch so echte empfundenen Leidenschaft ist es freilich nicht getan. Sie macht nicht zum Politiker, wenn sie nicht, als Dienst an einer „Sache“ auch die Verantwortlichkeit gegenüber eben dieser Sache zum entscheidenden Leitstern des 
 
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Handelns macht … Politik wird mit dem Kopfe gemacht, nicht mit anderen Teilen des Körpers oder der Seele … Einen ganz trivialen, allzu menschlichen Feind hat daher der Politiker täglich und stündlich in sich zu überwinden: die ganz gemeine Eitelkeit, die Todfeindin aller sachlichen Hingabe und aller Distanz, in diesem Fall: der Distanz sich selbst gegenüber.“

Zu (c) Scheler:
Sachlichkeit scheint bei Scheler zu bedeuten: Die Freiheit von/den inneren Abstand zu 
(i) Kreatürlichkeit (Pleonexie: Ich-, Hab-, Macht- und Genuss-Sucht, also: Gefangenschaft in Leidenschaften wie etwa selbstwertrelevant-wertperspektivischen, ökonomischen, kratischen, erotischen oder pathologisch-narzisstischen Verstrickungen)
(ii) Emotionaler Gefangenschaft durch - selbstredend: irrational fundierte - belastende (Minderwertigkeitsgefühle) oder angenehm-emotionale Anwandlungen (Hoffnung, Zuversicht) oder (auch) berauschende Gefühle („Liebe“ - falls diese ein Gefühl ist; ich will es hier mal so stehen lassen; Hoffnung, Zuversicht), Stimmungen (= emotional-diffuse  Anwandlungen, die nicht , Affekte (Neid, Angst, Hass, Wut, Trauer, Rachsucht),, 
(iii) Kurzum: von der psychoethische Gefangenschaft/von der Verstrickung in empirische Interessen, in einen steuernde Wertperspektiven und in bedürfnis- und/oder trieb-verankerte Daseinszwänge
(iv) Aber auch von rationalem Erkenntnisinteresse: analytisch-experimenteller und (den Menschen besonders auszeichnender, wiewohl auch Tiere Werkzeuge herstellen und benutzen) technischer Intelligenz (vgl. o. (G), (8)), die beide letztlich im Dienst menschlicher Kreatürlichkeit stehen (intellektuelle, natürliche Lebensbedingungen umschaffende Maßnahmen der Existenz-Erleichterung, -Verbesserung, -Entlastung und -Steigerung im Sinne der Schaffung (heute ausnahmslos) von Wohlstand sind)
M. a. W.: Für Scheler meint Geist als Sachlichkeit, Verantwortungsgefühl, 
(א) eine völlige Distanz zu sich selbst als Unabhängigkeit von sich als „Tier“ = von evolutionsbiologisch determinierter, kreatürlicher All-Verstrickung, Determiniertheit und  
imperativer Steuerung zwecks Lebenserhalt und Lebensmeisterung
(ב) eine völlige Distanz (nicht: Unabhängigkeit; diese ist unmöglich) zu gesellschaftlich-sozialen Umständen und Prozessen, wie etwa der alltäglich-existenziellen Abhängigkeit von Artgenossen, die das eigene Dasein förmlich zu hemmen, zu lenken und zu überwältigen geeignet sind; vgl. oben ((B), Anm.*)die kurzen Ausführungen zum Me (ICH)
(ג) eine völlige Distanz zum eigenen „In-der-Welt-Sein“, sodass dieses sachlich-objektiv (ungetrübt von Ich- und Selbst- und Me-Befangenheit durch dasselbe) in seinem Sosein an sich ohne Wertungen und „Nutzungs-Interessen“ an ihm erfasst werden kann: eben geistig-sachlich unmittelbar: „seinsnackt“: ich/selbst-, gesellschaftlich-sozial und welthaft "ungetrübt“

zu (d) Weber: Sachlichkeit als Grundeigenschaft des Politikers: Leidenschaft im Sinne von Sachlichkeit: leidenschaftliche Hingabe an eine Sache
(i) Gemeint ist die Art und Weise machtstrategischen Vorgehens, um ein politisches Ziel zu erreichen. Macht beinhaltet - als notwendig auf ein Ziel gerichtet, und sei dieses auch sie selbst: es gibt keine Macht ohne Zweck-Bezug: Macht ist ein evolutionsbiologisches Axiom menschlicher Existenz: Der Mensch kann nicht nicht Macht wollen: Er i s t sie -, weil als Kreatur i m m e r zweck- und ziel-gerichtete Leidenschaft: „determinierte Zweck-Besessenheit“ 
(ii) Bei der Sachlichkeit des Politikers geht es also um eine möglichst optimal erfolgsorientierte Macht-S t r a t e g i e, darum wie und mit welchen Mitteln sich das 

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leidenschaftlich verfolgte und begehrte Macht-Ziel am besten erreichen ließe
(iii) Und das bedeutet: „Kopfarbeit“, die kühl kalkulierende Fähigkeit (und: Einsicht in die Notwendigkeit der Anwendung dieser kalkulierenden Fähigkeit, ist sie doch, kühl betrachtet, die beste Voraussetzung dafür, den leidenschaftlich verfolgten Macht-Zweck auch zu erreichen), d i e Kopfarbeit, die allein am besten garantieren kann, dass es einem gelingt - trotz Leidenschaft: diese, als irrationales Phänomen, primär zum Tragen kommend, würde, vielleicht zu Strategiefehlern fortreißend, die Erlangung des Machtzwecks gefährden -, die eigene Leidenschaft kanalisierend, den eigenen Machtwillen bändigend, sich selbst als „machtsüchtige Kreatürlichkeit“ zurücknehmend: Augenmaß walten lassend, das Machtziel zu erreichen.
(iii) Auch für Weber gilt (vgl. oben Scheler (ii)): Kreatürliche Pleonexie, emotionale Gefangenschaft und psychoethische Verstrickung in empirische Interessen würden die die Sach- und Zweck-Rationalität des Politikers - und also die Umsetzung/Erlangung seiner Macht-Ziele m i n d e r n
(iv) M. a. W.: Der Politiker bedarf des G e i s t e s (im Sinne Schelers, vgl. oben (א), (ב) und (ג)), also geistiger Mittel und Komponenten - „strategisch-sittlich-verantwortlich ausgerichteter Kopfarbeitsanstrengungen“ - als optimaler Voraussetzungen für die erfolgreiche Verwirklichung/Realisierung seiner - durchaus von ihm leidenschaftlich verfolgten - Macht-Zwecke/-Ziele, nämlich: Selbstdistanz, Augenmaß und Distanz zu sich selbst (zu seiner Eitelkeit, heute: zu seinem Narzissmus)

(5) Folgerungen aus (c)  und (d)
(a) Erfolgreiches, berechenbares, nachvollziehbares, Vertrauen schaffendes usw. politisches Handeln muss primär (bloße, zumal auch diktatorische, Machtpolitik, bloße Leidenschaft mit der Folge sachlicher Irrationalität, also auch Verantwortungslosigkeit, ideologische Verblendung, Wirklichkeitsverluste, Tugend-Hypertrophie, idealistischer Utopismus, Reflexionsarmut usw. sind in ihrer Konsequenz auf Dauer notwendig zum Scheitern verurteilt, asozial, inhuman und zuletzt selbstzerstörerisch) g e i s t f u n d i e r t sein: Resultat „all-distanzfähiger Kopfarbeit“ (als bloßes politisches Abenteurertum, zumal als diktatorische, Machtpolitik, als „heiße“ Leidenschaft mit der Folge sachfremder Irrationalität, also auch als Verantwortungslosigkeit, als ideologische Verblendung, als verdrängter Wirklichkeitsverlust, als Tugend-Hypertrophie, als idealistischer Utopismus, als Reflexionsarmut usw. ist Politik notwendig zum Scheitern verurteilt, ist letztlich asozial, barbarisch, inhuman und zuletzt selbstzerstörerisch)

(b) Die Politik der westlichen Demokratien (Überflussgesellschaften) indes kann n i c h t auch 
g e i s t f u n d i e r t sein (selbst wenn sie das zu sein begehrte), weil sie 
(i) antiasketische - atheistisch, materialistisch, utilitaristisch, eudämonistisch-hedonistisch, infantil und nihilistisch ausgerichtete und geprägte - Gesellschaften als Steigbügelhalterin ökonomischer Interessen mit gestalten und hinnehmen m u s s; heißt:
(ii) Der heutige Politiker ist dazu verurteilt, die Zeitgeisthörigkeit von immer mehr Menschen zu bedienen (ehrlicherweise: er m u s s es), oder, das ist oft der Fall, ist von dieser s e l b s t sozusagen vereinnahmt/infiziert - von Menschen (zumal auch mehr und mehr einem digitalen Analphabetismus sich aus ausliefernd, d. h. lenkbaren Menschen) gefordert, die in einer
(iii) emotional-eskapistisch-ekstatischen Fun-Knechtschaft befangen sind, die es der Politik – 
(iv) häufig selbst unzureichend kompetent, korruptionsanfällig, viel zu oft intellektuell überfordert, existenziell unorientiert, halbgebildet, tendenziell verantwortungsarm, vor allem auch narzisstisch gefährdet (d. h. auch: gewissenlos seiend) ungemein schwer macht, überhaupt noch rationale (vertretbare, gesellschaftlich zuträgliche usw.) Entscheidungen 

Seite 17:
zu treffen … und - da öffentlich/medial dauerexponiert - geradezu auch daran gehindert, solche zu treffen, allerdings auch, weil sprachlich-rhetorisch in der Regel überfordert, solche Entscheidungen rhetorisch überzeugend zu verteidigen: Die Politik tut sich immer schwerer, sich gegen die trivialkulturellen Auswüchse einer Gesellschaft im Niedergang zu wappnen; zumal sie selbst oft genug Motor dieses Niedergangs ist*

Anm.*: Und all das, was hier aufgezählt wurde, veranlasst mich in der Tat, die Demokratie als - zumindest auf Dauer - gefährdete Staatsform zu betrachten. Sollte sie fallen, dann wäre das nicht nur eine politische, sondern eine rechtliche, gesellschaftliche, und überhaupt existenzielle Katastrophe, verbunden wahrscheinlich auch mit Gewalt oder gar Kriegen. Jedenfalls erscheint es mir sinnlos, in einer nichtdemokratischen Gesellschaft von Menschen zu leben, die, z. B., auf das Niveau von KI-gesteuerten Konsumschafen herabgedrückt werden/wurden. 
Demokratie, Rechtsstaat, Parrhesie (griech.: Redefreiheit, Freimütigkeit; ich füge hinzu: Redlichkeit) und die unantastbare Erlaubnis zu einem geistkulturell geprägten Daseinsvollzug müssen (jedenfalls für mich) gegeben sein, um ein ungestörtes Leben führen zu können. Vgl. dazu ((C), (ix), (ד))
---------------------------Ende der Anm.*

(5) Feststellung
Zu bemerken wäre, dass keine einzige der von Weber aufgezählten Eigenschaften, die ein Politiker nach Weber haben sollte (oben (1) bis (9)), bei den Individuen, die heute die politische Funktions-Elite ausmachen/stellen auch nur ansatzweise zu finden ist.

Und warum nicht?
(a) Webers Kategorien werden in einer ziemlich geistlosen: dekadenten, auf bloßen Wohlstandsgenuss abzielenden hedonistischen Überflussgesellschaft (vgl. oben (C): Der Begriff „Überflussgesellschaft“) nicht mehr verstanden: Großteile der Bevölkerung, einseitig erlebniskonsumtiv ausgerichtet, erachten es als selbstverständlich, dass sie ein unantastbares Recht (zumal auch selbstverständlich die moralische Erlaubnis) auf ein materiell „gutes Leben“ haben, weshalb sie Großteile ihrer Freizeit gemäß diesem Ziel ausnutzen und keinen Gedanken verschwenden an so etwas wie Selbstansprüche, die jenem Ziel nicht dienten: etwa dem, sich eine bessere Bildung zu verschaffen oder dem, sich die in die Lage zu versetzen, gesellschaftliche Prozesse und politisches Handeln besser beurteilen zu können. M. a. W.: Für die meisten heutigen Menschen ist Wohllebensgenuss der einzige, der höchste und der ihrem Leben allein einen Sinn verleihende Daseinsvollzug*; und so s o l l e n sie ja auch denken, fühlen und wollen - aus Gründen des Systemerhalts (dieser wäre sofort gefährdet, wenn sich viele Menschen auf einen asketischen Lebensvollzug als Lebensziel einließen: Das BSP sänke beängstigend).

Anm.*: Ich sage es noch einmal: 
(1) Ich will das kapitalistische System nicht ändern (schon aus wohlverstandenem Selbstinteresse nicht: Um mir mein nichtkonsumtiv, sondern geistig ausgerichtetes Leben überhaupt ungestört leisten zu können, benötige ich stabile demokratisch-rechtsstaatlich durchgesetzte politische Verhältnisse und ein für möglichst viele erreichbares hohes Wohlstandsniveau, damit nicht politische Kräfte hochkommen, die mich ins Visier nähmen, weil ihnen etwa meine Parrhesie-Willigkeit missfiele …
(2) Ich will niemandem vorschreiben, wie er zu leben habe
(3) Ich verstehe, dass man ein auf materiellen Wohlstand abgestelltes zufriedenstellendes, gar glückliches oder auch rauschhaftes Leben führen möchte
Parrhesie: griech. = Freimütigkeit im Reden

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Indes glaube ich, die Feststellung ((2) (a)) präzisieren zu sollen dahingehend, dass ich hinzufüge:

(b) Eine Überflussgesellschaft wie sie die deutsche ist, vereinnahmt die Menschen sehr subtil:
(i) sie richtet sie förmlich ununterbrochen psychoethisch ab, sich ihr alternativlos an den „Hals zu werfen“ (auf alle Arten Weisen ihnen permanent eine Art Zeitgeistkonformismus - im Berufs- wie im Privat-Leben - anerziehend; dann:
(ii) sein Leben genießen zu wollen - auch dies in allen erdenklichen Hinsichten - ist menschlich; und als solches an sich kein moralisches Versagen, sondern eine evolutionsbiologisch fundierte Drangsal, zumal eine solche um ihre Endlichkeit wissender Wesen 
(iii) Außerdem müssen sich die Menschen einer Gesellschaft mit deren sie fundamental ausmachenen Wesensbestimmungen abfinden - im Falle einer Überflussgesellschaft: Materialismus (Mammonismus/ Konsumismus), Utilitarismus (Nutzen-Fetischismus), Eudämonismus/ Hedonismus, Infantilismus (Emotionalismus, Egoismus, Eskapismus), Narzissmus (dem die ihr ausgelieferten Individuen schon deshalb nicht entkommen können, weil ihre Gesellschaft ein allgemeines Existenzschauspielertum im Sinne der Inszenierung einer marktuntertänigen Sekundär-Persönlichkeit, die faktisch, psychoethisch trivialkulturell aufgesogen, keine ist; und auch keine sein kann, sondern eben eine Marktmarionette ist) fördern und privilegieren 
m u s s, um sie wenigstens als ichschwach in sich selbst verlaufen habenden Daseins-Gaukler eines illusorischen Sekundär-Subjektivismus halbwegs im Lot zu halten)  und: Nihilismus (in einer Überflussgesellschaft gibt es weder metaphysische noch kulturelle noch ethische Selbstverständlichkeiten, die absolut und unhintergehbar gälten; in einer solchen Gesellschaft wird vielmehr alles hinterfragt (außer das ununterbrochene Hinterfragen selbst), d. h. es gilt ideologisch-zeitgeisttypisch alles und also nichts: das ist ein typischer Leichtlauf-Nihilismus, der die Individuen jener Gesellschaft zugleich zu sich selbst als Spaß-Monaden befreit und sie dadurch zugleich psychoethisch ruiniert -, um sich nicht zu isolieren; mithin als Mitglieder einer hochkomplex-dekadenten Überflussgesellschaft. M. a. W.: Die nihilistische Selbstentmächtigung wird quasi zur Notwendigkeit, weil gerade sie die Individuen davor bewahrt, sich als das erfahren/erkennen/entlarven zu müssen, was man tatsächlich ist: eine zwangsgetriebener, vom System perfekt abgerichteter Selbstaufgabevirtuose, um sich dieses einen „verspielballende“ System als „Erlösungs-Verlies“ und um sich selbst vor sich selbst als „einsichts(fakten)flüchtige“ Umsatzeinheit zu verbergen. Und das ist ein notwendiger Prozess, der den getriebenen Individuen nicht als moralische Schuld angerechnet werden kann (sie sind außerstande, sich dagegen zu wehren); ich jedenfalls tue es nicht, denn es gilt heutzutage: 
(α) Ohne Selbstinszenierung kein träumerisch-rauschafter Selbstwertgewinn: leerformelgespickt und kundenträumerisch
(β) Entlastungs-Fiktionen - oder: Die Unerträglichkeit des Daseins als dauerpräsente 
(γ) Eine subjektive Existenzmeisterung gelingt nur noch mittels zeitgeistvermittelter Lebenslügen 
(δ) Kann man nicht auf die imperative Sehnsucht verzichten, sich selbst in jeder Hinsicht zu bewahren, ist man unweigerlich Verlassenheit verfügt
(ε) Sich selbst, die Gesellschaft und ihre Überbau-Systeme sich auch nur ungefähr offen legen zu wollen, lasse man; es sei denn, man ist psychisch in der Lage, jede Art von Nihilismus ohne massive innere (geistige, seelische, kulturelle und affektive)  Verkümmerungen zu ertragen
(ζ) Ohne die wunderbar-magischen, märchenhaft rätselträchtigen und vielleicht auch metaphysisch sehnsuchtserfüllten Tage einer naturnahen (stadtfern-künstlich, nicht von Lärm, Seelenkälte und Hässlichkeit geplagten) Kindheit, wird man mit hoher Wahrscheinlichkeit 

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zum Seelen-Krüppel. Indes: Die Kindheit ist längst verschwunden; woran man oft nicht denkt, wenn man nach den Gründen fragt, warum der durchschnittliche Verbraucher heutzutage so unzufrieden,  ja: unglücklich, immer häufiger aggressiv, feindselig in sich selbst versunken, ohne jedwede Heiterkeit, stumpfsinnaffin, neiderfüllt, protzig, inszenierungssüchtig und maßlos: affektdrastisch emotional ist – zumal doch schon Kunde, bevor er laufen kann.

(c) Allerdings glaube ich bei einer Mehrheit der Deutschen - trotz ihrer signifikanten mammonknechschaftlichen Dauervereinnahmung - vgl. (b)/(i) bis (iii) und  (α) bis (ζ) - einen, was politische Verwerfungen anbelangt, ungebrochenen Realitätssinn diagnostizieren zu dürfen.
Fakt ist
(i) dass das Vertrauen der deutschen Bevölkerung, insbesondere in die politische Funktionselite, weitgehend verloren gegangen ist; und Fakt ist auch, 
(ii) dass radikale Parteien aufgrund des realitätsblinden Dilettantismus der demokratischen politischen Parteien immer mehr Zustimmung gewinnen; und Fakt ist auch,
(iii) dass man nicht übertreibt, wenn man eine inzwischen signifikante Entfremdung zwischen der politischen Funktionselite und der Wählerschaft feststellt; Fakt ist weiter,
(iv) dass die Demokratie - unterschwellig-anonym und nur schleichend - an Zustimmung verliert; zumal der Staat „sich nicht mehr durchsetzen will“ (Jens Gnisa, vgl. oben) und
(v) zumal der deutsche Rechtsstaat „in Teilen nicht mehr funktionsfähig ist“ (Ralph Knispel, vgl. oben).

(d) Indes wäre es unangebracht und auch irgendwie kleinkariert-charakterlos, würde ich im Folgenden selbstzufrieden-boshaft besserwisserisch auf den demokratischen Parteien „herumhacken“, um meine Wut auf sie zu befriedigen; das aber kommt nicht in Frage. Dass es mir freilich in der Tat schwerfällt, sine ira et studio (ohne  Hass und Vorliebe, also: sachlich) über sie zu urteilen, will ich gerne  eingestehen, tun sie doch zwar nicht alles, aber doch sehr viel, direkt oder indirekt ihre Position zu schwächen, müssten das auch begriffen und schon längst versucht haben, einen Teil des bei der Bevölkerung verspielten Vertrauens zurückzugewinnen … Indes offenbar genau das Gegenteil geschieht: Sie kündigen an, ohne zu vollziehen; sie versprechen, können aber nicht viel - oder gar nichts - halten, sie wiederholen gebetsmühlenhaft w und x, um dann y und z zu tun oder zu unterlassen. Kann es sein, dass die politischen Parteien nicht mehr aus ihren massiven Wirklichkeitsverlusten herausfinden, viele Gegebenheiten auch zu komplex sind, als dass man sie zeitnah lösen könnte, manche Probleme wiederum viel zu groß sind, als dass das zur Verfügung stehende Geld auch nur annähernd ausreichen würde, sie anzupacken? Oder gibt es andere Gründe für das allzu häufige Versagen der demokratischen Parteien? Etwa die allfällige Mittelmäßigkeit derer, die in ihnen das Sagen haben? Oder auch die Tatsache, dass heutzutage viele dem effektgierigen Zeitgeist verfallene Halbgebildete, Korruptionsanfällige, Schaumschläger, Kreisklassen-Narzissten, von sich selbst phrasensiech umstellte Emanzipations-Theologinnen, schauspielerisch ein wenig, aber politisch überhaupt nicht begabte Selbstbestandslose sich in ihnen tummeln? Oder vielleicht auch den Grund, dass man permanent den Fehler macht, irgendeine Große Tugend über das an gegebenen Fakten orientierte politische Denken, Wollen und Handeln zu stellen, sodass dieses verhindert wird und jene, die Große Tugend, wieder einmal, nur ihre kratische Untauglichkeit und machtstrategische Impotenz beweisen muss? Oder liegt es am allzu häufigen Phrasenpingpong der sich gegenseitig im Hohen Haus der Unfähigkeit zeihenden Partei-Schwergewichte, die sich dadurch freilich zu allem Möglichen qualifizieren, nur nicht zu dem, was sie sein sollten?

 

 

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