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Diese Seite enthält 60 Gedichte (53 Prosa-, Reim-Gedichte und 7 Sonette)

Noch einmal: Für den Wind (2110)1

Was hab ich doch den Wind geliebt!
Sein Toben, Heulen, Brausen.
Durch Gassen, Straßen, weite Felder;
und ganz besonders 
durch die schwarze Nacht.

Um mich dann geistberauscht
nur ihm zu stellen:
Zu hören, 
was mir seine Mitte sage.
Ihr ab dann lauschend diese Stille …

Des Urgeflüsters tiefstes Sein.
Das einer Sehnsucht ist 
Vollendungsrauschen.
Von Stoff leer, Zufall, 
Zeit und Drang:
Des absoluten Gottes
Hyle-Dionysie.

Unserer psychischen Öden Quell (2111)2

Von innrer Kraft ist da die Rede,
von Chancen,
die grad Krisen böten,
zu meiden 
unsres Daseins Öden:
Sie seien faktische,
sie seien Trancen.

Ich selber will die angehn eher,
mich nicht gefühlig
zu belämmern
mit Mythen 
zeitgeistfader Seher …
Die haben einfach 
nichts zu bieten.

Denn was uns heimsucht,
ist nicht individuell:
Es flutet uns 
da etwas andres:
Uns flutet substanziell:
Des Ratio-Nihilismus 
Diesseits-Quell.

factum brutum (2112)3

Wenn die Erfahrung von Gewalt, 
von Häme und Erniedrigungen
schon frühste Jahre prägte: manchmal stundenweise …
Dann weiß man bald, 
wie’s um den Menschen steht:
Dass er ein Ichsucht-Büttel sei, 
oft ohne Halt, ein bloßes Vieh, 
zuweilen gar auch Barbarei gedungen …
Kurzum: Ist Niedertracht und ohne Würde-Gleise,
dem Freiheit, Güte und Vernunft abgeht.
Dann wird man nicht ans Gute glauben,
an Liebe, Ehre, Mitleid und
an Ideale, Seelengröße … Friedenstauben …
Vielmehr an Hinterlist und Psychenschwund.
Dann wird man schlicht sich daran halten,
dass Dasein Lüge heißt, Betrug und Kälte,
muss Menschlichkeit und alle Treue spalten,
auf dass des Dauer-Grams Vollendung gelte.

Sichtweise auf das heutige Dasein (2113)4

Ich hab’s nun einmal so gesehen;
genauer: sehen müssen:
Als ein narkotisches Geschehen:
Phantasmen, Selbstverlust und Reiz beflissen.

Um es zu meistern - irgendwie;
zur Not denn auch mit Lebenslügen,
Verdrängen oder der Manie,
Gesellschaft sich und Zeitgeist zu verbiegen.

Zumal in einer Mammon-Diktatur
auch gar nichts andres übrig bleibt,
als sich zu beugen Ramschzufuhr,
die einen, ichsuchtlüstern, als Person aufreibt.
            *
Stumpfsinnträchtig, hohl und flach,
werthysterisch tugendprimitiv:
politmachtklerikales Weh und Ach,
charakterlos verfallsmassiv.

Das ist doch so kein Leben mehr,
das man noch ertrüge:
Metaphysisch ist es leer,
faktisch nichts als Spaß-Gefüge.

Nichtrs also als Groß-Betrug
für  Erlebnissammler*innen:
Drangsal Zug um Zug,
ohne Sinn sich haltlos zu zerrinnen.

Die Tyrannei der Zeitgeistmythen* (2114)5

An was denn könnte man naiv noch glauben?
Auch, um sich vor sich selber zu bewahren,
nicht ganz sich seines Selbstwerts zu berauben,
indem man aufgeht Nu, Erlebnissog und Waren?

An Ideale, Gott, Vernunft, das Gute?
Das hieße doch sich selber zu betrügen,
sich beugend unter leerer Worte Knute,
nichts weiter doch als Hauch von Lebenslügen.
Ist man doch Spielball rationaler Pleiten,
die einen traumsanft von sich selbst abtrennen,
indem sie lenken hin auf Zeitgeistmythen,
um einen als Person zu überrennen.

*Zeitgeistmythen? Nun: Etwa Würde, Freiheit, Vernunft, Selbstbestimmung, Gleichheit, Toleranz, Gerechtigkeit, Ehre, Sinn usw. usw.

Selbstverachtung und Selbstaufgabebegehren/Sonett (2115)6

Mir kam mein Land abhanden. Es versank
in wertbannhypertrophen Emotionen,
in Wirklichkeits- und Reflexions-Abwehren,
Erlebnisdekadenz und Spracharmut.

Und weil gewissenstot und hybriskrank,
muss es moralmessianisch sich betonen
und linkisch unbeholfen sich entehren
im Sog erlösungswirrer Wohlstandsglut.

Ich will’s nur klaglos diagnostizieren.
Verweisen doch solch Niedergangs-Gebete
auf eine kulturelle Selbstaufgabe:

Sich tugendmasochistisch zu verlieren,
verfallen infantiler Geistesspäte,
die Volksherrschaft und Recht trägt blind zu Grabe.

Meine Krittelsucht (2116)7

Ich weiß, ich weiß,
ich klage dauernd:
Ich klage an, verdamme,
ich entlarve …

Nun ja, ich bin 
doch schon ein Greis,
auf solch Gelegenheiten 
lauernd, 
weil ohne Werte, 
ohne Amme,
die dieses Dasein 
schön mir harfe.

Man krittelt eben,
alt, gebrechlich,
nie schmerzfrei 
und den Tod vor Augen.

Man hat nichts mehr
von diesem Leben,
geht ein tatsächlich
jenes Einerlei:
Was könnte da
noch etwas taugen?

Kritik meiner Krittelsucht (2117)8

Tatsächlich schulde ich euch was,
weil ich das Leben euch vergälle,
verderbe Lust und Spiel und Spaß,
die ihr im abraubt auf die Schnelle.

Dann macht es doch! Doch nicht nur halb!
Als imitiertes Marktgetue.
Nein; betet an das Goldne Kalb
und gönnt euch keine Ruhe.

Nehmt alles, was ihr kriegen könnt!
Verschlingt es, völlig rücksichtlos.
Nehmt alles an, was euch der Zufall gönnt!
Der Augenblick allein ist groß.

Und sollte es euch ruinieren,
nehmt’s hin und haltet tapfer aus.
Habt ihr’s genossen doch, zu gieren.
euch auszuleben Saus und Braus.

Und diesmal lass ich das so stehen.
Verschweige euch, was Sache ist.
Versucht euch leiblich zu begehen!
Noch während kleinster Frist.

                     *

Ich wende an da eine Strategie,
wie Macht sie permanent einsetzt:
Ich preise A, weil preisen I
die Menschen - ichschwach - tief verletzt.

Und die, die wollte ich verschonen
von Fakten über unsre Lebenslagen.
Die sich nicht selten gar nicht lohnen,
weil sie doch Scheitern in sich tragen.

Indes ich habe doch versprochen
von meiner Krittelsucht zu lassen.
Denn die, die hätte - scharf, gestochen -
behauptet,  Dasein sei sich selbst verpassen,

sei ohne Selbsttrug doch nicht zu leisten,
sei undeutbar und nur zu träumen;
sei oft Entlastungslüge für die meisten,
was meine: Zwang, sich zu versäumen.

Selbstwertkomödianten, Traumrausch-Fixer, 
Spätlinge (2118)9

Wir sind doch letztlich 
Selbstwertkomödianten,
die ihre Farce als Drama spielen.
Und das, dass muss man;
als Person sich längst abhanden …
Um als bedeutend sich 
und frei zu fühlen.

Tatsächlich sind wir Traumrausch-Fixer:
Monadenspreu 
in konsumtivem Einerlei …

polit-, moral- und 
lustsucht-klerikale Trickser,
uns selber 
mehr und mehr doch einerlei.
Entlaufen allem,
was dies Dasein tragisch trüge:
Geist, Einsicht, Selbstdistanz
und reflexive Exzellenz.

Als Spätling 
ohne Größe,
ohne Mitte, 
ohne Siege:
Zwang autodestruktiver Dekadenz.

Die alte Frau (2119)10

Sie trippelt mehr, als dass sie liefe,
hat sichtlich Angst, sie könne stolpern,
was, wenn sie fiele dann,
sie schwer verletzen,
gar ihrem Ende könnte nahe bringen.

Indes man muss für alles zahlen,
auch grade für ein hohes Alter.
Das Last doch ist als Krankheit und Verfall.
Orientierungslosigkeit gewiss
in einer fremd gewordnen, 
Welt gereizter Gier 
zunehmend seelenloser Markttrabanten.

Weshalb ich gönnte ihr, der alten Frau, 
dass es ihr möglich sei, sich zu erinnern 
an manche Stunde tiefer Glücke,
die auch noch jetzt es lohnend ihr erscheinen ließen,
dies dauerhochprekäre, 
tatsächlich doch 
als nur ekstatisch willenloser Wahn gelingende, 
sich jedem Halt verweigernde,
so radikal absurde Leben.

Ehrliche Antwort auf das arrogante Gerede einer sich selbst so nennenden Powerfrau (2120)11

Ob ich was gelte dir, ob nicht,
das ist mir ganz egal.
Für mich hat nämlich keinerlei Gewicht
das zeitgeistprimitive Ritual,

narzisstisch sich zu inszenieren,
als ob man etwas ganz Besondres wäre  …
Ich muss mich nicht mit Selbstwertflausen küren,
bin ich doch Abklatsch stillster Zähre

im Wirrwarr der Entfesselungen
des Zwangs, sich selbst zu loben.
Von dieser Selbstverdinglichungs-Manie gedungen,
sich marktgetrieben auszutoben.

Das Glück III (2121)12

Indes das Glück lässt sich nicht planen;
Ist es doch dunkler Emotionen-Traum.
Schießt allenfalls aus Ahnen
in einen ungreifbaren Schaum

von Stunden, Tagen; manchmal mehr.
Und keiner hat es in der Hand.
Er phantasiert es sich aus Daseinsquellen her,
ihm völlig unbekannt.

Weshalb er’s wieder wird verspielen.
Zumal: Wer trüge es denn auch?
Muss es Versachlichung doch unterwühlen
die’s fasst als Schein und Ichentlastungs-Hauch.

So ist es wohl (2122)13

Da meint halt jeder,
dass er richtig liege,
befähigt sei, 
die Lage zu erkennen.
Setzt daher  
auf gerechte Siege,
hofft, was er hasst,
erlaubt zu überrennen.

So ist’s und war’s
und so wird’s bleiben:
Der Mensch ist 
selbstisch, gar brutal.
Muss letztlich wohl
sich selbst aufreiben,
sich selber Unmaß,
Hybris, Mob und Qual.

Mahr in früher Morgendämmerung (2123)14

Man hat so das Gefühl, hier geht nichts mehr
in diesem Land der Tugendpriesterschaften,
der Ignoranten und der Faktenblinden,
der Ichkult-Powerfrauen und Erlebnissammler,
der Gurus und der Wohlstandsfetischisten,
der Staatsausbeuter und Sozialkorrupten,
die allesamt  
- sei es politdebil, 
sei’s ohne jegliche Gemütsbelebung,
sei’s weltfremd-tugendhypertroph und wert-naiv -
es dümmlich-arrogant herunterbrachten,
es phrasengläubig schenkten her 
an Diktatoren, Parasiten, 
an Radikale, selbst an Kriminelle,
Narzissten und Gewissenlose …

Und das, das wird es nicht verkraften,
es wird - und das zu sehen, ist nicht schwer -
vielleicht zuletzt sich selbst verlieren …
Zumal die Deutschen dekadent,
ein schwaches, seelenloses Volk geworden sind,
kulturlos, wirklichkeitsverlustig, selbsthasssiech …

Zu alt zumal, noch den Elan zu haben,
es vor sich selber zu bewahren.

Wozu’s ja auch exakt zu fassen gälte,
was faktisch dazu führte,
dass sie - wieder mal - 
sei es auch insgeheim und unverstanden
das Rauschen hören unterm Lindenbaum:
Bedeutungslosigkeit und Niedergang,
Verwahrlosung und Fremdmacht 
ihnen trostlos kündend.

Geistige Glücke/Sonett (2124)15

Es gibt sie noch. Jenseits des konsumtiven.
Obgleich nicht massetauglich. Daher selten.
Die Glücke elitärer Schaffenswelten.
Die Stillen, Transzendenz und Sinn verbriefen.

Sie schenken Selbstgewinn durch seelisch tiefen
Entlastungseinsatz gegen Psychen-Kälten,
Pleonexie-Dunst und steriles Gelten;
vor allem gegen die effektlasziven

Verheiligungen dieser Kundensekte:
Sie brauchen keine technischen Effekte.
Und keine marktverfügten Eitelkeiten.

Geschehen wesenszart als geistgedeckte
Erhöhungsschübe, die vom Ich abscheiden.
Und distanzieren alles Tausch Verzweckte.

Realitätssinn/Sonett (2125)16

Wer spürte nicht die Ohnmacht dieser wirren Zeiten?
Des Werte-Masochismus und der Niedergänge,
der Wirklichkeitsverluste als Bewusstseins-Leiden
an dem narzisstisch hochgeladenen Gepränge

sei es der Staatsschauspieler, sei’s  der Spaß-Kult-Menge
von hedonistisch-fad verrohten Markt-Einheiten, 
die hilflos sind, was anbetrifft die Zeitgeist-Zwänge …
Wer also ahnte nicht, dass wir uns längst entgleiten?

Ich jedenfalls, ich fühle all das ganz genau.
Wohl auch, weil der Gesellschaft ich mich strikt entziehe
und folglich greife meine eigne Nichtigkeit …

Es geht zu Ende mit dem Tugend-Überbau
von Würde, Toleranz … von der verlognen Mühe,
sich zu verhehlen Selbstsucht als Substanz-Geleit.

Ungefähr so stimmt’s (2126)17

An Liebe hab ich nie geglaubt;
so wenig wie an die Moral …
noch weniger an Menschlichkeit, 
weil letztlich überhaupt 
ich an den Mammon glaube
als Substanz-Drangsal:

Pleonexie, Prestige und Überragen-Wollen;
Gewalt, Verrat und Unvernunft;
auch Macht und Lust und Barbarei.
Dagegen ist naiv doch alles Sollen,
nur kalkulierter Phrasen-Brei.

Da dürfte ich wohl richtig liegen.
Denn wenn man kalt auf unsre Welt hinschaut,
bemerkt den Zwang man, ihr sich zu verbiegen,
weil’s einem vorm Gewicht doch graut
der Niedertracht und Lebenslügen.

Impressionen von einer Sitz-Bank aus (2127)18

Auf dieser Bank da sitze ich so gerne;
Von ihr aus lässt sich nämlich manches sinnlich greifen.
Z. B. dieses Zeitgeist-Schweifen:
Man ist sich selbst benommen, 
weil entbehrt der Kerne.

Man merkt da all die Unzulänglichkeiten
der deutschen Trivialkultur:
Die Dekadenz als Markt-Tinktur:
Das haltlos-wirre sich Vermeiden.

Den Stumpfsinn und die Arroganz
und die Entlastungs-Perversionen,
die freilich auch nicht von sich selbst verschonen:
Effektprekärer Ignoranz.

Erinnerung an M. W. (2128)19

Dass deiner manchmal ich gedenke,
das hat profane, freilich menschlich tiefe Gründe.
Da sind die Perlen deiner Leibgeschenke,
dies Meer von Lust mir, dir nur Sünde.
Die du begangen hättest unsrer willen;
Indes genauer: um dich auszuleben
in beider Körper Kreaturen-Füllen,
ekstatisch deiner selbst dich zu entheben.
Doch sei‘s. Es waren tiefe Stunden,
für mich bis heute Daseins-Kronen.
Obwohl ich spürte deine Seelenwunden …
Bis in die Kerne deiner Eros-Zonen.

Allmorgendlicher Neuanlauf  (2129)20

Süsli, Milch und Knäckebrot,
Haferflocken und Kaffee.
Selten dass mir mal Verspätung droht.
Ich bin Routinier.

Zehn Minuten noch allein.
Duschen. Dann Klamotten.
Elmex, Styling, noch ein Wässerlein -
Outfit … Alltag zu verrotten.

Seelen-Spurung Welle 4.
Oldies (Kicks beim Fahren),
Tipps für Alltag, Pickel und Plaisir,
Sinnanhäufung durch Enthaaren.

5 vor 7. Gleich die News:
Empört-verlegnes Stottern:
„Korrupt? Wir? Nie! Das ist abstrus!
Nicht wir, die anderen verlottern!“

Dann was los ist in der Welt:
Wirtschaftsdaten, Spannungs-Krisen,
was gefährlich ist, missfällt,
was sich hat als schlecht erwiesen.

Evolution (2130)21

Nun: wüste Würfelei,
fatale Lotterie …
Zunächst biped,        
dann Hirn mal drei.
Doch Glücke? -
Glücke nie.

Wahrheitsgemäß (2131)22

Das war's nun bald.
Mein Alter ist danach.
Zumal's nichts gibt,
was mich hier hält.

Indes muss ich 
zufrieden sein:
Kein Krieg, kein Absturz,
keine Not.

Gewiss war's schäbig oft 
und kalt;
war innerlich 
ich stets allein.

So ist sie nun mal,
diese Welt 
der Selbstsucht 
und der Scheinmoral.

Jetzt warte ich,
dass mich erlöst der Tod.
Ich hoffe, 
er macht's kurz.

Weiß es (2132)23

Sogar 
im Fühlen
bin ich 
Epigone.

Dorfschatten: Traum, Meer und Rose (2133)24
(Erinnerung an H. M.)

Ich tu mir schwer 
mit dem Wort ‚Traum’.
Es lässt an Schlager denken
und an Trivial-Gefühle,
befiehlt,
dass man sich Schund einwühle,
z. B. Lethe-Schaum
gebuchter Beinhautkühlen.

Und ähnlich geht es mir
mit dem Wort ‚Meer’,
in das mir arrangierte 
Strände kriechen,
die Kunden-Tempel
für den Ich-Verzehr,
die Psychen-Lenkung
immanenter Siechen.

Am schlimmsten steht’s
mit dem Wort ‚Rose’,
mir Namensteil
frigider Lethargie:
Sie blühte Gartenvilla-Sommern,
wo grandiose
Verachtung schrie
auf makellosem Knie.

Niedergeschlagenheit (2134)25

Bürostuhl-Schwermut
und Verbraucher-Trauer
an herbstgefangnem Nachmittag.
Die Stunde quälerisch,
von plumper Dauer,
weil ohne Absicht auf dein Blut.

Es lungern Schemen
um‘s verstörte Hirn.
Ein Zittern stellt das Nackenhaar.
Sie pumpen Medien-Es 
in schwere Stirn,
um Selbstmordsucht zu lähmen.

Mir ist so sehnsuchtslos
nach dir zumute
und jeder Antrieb schlägt mir hin.
Verpfuschtes Dasein,
ich, der Hellsicht-Lude,
verkenne du-fern deinen Schoß.

Einsamkeiten (2135)26

Einsamkeiten. Permanente.
Selbst verschuldet: indolent.
Sei es. - Immer nur vier Wände.
Jedes Du bloß Instrument,
Psychen-Talmi, Körperdruck,
Abfluss-X in Reizwelt-Folgen …
Regressionen Schluck für Schluck,
Stechschritt in medialen Wolken.

Meine Abende (2136)27

Die meisten Abende 
bin ich völlig allein,
quasi verpuppt in mich.

Mal bin ich aus auf trash,
mal bin ich aus
auf Kreaturen-Ruhe.

Und’s reicht mir aus,
wenn ich gelegentlich
mich einem X-Du 
folgenlos vertue.

Abendnachrichten (2137)28

elendskonsum
kurshodigkeit
cortexseichten
schleimsemantik
belämmerungsrhetorik
ATGC-exponenten
pfründneroligarchien

du gleichgültig
ausgeronnene
affektverkühlung
nichts beklagst du
après moi* … siehe Pompadour
dogma wie panem et circenses*
blinzelst rationalen egoismus
abgeseelt den 
was-weiß-ich-verhältnissen …

ich bin halt nur monade
im strom von marktplaisir
output der apparate
bedeutungsloses tier

*ACTG: Adenin, Cytosin, Thymin, Guanin/DNA- und RNA-Basen
*après moi  franz: „nach mir“ Madame. Pompadour soll gesagt haben: „Nach mir die Sintflut!“
*panem et circenes lat.: „Brot und Spiele“

Niemand (2138)29

Niemand 
gleich,
bin ich
euch alle
geworden.

Das Ganze II (2139)30

Du und Ich:
Sozialer Drill,
Aminosäure-Ketten.
Kultur-Fiktionen,
Biomüll
und Zeitgeist-Marionetten.

Small Talk (2140)31

„Sie sind so nüchtern!
Irgendwie.
Und schrecklich 
reserviert!“
„Ich bin auch 
mit dem Tod 
per Sie,
weil halt 
noch nie
krepiert.“

Streichung des Sterbegeldes (2141)32

Nun ja, man wird mich schon begraben.
Die Gelder überweist schon wer;
dazu noch 2% für Extragaben. -

Obwohl: Die Kosten wiegen schwer.
Kein Druck zermalmt so stark wie ihrer;
und ihren Seelentiefen hallt kein Lot;
egal, ob Sieger, ob Verlierer:
Vor Kosten neigt sich selbst der Tod.

Doch sollte dennoch niemand zahlen,
mein Leichnam schafft’s schon aus dem Licht:
Verscheucht Gestank doch selbst Vandalen,
Verwesung zehrt nun mal am Ich-Gewicht.

Man recht mir sicher so ein Plätzchen eben.
Auch ohne dass ich wäre Held.
Nur lohnabhängig, untergeben.
Ein Kostenfaktor. Selbst beim Sterbegeld.

Emotionen-Bewirtschaftung (2142)33
Zu vergleichen ist die Variante 60/3143

steril
phantasiearm
bilderhörig
nutzenrupfend
technizistisch
formelsakral

bedeutungsbrachen
wo man
hin blindet

selbst 
der riechkolben
ist börsenfreak

Die gegenwärtige deutsche Gesellschaft: 
Pathologische Befunde (1) bis (12)
Die gegenwärtige deutsche Gesellschaft (1)  (2143)34

Die gegenwärtige Gesellschaft?
Nun, die meide ich.
Ist sie doch kalt, verlogen und gewissenlos:
Verfallsgebilde trüber Zukunftsmöglichkeiten.

Politverwirrung ohne Geisteskraft,
blind tugendmonoman an sich.
Narzissmus-Kosmos ohne Zweck und Floß:
Ein Ort von Schein und Traumgeschmeiden.

Was da an Wirklichkeitsverlusten klafft,
verhindert Stich um Stich,
droht, zu zerschlagen diesen Wortkultschoß
aus werthysterischem Sich-Selbst-Entgleiten.

Ein Selbstbewahrungsimperativ (2) (2144)35 

Für mich allein hab ich gelebt. 
Und wusste stets, warum:
Weil man sich wohlstandshörig untergräbt,
legt Schein sich, Spaß und Selbstentfremdung krumm.

Wer will das schon?
Zumal wenn er begriffen hat,
dass er sich selbst so aufgibt als Person:
Begeht systemkonformen Selbstverrat.

Indes das muss man wohl; wenn’s auch verzehrt.
Zumal es unbemerkt umspült die Selbstwert-Schicht.
Bis man am Ende nur noch sich begehrt,
verfallen marktverfügter Emotionen-Gicht.

Wirklichkeitsverluste (3) (2145)36 

Und dass ich völlig mich hier isoliere,
allein auf mich zurückgeworfen,
das ist die radikale Konsequenz
aus meiner Ausrichtung an dem, was ist:
Komplexitätsgefangenschaft als Tugend-Druck,
Verspaßungs-Eskapismus, Niedergang,
Zwang zu Entwirklichungs-Entfesselungen
und zeitgeist-klerikaler Pan-Ágape …
Kurzum: Die Selbstentmächtigung 
durch zeitgeistkommandierte Wirklichkeitsverluste.

*Agápe = Menschenliebe, Liebe zu Gott, Gottes Liebe zu den Menschen (Kor. 13, NT)

Selbstsucht-Zwänge (4) (2146)37 

Hör bitte auf, von Liebe mir zu reden.
Hab ich dich doch durchschaut.
Du musst dich stets doch selbst anbeten -
Ich wär nur Mittel dir, das dir dein Selbst aufbaut.

Du kannst von Liebe gar nichts wissen.
Du fühlst nur dich allein.
Du wirst so immer nur dich selbst abküssen,
dir selber Glas, Genuss und Wein.

Doch böse bin ich dir deswegen nicht.
Bist du doch Abklatsch nur:
Des Zeitgeists Selbstsucht-Leichtgewicht
als marktnarzisstische Tortur.

Rationalität als Diesseits-Bann/Sonett (5) (2147)38 

Der Logos* lief sich selber in die Falle:
Hat sich entlarvt als Nihilismus-Weg:
Als Giergewoge ohne Halt und Steg,
das stündlich uns zermürbt: verwahrlost alle.

Der Zahl, der Ratio und des Wohlstands Kralle,
ist er schon längst der krude Hauptbeleg
für ein verpfuschtes Dasein: psychisch träg,
verfallen spaßnarzisstischem Gelalle.

All dem hab ich indes mich strikt entzogen.
Und dies, gezwungen auch, von Anfang an:
So habe ich mich nicht total verbogen

sei’s tugend-utopistisch feilem Bann
sei’s ich-verknechtend wirren Zeitgeist-Wogen …
So nicht verwahrlosungserpichtem Man.

*Logos: hier rationale Intelligenz; griech: Geist, Wort, Rede, Vortrag, Prosa usw.

Deutschland: Land tugendradikal-ideologisch naiver Intellektueller, sich ihrer Autarkie begebender   wirtschaftlicher Eliten (aus Zwang vielleicht gar?) und inkompetent-sozialstaatsklerikaler politischer Funktions-Eliten (6) (2148)39

Geistlos würderadikal:
wertfanatisch krank, 
wird es immer schwächer, 
leidet an Gesinnungs-Zank.
Gibt sich hin auch Dekadenz; 
tut das rigoros. 
Als sei die nur für es gut, 
stellt sich immer öfter bloß
als des Scheins Verzückungsglut.

Dass es andre nun verlachen,
nimmt mich gar nicht wunder:
Will's doch arrogant verflachen,
Vielfalt mimen, werden bunter.
Ohne Fakten auszuloten,
um sich selber auszubooten.
Schlitternd durch den eignen Plunder,
hingegeben Wehs und Achen
bodenloser Becher.

Anonyme Weisen eines politischen Selbstruins (7) (2149)40 

Dass alles nichtkonsumtive Glück 
sich außengesteuerten Erlebnis-Sammlern entzieht,
dass das Erotische, 
emanzipationstheologisch zu Grabe getragen, 
nunmehr verschwunden ist, 
dass die Heiterkeit systemsubtil -
zum Zwecke der Neidvermeidung bei geistig Armen -
unter Strafe gestellt wurde -,
dass ein leerformel- und machtberauschtes Narzisstentum 
seinen ideologischen Verwirrungen freien Lauf lassen kann: 
Man glaubt an Wohlstand als Zweck an sich 
und zentrischen Sinngebungsgaranten
(das ist zeitgeistimmanente Religion der wirtschaftlichen und politischen Funktionseliten und ihrer hedonistisch entfesselungsbedürftigen Untertanen)
glaubt zumal,
dass der und Moral zusammen gezwungen werden könnten, 
um dann alle asketischen Ideale 
verwahrlosungs-intellektuell im nicht durchschauten Auftrag konsumreligiöser Leerformelmagie
anonym enthemmungslüstern verächtlich machen zu können…
Nun: Das alles sind auch Anzeichen dafür,
dass an diesem sich selbst beweihräuchernden Westen
(insbesondere an dem gesinnungselitär-politmessianisch sich berauschenden Deutschland) seit Jahrzehnten ein Verfallsschicksal nagt, das ihn unweigerlich ins Verderben führen: 
Seinen Rechtsstaat und seine Demokratie 
definitiv ruinieren könnte.

Systemsubtil (8) (2150)41

Aus einem vorbeifahrenden Auto tönt laute, 
aufreizende Pop-Musik.
Gleichzeitig gleiten mit ihren Handys und Smart Phones 
beschäftigte Monaden an mir vorüber.
Sie scheinen völlig aufzugehen in ihrem Tun:
Versunken, so scheint’s, 
in eine Art von Banalisierungsimperativen,
die ihnen offenkundig Entlastung verschaffen,
ja mehr noch: Eine Art Geborgenheit, die verhindert,
dass sie der Sinnlosigkeit dieser Welt gewahr werden,
um dann Leere und Verzweiflung anheim zu fallen …
Indes mir mein Gefühl sagt: auch Anomie und Bestialität. 
Was mir den Gedanken eingibt,
wie perfekt letztlich 
diese spätkapitalistische Beglückungsmaschinerie funktioniert:
Gelingt es ihr doch sogar, 
die geistig-kulturelle Depersonalisierung, 
meint: eine Art entlastungsträchtigen Dispens* 
von jedwedem Selbst- und Würde-Verlust 
in existenziell tragende Verspaßungs-Orgiastik zu überführen.

*Dispens: Erlass

Indes von Schuld kann keine Rede sein; auch von Entfremdung nicht, geschweige denn Verantwortung, 
gar irgendeinem Bösen (9) (2151)42/
Bereits diagnostizierbare Phänomene

Ein wenig verfallsanfällig ist sie ja schon,
diese immer häufiger 
aggressiv-hypertroph narzisstische Gesellschaft,
die sich immer öfter, sich selbst glorifizierend, 
in die eigenen Fallen läuft:
Mit Polit-, Tugend-, Lebens- und Entlastungs-Vereinfachungen; ja: -Lügen,
geradezu entwirklichungslüstern sich selbst gefährdend …

Eine hochkomplexe Gesellschaft geistig verarmter: 
eitel-selbstbestandslos ideologisierender Prediger*innen
eines eindimensionalen Ungefähren:
das einer selbstbestimmungsprall belämmernden Wohlstands-Ekstase, 
genauer: vertrauerungsdigitalen Entfesselung 
ichschwach-masochistischer Wohlstands-Monaden,
selber kaum ahnend, 
was ihnen an für dieses Menschdasein letztlich doch typischen Vollzugszwängen (Entfesselungsknechtschaft) bevorstehen könnte: 
Desorientierung,
Selbstbewahrungskraftverluste,
psychophysisch Gewalt ….

Nun ja: An uns liegt - ist man ehrlich - objektiv nichts:
Sind wir doch metaphysisch heimatlos: geistig tot, 
kulturell völlig verarmt …
Ein Wimpernschlag einer Teilchen-Zufalls-Laune ohne Zweck.
Taumelnd durch ein Pleonexie-Verlies: 
Jedweden Sinnes bar. Verfalls-Gebilde.
Hin blassend lebenslang in des Vergessens Leere.

Primaten-Gefangenschaft/Sonett (10) (2152)43 

Hier inszenieren Amtsinhaber ihre Macht:
Zumal der Zeitgeist fordert es, sich selbst zu spielen.
Das wollen letztlich alle: Medien, auch die Vielen:
Lechzt eine Show-Gesellschaft doch nach Ich-Andacht.

Wie überhaupt man gerne groß tut, tobt und lacht.
Das fordern Fans, vor allem auch die Infantilen,
um sich durch Spaß und Unernst zu sich selbst zu wühlen
in dieser Mammon-, Wohlstands- und Narzissten-Schlacht. 

Da bleibt doch jenen Amtsinhabern keine Wahl:
Zumal sie öffentlich doch grad präsent sein müssen;
jonglieren also mit Effekten, Phrasen, Zahl ...

Zu zeigen Kompetenz, Charakter und Gewissen,
versichernd, dass des Landes Wohl sei ihnen Gral ...
Obwohl sie doch sind ausnahmslos nur sich beflissen.

Schicksalhaft und notwendig (11) (2153)44 
Für Wilhelm Röpke

Ich muss mir keinen Mut zusprechen.
Empfände das als Selbstbetrug.
Ich werde nie mit dieser Einsicht brechen:
Es ist ein ziemlich leerer Krug,
den Tag für Tag wir hier zum Munde führen
an diesem dekadenten Ort:
Um Krüppel-Glücke zu berühren:
Als Nihilismus-Balsam und Erlösungs-Port.

Zumal ich kann sie buchstabieren,
die hedonistische Kloake,
in der fast alle nach Enthemmung gieren, 
auf dass sie die als Spaßgefolge trage.
Dazu bestimmt, sich so zu deklassieren,
dass sich als höchstes Gut dann ihnen zeige
die Knechtschaft dieser Mammon-Plage.

Spießer-Sottisen? (12) (2154)45 (XX)

Ein Spießer bin ich 
lebenslang geblieben.
Ein Spross 
von kleinen Leuten.
Die mussten ihre eignen 
Illusionen sieben,
sich anders 
als die oben häuten.

Die oben? 
Etwa Intellektuelle.
Dann Leute
der Funktionseliten
Auch Tugendtheologen:
Idealbewegte,
die leere Worte herzen 
(ihre Selbstsuchtdelle),
geistig verarmt sind,
Macht verbogen.

Indes nicht fähig,
diese zu gebrauchen:
Auch, weil von Werten
sie belämmert sind:
Lavieren, lügen, täuschen, krauchen
durch Wirklichkeitsverluste,
reflexionsarm blind.

Noch mal der Spießer,
jetzt genauer:
Moral bleibt ewig folgenlos:
Gewalt als Macht 
ist immer schlauer,
indes sich jene legt 
als Dummheit bloß.

Das gilt gerade 
für die Volksherrschaft:
Längst Fun-Verwerter-Paradies.
Als dieses nämlich ist sie
ohne Einsichtskraft,
gar trickserhaft gewissensmies:
In schaler Nihilismus-Haft.
Und letztlich autodestruktiv.

Marktsakrale (2155)46

Die Verjenachdemung
der Psychenfragmente
(technisch-juristisch-
geldwirtschaftlich
unterfüttert),
schlug längst um
in die dauersynthetische
Kollektiv-Regression
marktsakral
befohlener Selbst-
Verelendung.

Ekel (2156)47

Mir läuft der Ekel
zäh aus jeder Pore,
als sei Essenz er,
Sinn und 
Seins-Absicht …
Als ränne er
aus dieser 
Gram-Amphore*,
an der vergeblich man
und voller Hass
zerbricht.

*Amphore: Antikes Gefäß, mit engem Hals und zwei Henkeln, um Wein, Öl, Honig usw. aufzubewahren 

Erlösungskonsum (2157)48

Wer heutzutage eine Meinung hat
und glaubt, er müsse sie bekunden,
begriff nicht des Systems Finessen:
(wobei ‚System’ meint: Wohlstandstyrannei)

Es festigt sich doch mittels jener,
indem als gleichwertig es alle setzt.
Und so sich selbst immunisiert,
erfolgreich gegen Korrekturen wappnet.

Der intellektuelle Tagelöhner
der Macht-Narziss, der ewig ethisiert,
erhält, wogegen er Entrüstung flötet:
die Amoral, die unvermeidlich ist,

wenn der Konsum zur Religion muss werden,
damit sich jene halten könne:
Die Wohlstandstyrannei, auf der wir ruhen,
befriedet sinnlos zu verschludern uns.

Ich schweige alle meine Tage fort,
verdichte höchstens noch in Geistgebilden
dies magisch lusterfüllt sterile Sein,
das nur noch Marktknechtschaftserleben ist.

Und preise dennoch es als höchstes Gut,
als eines Selbstverwerters dumpfes Gieren,
das, wenn erfüllt, die Affenbestie zähmt,
beseligend mit Schlüsselsurrogaten.

Alltagsdespotie (2158)49

Idiotisierungsoffensiven.
Medial.
Ununterbrochen.
Verkümmerungstrunken
lagern sich
so
Zwiedinge ab
in selbstfernen
Ichbrachen.

Jedermann in sich allein (2159)50

Ich deute mich selbst aus.
Zeichenbeschlossen.
Schon das nächste Du
entzieht sich mir radikal:
sich, wohllebenshörig,
permanent nur 
um sich selbst drehend,
ist es mir Körper nur noch.
Verlassenheitsgefangen.
Kernfremd.

Auf Monologe verwiesen. 
Kommunikationsbrach.
Sekundär panindividualisiert:
Untergründig austauschbar.
System-Monaden. Beide: 

Umgreifungsbegrifflich (2160)51

Verlautbarungs-Nihilismus
Wortfetzen
syntaktischer Zerbröselung

Orte
Rentner-Infantilismus
in Teeny-Stumpfsinn

Selbst die Wirklichkeit
tobt technogen
onaniert.

Im Hellblut 
der Dauerbanalitäten
Verzückungs-Surrogate

Selbstglorifizierungsschübe
fluten brachgeil
die Alltagsneuronen

Zertrümmerungserpicht
übt sich gegenontisch
meine Indolenz

Der Wettlauf zum Nichts
verfeinert kritisch
seine Gleichungs-Taktik

Ein numinoses Helau
zittert sich suffbefröstelt
durch entseelte Unwegsamkeit

Der zweckfreie Lauf (2161)52

Bis in subatomare Schichten
durfte die Einsicht 
sich senken:
ins Ungefähr 
von seelenlosen 
Wichten,
noch schuldlos 
im subtilsten Denken -

Sich hassverliebt zu kränken.
Sich Zufall abzurichten.
Sich Selbst-Rausch 
zu verrenken.
Sich hirnlich 
endlich 
zu vernichten.

Daseins-Entspurung (2162)53

Zusammengebrochen,
erschöpft
all die Antriebe,
ohne die eine Existenz
versteinern
und unwiderruflich 
verarmen muss:
Das Bedürfnis 
nach Du, Wir, 
Anerkennung, 
Dazugehören,
die Bindung 
an weltliche Werte,
Ziele und Zwecke.

All das 
kam mir definitiv 
abhanden:
Ich stehe und denke
im Zentrum 
der Großen Gleichgültigkeit …
Und greife so
nach der 
Höchsten Einsicht:

ER, nur ER,
gäbe ihm seine
Menschlichkeit wieder,
höbe das Ganze 
wieder in Sinn,
in Bedeutungs-
und Halt-Zusammenhänge. 

Nur: ER ist nicht.
Kann nicht sein.
Wäre Gegen-Hyle:
Zeitlose Vollendung.

Klarstellung V (2163)54

Manche werfen mir vor,
dass ich viel zu pessimistisch,
ja geradezu nihilismustrunken sei.
Dabei ist es die Gesellschaft,
die mir derlei Negativismen aufdrängt.
Ist sie doch zerfallsgefährdet,
inhuman, verwahrlosungslüstern,
verlogen und spaßdiktatorisch infantil.
Ich nehme sie lediglich 
als solche zur Kenntnis,
fähig, ihre Selbstzerstörungszwänge
ungeschönt zu erkennen.
Um sie in Gedichte zu überführen.
Was für mich nicht zu leisten wäre,
wenn sie mich so heimsuchte
wie zwanghaft sich selbst:
Asozialer Ausdruck  
meiner Persönlichkeit geworden.
Das indes ist nicht der Fall.

Eigensinn/Sonett (2164)55

Egal, was man von den Gedichten halte,
die ich geschrieben habe  - wirklich viele.
Und dies, weil dichtend ich die Hände falte:
Mit allen Göttern weltentronnen spiele.

Es ist die Art, wie ich dies Dasein fühle:
nicht als dies triebgehetzte, hilflos kalte.
Vielmehr als Traum und wunderbar subtile
Bekundung, dass Vollendung es durchwalte.

Dass das nicht sein kann, nun, das weiß ich selber:
Indes, wer könnte es mir denn verbieten,
den Traum als eigentliches Sein zu feiern.

Und nicht als Zufallswerk für Goldne Kälber,
für selbstsuchtradikal getriebne Nieten,
für Mammon-Seelen, ignorant und bleiern?

Wär doch … (2165)56

Wär doch ganz schön,
wenn’s bald zu Ende ginge.
Tatsächlich 
fühl ich manchmal so.

Dann wär ich alles los; 
mich selber auch:
Verfall entronnen, Wert-Tarot
in eines Grabes Schoß.

Das Allerbeste freilich wäre,
in dieser Welt hier nie zu sein,
zerfließend sich als kalte Zähre …
subatomarer Pein.

Zeitgeistuntergründige Selbstentmächtigung/Sonett (2166)57

Wozu nur alle diese Traumweltlote,
mit denen uns die Märkte überschwemmen,
fingieren sie zumal als Angebote,
des Daseins Sorgenlast uns einzudämmen …

gar darzustellen mit besondrer Note;
ja mehr noch: uns ekstatisch zu enthemmen,
wie es der Zeitgeist anbefiehlt, der Bote,
sich gegen jede Form von Zwang zu stemmen?

Gewissen uns und Einsichtskraft zu schwächen,
vor allem Widerstände gegen Spaß:
Erregungszufuhr als Behelf und Trick.

Um als Person uns selbst dann auszustechen
und zu verlieren jedes Selbstwertmaß …
Zuletzt den Wunsch nach eigenem Geschick.

Variante: Zeilen 12/13:
Uns als kopierte Gleiche zu verzechen.
So zu verlieren jedes Selbstwertmaß:

Was soll’s noch? (2167)58

Was redest du von Mitte, Sinn und Halt.
Das sind doch leere Worte.
Die Welt ist inhuman, ist kalt:
Ein Schundgefüge kranker Affen-Horde.

Weshalb ich sie ja störrisch meide:
als schäbige Gefahren-Zone.
Klug mich für mich allein erleide
als atomare Niedergangs-Schablone.

Was soll ich dann noch hier
in diesem Stumpfsinn-Loch?
Um meiner Trauerwucht zu stehn Spalier,
ihr dauerdeklassierter Abklatsch doch?

Monomanes Ich (2168)59

Ach die Nähe, 
gar die Liebe …
das ist nichts für mich.
Da ich sehe 
ihre Trübe,
schattenkundig doch an sich.

Seh nun mal den Selbstbetrug,
sind wir uns doch fremd.
Bleiben es: Phantasmen-Flug,
der sich selbst durchkämmt.

Der sich Illusionen baut.
Als Entlastungsschein.
Delirierend Glück aus Haut.
Doch man bleibt allein.

Bleibt es, ist es lebenslang.
Redet nur mit sich;
Hyle-, Hirn- und Gene-Zwang:
Monomanes Ich.

Lob des demokratischen Rechtsstaats (2169)60

Dass irgendjemand,
von sich selbst beladen,
für sich gerade stehen müsse,
nun, das, das glaub ich schon.

Denn wenn man völlig 
aufgibt die Fiktion
von Schuld, Kultur,
Gerechtigkeit als Maß und Mitte,

dann gibt es sie nicht mehr:
Die Wahrung als Person.
Dann tobt Gewalt, 
Brutalität, das Heer

der machtverstrickten Potentaten,
der Vorteilsnehmer von Natur,
der Amts-Narzissten ohne Halt,
der daseinsblinden ideell Bewegten.

Indes ich freilich skeptisch bin,
weil's Objektivität nicht geben kann.
Nur Perspektiven: Werturteile.
Uns Gattungs-Schicksal, nicht zu ändern.



 

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