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Diese Seite enthält 58 Gedichte (44 Prosa-, Reim-Gedichte und 14 Sonette)

Klarstellung IV (1993)1

Zuweilen rede ich von Körpern,
diesen als basalen Selbsten,
von Trost, Entlastungs- und 
von Sinn-Einheiten.
Und das doch nur,
weil ihrer Iche Selbste* 
doch mehr und mehr
nur inszenierte sind,
sind unfest, flüchtig, 
halt-, gewissensschwach, 
orientierungslos beliebig auch.
Und das heißt letztlich:
hilflos leer.

*Iche, Selbste s. Fremdwörterverzeichnis

Dank/Für ... (1994)2

Leb wohl, du Zarte
seltner Nächte.
leb wohl ...
und bleibe,
die du bist.
Du Leibkleinod,
wie es ein Gott 
sich dächte,
wenn sein Alleinsein
er vergisst.

Ich könnte dir
noch vieles sagen;
indes ich sage dir
nur dies:
Auch deinetwegen 
war er zu ertragen,
der Gram, 
der pflastert
dieses Schund-Verlies. 

Alles (1995)3

Alles sinnlos,
ohne Zwecke.
Alles leer
und nur erlitten.
Ohne Götter
ohne Mitten.
Stoffmacht
ohne Lecke.
Anfangs bloßes 
Teilchenmeer.
Wir nur Zufall.
Nur als solcher,

Ich enthoben
auszudeuten.
Großhirnspielball 
ohne Retter.
Sich notwendig
auszubeuten.
Sich durch Barbarei
zu toben.
Weder groß
noch gut
noch hehr.
Ohne Glücke,
Ohne Freuden.
Geistig auch
sich selbst 
entglitten.

Aussichtslos II: Asozialisierende Vollzugs-Luzidität/
Sonett (1996)4

Ein Leben lang hab ich am Rand gestanden.
Da ist viel Platz. Und es ist nicht so laut.
Auch deshalb günstig, weil man überschaut,
wie man mag fehlen oder Treffer landen.

Verhindernd so, dass man sich kommt abhanden.
Auch weil man kaum mal Gängigem vertraut.
Wie in der Mitte, wo sich Durchschnitt staut.
Nach dem sich richten auch Repräsentanten.

Das alles tut man, um nicht mit zu heulen.
Obwohl das einsam macht und tief verschlossen.
Indes was tut man nicht, zu meiden Gossen,

sich zu bewahren auch vor Psychen-Fäulen?
Die gierig machen und zugleich verdrossen,
verfügen hilflos Markt- und Zeitgeist-Keulen.

*Luzidität: hier: Hellsicht
Der Titel besagt also: Wenn ich mich, wie ich es muss (weniger, weil ich es wollte), meinem Drang nach Fakten-Einsicht (Luzidität) hingebe, dann wird mich das an den Rand drängen, d. h. "verranden": asozialisieren.

Das Glück II (1997)5
Variante zu 36/2121, S. 36; vgl. auch 15/912

Das tiefe Glück lässt sich nicht planen;
ist Körper-, Psychen-, Zufalls-Traum.
Schießt dunkel aus Erahnen
als ein Ekstase-Schaum.

Von Stunden, Tagen; manchmal mehr.
Doch keiner hat das in der Hand.
Er phantasiert‘s  aus Wesensquellen her,
ihm vage nur bekannt.

Und er wird’s wiederum verspielen.
Wer trüge länger es denn auch?
Es würde doch den Alltag unterspülen,
wär’s mehr als nur ein Ichentlastungshauch.

Orgasmus, Trost und Selbstvergessen,
ist‘s stets als flüchtig nur gelungen:
Nur kurz zu leuchten unsren Daseins-Blässen,
doch deren Macht von Subsistenzgewalt gedungen.

Für … (1998)6

Leb wohl, du Zarte 
komatöser* Nächte,
leb wohl, mach’s gut!
Für dich ein Glück
vom allerbesten!
Und: Bleibe ,
die du warst und bist! …
Ein Leib-Od,
wie’s ein Gott sich dächte,
sich malte aus
als Bann in Körperglut.
In der für uns indes,
doch nicht für ihn,
sich spiegeln, deuten  
unsres Daseins Mächte:
Wie Zeit, Verfall, 
die kommandierte List,
im Du sich 
selber zu entsiegeln
als Triebgefüge 
und als Gramgerüst:
Als kreatürliches 
Gebresten.

*komatös: In tiefer Bewusstlosigkeit befindlich; soll hier heißen: rücksichtlos irrational oder faktenirgnorant, weil erotisch ekstatisiert 

Psychokult-Neugier (1999)7

Was du mir seist,
das willst du wissen,
das soll ich 
unverblümt dir sagen?

Da wüsste manches ich,
dem Rausch entgleist
auf diesen weißen,
tief zerwühlten Kissen.

Hier eine Antwort 
auf dein Fragen,
auf die dein Hyle-Leib 
mich ausnahmslos verwies:
Du bist mir Spur 
aus dumpfer Barbarei,
Effekt-Gelagen,
aus Narzissmus-Gossen …
Aus all der miesen Gaunerei,
den Zeitgeistterror-Plagen ...
Und deutscher Wert-Tortur,
so geistlos 
wie Begriff verschlossen ...

Ein Weg, kurzum, 
aus diesem Dekadenz-Verlies.

Substanz-Verluste/Sonett (2000)8

Dies Dasein heute lässt sich nicht mehr greifen 
als metaphysisch grundgelegtes Werten,
um es in Sinngewissheit umzuträumen.
Ist vielmehr ein diffuses Reizgefüge 

von spaßverfügten Emotionen-Schleifen,
die es berücken, aber niemals erden;
um es Umnachtungslüsten einzuschäumen,
die es entfremden sich durch wahre Lüge.

Autonomie und Würde? - Selbstlob-Weisen.
Wie Toleranz und überhaupt Moral …
Bedürfnisabstraktionen, Pseudo-Halte:

Verbraucher tröstende Entlastungsschneisen.
Auch zu verhehlen sich das Grundmerkmal:
Dass Barbarei uns nur und Macht entfalte.

Eros (2001)9

Diskretion und Zügellosigkeit:
Leibgebete. Geistgewoben.
Einer Stunde Rausch-Geleit,
Alltag überhoben.

Nicht nur Selbstgenuss im Du,
sich narzisstisch zu erhöhen:.
Nein: Ein sehnsuchtskrankes Nu,
sich als Sinn-Od zu geschehen.

Das ist Eros, der sich weiß
als Vergeblichkeitsgewalt.
Sich verschwendet zärtlich trauer-leis;
so im Du der tiefste Halt.

Letztes Bilanzgedicht (30) (2002)10

Es soll der letzte Zeuge sein.
Extrem verdichtet bilanzieren:
Man ist für sich, man ist stupend allein
und immer nah am Delirieren.

Sei’s Sinn, sei’s Glück, sei’s Selbst, sei’s Halt.
Man kann da nur in Leeren greifen.
Gelenkt von Stumpfsinn, Geilheit und Gewalt,
muss man vor Affen kneifen.

Ist Machtspielball, Korrupten Mittel,
Verbrechercliquen ganz und gar,
dem Markt ein gierig-infantiler Büttel
aus der Verführten Schar,

der er die Kirche längst ersetzte
durch Transzendenz in Stars und Dinge,
reklamediebisch sie verhetzte,
damit sie sich erwünscht gelinge.

Ich werde ungerührt beiseitetreten,
falls ich den Marktsturz noch erleben sollte;
nicht hadern, hassen oder beten
im Wissen um dies Ungewollte.

Bilanzgedicht (25) (2003)11

Ich phantasiere wie ihr alle
und schreibe mich mir selber zu,
kann gar nicht lassen von der Falle
des Selbst, des Wir, des Du.

Schon weil die dauernd mich doch lenken,
mich förmlich mir erschaffen,
verfolgen bis hinein ins Denken.
Das ist so bei uns Affen.

Nicht mal mein Fühlen ist mein eigen
besetzt von jener Despotie,
mir Einsicht zu verschweigen,
dass ich nichts weiter bin als Vieh.

Geständnis VI /Für homo sapiens bambergensis… (2004)12

Ich wusste, was du bist: ein Eros-Stich.
Und dies von Anfang an.
Mir war‘s der Ansporn, der mich trieb in dich,
dich Körper als Ekstase-Bann,

dem sich kein Augenblick versagte,
weil er sich konsumieren ließ,
des Daseins Fadheit stöhnend mir verjagte,
indem er sie im Rausch zerblies.

Ein Seins-Gewinn kam so uns beiden zu.
Mir, weil ich tabulos durfte dich verzehren;
und dir als bis ins Mark erregtem Du,
dass ich Orgasmen-Reihen konnte dir bescheren.

Dein Körperding/Für Chrisbe… (2005)13

Dein Körperding 
ist mir längst vorenthalten, 
dies ruinöse Paradies,
das kommandierend mich 
auf sich verwies,
weil seine Kernversprechen galten:
Verfließen einem lückenlosen
Erlösungstrost im Sich-Vereinen.

Neuronen-Nebel/Für … (2006)14

Mein Zeit enthobnes 
Du-Gespinst,
noch jetzt,
in diesen späten Jahren,
erfasst mein Hirn
im Bild von dir
die Pracht 
zerwühlter Stofflichkeit,
durch Schweiß 
und Haut 
und Seufzer so
die Große Einheit
sich im Jetzt 
ersehnend.

Prosafetzen (387)/Für … (2007)15

Inmitten 
deiner Körperhalde
träumt sich
der Stumpfsinn
Gottes.

Bilanzgedicht (40) (2008)16

Wenn man bedenkt, 
wie oft man lügt,
beschönigt, 
faselt und verdrängt -
dann muss man 
zu dem Schluss gelangen,
dass letztlich niemand 
über sich verfügt.
Nur hilflos ist: 
Gesellschaft Knecht.
Evolutionäre 
Widersprüchlichkeit.
In sich, Du, Wir  …
in Phrasen, Waren, Selbst
gefangen.

Einsichten/Sonett (2009)17

Dass ich mein Leben souverän je führte,
Selbst-, Herkunfts-Last und Marktterror entzogen,
das zu behaupten, wäre dreist gelogen.
Zumal ich jenen stündlich salutierte.

Vielmehr: Was immer mich zutiefst berührte,
war Zwang mich packender Geschehens-Wogen
von Wertphantastik, Ich- und Zeitgeist-Drogen.
Was mich empirisch dauerkommandierte.

Dass meine Existenz Bedeutung habe,
sei frei und sinnhaft, nicht nur Stoffgeschehen:
Vergänglichkeit, aus der ich Dingrausch grabe …

Das glaub ich nicht. Ich fasse doch die Wehen
des Menschlichen mit seiner Täuschungs-Gabe:
Sich Illusionen ohne Boden einzudrehen.

Widersprüchliche Momente meiner Weltanschauung/
Sonett (2010)18

Materie? Es ist nichts außer ihr zu fassen.
Determinismus? Nun: Was hielte sonst die Welten?
Und Nihilismus? Er entlarvt uns alles Gelten!
Das will ich hier als wahr für mich so stehen lassen.

Gesellschaft wird’s nie geben ohne scharfe Klassen,
Narzissmus, Niedertracht und asoziale Kälten.
Dagegen Würde und Vernunft nur sehr, sehr selten.
Vor allem müssen wir uns selber doch verprassen.

Und dennoch will mich da so eine Trance betören,
all diese Fakten radikal zu ignorieren.
Um Gott als Stoff, als Logos-Hyle zu verehren.

Mich zu befreien so aus diesem Bann von Tieren
in eine Geisteswelt, wo jene nicht versehren,
um dann mich triebfrei in Vollendung zu verlieren.

*Logos-Hyle: Wörtlich: Geist-Materie, d. h. Gott und Materie seien identisch: Pantheismus (so die antike Philosophenschule der Stoa); s. Fremdwörterverzeichnis

Zwischenbemerkung XIX (2011)19

Wie weit wir 
doch gekommen sind!
Vor allem freilich:
Runter.
Durch Korruption 
und Ethik-Plunder
von Dilettanten …
arrogant 
und faktenblind.

Zwischenbemerkung XX (2012)20

Versagen und Charakterlosigkeit,
die gehen stets zusammen;
gepaart zumal 
mit ungeniertem Schneid
von selbstbestandslos 
Bildungsklammen.

Zwischenbemerkung XXI (2013)21

Da kommen Ungeeignete nach oben 
- und das ist dem System geschuldet -.
Von den Parteien hochgeschoben,
politisch fähig nur noch sehr bedingt.
Karrieristen-Cliquen oftmals nur; 
und das heißt eben: Phrasen-Nieten.
Die oft nicht wissen doch, wovon sie reden …
(vielleicht es auch nicht wissen wollen)
Und grade deshalb sich als kompetent anbieten.
Indem sie Amtsversagen als Erfolg herbeten,
Geschwätzigkeit als tief und ehrenvoll ausloben,
Gesinnungsdumpfheit als Charakter-Güten …
Narzissmus-Durchschnitt, der sich selbst verkultet,
sich selbst vor allem will doch Beifall zollen.

Selbstverfügungsverlust/Sonett (2014)22

Was ist man noch? Wenn ich es recht bedenke,
dann einer, dem man Selbstverfügung nahm,
den ständig heimsucht Macht als Tugend-Kram,
die Hysterie vor allem dieser Senke

einer Gesellschaft ohne Halt-Gelenke.
Die provoziert - und tut das ohne Scham -
und zwar in jeder Hinsicht krass infam …
Auf dass man, happy, dann sich selber kränke.

Tatsächlich wird man endlos zugemüllt
mit Sinnersatz- und Rauschwert-Angeboten;
durch Trivial-Motorik cool verhüllt.

Um sich am Ende freudvoll auszuloten
als Vollidiot, den das Gefühl erfüllt,
man lasse hören ihn Erlösungs-Noten.

Evolutions-Zufall (2015)23

Die Welt ist nun mal faktisch Gosse.
Ist ungerecht und rücksichtslos; ganz ohne Skrupel.
Ich stell’s nur fest, dass es so ist.
Und dass das niemanden berührt, das weiß ich auch.

Nun mein ich keineswegs, das sei die Schuld der Bosse.
Die dafür sorgen, dass er rollt, der Rubel.
Auch nicht der Vielen, die Gefühl auffrisst;
vielleicht die Ahnung, dass sie fronen Schall und Rauch.

Ich wage Äußerstes: Den Glanz der Redlichkeit.
Und sage offen: Nun, wir sind verloren …
Gehirn-Ausschuss als Seelensteine.
Der für die Hyper-Ratio nicht mehr einstehn kann.

Er muss sie steigern, diese Gleichungs-Nichtigkeit.
Vom Großen Zufall auserkoren:
Dass uns nun späte Barbarei aufscheine
als letzter evolutionärer Bann.

Niedergang: Deutschland/Sonett (2016)24

Subtil verworrene Funktionseliten:
Gesinnungsethiker, bereit zu brechen
das positive Recht durch Hoch-Moral …
historischem Gewissensdruck ergeben?

Banditen duldend, ihnen nicht verbieten,
dass sie entziehen sich den Spiegelflächen 
der Monopolgewalt und illegal
nach eignen Normen von Verbrechen leben.

Politisches Fundamentalversagen.
Dem deutschen Hang zur Feigheit auch geschuldet.
Entglitten sind auch alle Geisteslagen:

Das Laisser-faire, das Psychen-Wirren duldet,
muss Rechtsherrschaft denn auch diskret versagen.
Weil eigene Verwahrlosung verkultet.

Niedergang: Global/Sonett (2017)25

Und Staatenführer, die sich überbieten,
Ressourcen des Planeten zu verzechen.
Sakralisierend sich und Absatzzahl.
Narzissten, die Erfolg an sich erstreben.

Und solchen ist es geistig nicht beschieden
zu ahnen, dass sie faktisch sich erfrechen
als Technokraten-Hirne dann global
ihr Werk in Selbstzerstörungsrang zu heben.

Sie tragen ihren Untergang in sich:
Kapitalismus, Technik, Wissenschaften. 
Sie sind des Großhirns destruktiver Stich,

den weder Spezies noch Natur verkraften.
Evolutionszwang. Unabänderlich.
Und Homo schuldlos. Kann nicht für sich haften.

Phantasmen-Demiurg* (2018)26

Die meisten meiner herrlichen Erinnerungen 
habe ich einfach erfunden; geradewegs erdichtet. 
Denn schließlich braucht man was, 
besonders gegen sein Ende hin,
an das man, verklärungsbedürftig und sentimental geworden,
bedrückungsfrei zurückdenken kann.

Und die gängigen Lebenslügen: Entlastungsfiktionen,
z. B. Liebe, Glück, Erfolg, Bedeutung,
phantasierte ich mir, indem ich mich z. B. 
im Suff intellektuell herabsetzte, 
deshalb zuweilen zu betäuben,
um mich psychisch gegen meine deprimierenden 
Erfahrungen und Einsichten zu wappnen.

Sogar politische Phrasen und Macht-Beschönigungen
habe ich willig hingenommen
- als beschrieben sie gesellschaftliche Realitäten -,
so die von Demokratie, Gerechtigkeit, Rechtsstaat usw.;
obwohl ich wusste, dass man sich so 
- mittels Hypermoral und Naivität -
als Sozialmonade auch personal ruinieren muss.

Eigentlich habe ich mir lebenslang alles Mögliche vorgelogen.
Aber immerhin hatte ich nie Hunger,
musste ich nie frieren, nie anderen als Knecht dienen. 
Das sei anerkannt; trotz meiner nagenden Befürchtungen, 
was die Zukunft 
dieser schäbigkeitsträchtigen Konsumdiktaturen anbelangt.

*Demiurg griech.: Handwerker, Erbauer, Schöpfer, auch (bei Platon) Weltbaumeister

Zufallsschicksal (2019)27

Unstet in sich selbst gefangen
muss man das, was ist, 
versäumen,
kann zu Schemen
nur gelangen,
so denn Welt und Ich  
nur träumen.
Heimgesucht von Triebbelangen,
die indes 
vor Ohnmacht schäumen.
Nicht mal selbst sich
kann man deuten,
perspektivisch sich gegeben,
kann so nur 
Ideen ausbeuten,
Zufallsschicksal hingegeben.

Prosafetzen (41)/Sentimentalisierungs-Drogen (2020)28

Früher Tage Sentimentalisierungsdrogen 
führe ich mir zu.
Songs der Beatles und Rolling Stones abspielend,
die mich an diffuse Sehnsüchte erinnern,
die sich auf nichts und niemanden richteten,
nur eben in die Psyche einschossen:
Lediglich abstrakter Innenweltanreicherung dienten.
Als ob ich schon damals geahnt hätte,
dass sich eine kapitalistische Existenz,
luzide betrachtet,
in technisch ermöglichten Bewusstseinsversimpelungen erschöpft:
Popmusikalischer Erregungszufuhr,
Narzisstischer Ich-Anreicherung,
sexualisiertem Verlotterungsmystizismus
und neidträchtigem Egalisierungsdruck -
Verbrauchererziehungsstrategien: Abrichtung.

Prosafetzen (43)/Abständig (2021)29

Hielte ich mich
in Gesellschaft auf,
langweilte ich 
mich noch mehr,
widerten mich 
Subjekte an,
deren narzisstische Flachheit
mir jene Art 
von Aggressionen hervorriefe,
die ich besser vermeide,
gleichgültig,
wertvergessen
und zynisch, 
wie ich, 
voraussehbar, 
geworden bin.
Und zumal voller Verachtung
für jener
bombastische
Selbstglorifizierung.

Prosafetzen (49) (2022)30

Deine angelesenen Sottisen
magst du
für dich behalten.

Doch auch an dir selbst
nehme ich
keinerlei Interesse.

Verschone mich also
mit deinen verrohungsträchtigen
Verbraucherwirrnissen.

Ich kaufe dich nicht.
Ich schätze dich nicht.
Ich konsumiere dich nicht.

Ich will dich 
nicht einmal
geistig vernichten.

Prosafetzen (61) (2023)31

Was hab ich 
Glück gehabt!
Und auch: so viel!
Und durch und durch 
nicht mal verdient!

Denn das ist Glück,
dass die Jahrzehnte,
die mir bestimmt 
zu leben waren,
die besten bisher doch
gewesen sind:
sozial,
politisch,
wirtschaftlich
erst recht.

Und wohl für lange Zeit
die besten,
möglich auch:
für immer.

Ein wohlstandstrunknes
Durchschnitts-Paradies,
von Formel, Technik,
Kapital getragen,
das mir hier Schutz war,
Geist-Abri* und Nische.

*abri franz.: Schutz. Ursprünglich:Altsteinzeitliche Wohnstätte unter Felsvorsprüngen

Prosafetzen (62) (2024)32

Behaupte mir keiner,
die Menschheit 
habe ein Schicksal,
sei es wert,
gerettet, erhalten, gebessert
zu werden.

Versuche auch keiner,
mir einzureden,
ich hätte mich 
jenes Schicksals
anzunehmen,
hätte sogar
die moralische Pflicht,
für jene Menschheit
Sorge zu tragen …

Mir nämlich ist 
das jeweilige Schicksal
dieser Menschheit 
gleichgültig,
da sie kein möglicher Gegenstand
sittlicher Sensibilität und 
ethisch kommandierender 
Verantwortungsbereitschaft sein kann.

Zumal ich nur Auto fahre,
wenn ich muss,
die Lichtschalter
zuhause, im Betrieb 
und im Sportstudio
regelmäßig, 
als einziger, ausknipse,
strikt von allen 
Vergnügungen lasse,
die die Natur belasten,
und mir überhaupt überlege,
wie man all diese 
narzisstischen Selbstsucht-Monaden
ohne Gewaltanwendung
dazu bringen könnte,
auf den infantilen Vollzug
ihrer armseligen 
Verbraucher-Existenz
partiell zu verzichten -
Ohne Erfolg.

Und das nur,
weil ich mich dazu verpflichtet fühle,
dazu,
dass ich von meiner Pleonexie
zuweilen lassen muss,
um sie auch morgen noch
ein wenig ausleben zu dürfen.

Sinnlos,
diese Überlegungen:
Und ich weiß das,
weiß es
nur allzu gut.

Nicht einmal 
zu einer anstrengungslosen 
Aufmerksamkeit
sind sie zu bewegen;
ihr Stumpfsinn,
ihre Gleichgültigkeit
sind, wie ihre Ich-,
Entlastungs- 
und Genuss-Sucht,
weder böser Wille
noch mangelnde Intelligenz,
sondern auch 
genetisch fundierte 
Wesensdeterminanten.

Ich kann also 
gar nicht einstehen
für eine Menschheit,
die zerfällt
in Milliarden von
Exemplaren,
von denen immer nur
ganz wenige
die seelische Größe
und die geistige Kraft 
haben werden,
sich selbst soweit zurückzunehmen,
dass der eigene Daseinsvollzug
nicht nur auf Verschwendung,
Zerstörung,
Ausbeutung
und Raffgier
abgestellt ist …
Nicht ein solcher ist
ausnahmslos heteronomer 
Kreatürlichkeit.

Prosafetzen (64) (2025)33

Der Schnee fällt.
Er fällt unhörbar.
Er fällt dicht.
Er fällt faszinierend
gleichgültig.

Still, unsäglich still,
bedeckt er 
nach und nach
Erde, Steine, Abfall 
und Wohllebensmüll
mit dem Schleier 
seiner kristallinen Reinheit.

Er lockt mich 
in ein imaginäres Sibirien. 
Er lockt mich zurück
in die Phantasiewelten
frühester Kindheit.
Er hetzt mich in Kleinstadt-Trüben
trostloser Zurückweisungen.

Und an dich, Strohblonde,
lässt er mich denken,
als du ihm statt mir
deinen Körper hingabst,
ihn materienackt und rein
aus der Zeit zu liebkosen.

Prosafetzen (66) (2026)34

Ich würde immer lügen,
schauspielerte ich 
den humanitär bewegten
Intellektuellen,
seiner bürgerlichen Naivität,
seinen Betroffenheitsidealismen,
seiner Hypermoral,
seinen Vernunftidealen,
seiner Betroffenheitszerknirschung
wortgläubig hingegeben,
verbrüderungspathetische Leerformeln 
und egalitär verbrämte
Deutungsübermächtigungen raunend 
- auch, um seinen Realitätsverlust,
seine Vereinfachungsstrategie
und seine rhetorisch subtile
Selbstglorifizierungssucht 
zu verdecken.

Das ist mir völlig fremd.
Dagegen bin ich völlig immun.
Das ist mir zu geistlos, zu simpel:
Ich bin kein Bürger.

Prosafetzen (71) (2027)35

Was so ein Körper doch
an Weltflucht schenkt,
molekular ersaugter Ich-Aufgabe,
sich raus zu retten
- ein paar Stunden -
aus gezinkter Wirklichkeit.

Prosafetzen (78) (2028)36

Inmitten 
des Großen Lärms
die entscheidende
Stille,
evakuierend 
mein Selbst
in die notorisch stumme
Blindheit dieses
dauerprekären Seins.

Prosafetzen (84) (2029)37

Mich haben 
Wut gehalten,
Stumpfsinn und
Gleichgültigkeit,
Sentimentalität auch
zuweilen -
und die stupende
Fähigkeit,
mir die Realität
meinen fremdprovozierten
Phantasmen gemäß
manisch umzulügen
in ein Rauschgespinst
makelloser Fiktionalität,
geistig tragend noch
in den Vernichtungskämpfen
gegen so typisch deutsche,
selbstschädigungslüstern 
erbettelte Wirklichkeitsverluste.

Niedergang: Speziell Westen (primär Europa)/
Sonett (2030)38

Zumal der Souverän ist außerstande,
vernünftig für sich selber einzustehen.
Er dient als Hilfskraft am Vergnügungs-Rande.
Wo er sich ichschwach soll in Lust ergehen.
Und dazu lösen möglichst alle Bande,
um ihn als Mittel, Stimmvieh, zu erhöhen.
Indes auch das ist letztlich keine Schande.
Dient‘s doch dem Ganzen als Funktionskonstante.

Er will es selbst: der Einsichtsmacht entrinnen,
da längst schon ihn Verhältnisse doch treiben,
die seine menschliche Substanz ausdünnen.
Die, nihilistisch, Halt und Sinn aufreiben.
In einem Spiel, das niemand kann gewinnen.
Am Ende schleifen wird auch letzte Bleiben.

Niedergang: Weltmächte/Sonett (2031)39

Dort das Diktat korrupter Staatspartei 
mit offenbaren Weltherrschaftsgelüsten.
Hier ein Verbraucher-Nihilismus, der
sich Werte anmaßt, die ihn untergraben. 

Vollzugstotalitäre Tyrannei
von machtgeschulten Fundamentalisten, 
die sehr scharf denken können, niemals schwer
sich tun mit visionären Zielvorgaben.

All das spricht Hohn den Tugend-Illusionen
Europas, das wohl untergehen will.
Zumal doch außerstande, sich zu schonen.

Es wird verharren unterwürfig still
vor jenen, die der Willkür Eines fronen …
Am Ende aufgehn in des Einen Drill.

Momente tiefen Glücks (2032)40

Und wenn noch was den Grund zu Glücken hätte,
dann wäre es, ich bleib mir treu, nur das:
Zum Nachtisch eine Zigarette.
Ein Blau. Ein Tier. Ein Halm. Ein Glas.

Der Rest ist viel zu kompliziert,
um irgend Glück zu lassen.
Weshalb der Kunde es auch inszeniert,
es diesem Zeitgeist anzupassen:

Der Glück doch gar nicht mehr zu fassen weiß
als etwas, was man gar nicht kaufen kann:
Weshalb er kennt nur seinen Preis,
es selbst so wird Erlebnis-Bann.

Und der zwingt, dass die Jagd nach Glück
es selbst ersetzen muss.
So bleibt es letzten Endes nur zurück
als immergleicher: fader Spaß-Aufguss.

Zusammenschau (2033)41

Quanten, Gier, Erregungspotentiale
(die Dharmas* der Verbraucherseele)
umgreifen diese sinnlos schale,
morbide Artefakten-Höhle,

in der wir Ich-Monaden hausen,
um eines zweckprekären Daseins willen:
Kollektivierung in Erlebnissausen,
Belämmerungsmoral und Pillen.

Wir: haltlos, wertblass, ohne Wirklichkeiten,
verwiesen auf Politparolen,
enthemmt zu rituellem Gleiten
in medienmystischen Affektsymbolen:

Der Dauerflucht in Fun-Randalen,
in Waren-Animismus und 
die Kult-Adiaphora der Ich-Sakralen,
gehütet per Bewusstseinsschwund.

*Dharmas: In asiatischen Religionen Gesetz,
Lehre, Grundbestandteil; auch einzigartige Bestimmung des Individuums usw.

Deutsche Verwahrlosungslüsternheit/Sonett (2034)42

Unmöglich, irgendwas noch ernst zu nehmen,
Verpflichtung und Verantwortung zu tragen.
Versucht man es, wird man, das ist der Haken,
verlacht und Opfer von verrohten Hämen.

Berufskorrupte malen Tugendschemen.
Gewohnheitskrittler fordern Hinterfragen.
Die Infantilen werden sich beklagen,
man wolle Mündigkeit und Spaßrecht lähmen.

Man kann sich nur noch auf sich selber richten.
Dabei verzweifeln oder auch verachten.
Man sieht die Niedergänge sich verdichten,

die dieses Volk ergriffen in den Schlachten
der Marktknechtschaft mit schleichend überschlichten
Bewusstseinstrüben bis zum Selbstumnachten.

Sonett/Existenz (2035)43

Ein stiller Abend. Wie für mich geschaffen.
Ich schläfere dahin, dem Tag entronnen.
Der so wie andre war: Büro-Routine:
Das Alltags-Übliche, das ganz normale.

Im Fernsehn sehe ich Konsum-Schlaraffen,
der Phantasie der Werbung ausgeronnen,
die einem, wenn man ihnen willig diene,
verschafften Wonnen aller Daseins-Grale.

Natürlich weiß ich, dass das ist gelogen.
Doch nötig ist, um  Wohlstand zu kreieren.
Damit erhalten bleibe dieser feine Bogen,

der macht, dass  Waren Psychen konformieren,
sie dauernd flutend mit Beglückungswogen,
Erlebnis-Mystik ihnen zuzuführen.

Ekstatische* Verheimatung/Für … (31.8.2008) (2036)44

Durch deine Edel-Nischen 
in ein Rausch-All trudeln
aus Markt-Gefangenschaft 
und Geltungs-Trümmern,
sich nicht, 
Verkindlichung verfügt, 
verrudeln
in geistig-seelisches Verkümmern;

auf deinen Telos*-Lippen
Es*-wärts treiben
aus analytisch-digitaler
Hörigkeit,
pheromonale* Transzendenz 
fortschreiben
bis in die kleinste 
Stoff-Einheit;

in deiner Bergungs-Feige 
sich verlieren -
wer weiß wohin;
man ahnt es nur -
vereinigt Zartheit, Du-Sucht
und Vertieren:
von Glücken übersäte
Kreatur.

*Ekstase griech.: Rausch
*telos griech.: Ziel
*Es: Freuds Es: der unbewusste, lüsterne Teil unsrer 
Seelenhierachie – nicht von uns zu kontrollieren
*Pheromone: Lockstoffe

Warum ich Gedichte schreibe I (2037)45

Mich zu klären, mich zu finden,
auszudeuten, zu erkennen.
Nie an Illusion zu binden,
Meinungen, die spännen
ein mich Traum und Lebenslügen,
Emotionen zweiter Hand,
mich so letztlich zu betrügen
um mich selbst durch Spaß und Tand …

Vielmehr ehrlich das zu sehen,
was mich meiner doch benimmt:
Dieses Spätzeitgrundgeschehen,
dem Versagen glimmt:
Es ist kaum noch steuerbar,
steht vielleicht am Ende schon;
weder gut noch schön noch wahr:
Grambesetzter Röchel-Ton.

Warum ich Gedichte schreibe II (2038)46

Mich zu gründen objektiv:
In Gesellschafts-Großprozessen.
Dass ich nicht substanznaiv
ignoriere all die Blässen,
all die Schwerter, die doch schweben
über, in mir: Einem Sklaven,
der nicht will von Phrasen leben,
nicht fingieren einen Hafen,
wo er noch zu Hause wäre …
Längst doch metaphysisch tot,
geistig Rand und obsolet;
unbeachteter Exot,
den ein Hauch von Nichts anweht.

Der sich als bedeutungslos,
einsam und getrieben weiß:
Spielball auf zerbrochnem Floß,
treibend zu auf Seelen-Eis

Warum ich Gedichte schreibe III (2039)47

Geistig mich herauszunehmen
aus Gesellschaft, Du und Wir.
Diesen seelenkranken Schemen,
konsumierend stier.
So zu meiden Dekadenz
und Gewissenlosigkeit.
Auch den Sieger und den Stenz:
Ihren Kult-Narzissten-Eid.
Heimzukehren in die Muttersprache
kultureller Exzellenz.
Auch zu meiden diese Brache
der Verwowcoolfuckungs-Fans.
Graue Einfalt auch, den Schwindel,
deutschverlogen hingehaucht
vor stupidem Kult-Gesindel,
es zu schleimen als erlaucht.

Weiter: Um mich zu befreien
aus so manchem Ungenügen
jener faden Daseins-Laien,
die, verlierend, immer siegen.
Sich gefügig einzureihen
in die grauen Riegen,
gegen Fakten-Einsicht sich zu feien.

Warum ich Gedichte schreibe IV (2040)48

Gott noch einmal so zu ehren,
Halt und Scheme ferner Kindertage.
Meister im Entschweren,
dass ein Traum schon trage,
den er aus der Seele hob,
leitete ins Wunderbare:
Himmelsbläuen, bis zerstob
alles drückend Alltags-Wahre.

Mag er tot sein. Nur Schimäre.
Mir ist das egal.
Er macht, dass sich Sinn uns mehre,
Er - Und nicht die Zahl.
Er nur kann das Urbild sein,
sei’s von Güte, Ehrfurcht, Würde,
für uns Affen - kerngemein,
selbst uns Wesensbürde.

Warum ich Gedichte schreibe V (2041)49

Weil es faszinierend ist,
mich auch von mir selbst befreit,
schenkt mir manche Frist
ohne jede Bitterkeit;
nicht als Reiz wirkt, Druck und Zwang,
ganz den Worten hingegeben:
Geistigem Substanz-Belang.
Aus mir selbst mich gar zu heben
in ein Meer von Einsichtsmacht,
auszuleuchten alle Gräben,
allen Daseins Unschulds-Schlacht.

Souverän so zu erkennen,
dass wir nicht sind, 
was wir sollten sein:
Wissende, die nicht verrennen
in Verblendung sich und Schein.
Fähig, sich so zu bewahren
vor sich selbst: Der Hyle-Laune,
Wesen, die sich stets erfahren
als der Barbarei Geraune.
Amoralisch, täuschungsmächtig,
Ichsucht untertan;
andern und sich selbst verdächtig,
hingegeben Angst und Wahn.
Sich bewusst gar, Tod geweiht:
Kreatur zu sein in jedem Nu:
Allbedürftigkeit und Trieb und Neid;
bis ein Sand-Grab deckt uns zu.

Die vielleicht unvermeidbare Selbstzerstörung (2042)50

Wozu noch Gedichte schreiben,
wenn doch, scheint's, die Zukunft fehlt?
Wozu sich noch Geist aufreiben,
dessen Einsichtsmacht so quält?

Nur um meinetwillen noch.
Meine Ohnmacht zu vergessen,
ausgesetzt dem Sapiens-Joch
destruktiver Hybris-Messen.

Manche Stunde mir zu süßen
durch gezielte Weltabsage,
selber mich zu grüßen
im Vergessen meiner Lage.

Die doch längst ist Phantasie,
nicht zu greifen mehr real.
Formel-, Waren-, Reizdruck-Wie,
dienend Rausch und Zahl.

Homo sapiens (2043)51

Mag über die Natur verfügen,
durch Technik und durch Wissenschaften.
Doch immer wird er damit müssen sich belügen:
dass rational er sei, vernünftig; könne dafür haften,
sich selbst zum Halbgott einstmals zu verändern …
zum Würdeträger, von und zu sich selber frei,
um durch ein technogenes Eden dann zu schlendern,
gerade so, als ob er zweiter Schöpfer sei.

Er, Träumer, einem Wesen ausgesetzt,
das, durch und durch determiniert,
ihn gegen sich - und zwar notwendig - hetzt,
zu Scheitern, Barbarei, Gewaltsucht ihn verführt.
Trägt er doch alle Lasten der Vergänglichkeit,
dass Zweck und Ziel er weder ist noch hat,
nur Zufallswurf ist ohne Sinngeleit,
kaum glücklich - selbstvergessen nur, 
und souverän und geistessatt.

Er mag verfügen über alle tote Hyle,
indes nicht über sich, in keiner Stunde.
Ein Büttel seiner eignen Spiele.
Sich selber Rätsel, Feind und Daseinswunde.
Wenn einer also alles hat, indes zuletzt sich selber nicht -
entseelt, verdinglicht, gierige Monade -
ist er verloren, ausgesetzt nur eigner Sicht.
Die zwingt, dass seiner selbst er oft entrate,
dass er verliere sich an Illusionen,
an Wertgespinste und an Fortschritts-Mären,
die niemals ihn doch mit sich selbst verschonen,
vielmehr mit Hass ihn und mit Niedertracht verzehren.

Wir I (2044)52/Sonett
Vergleiche (38/2248) und (66/3473)

Vollzugsunfreie ohne Selbstbestände?
Orientierungsarme Zwangsnarzissten?
Belämmert-fade Medienfetischisten?
Bluff außenprovozierter Psychen-Brände?

Gewissensarm und einsam bis zum Ende?
Zu dienen den systemerwünschten Lüsten?
Mit Surrogaten kindlich uns zu brüsten?
Als ob man Halt in Markt-Behelfen fände?

So zeigt es sich in meinen Analysen,
geeignet, mir die Fakten zu benennen.
Als solche, die mit uns doch längst schon spielen

und, kaum beherrschbar noch, uns so berennen,
dass wir uns fügen müssen ihren Mühlen:
Uns, selbst uns täuschend, wertstier zu verkennen.

Was meine Gedichte sagen oder sind II (2045)53/Sonett 
Vergleiche (9/509), (30/1809), (38/2260) und (52/2647)
    
Was man da sieht, ist oft nicht die Person,
ein Imitat vielmehr von Stargehabe:
ein zeitgeisthörig all-geformter Klon
als Abklatschschatten einer Marktvorgabe.

Der Illusionen kifft, braucht Medien-Mohn.
Auf dass ihn dieser aus Alleinsein grabe,
ihm gaukle vor auch einen Wohlstandsthron,
auf dem er sich dann als vollendet habe.

Indes in einer digitalen Welt,
verliert man radikal an Autarkie,
träumt allenfalls sich noch als Medien-Held,

ist faktisch aber Allzweck-Nummer, die
von einer Knechtschaft in die nächste fällt:
verschleifend sich Entlastungsdrang-Magie.

Nur für mich (2046)54

Ich hab das alles
nur für mich gemacht,
ich meine Einsicht suchen
und Gedichte schreiben.
Ob indes auch mich
frei dazu entschlossen,
das glaub ich freilich 
eher nicht.
Denn wenn ich habe
drüber nachgedacht,
ergab sich jedes Mal 
mir diese selbe Sicht:
Ich bin den andern 
förmlich ausgegossen,
Epoche, dann der Herkunftsschicht,
und nicht zuletzt
Gesellschaftstreiben.
Wie also kann ich sagen:
Nur für mich?
Weil, wäre ich 
ein anderer gewesen,
ich‘s sicher anders 
angegangen wäre:
Ich hätte mich 
nicht geistig rausgetragen,
ich hätte nicht 
den Kern gelesen,
genauer: 
Unsre Daseins-Schwäre …
Wär nie verfallen
ihrem Gegen-Licht.

Resümee (2047)55

Wir wissen gar nicht, 
was wir wollen sollen.
denn das, 
was will,
das sind nicht wir.
Das kommt aus autonomen 
Hylestollen,
ist Drangsal-Zweck in Wesens-Gier.
Entlassen 
aus den Urknall-Knollen.

Wir sind uns selber nicht gegeben.
Wir träumen uns ja nur.
Und das, 
was träumt,
ist nicht zu heben
in Selbstdistanz-Struktur:
In Geist 
als einsichtsvolles Streben.

Zeit, Stoff  und Drang,
sind wir Verfallsvollzüge,
sind Zufallsspielchen 
ohne Seins-Belang.
Ein Leben lang verwiesen 
auf Begriffs-Gefüge,
die weiter nichts sind
als Entlastungs-Drang.
Behelfskonstrukten zu zerfließen
dem Sinnrausch
irgendeiner Daseinslüge.

Für Pindar von Theben/In aufrichtiger Verehrung (2048)56

Und dies dauerleere Wehen,
in sich ungreifbar gefangen,
nun, das kann nur Geist verstehen:
Meister doch in  den Belangen,

die in Nichtigkeiten zwingen,
Daseinsgaukelei verschreiben.
Ohne Aussicht auf Gelingen,
keinen Ausweg zeigen.

Die hab früh ich vorgefunden;
schon in engen Kindheitsgassen:
Außenseiterwunden,
stillen Einsamkeiten überlassen.

Wunden, die mich kommandierten,
Zufallsgnade mich zu schenken:
Gramlast in nur geistgeführten
Schattentraumgelenken.

Dies Dasein (2049)57

Ein Schattenlauf durch ungreifbare Stunden,
nicht zeigend, dass man um sich selber wüsste.
Schon gar nicht um die vielen fremden Welten
in ephemeren Einbildungen.
Dies Dasein, schroff in sich allein gefangen,
und doch von außen nur gelenkt,
sich selber nie gegeben als Ansich.
Ein subjektives Deuten eben nur
von Worten, die das Selbst verzaubern
und unverstanden dann sofort verblassen.

Wer weiß so schon, wer er denn sei,
was es denn auf sich habe mit dem Ganzen,
den Lüsten, Gramgefechten und den Lunten,
die man sich selber ist im Schein von Gelten,
von Du- und Wir-Verkümmerungen?

Ein Ängste-Sammler aus Belangen
des radikal getriebnen Ich,
sich als das höchste Gut zu fassen.
Obwohl doch weiter nichts als stummer Schrei
materieller Grundsubstanzen,
bewusstseinsfähig sich geschenkt
als Illusionen-Gaukler vor der Uhr.,
der stets sein Bild nur, nie sich selber küsste.

Das fremde Selbst der Gedichte/Sonett (2050)58

Ob ich’s auch wirklich bin, was in Gedichten
ich manchmal deutend von mir selbst preisgebe?
Das sei dahingestellt. Mag sein, ich klebe
nur ein  Gespinst von mir aus zumal schlichten

Begriffs-Konstrukten, die mich gar nicht lichten.
Zumal doch das, was ich in diese hebe
nicht subjektiv sein kann, kein Selbstgewebe:
Die Sprache aller kann das nicht gewichten.

Man ist in jedem Augenblick allein.
Sogar sich lyrisch niemals zu erfassen.
Weil doch sich selbst fremd ausgelegtes Sein,

geträumt in kollektiven Seelengassen,
die’s tief verdunkelt haben, sodass mein
Begegnen mit mir selbst versinkt im Blassen.

 

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