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Diese Seite enthält 53 Gedichte (51 Prosa-, Reim-Gedichte und 2 Sonette)

ZINSJ (166) (1817)1

Ich lausche hinaus 
in die Tiefen das Alls,
transzendenzsüchtig 
sein Dauerschweigen 
meiner göttlichen Leere
vielleicht ja doch noch
irgendwann zu vermählen.

Autoanalyse (1818)2

Ich muss mich selbst ins Auge fassen;
so radikal wie andre auch:
die von Affekten aufgepeitschten Massen
nach Führer-, Pop-Star- oder Guru-Brauch.
Ich muss erstellen eigne Expertise,
aus Selbstdistanz die Fakten sehen:
Die engen Grenzen und die Miese;
dass mich die andern um mich selber drehen,
mich tanzen lassen und dies ohne
ein Gran von Rührung angesichts
der Willkür, Selbstsucht und der Mohne
halluzinierten Selbstgewichts.
Betrug nicht, Traum nicht, sondern was ich bin,
soll sich mir so offenbaren.
Verlogenheit verwickelt, um Gewinn 
mir abzupressen aus Verbraucherscharen.
Mich durchzuwinden ungeschoren,
zu raffen und zu übertreffen.
Molekular auf mich nur eingeschworen.
Zu täuschen, Zeitgeist willig nachzuäffen,
vertuschend meine Indolenz,
was diese Menschheit anbetrifft.
Da sehe ich doch kaum mal Exzellenz.
Erahne Machtsucht, Ich-Durst und soziales Gift.

Mittellosigkeit (1819)3

Von Technik Geißel,
Kapital und Wissenschaft,
sei ich mir selber vorenthalten?
Obwohl sie mir mein Dasein klären,
es halten, prägen 
und begreiflich machen?
Als ein Gespinst von späten Lagen,
bestimmt von Formeln, 
Waren und Verfahren,
von Werten und von solchen Zwängen,
die sie notwendig doch 
sich schaffen mussten:
Als Nebenbei der Maximal-Ausbeutung
von Stoff zur toten Masse hin,
Naturumschaffung,
wirkend Selbstvergottung,
ein Zweck zu sein,
des Daseins Herr,
der sich bestimmen könne autonom.
Verdammt indes
zu kruder Selbstverknechtung,
sich selbst doch schutzlos ausgeliefert:
Enthemmungsträgheit, Kreatur,
Bedarfszwang schierer Mittellosigkeit.
Die auch in mir tobt,
dem nur Unbehausten,
im Strom der andern
rauschstumm mitgerissen.

Frage und Antworten (1820)4

Zukunft? Danach fragst du mich?
Welche meinst du?
Welch erfüllte?
Nun ich lebe Augenblicke.
Täglich stets dieselben.
Ausgesetzt Notwendigkeiten.
Wie Routine, 
Tugendterror, 
Waren und Genussdiktaten.
Dann all den Verfahrenszwängen 
technologischer Potenz.
Und - wie anders? - Freiheitsprotzen.
Solcher, die von ihr nur plappern,
dieser Abendlandschimäre.
Kurz: Gespurten Innenwelten,
kommandierend ausweglos,
was Gesellschaft sei, 
korrektes Denken,
Zugehörigkeit und Geltungsrecht.
Provozierend Psychen-Druck,
der mir dezidiert verdeutlicht,
dass ich mich zu fügen habe:
Leistungsdruck und Surrogaten.
Seelenschur und Unterhaltungs-Trug,
die verlässlich müssen greifen.
Darf mich freilich isolieren,
zu bewahren mich in Stillen
vor Verflachungs-Exerzitien,
Erlösungspropagandawut,
schamlos inszeniert von Medien,
Börsen und Prozente-Weisen.
Sinn entwöhnt mir kalkuliert,
wissend, dass ich Mittel bin: 
kalkuliert mich abzuspeisen,
einzulullen mit Subtil-Brosamen …
Lethargie und Indolenz,
Fatalismus und Enthemmung,
Selbstverzicht nach Marktversion.
Sei es smart,
sei es naiv,
sei es cool und lachgaslüstern,
virtuos mich zu verludern.
Um jetzt freilich zu vermeiden, 
dass man gründlich missverstehe,
was ich da,
scharf Klage führend,
eigentlich nur sagen will,
sei hier deutlich klar gestellt:
Dass ich nicht Funktionseliten,
Technikern,
gar Wissenschaftlern,
uns, den Individuen,
den geringsten Vorwurf mache,
irgendeine Schuld zuweise,
was die niederträchtig miesen,
mammonistisch kruden,
drastisch hyperideellen,
spracharm wertverwirrten Dinge …
dieses Ganze anbelangt …
Sind wir faktisch doch nicht fähig,
selbst uns so weit zu gestalten,
dass wir wären autonom,
könnten, dann befreit von Gier,
was auch immer aus uns machen,
fähig, uns zurückzunehmen,
um als Herren unsrer selbst
souverän dann so zu handeln:
Nicht in Kreatürlichkeit,
Zeit und Hyle-Last befangen,
auch nicht in der Grundtatsache,
dass wir dieses stumme Sein 
niemals werden meistern können.
Sind wir doch sein Zufallsaffe, 
unfrei, Tod geweiht, gebrochen, 
selbst uns fremd ein Leben lang,
radikal allein.
Eignem Intellekt zumal 
unausweichlich ausgeliefert,
eine Kunstwelt uns zu bauen,
die das Überleben sichert …
Ganz zu schweigen von dem Sollen,
Halte, Werte sich erdichtend:
hochprekäre Zeichenleeren,
stets von Barbarei und Angst,
Gram und Scheitern und Verzweiflung
jede Stunde doch bedroht …
Sollen, das uns in die Fallen 
sprachlicher Verblendung lockt.
Letztlich dann wohl ins Verderben.

Vor dem Grab einer unvergessenen Geliebten/
Für … (1821)5

Ein liebes Wort der Dankbarkeit
aus Sehnsuchtswehmut 
leis dahingesprochen.
Ich hab es dir in diesem Grab geweiht,
Erinnerungen ausgebrochen
an Stunden, 
die ich nie vergessen werde,
erfüllte, 
die sich nunmehr wiegen
im Schatten dieser schwarzen Erde,
in der nur Trauer noch 
und tote Hoffnung liegen.
Und trotzdem will ich dies dir sagen,
obwohl ich weiß, 
ich rede nur ins Leere,
dass du mich einst hast menschlich fortgetragen
aus mancher stillen Daseinsschwere.

Käferchen (1822)6

Kleines Tierchen,
ängstlich Wesen,
fremd mir,
obschon tief verwandt.
Suchst du Nahrung,
Schutz, Bestehen
auf dem Rücken 
meiner Hand?
Krabbelst da doch 
hin und her,
in dir selbst 
naturgeborgen.
Nicht wie ich
mit Geist versehen,
stets zu kennen
meine Sorgen.
Gäbe dir so gern 
zu fressen, 
wenn ich wüsste, was.
Schutz dir auch 
für Augenblicke.
Dich zu setzen dann 
ins Gras,
wieder konfrontiert 
der Tücke,
dass dich könnte 
überrennen
irgend Schicksal
ohne Morgen.
Darin, Tierchen,
sind wir gleich:
Ohne ewigen Bestand
Teil zu sein 
von Stoffbereich,
der uns kommen lässt
und gehen.
Stumm und zufallsschier.

ZINSJA (126) (1823)7

Ich denke schon täglich,
fast stündlich an dich.
Und frage mich dennoch:
Warum?
Zumal keine Zielgier
Gefühle ausblich,
die zwingend beföhlen,
erwartungsstumm
in dir mich 
noch einmal
selbst zu verfehlen.

ZINSJA (125) (1824)8

Unschuldig-wirre,
irrational taumelnde Welt:
Machtkomödianten
- ausgeliefert den
Wohlstandsbeseligungszwängen 
der Heil und Erlösung 
sich ersehnenden Massen
aus marktfromm
entfesselten Ich-Beständen.
Wohl wissend indes
in der Tiefe ihres Wesens
um diesen drastischen Betrug -
verweigern sich
wirklichkeitsblind
der auch ihr Schicksal
besiegelnden Einsicht
in die von Anfang an
so offenkundig nur 
selbstbetrügerische und 
entlastungsgeschürte
Verantwortungslosigkeit.
Sind die Mittel dazu 
doch endlich und 
die Ratio-Entfaltungen
sapienter Genialität
nichts weiter als 
triebdruckverhaftete,
definitiv unzureichende,
zerstörerische Notbehelfe.

Bedeutungs-Halluzinationen (1825)9

Das ist doch letztlich ganz egal,
ob es ein Scheitern ist, ob ein Gelingen.
Das, was du Fremden bist, diktiert die Zahl.
Für die gehörst du zu den Dingen.

Dein Selbst, das hast du nur als Perspektive
in einem Wertzusammenhang:
Sozial-, Kultur- und Gen-Produkt, naive
Bedürftigkeit nach Ich-Kamm und Belang.

Wer nach Gelingen fragt, der scheitert,
beweist sich damit schon als Zeitgeist-Knecht,
der auf Kommando Durchschnitt sich erweitert
und deliriert, er werde sich gerecht.

Materie, die, ohne Transzendenz,
dich aus dem Nebenbei von Zufall hurte,
erhob in dir sich zu absurder Exzellenz,
indem sie als Gehirn sich spurte.

Gelingen? Scheitern? Noch mal nun gefragt.
Dir sind sie beide ausgeschlossen.
Molekulargebilde, das am Sinnstein nagt,
hängst du am Selbst-Genuss verklärter Gossen.

Kurzzeit-Erlösung: 18.00 Uhr. Glockenläuten (1826)10

Für exakt 5 Minuten
reißt es die Zeit
in stehendes Jetzt,
geleitet mich
aus mir selbst
und so der 
allmächtigen Fremdheit,
die, 
was weiß ich 
wo auch sonst noch 
im Kosmos,
ihr Zwangsspielchen treibt …

Weder Alpha noch Omega,
weder Mittel noch Zweck,
weder Böse noch Gut,
weder Gleichung noch Macht,
weder Trauer noch Lust,
weder Sein noch Bewusstsein …
Das alles ist fort …

In Halden 
von Sinnschutt
reißt es mich hin …
Mich einsam vollendet
gottwärts geleitend.

Folgen von Einsicht (1827)11

Wenn man das Pech hat 
zu begreifen,
was und wie man
heutzutage existieren muss,
dann bleibt nur 
ein Ausweg:
Sich abzuwenden.
Und dies 
- vor allem - 
von sich selbst:
Dem Wesen,
das sich am ehesten
klug-subtil 
zu betrügen weiß.

Splitter-Fakten (1828)12

Biologische Monaden:
Materie
Kampf,
Zufall,
Unfreiheit.

Asubstanziell I (1829)13

Viel weiß ich
nicht zu sagen.
Die Kerne besonders
verweigern sich.
Indes ich vermute,
es gibt gar keine.

Ambivalenz (1830)14

Nichts kann meine Trauer lindern.
Bin ich sie 
längst selber doch geworden;
ich werde sie gewiss nicht 
daran hindern,
auch einzuwandern jenen Worten,
die nichts als mich bedeuten, 
sagen und benennen;
mir lebenslang schon 
eingeschliffen.

Ich deute mich in 
einem toten Rennen
als Profiteur 
von Einbahnstraßen. 
Von diesen fasziniert 
ergriffen.

Frühes Zuhause (1831)15/Variante zu (17/1011)

Ärmlich war's.
Nicht selten roh.
Trauerstill.
Und kaum mal gut.
War kein Paradies
beileibe.
Blieb indes
mir Seelenbleibe.
Weil’s mich 
überscharf präzis 
lehrte paradoxe Glut:
Die des Daseins,
lautend so:
Dass nicht einer
etwas kann,
etwas könnte 
für sich selbst …
Vielmehr ist 
ein Leben lang,
bleibt für sich 
ein undeutbarer 
Zufalls-Übermut …
Unfrei, hilflos,
sich entzogen.
Umgetrieben
rigoros.

Abschied (1832)16

Niemand glaube,
dass ich dächte,
dass der Geist 
noch Zukunft habe:

Diese elitäre Gabe,
plumpnarzisstisch
längst verzechte,
die, 
weil nie auf Hybris weist,
ist dem Untergang geweiht.

Wohlstandsjüngern obsolet.
Alptraum einer faden Zeit,
die am Abgrund steht.
Einem ohne 
Sinntrosttraube.

Sei’s drum.
Werde nie vergessen
Augenblicke, 
Stunden, Tage
Gram entkommener 
Finessen …

Solche ohne alle Plage:
gottgeborgen -
nihilismusstumm.
Manchmal bis 
zum nächsten Morgen.

Betreffs Tod (1833)17

Ich denke einfach zu oft 
an den Tod.
Warum auch immer.
Das Leben freilich,
wie man meinen könnte,
vergällt mir das nicht.

Nicht selten 
bin ich sogar erleichtert, 
zu wissen,
dass das Alles hier
irgendwann einmal 
definitiv überstanden 
sein wird.

Zumal in Zeiten 
wie dieser:
Der hemmungsloser
Selbstzerstörungssucht
und progressiver
Verbitterungsrandale.

Subjektiv gefärbte Analyse (1834)18

Wir sind halt 
nie zufrieden.
Wir können’s nicht.
Wir müssen 
permanent uns  
überbieten,
uns selbst zu sehn
im besten Licht.

Ich halte uns
für daseinsmüde,
für glücksunfähig:
seelenkrank.
Verbraucher 
ohne Güte
in einem faden 
Daseins-Schwank.

Das, was wir haben,
reicht uns nicht,
ist eben doch 
nur Schund:
Vom Markt 
bestimmte Gaben,
zu füllen uns
den Schlund.

Das reicht nicht hin.
Ist Surrogat,
ist Schein und Lebenslüge
Ist Strampeln ohne Sinn
in einem Kundenreservat,
in Glück versagendem Gefüge.

Enträtselt (1835)19

Ich selber hab das große Los gezogen,
indem ich mich als Hyle-Macht-Produkt
hab aus dem wirren Traum gesogen,
dass mehr ich sei als ein Konstrukt
von Zufall und Notwendigkeit,
Bedeutungsleere ohne Sinn-Geleit,
als Nihilismus-Drang in Raum und Zeit ...
Eine Zwangsgebilde ohne Seins-Belang. 

Falls wir unsere Wesenswidersprüche 
überleben sollten/Sonett (1836)20

Die Menschlichkeit des Menschen geht zu Ende.
Er wird sie letztlich digital verspielen.
Was ich da denken mag, gar schmerzlich fühlen?
Nun nichts. Es wird für uns die letzte Wende.

Danach? Ich weiß nicht. Da steht eine Blende
die mir den Blick verwehrt, den einen kühlen
auf all uns Bit-Monaden: Indolente,
versunken siechend in KI-Asylen.

Indes es könnte auch ganz anders sein:
Dass wir als Übertiere werden leben:
Mit Sinn versorgt und ohne alle Pein:

Glückselige, enthoben allem Streben,
ergehend sich in optimiertem Schein,
sich exquisiten Glücken hinzugeben.

Hyle-Monismus (1837)21

Ob je sich jemand wird erinnern meiner,
das ist mir ganz egal;
wer fragte auch nach einem All-Verneiner,
der dieses Dasein sah als kernsubtile Qual?

Der sich in allem hielt nur an die Fakten.
So das, dass er nur Stoffgefüge,
das Macht und Wirtschaft wollten takten,
gewesen sei … sich selber meistens Lebenslüge.

Der sicher war, am Ende warte Leere.
Und meinte die, die ist für alle gleich.
In der dann ende diese gramgetriebne Fähre:
in einem Teilchen-Reich.

Dass da kein Gott sei, nur die Hyle,
die einzig wirklich sei.
Bewusstlos treibe ihre Spiele
als Tyches und Anankes Einerlei.

Prosafetzen (1) (1838)22

Ich kann mich doch nicht 
wirklich ändern.
Bin, was, gezwungen,
ich geworden bin:
Ein unfrei sich
gegebener Verlust:
Gleichgültig fühllos
gegenüber Artgenossen,
opportunistischen 
Gewohnheitstäuschern,
die sich im Stich 
doch lassen müssen,
genetisch wohlstandshörig 
sich benommen.
Wie ich heteronomes 
Stoffgefüge.

Prosafetzen (2) (1839)23

An Selbstverwirklichung 
mag ich nicht glauben;
zumal ich gar nicht weiß,
was sie bedeute.
Entlastungsphrase?
Auch Behelfsgeborgenheit?
Verlassenheitsgetränkte
Emotion?
Beliebigkeitsleerformel,
sich zu wiegen 
in einer Sicherheit,
die’s gar nicht gibt?
Erlösungseskapismus?
Lebenslüge?
Ein Kundenbacchanal,
sich hilflos zu entfesseln
den Pseudoglücken
dieser Mammonsause?
Vielleicht gar Seelendroge,
um sich hinzugeben
dem Nihilismus 
dieser Schalheitsorgie?
Ich weiß es nicht,
kann’s auch nicht fassen,
zumal gelangweilt: 
geistig ungerührt.

Prosafetzen (6) (1840)24

Alles in allem, so scheint es, 
ist es am besten, allein zu bleiben.
Ist doch unter den die Psychen 
totalitär formenden Bedingungen 
dieses Pan-Konsumismus
jedes Du potenziell Träger und Agent
dessen sublim-vulgärer 
Selbstzertrümmerungspotenz:
Existenzieller Substanzlosigkeit.
Alles in allem wird man so
sich erträglich nur allein verfehlen,
nur allein auch noch 
hassfrei versagen dürfen.

Prosafetzen (23) (1841)25

Sozialmonade doch,
mag ich mich
gar nicht mehr 
äußern als Person.
Zumal, wenn ich’s täte,
ein Lügner wäre:
Narziss.
Schauspieler dessen,
was ich nicht mehr 
sein kann.
Was niemand mehr 
sein kann:
Intellekt-Irrationalität
metaphysischer 
Verlassenheit
ausweglos verfügt.

Askese als Selbstbestimmungsgrundlage (1842)26

Ich kann’s drehen 
wie auch immer:
Ohne Selbstverzicht 
verliert man sich.
Wird sich Büttel, 
Marktzwang-Schimmer,
wird sich Schein-Herr,
der sich flicht
ein gekauftes Ich.

Cool! Wow! Fuck! (1843)27

Diese Laute umfassen einen wesentlichen Teil 
der Restinnerlichkeit 
medial globalisierter Artefakten-Büttel:
Technologisch abgerichtetes Leichtlaufseelentum.
Blasiert sich selbst inszenierend.
Unglücklich. 
Aggressiv. 
Entseelt.
Gewissensinvalide.
Freiheit und Selbstbestand delirierend.
Orgiastisch allemal auf Obszönitäten erpicht:
Kapitalistischer Spätzeit-Befehl. 
Reiht der doch unfehlbar dem Durchschnitt ein.
Und der, der herrscht doch längst global.
Zieht alle Fäden. 
Indes sich nicht bewusst, welche.
Jedenfalls auch die innen:
Die, die Selbstbestimmungsillusionen 
zu Gewissheiten spinnen,
die, die Psychen progressiv frigidisieren, 
die, die den utilitaristischen Kalkül-Intellekt 
gegen Geist feien.
Eben innenwelt-verkommen 
und -pornographisch runterbringen. 
Keine Gosse wäre tief genug,
die zu erkunden er nicht beföhle.
Verdient allein sich alle Sporen,
der Durchschnitt heutzutage.
Virtuose zumal der Selbstentmächtigung.
Berauschungsfatalist, 
der stets gewinnen will,
aber nicht weiß, was es noch 
zu gewinnen geben könnte.
Ob nun Diktaturen angehörig 
oder Parteienoligarchien. 
Er regiert die Welt. 
Indes nicht sich selbst.
So wahrscheinlich dem Untergang geweiht.
Naiv sich überschätzend in sich selbst gefangen.
Unfähig zu begreifen, 
was er, sich selbst ausgeliefert, mit sich selbst anrichtet …
Cool! Wow! Fuck!

Weltleer (1844)28/Variante zu (57/2955)

Ich gleite fort in trägen Selbstverlusten,
vorbei an diesem Paradies,
der so subtil gewünschten wie gemussten
Kommandoglücke im Verlies

von Wortschutt, Nutzen-Mythen, Urlaubsschweifen
- den Schwüren auf das Limbische System -
in zugeteilten Psychen-Streifen
ersehnter Gängelung - verzückt, bequem.

Vorbei an mir auch dann am Ende,
um weltleer mich zu phantasieren
in metaphysische Bestände,
die tiefste Schicksalslosigkeit berühren.

Stundensouverän/Sonett (1845)29

Man muss sich nun mal Illusionen machen.
Sich irgendeinen Inhalt phantasieren.
Obwohl uns schwappen doch nur öde Lachen
von Glücks-, Bewusstseins- und Bedeutungs-Schlieren.

Ein Leben lang doch nichts als Ichsuchtwachen,
die permanent nur nach sich selber gieren.
So schaufeln immer in den eignen Rachen.
Sich unfrei in sich selber zu verlieren.

Doch mögen, selten, Gene dies gewähren,
dass man in Selbstdistanz sich darf ergreifen.
Sich zu befreien aus den Daseinsschweren,

die einen ichsiech durch sich selber schleifen.
Sich selbst verfügt, allein auf Geistes-Fähren,
als Stundensouverän heranzureifen.

Variante/Stundensouverän Zeilen 9 – 14:
Doch mögen Zufallslose dies gewähren,
dass man in Selbstdistanz darf geistig reifen.
So dann durchschauen alle Ich-Schimären,

die einen hilflos durch sich selber schleifen.
Verfügen allen Existenz-Galeeren:
Sich zwanghaft an sich selber zu vergreifen.

Atomspreu (1846)30

Wär’s besser, wenn wir Menschen untergingen?
Für den Planeten allemal.
Besonders auch die andern Lebewesen,
die systematisch wir doch rotten aus.

Zumal wir werden niemals selber uns gelingen.
Doch ohne Gott nichts als substanzbrutal:
Auf sich allein gestellte biologische Synthesen.
Als solche ohne Halt und Haus.

Wir werden selber uns indes verschlingen.
Da wir, nur scheinbar rational,
sind doch verdammt zu Unschuld noch im Bösen:
Atomspreu indolenten Weltenbaus.

Prosafetzen (11) (1847)31

Ich begnüge mich,
sei’s auch 
mich asozialisierend,
mit dem Augenblick!
Gibt doch nur er noch 
ein Glück, 
das sich nicht überdauert 
als gespurter Verrat.

Kommandierte Verabseitigung (1848)32

Es sind dieselben scharfen Stillen
(als ob sie zeitlos wären),
wie die vor nunmehr 60 Jahren.
Sie schwimmen in denselben Hüllen
derselben inneren Miseren.
Mit Leeren sich zu paaren.

Es sind dieselben Seelenlagen,
die einem jeden Antrieb nehmen.
Resignation und Indolenz
sofort in jede Regung tragen.
So jede Zuversicht und Hoffnung lähmen.
Mit radikaler Konsequenz.

Und krankhafte Entfremdung schüren.
In Abkehr und in Schweigen bohren.
Man dreht reflexhaft sich dem Abseits zu.
Man kann sein Leben nicht mehr führen.
Man ist noch in sich selbst verloren.
Und macht sich andern zum Tabu.

Realitätssinn V (1849)33/Vergleiche: (6/371), (15/868), (15/869), (19/1107), (31/1863 bis 1866)

Schon wieder fang ich an zu saufen.
Dabei ist es noch nicht mal sieben.
Gewiss: Ich könnte mich zusammenreißen.
Wenn ich nur wüsste auch, wozu.

Um abzuzählen meine Scherbenhaufen?
Die Zeit des Endes mir hinauszuschieben?
Um mich mir selber anzupreisen?
Naiv mich hinzugeben an ein Du?

Das kommt für mich nicht mehr in Frage.
Ich hab mich viel zu oft schon selbst betrogen.
Und überhaupt: Ich weiß um meine Lage.
Mir helfen nicht mal mehr die Drogen.

Hebender Untergang (1850)34

Ich liebe, wie doch alle,
den Effekt. 
Denn der erspart mir
manche Trauerlage.
Indem er mich
medialem Nu einleckt.
Sodass ich Seichte,
nämlich uns, ertrage.
Mir selbst 
in jenem ganz verdeckt.
Nicht mal versucht,
zu stellen eine Frage.
Welch angenehme
und subtile Falle!

Das Gedicht (1851)35

Nun. Erzwingen kann man’s nicht.
Es bestimmt,
ob‘s Bahn sich breche
in Begriffe, in Gefühle,
in affektgefärbte Worte.
Anders wird’s nicht,
das Gedicht.
Will’s doch lichten
Psychen-Wirren,
ungreifbare, trauerschwere, 
anonyme Daseinsschichten,
solche jener Deutungs-Leere,
durch die alle wir ja irren.

Hauptinhalt der Gedichte (1852)36

Im Sessel eingenickt.
Und wessen müde?
Nicht nur der Abendleere 
Medienbarbarei.
Nein. Auch des Inhalts
der Gedichte,
die immer nur
dasselbe sagen:
Dass es vorbei ist 
mit gelungnem Leben,
mit Glück, Moral 
und Selbstbestimmung.
Dass wir verloren Gott
und Wirklichkeit,
in Illusionsbezügen träumen,
Belämmerungen und,
von Selbstbetrug
und Phrasen eingelullt,
Realitäten uns verdingen,
nicht fassbar 
und nicht zu ertragen,
weil seelisch-geistig sie 
herunterbringen,
vereinzeln uns 
und reduzieren
auf eine Existenz,
die mehr und mehr
uns macht zu Knechten
unsres Intellekts.
Der sich - die Welt 
hat er sich anverwandelt -
am Ende dadurch
wird vernichten:
Ein Zwingherr zwar
des toten Stoffes,
doch das im Bann
der Kreatürlichkeit
des Homo sapiens,
seiner selbst nie mächtig.

Fundamentale Wahrheiten (1853)37

Man muss auf Wohlstand setzen:
Spaß und Lust: auf Rausch, 
Erlösungs-Konsumieren, Geld …
Und eben nicht auf  Ideale
- wie Menschenrechte, Würde,
überhaupt Moral -

Denn wenn er wegbricht,
wird das Menschen hetzen
in Ungewissheit, Angst und Qual;
wird das am Ende 
jeden Halt verletzen,
in Anomie umschlagen 
(in Affekt-Randale) …

In Barbarei dann
leere Psychen tragen:
Gewalt und viehisches Ergötzen …
Brutalitäten-Tausch.

Wir sind nun mal auf Quantität gestellt.
Von Würde kann nicht einer leben.
Sind Organismen: Schmerzenswelt …
Bedürfnis-, Trieb-, Macht- und Entlastungs- Streben.

Prosafetzen (375)/Für … (1854)38

Immer häufiger vergesse ich
Namen, Termine, Telefonnummern …
Kurzum die Daten alltäglicher Erledigungsvollzüge.
Sogar was man mir angetan hat: 
Betrug, Lügen, Verrat, Neidniedertracht …
Niederlagen also, Scheitern,
existenziell folgenreiche Fehleinschätzungen
verschwinden immer mehr im Nebel ferner Vergangenheit.
Die Erinnerungsschweren schwinden.

Indes deinen hellhäutigen Körper,
der Sehnsucht verströmend Vollendung versprach …
dieser herrliche Körper: 
Blond behaarte Gierfläche,
lustnischenübersäte Drangsalfinesse, 
Trostträchiger Weltüberwindungsgral
als verzaubernde, ja: 
erlösend-absolute physische Gegenwart,
den werde ich wohl nie vergessen.

Noch immer seiner gedenkend
an Tagen und in Stunden
nunmehr schon recht später Jahre.
Mich nach wie vor klarsichtig an ihn erinnernd,
an ihn, 
dieses erotische Daseinsüberhöhungsgeschenk:
Sommernachmittagsflucht in bannende Glückseligkeit,
Realität und Wirklichkeit definitiv entronnen.
So wie nur noch Gott es zu gewähren vermöchte.

Selbsterschaffung (1855)39

Ich hab mich letztlich selbst erschaffen.
Als Geistselbst in Gedichten.
Auch dieser Welt mich klüglich zu entraffen.
Vor allem ihren Tugend-Sichten.
Der Diktatur der Seelenkälte, 
der Machtsucht und Verschlagenheit.
Dem pseudo-liberalen Weltgemälde
und seiner Gleichungsoberflächlichkeit:
Ein Wohlstandsfetischismus ohne Grenzen,
der primitiven Selbstverluste.
Sein Prototyp muss daher glänzen 
mit Ich-Schaumschlägerei auf leerer Kruste.

So werde weiter ich mich geistig formen.
Solange es mir noch vergönnt sein mag.
Verachtend die Enthemmungs-Normen,
die stammelt jener Menschenschlag
der Pseudofreien, der Narzissten,
der Gierverfügten und der Psychopathen:
Der Macher ihrer Fristen
und Selbstverheerungsdaten.

Ein Ich-Ding nur (1856)40

Ich bin ein Kunde.
Und sonst nichts.
In jeder Stunde
dieses Johlgerichts
ganz Spielfigur.
X eines Wichts:
Ein Ich-Ding nur.

Provinzstadt-Gemeinderat (1857)41

Kurz vor der Sitzung rücken manche 
mehrmals ihre Stühle zurecht.
Andere klopfen derb gegen das Mikrofon,
um zu prüfen, 
ob es auch eingeschaltet ist, 
damit man sie gut höre.
Sie, die lokalen Größen, 
die jovial nach allen Seiten nicken.
Rhetorisch unbedarfte, 
meist durch Zeitungslektüre informierte Bürger
(Geschäftsfrau, Vereinsfunktionär, Parteileute, Wertverwobne).
Die sich jetzt gleich auslassen werden
in Schwaden von Wichtigtuerei,
Selbstverklärungs-Flair 
und stupenden Kreaturen-Eitelkeiten.
Angetrieben auch von persönlichen Interessen 
und zugleich abhängig von Hinterzimmer-Kumpanei,
in Dialekt gewoben und seine schweigende Vieldeutigkeit.
Manche stadtbekannte Vertreter der Ortsvereine
(Fußballclub, Narrenzunft, Blasorchester usw.),
die das Engagement beschwören, 
sich selbst loben und bedenkenlos Steuergelder einfordern 
für Stammtisch-Paradiese und Rasenheizungen.
Vor allem aber, 
um ihre Wiederwahl zu sichern.
Und zumal auch das Recht und die Auszeichnung, 
anlässlich traditioneller Festlichkeiten auf einem hölzernen Thron einer Ehrentribüne sitzen zu dürfen.
Manchmal nimmt einer das Wort Heimat in den Mund,
sentimental, ja: gleichsam metaphysisch berührt 
von naiven Geborgenheitsanwandlungen,
die sich auch in lokalpatriotischem Stolz ausdrücken.
Viel Aufgeschnapptes hört man: 
Phrasen, 
Allgemeinbegriffe,
Schlagworte,
gerade en vogue.
Gleich zu welchen Themen und Zusammenhängen.
So fordere etwa die Wissensgesellschaft 
den Ausbau dieses Tunnels und jenes Straßennetzes,
vor allem auch das Überdenken dessen,
was an den Schulen gelehrt wird, 
um die Schülerschaft 
auf die komplexere Welt der Zukunft besser vorzubereiten.
Von Verantwortung ist die Rede, 
von Pflicht,
Bürgersinn und der schönen Stadt, 
in der man lebe.
Eine Gnade sei es förmlich, 
in einer solchen geboren worden zu sein 
oder arbeiten und wohnen zu können.
Nie habe ich mehr 
an biederen Halbheitsbekundungen gehört 
als im Verlauf solcher Sitzungen: 
Zivilisierte Schlachten von Alpha-Weibchen und -Männchen 
zuweilen prekär oberflächlicher Umtriebigkeit.
Dabei in sich selbst versunken 
schamlos auf Eigenwerbung bedacht.
Auch wenn bodenständige Behäbigkeit,
Bescheidenheits-Bezeigungen und Jovialität 
Selbstsucht und Hinterhältigkeit sie fast bedecken.
Indes weiß ich sehr wohl, 
dass ich ihnen Unrecht tue,
wenn ich sie auf diese Weise beurteile -
Maßstäbe anlegend,
die von ihnen gar nicht würden erfüllt werden können.
Würden sie es aber doch, 
dann zu ihrem, 
der Stadt und ihrer Bürger Nachteil gereichten,
weil geistiger
- und das heißt: radikal wohllebensasketischer, 
elitärer und also auch antikonsumtiv-metaphysischer - 
Natur. 
Derlei Ansinnen können aber keine Bedeutung haben 
in einer Welt,
deren psychophysischer Gedeih und Verderb 
allein von Wohlstands-Erhalt und -Steigerung abhängt.
Ja: Sie tragen in ihren Kernen faktisch die Potenz zur Zerrüttung dieser Welt,
wären also menschenverachtend, 
zerstörerisch und fundamentalistisch-totalitär für sie, 
diese Welt, 
der ich, 
ließe ich mich tatsächlich von Intellektuellen-Arroganz, 
Überlegenheitsgefühlen,
Rechthaberei,
Verachtungsanwandlungen,  
Hybris zumal und Verblendung, 
also erbärmlich-würdelosen,
die eiserne Faktizität in den Wind schlagenden Selbstbeweihräucherungsantrieben verführen,
doch schon deshalb Unrecht täte, 
weil sie es ist, 
sie allein aufgrund ihres mir so fragwürdigen Soseins, 
die es mir erlaubt, 
mich, geistig privilegiert, von ihr abzusetzen,
mich einer Existenzweise zu verschreiben, 
die mich freilich zugleich unbedingt verpflichtet, 
ihre Weltflüchtigkeit als gesellschaftlich substanzprekär 
zu begreifen.
Gleich darin jener anderen, 
der kapitalistisch-technisch-naturwissenschaftlichen,
die doch ebenfalls,
und wie’s aussieht ausweglos,
ins Fiasko führen muss.

Das Verschwinden der Persönlichkeit (1858)42

Die Persönlichkeit ist faktisch kaum noch da:
Gediegene Zurückhaltung wich Zwangsdarstellung.
Geistige Souveränität verschwand.
Das Ich als Ware ist dabei andern Sachen nah
in einer Art von Infantilen-Hort.
Es ist als inszeniertes allen andern gleich:
Ein quasi austauschbares Pseudo-Selbst 
vergnügend sich als Abklatsch-Stich
in einem hergestellten Reizbereich.

Lautreich und lässig-cool spult es sich ab 
als Output eines Starsystems,
das es verführt, als einzigartig sich zu fühlen.
Indes doch permanent subtil gelenkt 
von Spaßkult wird und Vorbildpromis,
die nachzustellen es dann gierig ist. 

Narzissmus und Blasiertheit Beute,
ist’s kulturell verflachender Erguss
in ein orgiastisch all-erregtes Heute ...
als Gestern, Morgen, Übermorgen
ist's provozierter Emotionsausfluss,
verdeckend Wirklichkeit, Betrug und Sorgen..

Zwangsschweigen (1859)43

Ich riefe niemand jemals ernsthaft auf 
zu Frieden und Gerechtigkeit,
Humanität und Toleranz.
Begreif ich doch so ungefähr den Lauf
von Sorge, Ichsucht, Brunft, Verfall und Zeit.
Weiß ich zumal doch auch um jenen Tanz
um Goldne Kälber, Brot und Spiele …
All die Vergeblichkeiten dieser Daseinsmühle.

Ich. Dasein (1860)44

Ich schreibe Gedichte, die niemand liest.
Ich stehe für Werte, die als fragwürdige ich weiß.
Ich täusche ein Selbst vor, das ich nicht bin.
Ich führe ein Leben, das ich nicht lenke.
Ich kaufe Bücher, die ich nicht lese.
Ich rede mit Leuten, die ich nicht mögen.
Ich spiele allein mit inneren Leeren:
Ich heble des Nachts mich selber aus.

Doch kenne ich Stillen, 
mich dem zu entziehen.
Begriffe zumal, 
die auf mir es trennten.
Dies Wunder, das, 
bis zu Geistmacht gediehen,
gefügt ist aus Kernelementen.

Ein Vorgang grandioser Sinnlosigkeit,
aus dem auch ich mich in Dasein verlor.
Nicht Zweck. Und schon gar nicht Wesenseinheit.
Ein Nichts, das sich täglich durch Gottsucht fror.

Beziehung (1861)45

Zurechtgeschwafelte Keimzelle 
der Tyrannei medial verfügter 
Intersubjektivität:
Über sie sickern
alle kapitalistischen Daseinsverkommenheiten 
in die personalen Grundbestände ein.
Um sich so 
- etwa die Ängste vor Einsamkeit, 
Sinnlosigkeit und Scheitern ausbeutend -
die Gehirne als marktkommandierte 
unwiderruflich untertan:
substanzgefügig zu machen.

Gedichte an wen? (1862)46

Gedichte machen,
das ist faktisch sinnlos
in einer Zeit,
die rechenhaft ist, 
banal, 
intensitätslos,
panutilitaristisch verengt 
und geistig verarmt.
Eine Zeit,
die Erlebnisse,
Gelegenheiten,
Augenblickschancen:
Nipp-,
Nepp- und Kick-Quantitäten 
vergöttert.
Den Star,
den Effekt,
das Schnäppchen,
den Orgasmus.
Die sich sogar politisch 
mit beliebigen Besagungslosigkeiten 
trimmt:
Einem Eskapismus frönend,
seichtem Phrasenschlick 
stimmungsdiffus entborgen.
Also: An wen richteten sich 
unter diesen Umständen noch Gedichte?
An den, der sie macht?
An niemanden mehr?
Da geistonanistisch 
doch alle verfehlend,
die stier und selig 
vor Entmächtigungsdusel 
sich haben entlastungsdrastisch 
in sich selbst verlaufen?

Realitätssinn VI (1863)47/Vergleiche: (6/371), (15/868), (15/869), (19/1107), (31/1849), (31/1864 bis 1866)

Noch auf mich selber pochen?
Auf mich, 
die allvermittelte Sozialmonade?
Nein.
Vermeine ich doch begriffen zu haben,
dass mich das nur weiter vereinnahmen würde 
für all die substanzlosen Zwecke 
der blasiert-pfiffigen Pseudo-Individualitäten.
Zwecke, 
die ich für infantil,
selbstübertölpelnd,
verknechtend und unüberlegt-großspurig halte.
Zumal ich glaube,
sagen zu dürfen,
dass schon das Du,
auf das sich nicht einzulassen freilich niemand vermag,
einen auf diese ganze,
mir so eminent fragwürdig erscheinende Welt hin abrichtet.
Ob gewollt oder nicht.
Da gibt es keine Wahl.

Realitätssinn VII (1864)48/Vergleiche: (6/371), (15/868), (15/869), (19/1107), (31/1849), (31/1863 bis 1866)

Ich hab es ziemlich gut begriffen:
Rein metaphysisch ist es leer.
Empirisch? Nun empirisch ganz verschliffen
Macht, Geld, Prestige, Geschlechtsverkehr.

Den freien Willen? Gibt es nicht. Wir sind Gefolge
von Ichsucht. Je nach Absicht, Zweck und Wert.
Trost schenkt die Emotionenwolke,
die sie zu Glück und Sinn verklärt.

So herrschen Stumpfsinn und Verdrängen.
Indes: Wie anders ließe sich ertragen,
dass man vor lauter Zwängen
sich selber muss entsagen?

Realitätssinn VIII (1865)49/Vergleiche: (6/371), (15/868), (15/869), (19/1107), (31/1849), (31/1863 bis 1866)

Mir gehe es - das denkst du - besser
als allen diesen Markttrabanten,
die Bilder konsumieren und vergöttern Quanten,
weil ich erkenne den Erpresser:
Das Kapital, das sich die Seelen hält.
Sie sich gefügig macht durch Emotionen,
die sich Begriff verweigern und belohnen
mit Zauber-, Traum- und Märchen-Welt.

Doch siehst du meine Tragik nicht:
Was ich verneine, muss erhalten bleiben -
Ich muss das fordern: Es ist Grundeinsicht -
Nicht in Gewalt und Hass zu treiben,
in Mordlustdrangsal und in Psychen-Gicht.

Realitätssinn IX (1866)50/Vergleiche: (6/371), (15/868), (15/869), (19/1107), (31/1849), (31/1863 bis 1866)

Es ist ein wenig lächerlich,
fast unaufhörlich von sich selbst zu reden.
Läuft man doch ab gemeinsozialen Strich.
Auf dem man muss sich selbst anbeten.

Kotzt aus, was er vermittelt hat
(denn schließlich muss man leben).
So heult man mit und sorgt an seiner Statt,
dass sich die Iche ihm ganz eng verstreben.

Indes man kann nicht wirklich jammern.
Man hat zu beißen und’s Büro ist warm.
Da kann man schon einmal sich selbst ausklammern.
Zumal grad dann verfügt dem Schwarm.

Poetisch manipulierter Anfang (1867)51

Manchmal tippe ich schon morgens ein Gedicht in den PC.
Und mag’s auch noch so schlecht und noch so simpel,
gedankenflüchtig seicht und lächerlich,
auch unschön, holprig und nur Halbheit sein,
sentimental gar (was das Schlimmste ist),
so lässt’s doch zu, was Daseinsfülle heißt.
Lässt atmen auf schon vor Geschäftsbeginn,
weil es erinnert an die Möglichkeit,
sich abends wieder geistig zu geschehen,
der Welt der Rationalität,
des Mammons und der Seelenlasten,
kurzum: Dem Irrsinn ihres späten Laufs 
bis in die Nähe Gottes 
vollendungsmagisch zu entkommen.

Das ganze Leben/heute (1868)52/Vergl. (57/1942)

Immer häufiger nur 
Abwehr- und Entlastungsschlacht
einer zeitgeistkonform
denkenden und fühelnden Subjekt-Einheit,
oft mittels Selbstbetrug,
Feigheit, Verdrängen 
und Beschönigungs-Mystik:
Ethische, kulturelle, existenzielle …
Als Wortgeklingel,
Tagtraumseichten,
Medial-Delirieren,
lüsterne Bedürfnisabsättigung, 
Verbrauchernarzissmus,
Selbstüberhebung,
Erlebniszufuhrfundamentalismus,
Kauf- und Belämmerungsnarkosen.
Weltbewältigung mithin  
durch artefaktiell gewirkte 
Entlastungs- und Ablenkungs-Ekstasen.
Bis zum erlösenden Ende.

Schlichtes Gedichtchen (1869)52

Wenn’s überhaupt noch etwas gibt,
was unser Dasein groß macht - übergroß …
Sogar zum größten überhaupt …
Dann ist es dieses seltne Wunder Geist.

Worauf ja sonst kaum jemand tippt.
Geht’s doch um Macht hier, Geltung, Geld und Schoß.
Kurzum um alles, was erhöht und was erlaubt,
dass man als Halbgott-Ich sich preist.

Das permanent nur an sich selber nippt,
sich selber Stolz und Halt und Floß.
Und dabei jede Stunde von sich glaubt,
dass auserwählt es um sich selber kreist.

Indes der Geistmensch stets in Trauer kippt,
weil Welt und Mensch ihm liegen bloß:
Stellare Stoffgeschehen, aus Verfall geklaubt, 
Die Zufall formt und dann zerreißt.

Und das in einem Zeitraum, hin geschnippt
als dieses Jahrmillionen-Los:
Das wir als Menschtum haben ab geraubt
der Erde - Die uns nunmehr von sich weist.

Unentschlossenheit (1870)53

Schon dreimal habe ich zum Telefon gegriffen.
Und jedes Mal den Hörer wieder aufgelegt.
Zerrissen, unentschlossen … Freilich klug:
Wer möchte denn schon Illusionen kiffen,
von Einsamkeit und Leere tief geprägt?
So ausgesetzt den eignen Psychen-Kniffen.
Doch niemand; der zumal begriffen hat:
Wir Heutige sind lieblos: Ich-Schaumschläger.
Nur unsrer selbst zuletzt nie satt:
Heteronom verrohte Tagtraum-Jäger.
 

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