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Diese Seite enthält 56 Gedichte (49 Prosa-, Reim-Gedichte und 7 Sonette)

Zwischenbemerkung VIII (1761)1

Dass es oberflächlich sei,
irgendwie auch seelenkalt,
eine Medien-Litanei,
sorgend für ein wenig Halt,
Abwechslung, Entlastungsweisen,
das ist unbestritten klar.

Muss man sich doch stets beweisen,
dass man faktisch - offenbar -
führe ein gelungnes Leben,
voller Wohlstand, reich an Glück …

Um sich ja nicht zuzugeben:
Reiz-Kult auch und Trancen-Schlick.

Zwischenbemerkung IX (1762)2

Gesellschaft auch 
von Tricksern und von Gaunern,
Sozialstaatsvirtuosen, 
Würde-Raunern.
Vor allem solchen, 
die den Bauch,
den Mammon 
und sich selbst nur kosen ...
Nicht zu vergessen
Tugendmasochisten,
Respektkult-Barden
und pagane Christen,
vereint im Buhlen
um das große Fressen,
erpicht, 
sich selbst zu überlisten …

Um heimlich 
voller Sehnsucht abzuwarten,
sich in Bedeutungslosigkeit 
zu suhlen.

Zwischenbemerkung X (1763)3

Jetzt ist Schluss!
Ich hab das alles satt.
Sei’s Machtsucht,
sei es Tugend-Stuss.
Das ist doch schäbig,
ehrlos, platt;
ja gar erbärmlich noch.

Weil’s keine Würde hat,
kein Ziel; 
und ohne Zwecke ist …
Polit-Theater-Posse,
die Versagen hisst.

Zwischenbemerkung XI (1764)4

Wir alle sind Sozial-Monaden;
als diese in uns selbst gefangen,
sind uns entfremdet,
schroff auf uns zurückgeworfen.
Wir alle existieren ganz allein.
Sind stumme, subjektive Morphen
in einem inszenierten Spaßzwang-Sein,
das anonym uns formt und treibt.
In dessen Deutungslosigkeit wir waten
durch Lebenslügen, Emotionen, Schein …
Als Ich-Geplänkel, das sich selbst aufreibt,
indem es einzig dient System-Belangen;
zumal grad dazu doch perfekt geraten.

Zwischenbemerkung XII (1765)5

Mein Name tut hier nichts zu Sache.
Ich bin bestallter Phrasenlude
der Staatspartei für’s ewig Gute:
Das ist ja eine Phrasen-Lache.

Wiewohl ich andrerseits auch weiß:
Das Gute hätte seinen Preis:
Man müsste sich am Riemen reißen …
Man müsste von sich selbst absehen …
Um es allein - als Endziel – kreisen.

Sich also in Askese üben,
verzichten darauf, sich zu blähen
für irgendwelche Daseins-Grieben …

Es als Vollendung seiner selbst ausweisen,
als Gotteszweck zuletzt es preisen.
Zumal für Macht ist es Belieben.

So ist’s mit allen großen Zielen:
Man muss sich aus sich selbst rauswühlen:
Auf keinen Fall den Sieger spielen,
das As, den Zeitgeist-Kult-Debilen,
den Dummkopf, frönend seinen
Ich-Kalkülen.

Zwischenbemerkung XIII (1766)6

Dass je aus uns 
was Großes würde,
das glaub ich nicht. 
Im Gegenteil.
Wir sind uns ewig 
selber Bürde,
sind Lebenslügen,
Ichsucht feil.

Und plappern deshalb 
auch von Würde:
Weil Stoff wir sind,
uns niemals Heil.

Zwischenbemerkung XIV (1767)7

Ich will hier weg,
will fort von hier,
will Halt und Steg,
will Elixier*
von andrer Art 
als Ichsucht-Kür,
will, kurz gesagt,
vollendungsschier,
was mich und Welt 
(sich selbst vertan)
als Heilsversprechen
überragt

*Elixier griech: Heil-, Zaubertrank

Zwischenbemerkung XV (1768)8

Ich wollte immer nur das Absolute,
weil alles andre kaum was taugt;
uns allenfalls mit Gram auslaugt:
Mit seiner stieren Daseinsknute.

Das Absolute? Das ist Geist:
Die wunderbarste Illusion.
Die grad als diese Wege weist
zu Selbstvollendung ohne Fron.

Sie sich erträumend in Gedichten:
Von aller Schwere dann befreit:
in einer tranceerlösungsschlichten
Zertrümmerung von Ich und Raum und Zeit.

Zwischenbemerkung XVI (1769)9

Du, meine Mieze, 
bist vollendet.
Du ruhst in dir 
ein Leben lang.

Ein stolzes Tier,
das nie verschwendet
sich irgendeinem 
Nichtbelang.

Zumal du herrschst
grad über mich,
beliebig lenkst 
mich kleines Ich …

Für mich 
ersehnter Daseins-Stich:
Kein Muss, kein Trieb;
noch irgend Zwang.

Zwischenbemerkung XVII (1770)10

Was Positives? Nun, das hab ich auch.
Ich muss nicht permanent von Atheismus reden,
von kaltem Psychen- und Gewissens-Hauch
und all den destruktiven Steten,

die dieses Dasein immer ärmer machen,
es einem regelrecht vergällen.
Indem sie’s kommandieren und verflachen,
entfremden Hybris schauernd seinen Geistesquellen.

Ich denke da etwa an Selbstdistanz,
an Faktensinn und Maß und Mitte,
Verstandesschärfe, Ichverzicht und Einsichtsglanz,
Verantwortung und Sachlichkeit geweihte Schritte.

Vorausahnung (1771)11

Was man erahnt, 
das ist ein Niedergang,
ein Drangsalhecheln 
in Verspaßungsgossen.
Von Individuen, 
sich nicht mal selbst noch
von Belang.
Die sich als dauerinszenierte 
nur erleben,
orientierungslos 
sich selbst verschlossen.
Auch kaum noch psychisch 
fähig sind,
nicht posenzynisch 
falsch zu lächeln.
Verführter Medienabklatsch:
Selbst-Verdrängungszwang.
Wahrscheinlich spüren sie 
die Zukunftswirren,
die Ausweglosigkeiten, 
die sie selbst mitschufen.
Beendend ich gelenktes 
Horden-Girren
in Aufschreiqualen, 
die nach Rettung rufen.

Mein armes Land/Sonett (1772)12

Nicht zu versagen, das ist wirklich schwer geworden
in diesem Land der Jäger von Glückseligkeiten:
Erlebnissammler, Freizeitwirre, Urlaubsreife.
Man will sein Dasein lang und unbedingt genießen.

Und alle tanzen dabei nach derselben Pfeife.
Egal zu welchen Zeiten und an welchen Orten.
Man lässt sich unbedacht von Gängigkeiten leiten,
um sich den Kitzeln ihrer Freuden auszugießen.

Indes was heißt das denn genau: Nicht zu versagen?
Sich gegen sich, Gesellschaft und Funktionseliten,
den Zeitgeistdruck zu wappnen, auch um zu bedenken:

Dass es absurd ist, solchen Lüsten nachzujagen,
die nicht befriedigen, nein, psychisch nur ermüden,
weil nur auf Überfluss und Wiederholung lenken.

Variante, Zeilen 12 – 14:
Macht das denn Sinn, Entlastungschancen nachzujagen,
Berauschungsemotionen, die vor ihm behüten:
Dem Nihilismus, anonym uns so zu lenken?

Keine Antwort (1773)13

Man kann des Lebens Wege sehen
sei’s wie man muss, sei’s soll, sei’s mag …
Sie werden manchmal sich indes ins Rätselhafte drehen,
nicht greifbar bis zum letzten Tag.

Wenn sie aus Wesensgründen tauchen:
Das, was wir in der Tiefe sind.
Uns einfach nur gebrauchen,
und treiben vorwärts. Unausdeutbar blind.

Warum war mir der Zufall so gewogen?
Hat Geist mich, Einsicht, Seelenkraft verfügt?
Mich dieser Farce des Marktes oft entzogen,
die viele knechtet und gewissenlos betrügt?

Hat nicht erlaubt mir nur, mich selbst zu tragen.
Auch alles, was mir widerfuhr:
An Niedertracht, an Ausbeutung, Brachialversagen
anom enthemmender Verwahrlosungskultur.

Vor Gott (1774)14

Leisten darf ich es mir nicht,
vor Dir gerade zu versagen.
Versänke ich doch tiefster Scham,
verlustig meiner Wesensschicht:
Ich müsste als Person mich wagen,
getaucht in Selbstverachtungsgram …
Indes soll mir das nicht geschehen,
weil’s einem Psychen-Tod gleich käme:

Dann würde sich ein Unmensch blähen
in Niedrigkeit, Charakterhäme;
in Eitelkeit, korruptes Mittelmaß:
ein Ich-Knecht ohne Geistgewicht …

Auch wenn du nicht bist, 
kannst mich also gar nicht tragen.

Sinngeber Gott (1775)15

Er allein kann Sinn gewähren
als das Sein, das er uns ist:
kann uns vor uns selbst bewahren:
Analytisch uns entzogen.

Er ist nicht als Hyle greifbar,
nur als reines Geistgebilde,
All-Sein, weder falsch noch wahr.
Führer aller Psychen-Schilde.

Tiefste Sehnsucht aller Fähren
aus Gewalt, Versagen, List,
die uns bis in Sphären fahren,
seiner Güte eingebogen.

Uns als Gram zu überwinden,
was uns tiefsten Sinn verheißt:
Nicht mehr Bestie, die entgleist,
selbst sich, Wir und Welt zu schinden

Nicht mehr hündische Exzesse,
nicht mehr die Verwahrlosungen,
denen oft gilt unsre Messe,
Teilchenzwängen ausbedungen.

Das kann dieser Geist-Traum schenken,
den wir alle in uns tragen,
kann uns sanft so dorthin lenken,
wo wir nicht vor uns versagen.

Spröde Wahrheit (1776)16

Man findet - weltwach - keine Freude mehr,
weil faktisch alles ist Problem geworden.
Der Existenzvollzug, global komplex, ist leer
von Unschuld, Heiterkeit und unbedachten Worten.
Auch weil der Mensch an sich doch eine Würde habe,
es gelte so, ihn wertzuschätzen.
Und sei real er noch so plump, sei ohne Gabe,
mag geifern, protzen, sogar neidvoll hetzen …

Nun Würde muss sich jeder selber schaffen
(der Staat vermag für ihn das nicht).
Sich seiner Kreatürlichkeit entraffen:
Pleonexie … ja allem Ich-Gewicht.
Doch dieser Mensch ist ganz, ganz selten;
verhasst dem Mittelmaß und seinem Pseudo-Gelten.

Treue zu mir selbst/Sonett (1777)17

Mit selbst die Treue halten, soll auch heißen:
Auf das, was ist: die Wirklichkeit zu achten
und nicht Begriffe nur mir auszudeuten:
mir etwa Staatsversagen zu verbergen,

den Niedergang des Rechtsstaats und die Weisen,
die Formel Würde wertend auszuschlachten,
um sie politmessianisch auszubeuten,
auf dass die Bösen vor ihr stumm verzwergen.

Zumal Politreklame nutzt Schalmeien,
mich leerformelgewieft sich einzufangen,
auf dass ich paradierte ihren Reihen,
um so durch mich zu Ruhm auch zu gelangen ...

Wiewohl vergeblich sie sich vor mir feien,
weil ich sie weiß als Macht- und Geistes-Laien.

Sich selbst verwaist/Sonett (1778)18

Existenziell sind dann die Selbstverluste,
wenn man sich anonym abstrakt entgleitet.
Wie wir, die wir doch längst verloren haben
die sinntief schöpferischen Fundamente.

Indes die Ratio das bewirken musste,
die sich als Gleichung und Kalkül bescheidet.
Und so zerstört die kulturellen Gaben:
Verrohend alle seelischen Gelände.

Bewahren könnte uns da nur der Geist.
Sei’s vor uns selbst, sei’s unsern Drangsal-Werken.
Die, gierfundiert, uns innerlich verzwergen:

Uns, hedonistisch spaßdebil entgleist,
in Öden drücken, die wir gar nicht merken:
Monaden, seelisch tot sich selbst verwaist.

Leere (1779)19

In und über mir schlagen,
wieder einmal, 
diese so rätselhaften Prägungen
der frühesten Lebensjahre zusammen,
der Jahre, 
während der ich die substantiell geniale 
Gleichgültigkeit des Daseins
förmlich aufgesogen haben muss:
Die seiner metaphysischen Vollendung,
seiner Stille und unüberbietbaren Majestät,
Schuld, Ziel, Wert und Sinn
als unhaltbare Diesseits-Kindereien
ohnmächtiger Selbstsucht
gleichsam im Vorhinein spielerisch entlarvend.

Mähsätze, Wortschlämme, Befürchtungsschlendrian und Parteitagsmagien … 
Ein Gedicht für Aristophanes von Athen (1780)20

Den fortwährenden Politkeifereien 
kann man es abspüren, 
den diffamierenden Bosheiten 
der hasserfüllten Internetkobolde,
der perfiden Sanftheit der Tugendwächter*innen,
dem rechtgläubig kaderfeministischen Megären-Ehrgeiz
mit seiner Wolkenposse radebrechender Demagöginnen …
überhaupt der allgemeinen Empörungslüsternheit,
Diffamierungssucht und aggressiven Gereiztheit;
sogar den verlogenen Wertschätzungsideologien
die tatsächlich alle als Vernunftträger, 
Würdeinstanz 
und sakralisierungswürdige Subjektivitäten ausloben,
triefend vor Humanität, 
Selbstgerechtigkeit 
und Pfaffenarroganz …
Der entblößungsfaden Zuschaustellung von Gesinnungen, 
subtilen Formen geistiger Korruption 
und faktischer Verantwortungslosigkeit 
als Weigerung,
die Dinge realistisch zu sehen,
statt sie mit wertperspektivischen 
Ansich-Primitivismen zu fluten
zeitgeistkonform moralhypertroph narzisstisch 
und gaukeleieitel …
Vor allem auch an dem sicheren Gespür 
der Diener des Augenblicks für das,
was der Zeitgeist von einem fordert 
an undifferenzierten,
gleichsam selbstverständlichen 
- da müsse man gar nicht hinsehen -
Zurschaustellungsbekundungen 
ideologisch-weltanschaulicher Art,
von Werten,
Verhaltensweisen,
Sympathien,
Zeichensetzungsinszenierungen …
Sogar noch den gutwillig-hilflosen 
Weltverbesserungsinitiativen,
uns zu retten vor was immer.

Indes: W a s kann man all dem abspüren?

Dass wir wohl, 
wie immer (es ist wesensbedingt),
nicht annähernd unserer selbst mächtig, 
verloren sind.
Politisch: 
Demokratie und Rechtsstaat werden nicht zu halten sein. 
Gesellschaftlich-sozial: 
jedwede Form von Solidarität wird schwinden: 
Übrigbleiben (wenn überhaupt) werden 
eine radikaldespotische Oligarchie von Hyperreichen 
und ein Milliardenheer von Habenichsten 
(anom-kriminell-lumpenproletarisch, pandeklassiert).
Kulturell: 
die Innenwelten werden zerfallen: 
barbarisch-bestialisch sich ausrichten müssen;
hemmungslos, zynisch, nihilistisch … 
Die Magdeburgisierung jener im globalen Ausmaß.
Ökologisch: 
die Folgen von Klimawandel, Naturzerstörung und Ressourcenverschwendung könnten an sich 
(weil nicht zu bewältigen, schon gar nicht wirtschaftlich) 
und sekundär (Hyper-Migration) zu 
brutalstem Vernichtungsaktionismus, 
zu Massakern, 
Ausrottungszügen 
und grausamen Kriegen führen.
Ökonomisch: 
Was womit für wen und warum in einem dauerprekären Gewaltzustand noch produzieren? 
Existenziell: 
Vielleicht die Selbstzerstörung der Art (homo sapiens).
*
Sind solche Zeilen denn noch ein Gedicht? 
Gewiss doch nicht. Indes was dann?
Ein Alptraum? Pathologische Vision?
Maligner Ängste Gram-Extrem?

Ich hoffe. Doch ich weiß es nicht.
Ich weiß nur sicher, dass er zu viel kann,
der Mensch, allein sich nur noch Schicksalsthron
in seinem pseudorationalen Trancesystem.

Er wird sich wohl nicht halten können:
Nicht fähig, selber sich zu steuern.
Ein Halbgott dann vielleicht, wenn da nicht spönnen
Bedürftigkeit und Zeit an seinen Psychen-Ungeheuern.

Warst mir nicht unlieb, Artgenosse.
Zumal ich immer wusste dich
als Spielball zwischen Hybris, Geist und Gosse …
Dir selber deutungsloses Zufalls-Ich.

Selbstentlarvung III (1781)21
Vergleiche (7/425), (25/1520), (65/3419) und (71/3810)

Wenn ich an das mich hielte, 
was ich von uns weiß -

Dass wir nicht über uns verfügen können,
weil unvermeidlich in uns selbst zerrissen,
(schon leibbasal nur Widerspruch:
Zeit, Ausgesetztheit, Krankheit, Lustsuchtqual;
und noch als Geistesleidenschaft gezwungen,
zersetzungsradikal uns selber zu entbergen:
Der Großen Leere gegenüber machtlos stumm,
dem Rätsel unsrer selbst verfügt),
orientierungslos Fiktionen wertend,
ganz unfest Artgenossen ausgesetzt,
zuweilen knechtisch ihnen untertan,
Bedürfnisträger, die sich beugen müssen 
den andern, die sie überragen wollen,
benutzen und - das ziemlich oft - 
erniedrigen, weil sie das selbst erhebt …
Wir unfrei sind und immer ausgeliefert
Gegebenheiten: objektiven Lagen,
prekär auch dann noch, wenn stabil sie scheinen …
Gezwungen alle, uns hinwegzutäuschen,
dass subjektiv wir nichts bedeuten,
ein Zufallswurf des Stoffes sind,
vielleicht für Augenblicke metaphysisch,
erotisch oder schaffend-einsichtsvoll
in einer Trance von Sinn geborgen -,

ich wäre längst in Einsamkeit,
Verzweiflung, Indolenz und Zorn versunken,
der Wesensbarbarei zumal auch zugetan,
die uns doch alle ausmacht,
faszinierend destruktiv,
erlösungsträchtig gar 
und in den Tod verliebt;
indes Gewohnheitstäuschern, 
die wir alle sind,
die meiste Zeit ganz tief verdrängt,
doch jederzeit, begehrt gar, abrufbar:
Wir sind sie nämlich substanziell …
Weit mehr als 
Güte, Mitleid und Agápe … 
Als alles, was uns dienen mag
als Großbetrug, 
uns vor uns selbst zu schützen,
dem autodestruktiven Intellekt-Titan.

Totalitäre Welt (1782)22

Wie gerne würde ich 
mich auch mal träumen
den coolen Tag entlang und dann
durch heiße Nächte,
um mich in Gängig-Glücken
zwangsekstatisch zu versäumen …
Zu inszenieren dann,
wie alle diese Spaßgeflechte,
die eskapistisch sich entzücken,
Erlösungstaumeln hingegeben,
in kollektivem Rausch geborgen …
Die sich als Marktgefolge 
relevant erleben …
Um zu vergessen
nicht nur ihre Sorgen,
nein dies auch,
dass sie einer Welt verschweben,
die faktisch alle zwingt,
sich ihr als surrealer:
totalitärer ausnahmslos zu schicken.

Die gegenwärtige Gesellschaft II (1783)23

Sie flutet einen innerlich,
sie tut das permanent,
löst einen in Reflexe auf:
In marktverfügtes Ich.
Von dem sie die Person abtrennt,
auf dass es inszeniere sich,
so dass es sich verkennt:
Als unfrei bloßes Leib-Ansich,
das zeitgeistsiech sich überrennt.

Metaphysische Enteignung (1784)24

Was kann ein Einzelner denn noch bedeuten
in einer technisch optimierten Welt?
Er wird sich selbst ausbeuten,
damit er ihr verfällt …

Imaginären Träumereien:
Belämmerungen, Drogen, Lüsten.
Sich vor sich selbst zu feien
und gängig dann zu brüsten.

Es sei ihm, frei doch, selber überlassen,
sich, da Verreizungsterror eingeschworen,
dem Marktdruck hörig zu verprassen …
orientierungslos verloren.

Das merkt er nicht, Effekt gelungen.
Er, der erlöste Konsument,
sich als Vernunft, Person und Selbst entrungen.
So dass, Objekt, er sich als Ding verkennt.

Privilegiert/Gottgefällig (1785)25

Hab weitaus mehr als ihr erfühlen dürfen
die Großen Leeren dieser Daseinsstunden.
Weil Er erlaubte mir, zu schlürfen
auch noch die nicht gefügten Wunden.
Wahrscheinlich dankbar für dies Spätasyl
in meiner Seele Exzellenz-Neuronen.
Die ihn begriffen und sein Spiel,
das sich vollführt in Hyle-Zonen.
Was er mir redlich offenbarte,
dass uns nicht sei es zu bestehen:
Da gähnt nur sinnentleerte Daseins-Warte,
die wir nicht übersehen.
Da toben Schlachten durch die Dunkelheiten,
die niemand auskämpft, niemand schlägt.
Und trotzdem kann sie niemand meiden,
weil ihr Getümmel Hirne prägt.
Die sich in Unbegriffenem verrennen,
indes nur Stoff ihm abgewinnen.
Als ob da Trancen Zwecke spännen,
Schimären sich zu spinnen.

Subjektive Wahrheit (1786)26

Für mich bist faktisch du 
nur ein Stück Dreck.
Obwohl nicht deiner mächtig.
Ein widerliches Daseins-Leck.
Kalt, roh und niederträchtig.
Und du hör zu,
ich meine das nicht böse.
Ich stelle es nur fest.
Es ist, als ob sich 
eine Gleichung löse.
So klar ist das. Der Rest?
Ich kann dir da 
nichts Sichres raten.
Es sei denn, 
selbst dich zu entsorgen:
Dir abzuschneiden deinen Faden. 
Dir Atropos* zu sein
schon morgen.

*Atropos griech. Mythologie. Die älteste der drei Moiren (Schicksalsgöttinnen). Ihr Aufgabe war es, den Lebensfaden zu zerschneiden, der von ihrer Schwester Klotho gesponnen (Herstellung des Lebensfadens) und von ihrer Schwester Lachesis bemessen (Länge des Lebensfadens)

Ich-Verlies (1787)27

Nein. Sinn macht’s nicht.
Auch nicht im Rausch.
Da Drang es ist, 
sich zu ergieren.
Sei’s im Gedicht,
sei’s einem Körpertausch.
Sei es diffus 
sozialen Lagen.
Egal. 
Man muss sich da 
verlieren.
In sich allein
Gesellschaftswicht.
Verfügt der Zahl,
der Zeitgeist-Sicht,
abstraktem Sein …
Dem nichts Besagen.
Gelenktem Plausch 
an toten Tagen.

Homo sapiens/Sonett (1788)28

Dass was an uns, dem homo sapiens, läge,
nun ja, das glaube ich doch eher nicht.
Gewohnheitstäuscher doch und geistig träge,
uns selbst zu rücken in das hellste Licht.

Auch zu verhehlen unser Grundgepräge:
Die rational zerstörerische Schicht, 
substanzbarbarisch ohne Jenseits-Hege.
Auf Macht, Effekt, Gewalt und Lust erpicht.

Mit Selbsterhöhungssucht und Ich geschlagen,
an Illusion und an Effekt gebunden,
wir müssen zumal diese Fakten tragen:

Dem Tod verfügt zu sein und Daseinswunden,
wie der, dass vor uns selber wir versagen:
Als Körper von Verfall und Trieb geschunden.

Geistiger Rettungsversuch/Sonett (1789)29

Was können kümmern mich die Alltagssorgen,
die Daseinsleere und die Eitelkeiten,
die Inhalt, Wirklichkeit und Würde meiden,
um sich narzisstischen Betrug zu borgen,

sich durchzulügen bis zum nächsten Morgen,
sein Ich verdunkelnd und Gegebenheiten,
die unbegriffen in die Seele schneiden,
so Selbstbetrugsmagie sich zu entkorken.

Versuche ich doch geistig mich zu retten
aus inszenierten Halt- und Sinn-Gefügen,
die an Entlastungsillusionen ketten,

auf dass sie diesen Niedergang verschwiegen,
in dem sich doch Erlebniskiffer betten,
sich spracharm Scheinmoral und Schund zu biegen.

Selbst I (1790)30

So ausweglos: Das Selbst. Ein Gitter,
in dem es stets nur an sich selber schlägt.
Genetisch und sozial bedingter Zwitter,
der sprachlich doppelt untergeht.
Weil, sich erfassend, zeigt auf Wir:
Kultur-, Evolutions-Geschichte. 
Indes Formalbegriff ist jetzt und hier.
Perspektivierend Wertgewichte.
Rein subjektiv ist das Genom.
Ein Würfelwurf von blind formalen 
Vermischungen im Zufallsstrom
der Unterschiede - seinszentralen.
Die Genbefehle weltwärts führen
zu Ich (dem Körper), Wir und Du. 
Um sich, versprachlicht, zu verlieren
als Selbstspur: Traum in Broca*-Nu.

*Broca-System: In der seitlich vorderen linken Gehirnhälfte: Motorisches Sprachzentrum, das Sprache hervorbringt (Kodierung), entdeckt von dem Franzosen Paul Broca (1824 – 1880)

Prosafetzen (408) (1791)31

Ein so vertraut fremder
Sommerabend.
Mein hypertrophes Feingefühl
kriecht inhaltslüstern
durch seine Stillen,
entlarvt ihn 
als bloße Zeit,
nackte Gleichgültigkeit
und seinsunmittelbaren Strom 
lungernder Augenblicke.

Prosafetzen (406) (1792)32

Indes mein Absolutes baryonische Materie heißt,
Göttin der Gleichgültigkeit und des zeitgewaltigen Zerfalls.
Und von ihm allein bin ich ein Teil,
vollständig es selbst, 
immanent seinem majestätischen Prachtlauf 
in eine Quasi-Ewigkeit.
Eine Hyle-Morphe,
in der er sich zu Bewusstsein organisierte,
zu diesem Ich,
das dieses Körpers hinweisender Name ist.
Hyperkomplex und vollständig determiniert zugleich,
Ursachenstrom um Ursachenstrom
sei es nutzend,
sei’s erduldend,
sei’s verkennend,
sei’s entbehrend;
Biologie auch noch 
in der sublimsten geistigen Verfeinerung,
in der zärtlichsten Manifestation des Erotischen,
betäubt und berauscht von der 
unbegreiflichen Seligkeit,
in dieser allherrlichen Sinnlosigkeit 
sich selbst noch im Unscheinbarsten 
kosmisch belohnt zu gewahren.

Prosafetzen (405) (1793)33

Was ist man doch für ein armer Gesellschaftsknecht,
permanent auf diesen Jetzt-Dreck hin verwiesen 
medial gepuschter Surrogate:
Waren, 
Propaganda,
Sex,
Technikknuten,
Bilderterror und 
uniformen Glücksbetrug für ethisch exaltierte,
empörungsbeflissene Allverwerter gelernter Ichsucht 
ohne Selbstbestimmungsmacht.

Eigensinn (Trias A) (1794)34

Ich bin - ich weiß es - obsolet.
Warum? Nun, ich bin Geist verpflichtet.
Und der, der macht, dass man im Abseits steht,
sich auf sich selbst nur richtet.

Ich mach es trotzdem. Weil ich muss.
Und sei’s nur, um mich selbst zu achten,
mir mehr zu sein als schaler Schluss
aus Geltungs- und aus Leistungsschlachten.

Wie sie die Markt-Konformen fechten. 
Sie tun’s mit Inbrunst. Rigoros.
Längst doch geworden zu verfügten Knechten
mit nicht mehr individuellem Los.

Werturteile (Trias A) (1795)35

Es war nie groß, doch immerhin,
es gab Momente, wert das Ganze,
das sonst Vollzug nur und Bestandsgewinn,
Befehl war, dass man sich umtanze,

sich Mittelpunkt und letzter Zweck
sich höchstes Gut und Sinn und Gottheit sei -
tatsächlich doch ein ziemlich blasser Fleck
auf diesem destruktiven Einerlei.

Der Schmerz der Einsicht, der war’s wert,
das Dichten war es, das befreite,
dass man als Körperding sich nur erleide,
so Wir und Markt und Du verzehrt.

Lotterie (1796)36

Dass sich manche leicht gelingen.
Andre an sich selber scheitern.
Dritte sich verschreiben Dingen,
die sie hetzen auf den Leitern
sei’s nach unten, sei’s nach oben
auf sozial gespurten Bahnen -
Zweckegefüge, angeschoben
von Verflechtung, nur zu ahnen:
Herkunft, Werte, Zufall; Gene.
Und was sonst noch mag uns formen:
Einsamkeit und Daseinsträne,
Krankheit, Scham und Druck von Normen …
Habe ich nicht ansatzweise
- wie denn auch? - begriffen.
Jedem ist nur seine Reise
vorgespurt und eingeschliffen.

Habe ich herausgefunden,
was, warum mich hat getragen
stumm vorbei an Gram und Lunten,
gab mir Kraft, zurückzuschlagen 
all der Gossen Trauerrunden
von Verrat, Betrug, Versagen?

Nein. Da warf sich Lotterie.
Unergründlich. Nie gerecht.
Blinde, die mit sich nur zecht:
Rausch, Misere, Kult, Manie.

Vom Ende des Geistes (1797)37

Was ist noch da vom Geist, dem ich verpflichtet
und unlösbar verbunden mich erfahre?
Der mir die Wirklichkeit als sein Werk lichtet:
Als Wertgefüge, das allein bewahre
vor einem Fakten-Chaos, das sich selber nichtet.
Indem selbst Psychen es noch macht zur Ware
und sich allein als Sollens-Grund gewichtet.

Doch nichts mehr seit der smarte Mensch sich brüstet,
die Leitinstanz zu sein für alles Gelten.
Indem er technisch Hochabstraktes listet
in anonym entzweckten Metawelten.
Den Psychen dann als Leitstern eingenistet,
zu inszenieren sich als austauschbare Ichsucht-Helden.

Prosafetzen (404) (1798)38

Dass ich gemein bin,
zynisch,
voller Niedertracht,
das leugne ich
mitnichten,
behaupt’ auch nicht,
ich sei’s durch andere
- Gesellschaft, Eltern, 
sonst wen auch -
geworden.
Ich bin’s und muss es sein
bis hin zum Ende,
wann ich mich 
werde lösen dürfen
von mir, von euch:
Sozial verfügter
Schäbigkeit.

Meinem naiv tugendgläubigen Land (1799)39

Was soll ich halten 
von diesem gegenwärtigen Deutschland,
dem Land, das doch auch meines war,
indes mir fremd geworden ist, 
so unaufhebbar fremd,
das sich so radikal verändert,
sich, scheint es, gar schon aufgegeben hat, 
sich zu ergeben phrasenprimitiver Lethargie …
Empörungslüsternheit und Selbsthasslust.

Was also, wenn ich’s kalt betrachte,
mein Deutschland, läge noch an dir?
Du längst totalitärer Ichsucht doch verbrachte
Gewaltruine eines toten Wir?

Du Land des Tugendmasochismus,
der deine Selbstzerstörungssucht beflügelt,
politisch impotent dich macht und psychenwirr …
Du Land der Spaßanbeter, die sich gönnen
Erlebniszufuhr als Bewusstseinsmohn:
Ersatzgehalte, um sich abzulenken
von allem, was die eigne Ichsucht störte …
Du Land der Toleranzschamanen,
sublimdumpf frönend Wortgeklingel:
So dieser blinden Euphorie: 
Der Mensch an sich 
sei frei, vernünftig, gleich und gut,
sei deshalb zu verheiligen
als Würdeträger, ganz egal,
was faktisch er: empirisch sei …
Du Land der kulturellen Auszehrung,
der aggressiven Weltanschauungsjünger,
massiven Wirklichkeitsverlusten doch verfallen,
die in der Tat anstatt auf Werte
auf Sinnschutt nur noch reagieren,
auf Wort-Konstrukte statt Substanztatsachen,
Gesinnungsdespotismus streng ergeben:
Sei’s Powerfrauenstumpfsinn, sei es auch 
frech dilettierender Verwahrlosungsschauspielerei.

Das freilich eitel sich geriert als Weltgeistbote,
Rousseausche Menschen mitzuschaffen.
Die guten ohne Selbstsucht-Lote: 
Der neuen Wertgemeinschaft Geisteswaffen.
Die sich erfahren werden statt nur zu erleben.
Als freie Bürger, mündig, edel, würdevoll.
Sich über sich hinaus zu heben,
wie es der Neue Mensch doch soll.

Du Land auch einer abgehobnen,
Vertrauen ruinierenden Parteienclique:
Oligarchie rhetorisch fader Wortstaubtrickser.
Gestützt indes von infantilen,
medial verführten Sensationen-Jägern, 
gar nicht mehr fähig, selber sich,
nicht emotionsbrachmagisch zu erfassen. 
Wohllebensdumpf doch hilflos ausgeliefert
messianisch-dionysischer Behelfs-Ivresse*.

Indes, mein Land, muss ich dir sagen,
dass du entgegen gehst global perfider Barbarei,
Gewalt, Verzweiflung, Ausweglosigkeiten,
prekärem Dasein immer zugemessen:
Dank objektiv nicht änderbarer Lagen,
trotz Beten, kollektivem Qualaufschrei,
wirst dann auch du brutal durch jene gleiten.
Als Kinderei begreifen deine Tugendmessen …
Wie willst du dich, mein Deutschland, 
dann noch selber tragen?

*ivresse franz.: Trunkenheit

Des Fachmenschen Großtat (1800)40

Verzeihen Sie, wenn ich es unverblümt,
doch mit recht klaren Worten sage:
Hier tobt die Große Mammon-Sause,
des Fachmenschs Großtat, die bescherte
mit ihrem Wohlstand auch den langen Frieden.
Und eben deshalb will ich sie auch loben:
Sie sei von mir als gute Zeit gerühmt.

Dass sie sich nun zu Grabe trage,
weil auch auf ihrem Grund Verderben hause,
das ändert nichts daran, dass sie mich lehrte,
gerade dadurch, dass ich sie gemieden,
mich habe über sie hinaus gehoben.
Sie ließ es zu. Sie ließ mich machen.

Und hat nicht alles irgendwann ein Ende?
Banale Frage. Kindisch irgendwie.
Ich will mich deshalb drauf beschränken,
sie nur zu preisen, statt zu schelten.
Ich wäre ohne sie beschränkt geblieben,
was Einsicht anbelangt und Lebenschancen:
Ein Schatten unten. Ohne Stimme.

Da legte was mich in die eignen Hände.
Indes die Basis dafür legte sie:
Jobs, Studium, Geld, mich selbst zu lenken
vorbei an Haben, Lust und Gelten:
Da hat mich etwas von ihr weggetrieben.
Auch weil sie propagierte solche Trancen
wie Selbstbestimmung, die als Freiheit glimme …
Sich lustsiech abzusetzen von den Sachen.

Die korrumpierte Demokratie/Sonett (1801)41

In einer Welt abstrakter Wertbezüge
und ethisch grundgelegter Aggressionen,
muss man Gesinnungshörigkeit betonen,
zumal auch Fakten gelten dann als Lüge.

Dann wird’s notwendig, dass man sich verbiege,
vertrete stramm des Zeitgeists Illusionen …
Und sei’s auch nur, sich, ichschwach, zu belohnen
mit Zugehörigkeit zur Tugend-Riege.

Ist irgend Wirklichkeit doch längst verschwunden:
Es fehlen alle Selbstverständlichkeiten.
Man fühlt sich frei, an gar nichts mehr gebunden,

lässt sich von Stimmungspropaganda leiten. 
So seiner Selbstverfügungskraft entwunden:
Auch sich als Seelenkrüppel noch zu meiden.

Resignationskorrupt (1802)42

Es ist sehr schwierig,
all das zu verstehen:
Dass untergangs-, 
gar nihilismusgierig,
wir phrasenarrogant 
auf Wegen gehen,
die könnten 
ins Fiasko führen,
in Tyrannei gar, 
etwa Kriegsanlässe.
Um jede Hemmung 
dann auch zu verlieren,
uns zu berauschen 
durch Gewaltexzesse.
Weshalb ich mich
zuweilen frage:
Warum soll’s uns denn
weiter geben,
wenn wir, uns selbst doch 
autodestruktive Plage,
aus Wesenszwang 
vernichten alles Leben?

Apokalyptisches Szenario/Nüchterne Existenzbilanz in Sonetten (1803)43/Sonett

Mich macht die Einsicht in die Lagen müde.
Die Lagen, wie sie objektiv bestehen.
Kann ich doch überscharf die Öden sehen
systemverrohter Psychen ohne Güte.

Nicht dass um Macht es ginge und Gebiete,
um Ausbeutung, Rassismus, Kriegsgeschehen,
um Zukunftsbilder der globalen Wehen.

Es geht um später Zeiten welkste Blüte
vor Überlebenskämpfen ohne Morgen,
um den Verzweiflungszug in toten Räumen

als Weitertorkeln durch verweste Sorgen,
darum, den Untergang sich umzuträumen,
um noch mal Hoffnungstrost sich auszuborgen,
bevor ihn Dürre, Flut und Staub umsäumen.

Vorsatz/Für die Königsbergerin (1804)44

Dein Grab sollte ich 
mal wieder besuchen.
Da draußen 
auf dem kleinen Friedhof,
wo auch diese Bank steht 
unter den scheuen Laubbäumen.
Auf der zu sitzen und 
deiner zu gedenken, 
mich freilich in Trauer, Sehnsucht
und diese hilflose Ohnmacht
ihrer Vergeblichkeit reißen wird.
Werden mich dann doch 
die widersprüchlichsten Erinnerungen 
an dich heimsuchen:
Fremde Vertrautheit, 
fleischkommandierte Rücksichtslosigkeit 
und eigensinnige Naivität …  
Und dieses kindische Hadern
mit der Tatsache,
dass du, doch noch so jung, sterben musstest …
Strohblonde Schneefee
feinsinnigster Leibpracht, 
Gott ergebener Duldsamkeit
und geiststiller Menschlichkeit.

Späte Erinnerung an … (1805)45

Was hab ich nicht,
naiv, sentimental, haltsüchtig,
gehofft auf dich,
du wunderschön zartes,
charakterlich so festes Kleinod 
und naturprivilegiertes Leibgefüge:
erotisch geniale Laune des Stoffes … 
Mir ein Halbgottwerk,
ästhetisch makellos vollendet.
Das meine Ichsucht trieb,
sich kindisch zu erträumen,
tatsächlich infantil verworren,
dass meine große Liebe du,
du meines Daseins Zweck und Sinn,
gar Gral mir würdest werden können …
Nicht umzustoßen 
von welch Seinsharm immer.

Ich träumte das, sentimental gepackt 
von Ignoranz, Borniertheit auch,
ein Tor, der sich gern treiben ließ 
durch diese Zitterfluten von Umarmungsweichen,
hinein in tiefe Wesensseufzer 
im Dunkel jener Sommernächte …

Drastisch verstrickt dabei
in das lockende Versprechen 
immerwährenden Glücks …
Durch dieses sich dann auch 
vor Niedertracht, 
Seelenkälte,
Verworrenheit 
und Versagenslust
sicher zu bewahren.
Indes nicht vorbereitet darauf
- es, bin ich ehrlich, nicht wahrnehmen wollend -,
dass, orgiastisch erfüllt,
eine dies zugleich als sündhaft erleiden könnte.
Hilf- und mittellos 
sich selbst und ihren metaphysischen Zwängen 
dabei ausgeliefert …
Eine herrliche Frau,
Leibparadies …
Indes gottwirr sich selbst entfremdet.

Folgen progressiver Realitätsverluste (1806)46

Tatsachen, scheint es, gibt’s kaum mehr.
Nur Perspektiven, Wort-Konstrukte noch und Daten.
Und Emotionen, inszeniert und inhaltsleer,
Vereinzelung begrifflos auszubaden.

Sich selber autonome Abstraktionen,
sind so die Individuen besessen 
- als gleiche Medien- Markt- und Spaß-Schablonen -,
sich rauschverworren zu vergessen.

Auf kindlich simplen Zeitgeistspuren,
sich zu verheimlichen, was ist:
Dass sie als nachgeordnete Systemblessuren
Bedeutungslosigkeit doch längst schon küsst.

Zumal vor Würde, Freiheit, Toleranz
- nicht lehrbar, schicksalselitär, sehr selten -
sehr viele da stehn ohne Glanz.
Fixiert auf Haben, Schein, Geschwätz und Gelten.

USA I: Zerfall eines Landes (1807)47/Sonett  

Am Beispiel eines Mannes, der als Präsident der USA zugleich als Symptom und Verhängnisgefährdung exemplarisch für diese steht

Wenn er politisch dächte, würde er
sich nicht verhalten, wie er’s faktisch tut.
Er weiß wohl nicht, was wäre für ihn gut.
Gebrochner Mensch und geistig völlig leer,
träumt er sich ein in ein Phantasmen-Meer.
Und trifft damit exakt der Wähler Wut:
Wie er, Getriebne einer Mammon-Glut,
Pleonexie versklavtes Kunden-Heer.

Der Mann ist Beispiel für ein krankes Land.
Zerrieben von den eignen Groß-Visionen:
Ein inszenierter Messianismus-Tand.
Infantilismus, Akultur, Ikonen
(die Schundwelt-Antipoden von Personen).
Und das Geschwätz vom einigenden Band.

Geständnis IV/Für Mokr…  (1808)48

Du, meiner faden Tage  Augenweide,
ich muss dir nunmehr doch gestehen,
dass ich, ein Leibwrack, mir entgleite
in aller Tiere Schicksal: Alterswehen.

Nach unten geht’s nun, nicht nach vorne.
Das muss man erst mal akzeptieren können,
dies Zeichen einer Schicksalsnorne:
Zeigt’s doch das Ende an von meinem Rennen.

Indes mein Geist, noch immer ungetrübt,
sich wach erinnert all der Freuden,
die du mir schenktest, allgeübt,
dies Dasein manchmal mir als Sinn zu deuten.

Was meine Gedichte sagen oder sind II (1809)49/Sonett
Vergleiche (9/509), (34/2045), (38/2260) und (52/2647)

In einem Land, das, geistig ohne Boden,
ein Mammon-Reich ist, wirr und unzufrieden;
dem nicht mal Selbstachtung ist noch beschieden,
weil es erhöhn sich will mit Tugend-Noten,

indes sich selbst muss als Verfall ausloten,
beherrscht von Dilettanten, würfelnd Nieten …
Von Leerformel-Sirenen, die nichts bieten,
sind faktenresistente Phrasen-Boten.

Und somit sind sie nichts als Spielereien,
all die Gedichte, die ich jemals schrieb.
Mir auferlegt von einem Geistantrieb,

- längst obsoleter Schatten leerer Reihen - 
der trotz ganz später Zeit mir Leitstern blieb:
Mich völlig Nutzlosem erlöst zu weihen.

Gelernte Knechte (1810)50

Worum’s geht,
ist schwer zu sagen.
Kann’s doch nicht mehr
um was gehen.
Auch nicht Nihilismus-Spaß,
der in Selbstaufgabe weht …
wirbt für inszenierte Glücke,
die nur Augenblicke taugen,
stimmungssiech sich zu vergessen,
infantil sich auszulaugen.
Ohne Mitte, ohne Maß.
Daseinsgierig zu verwehen 
Lüsten, die nicht tragen.
Nirgends mehr ein Geisteshebel,
umzulegen manchmal noch.
Zu begreifen dieses Joch,
dass wir sind gelernte Knechte:
Sinnlos wirre Ratio-Tücke,
Abklatsch 
stummer Mammon-Messen.

Zuhause. In der Heimat (1811)51

Wie gerne würde ich
nach Hause gehen.
Allein ich weiß nicht,
wo das ist.
Ist es der Ort, 
wo ich einst hörte 
schon ganz früh morgens 
Hähne krähen?
Ist es ein Kindertraum,
in den sich Stillen säen,
zu übertönen Hass, 
Gewalt und Schmähen?
Sind es die Winde,
die in Fernen wehen,
um irgendwann sich 
neuen Welten einzudrehen?
Ist‘s gar Gott selbst,
uns noch mal zu erhöhen,
dass wir vergäßen wieder,
dass wir Stoffgeschehen,
sind ohne Mitte, Sinn,
wir Leeren mähen …
Auf immer Heimatlose,
die umsonst drum flehen,
noch mal 
zu spüren seine Nähen,
bevor wir fällen uns
als Seins-Versehen?

Ist schwer zu sagen.
Antwort gibt s nicht.
Wir müssen alle 
heimatlos uns tragen.
Daheim noch allenfalls,
wo scheinbar nun
gerade alles
doch zusammenbricht.

Der zu verdeckende Kern (1812)52

Das, was man am meisten sucht,
nun, das gibt es nicht:
Sinn, ein Dasein nicht verrucht,
ohne destruktive Schicht.

Es ist leere Träumerei,
sich ein solches auszumalen,
das, vernünftig, gut und frei,
nicht sei Kern in diesen Schalen:

Einsamkeit. Ein Leben lang,
Selbstverlustgefüge.
Drangsal-Spielball, 
nur sich selbst Belang.
Wertkommando ohne Haltbezüge.
Grundprekär sich ausgesetzter Zwang.
Aller Barbareien Wiege.

Geistiger Ekel vor manchen oben (1813)53

Wie hab ich doch dies alles satt:
Dies Menschtum ohne Größe;
sein seelenarmes Scheingewissen,
sein Phrasendasein ohne Heiterkeit.

Dies Menschtum, das sich selbst nie hat,
sich selber Last ist - weder gut noch böse,
nur machtsuchtdumpf beflissen
narzisstisch flachem Kunden-Neid.

Das ohne Ehrfurcht ist und ohne Scham,
nichts weiter kennt als Show und Leere:
erpicht auf Selbstdarstellungsposen,
weil unbelebt im Kerngemüt.

Vollzieht nur wortverdeckten Kram
und seines flachen Daseins Grundmisere,
doch abgestellt auf bloßen
Effekt, der ohne jeden Inhalt glüht.

Globalschicksal II (Trias A) (1814)54
Varainte zu (11/516)

Da schwappt was über meine Wege.
Ich ahne, was; und dass ich machtlos bin. 
Wie krumm ich mich auch immer lege -
Es packt mich doch in seinem Sinn.
Macht so mir klar das Ausweglose,
das immer enger sich doch schnürt
ins ungewollte, uns zu große
Globalschicksal, das Halt negiert.

Ich ahne, dass wir ins Verderben lungern.
Berauscht nur Wohlstand hingegeben.
Die einen werden folglich hungern.
Die andern fliehen, Kampf und Scheitern weben.

Unselig und orientierungslos (1815)55

Dass man kann auf niemand zählen,
das ist mir schon seit Kindheit klar.
Ichsiech ist sie, diese Schar 
von Subjekten, die sich schälen

aus Gefühlen, Träumen, Drogen,
ausgebildet als Erlebniskunden ..
seelenlos, verstummt, verbogen,
anonymisierend Wunden,

die sie als Person zerreißen,
hilflos und verzweifelt machen,
drängen auf längst toten Gleisen,
sich als Gleiche zu verflachen.

Kulturlatrine (1816)56

Die stillen Nächte habe ich geliebt.
Die rabenschwarzen Nächte.
Die Nächte, die die Welt umstellen
mit märchenhaften Schatten.
So ihre krasse Hässlichkeit verbergen.

Denn dann sind Machermätzchen ausgesiebt.
Die Ignoranz auch aller Phrasenmächte.
Man fühlt sich fernab von den Quellen
des Menschentums der geistig matten
Kulturlatrine, steuernd in Verzwergen.

 

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