Seite 21

Ein Fremdwörterverzeichnis finden Sie hier

Diese Seite enthält 62 Gedichte (Prosa-, Reim-Gedichte und Sonette)

Prosafetzen (80) (1228)1

Niemandem sollte ich 
mich zumuten:
Zersetzungsträger, 
Verfalls-Biont,
Ichsuchtsöldner 
und Gramspezialist.
Als welche ich 
stündlich lebe.
Unwiderruflich. 
Euch andern darin
so exemplarisch 
haltlos verschwistert.

Meiner archetypischen Blonden aus Königsberg, einem untergegangenen Deutschland/Für Dizlo… (1229)2

Ich stehe am Fenster. In der Nacht.
Ein dichter Schnee fällt.
Ich warte auf dich.
Weil der Schnee fällt.
Aber du kommst nicht.
Du kannst auch gar nicht kommen.
Du bist ja schon lange tot.
Trotzdem stehe ich weiter am Fenster.
Und starre, das Mondlicht gewährt’s,
in den dichten Schnee.
Und warte auf dich.
Indes warum,
wenn du doch längst 
da draußen liegst?
Gliederlos ascheschwarz.
Es wartet trotzdem auf dich,
die Tote.
Es wartet, 
weil ich Sehnsucht habe nach der,
die ich in dich hinein deutete.
Sie in dir wieder zu fassen:
Jene stille Vollendung 
früher Kindertage, wieder und wieder
magisch erfühlbar mir 
im Gestöber rieselnder Flocken - 
weltlos, 
wirfern, 
dufrei, 
ichleer,
bergend.
Weißes Totenland.
Immer werde ich Sehnsucht nach ihr haben.
Immer so auch auf dich, die Tote, warten.
Nachtschwarze, archetypische Blonde.
Aus Königsberg in Ostpreußen.
Auf dass du mir jene bringest,
die Trägerin meiner Sehnsucht
nach nichtender Stille …
nach Erlösung von dieser hyperprofanen, 
gleichungsgebannten Kunstwelt 
technogener Verfallsagonien.

Packende Rhetorik (1230)3

Was war ich nicht schon um die froh!
Sie dient primär mir als soziale Waffe,
als Distanzierungsmittel und Respektdepot.
Auf dass ich mich der Welt entraffe.
Vermöchte manches gar nicht ohne sie:
Sei’s andere in Bann zu schlagen, 
sei’s sie zu treiben in manch Aporie*,
sei’s sie auch über sich hinauszutragen.

Das alles tu ich, mich zu schützen:
Schauspielerei zu meiden, Lügen, Blenden,
Funktionseliten, Stars und Tugendspitzen …
Mich deren Trug nicht zu verschwenden.

*Aporie griech.: Ratlosigkeit, Verlegenheit

Eingeständnis V (1231)4

Nie habe ich vertraut auf intellektuelle 
Prinzipien, wie den Satz von Kant,
nur die Vernunft sei reine Quelle 
von Würde, Willensfreiheit, sei Garant 
für unbedingtes Handeln von Personen.
Tatsächlich sind wir gar nicht frei:
Determinierte Hyle-Drohnen.
Im Kampf um Selbstwert, Lust und Wohlstandsbrei,
Prestige, Entlastung, Traumsud zweiter Hand.
Uns selbst und andern Instrumente,
getaucht in rationale Ignoranz.
Auf dass das Selbst sich dem Befehl hin spende,
sich zu verlächerlichen in geliehnem Glanz.
Wir feiern uns als Wertsubjekte,
als Gattungswesen hirnkomplex herausgehoben.
Uns Hybris-, Logos-Allmacht-, Endzweck-Sekte.
Um faktisch Ichsucht nur zu toben.

Bodenlos für sich stehen (1232)5

Ich wäge meine Angestellten-Leeren.
Obwohl das sinnlos ist. Ich weiß.
Denn sich in ihnen zu verzehren,
ergibt nicht einen festen Deutungskreis.
Nicht eine Ordnung, keinen Halt.
Indes den gibt’s wohl nirgendwo,
weil man sich stets an Illusionen krallt:
Behelfsausflüchte, meistens roh.
Weshalb ich mich für unfrei halte:
deterministisch festgelegt.
Ein Ding, das sich nie selbst gestalte.
Als Organismus Zufallslos.
Von Stoff, Gesellschaft, Trieb und Traum bewegt
durch eine Welt von Trauer-Meeren.

Spätzeit-Mythe (1233)6

Schund liquidiert das Gerüst, 
das mal trug,
in Zeitgeist negiert,
der Gehalt sich entschlug,
blieb nichts als die Mythe,
dass Wert sich noch lohne,
dass auch noch, wer Niete,
wer Abklatsch-Schablone, 
Subjekt und Person sei,
nicht Trieb-Automat,
sei Selbst der Substanz-Drei
von Recht, Würde, Staat.

Monade/Sonett (1234)7

Man steht allein, schroff gegen sich und alle.
Ist jedenfalls ganz auf sich selbst gestellt.
Geht Deutung, sich und andern in die Falle.
Erfolg vor allem, Gelten, Sex und Geld.

Und weil man so viel auf sich selber hält,
bemerkt man nicht, dass man zuletzt Gelalle:
Prekärem Zeitgeistdruck anheim doch fällt …
Gesellschaftsdespotie und ihrer Kralle.

Ich hab das längst begriffen und vermeide,
mich nur nach Wohlstandsgrößen abzurichten.
Damit ich nicht nur durch den Stumpfsinn gleite,

den Markt-Vollzüge feilen Psychen-Schichten:
Mich nur Erlösungstingeltangel weite,
Erlebnistaumel nur noch zu gewichten.

Was ich nicht will/Sonett (1235)8

Ich will das nicht. Ich will’s auf keinen Fall:
Mich dieser Wohlstandslethargie verschreiben.
Um so in eine Innenwelt zu treiben,
die nur noch Spiegel wäre, Form und Ball
der Inszenierung von Effektkrawall:
Totalerregung, um sich abzutreiben:
Den Massenlebenswerten aufzureiben …
Pleonexie verfallnem Zeitgeistdrall.
Und das bedeutet auch, dass ich verzichte
auf Sinnsuchtfron, Dazugehören, Horde.
Dass ich mich anders als gewohnt gewichte.

So etwa nicht besuche Urlaubsorte,
damit nicht eines ihrer Glücksirrlichte
ins Netz mich treibe geistiger Aborte*.

*Abort: Fehlgeburt, Abtreibung

Ein Ausweg (1236)9
Zu vergleichen ist das Gedicht (3019, S. 58)

Schweigen.
Harren.
Zögern.
Besondern.
Ablassen.
Im Schlepptau 
von Vergänglichkeit,
sich still und 
strikt für sich
auf jenes Nichts hin
gelassen abtragen.
Und sei es nur,
um die kriecherischen 
Nichtigkeiten
eines glücksfeindlichen 
Kapitalismus 
taumelnd vor Hellsicht
gegenhörig zu meiden.

SMS//Zufällig aus einer Papierhalde gezogen (1237)10

Schon morgens inzwischen
danken die Vollstunden ab.
Sich als identische verirrend
im Scheingleiten sich permanent
wiederholender Gegenwart.
Das ganze Leben tendiert längst
zu einer zeitlosen Schicksalslosigkeit
zwischen Lust, Leistung
und Entlastungsfatalismus.

Erwachen (1238)11

Wie oft entlarve ich Erinnerungen,
die gar nichts weiter sind 
als Konstruktionen:
Ein nie Reales, 
indes sehnsuchtstief Erwünschtes, 
das ich mir habe eingeredet.

Wenn man erkennt, 
dass man sich vorlog nur,
man könne, 
was und wer man ist,
erweitern, 
um dem zu entkommen,
was man 
als unabänderliche Prägung weiß …
Dann wird auch das, 
was immer schon 
die vage Ahnung war, 
zuletzt gewiss:

Man ist für sich allein,
ist’s radikal,
ganz unbegreiflich 
Du und sich,
ein eigener Bestand.
Derselbe. 
Fremd.
Bis hin zum Grabesrand.

Ausblick (1239)12

Die Despotie der Ichprekären
zerfrisst doch längst die Wertgrundlagen,
löst auf die personalen Psychen-Sphären
durch systematisches Zerschlagen 
der Individualität,
des Sinns für Fakten und für Grenzen
durch technisches Gerät,
zertrümmernd Differenzen.
Die neuronale Gosse 
wird so sein das Resultat
der Hirnraubzüge der Globalkolosse:
Indes Determinismus-Pfad.
Ein ausgebeuteter Planet,
Ehrfurcht enthoben hinterlassen 
dem Kind, 
dem ganz und gar abgeht
ein Dasein, 
metaphysisch auch zu fassen.

Heteronome Mehrheitsgosse (1240)13

Auf Brot und Spiele: Sausen angewiesen,
auf Räusche: Konto-, Unterleibs-Verzückung
hat diese Menschheit längst bewiesen,
dass ihre einzige Beglückung
in halluzinativer Trance besteht:
In Märchen, Selbstbetrug, Fiktionen.
Für die sie sich 
ekstatisch an sich selbst vergeht,
um sich von Einsichtshieben 
zu verschonen:
Sei’s in dies Dasein ohne Zweck,
sei es in Willkür oder Zufallspossen,
in Despotie und in Charakterdreck
heteronomer Mehrheitsgossen.

SMS//Zufällig aus einer Papierhalde gezogen (1241)14

Bedrückende Hellsicht, dieses Gedicht:
Dieser zwangsverwahrlosten Gesellschaft 
ablauschend,
was sie wohlstandsschauspielerisch 
und Ideale hechelnd verdrängt:
Ihren manischen Wunsch, von sich selbst befreit, 
ziellos entpflichtet zu werden.
Ihrer Grundlagen müde
und einsichtsfeige außerstande,
sich geistig noch zu behaupten.
Übersieht  sie doch, 
dass ihre Mitglieder vor lauter Genuss
und zerstörerischer Rationalität
glücksunfähig geworden sind …

Im Übrigen schon von Anfang an
sich selbst anheimgefallen,
sozusagen konstitutionell zwangskommandiert:
Bipede Werkzeug-Hersteller,
als solche, würden sie nicht ausgelöscht,
die Technik-Virtuosen der Zukunft.
Freilich als diese dann auch
drastisch auf Selbstzerstörung verwiesen.

Hinüberdämmern I (1242)15

Die Lethe wird sich selber trinken.
Mehr könnte ich auch wirklich nicht verlangen,
wenn dann die Schatten und die Hellen sinken.
Verzehrt sich hat auch alles Bangen.
Dann werd ich Weitres nicht mehr merken.
Ich werde aus der Zeit mich lösen,
zu toter Stofflichkeit mich zu verzwergen.
Materiellen Größen.
Nichts wird da auferstehen, niemand strafen.
Nichts bleiben, was sich weiter trüge.
Es gibt ihn nicht, der Seele Hafen.
Wie’s keine Schuld gibt, Freiheit oder Siege.
Wer will das Ganze denn bewerten?
Wer kann’s als Lust, als Ratio oder Traum begreifen?
Ein Alp ist es von psychisch Ausgezehrten,
die Dingsucht sich verschleifen.

*Lethe griech.: Vergessen; in der Unterwelt Fluss des Vergessens

Leichte Variante:
Hinüberdämmern II (1242a)15a

Die Lethe wird sich selber trinken.
Mehr könnte ich auch nicht verlangen,
wenn mir einst Ich und Ding entsinken
und sich verzehrt hat letztes Bangen.

Ich werde Weitres nicht mehr merken,
fängt doch der Rest schon an, sich aufzulösen,
um sich den Stoffen wieder einzubergen:
subatomaren Schößen.

Nichts wird da auferstehen, gar nichts strafen,
nichts bleiben, was sich weiter trüge.
Es gibt ihn nicht, den Jenseits-Hafen.
Wie’s keine Schuld gibt, Geltungswahrheit oder Siege.

Wer kann das Ganze denn bewerten?
Kann er’s doch rational nicht greifen.
Für Sinn muss er in Gott sich erden:
sich dem als ungreifbare Trance verschleifen.

Von innen geschoben (1243)16

Mir fehlt der Sinn für Zeitgeist-Überstiege.
Verpflichtet nur Realitäten.
Auf dass mich nicht noch mehr verbiege
der Seelenaussatz dieser Kunden-Späten.
Befehl wohl meiner zufallsstarren Gene.
Der mehr als alle Tugend motiviert.
Der mich auch kommandiert, zu beißen auf die Zähne,
weil dann sich manche Furcht verliert.
Ich bin nicht zart. Noch irritabel.
Ich glaube nicht an Wahr und Schön und Gut.
Uns schiebt zusammen diese Wohlstandsfabel.
Dies Toben ohne Einsichts-Glut.

Ethische Selbstgefälligkeit (1244)17

Was pflegen wir nicht alle die Fiktionen 
von Gutsein, Diskussion und Kompromissen.
Vertrauen auf die rationalen Zonen …
Indes wir sollten’s besser wissen:
Entweder Ich-Ramsch, Geilheit oder Vieh:
Entlastungsjohlen und Gameten*-Taumeln.
Das Höchste heute 
lässt man morgen einfach baumeln
totalitärer Perfidie.
Dass wir moralisch seien, 
glaube keiner.
Im Gegenteil: 
Wir machen die Fiktion uns klug zunutze.
Und dies umso gewissensreiner,
je mehr sie nutze, 
charakterlich erwünscht beschmutze.

*Gamet, der: geschlechtlich differenzierte Fortpflanzungszelle

Wege systematischer Inanspruchnahme (1245)18

Faszinierend, wahrzunehmen,
wie Zeitgeistjargon, Reklame 
und Unterhaltungsindustrie 
die skandal-, sensations- 
und effekthungrigen Tauschgleichen 
faktisch permanent,
und zudem penetrant, 
mit Unterleibsmystifizierungen heimsuchen.
Wahrscheinlich auch,
weil diese 
solch starke Ablenkungen brauchen,
die sie - trotz gipfelorgiastischer Einsamkeit -
von erregender Kreatürlichkeit 
phantasieren lässt: 
Damit sie nicht ihre Abschiebung bemerken 
ins existentielle Abseits:
in Alleinsein, Depersonalisierung, 
Sprachlosigkeit und Entlastungsknechtschaft.
Einen von sich selbst ablenkende 

Alltagsaktivitäten (1246)19

Leisten,
planen,
kooperieren,
rivalisieren,
manipulieren,
täuschen,
lügen.
Reize entsorgen,
news aufsaugen,
Lüste recyclen,
Mängel verbergen,
Realitäten verdrängen,
Illusionen pflegen,
Selbstrelevanz mimen.
Niederlagen einstecken,
Aggressionen ersticken,
Anpassung vollziehen,
Masken austauschen,
Ängste unterdrücken,
Geilheit bremsen,
Anerkennungskämpfe führen.
Eskapismus frönen,
Pseudo-Geborgenheit erkaufen,
Trivial-Existenz glorifizieren,
relaxen, 
genießen,
andere missbrauchen,
Prestigegewinn inszenieren.
Sich physisch erhalten,
psychisch betrügen,
die Welt vereinfachen,
vergessen und wegsehen,
Sinnlosigkeit ignorieren …
Und sich so 
immer weiter tragen.

Früheste Prägung (1247)20

Frühester Prägung währendem Nein verfallen,
biege ich mir Stillen und Abstand ins Hirn,
aus verschonten Lücken der Kindheit 
welke Mohne entkernend.
Was sonst könnte ich auch den Leeren bieten,
die entfesselt über mich kommen,
wenn mein Selbst sich weitet, Nieten zu hetzen
auf sich. Nieten, die es bewahren.
Die verhätscheln es muss und heimlich herzen,
saugt es Gebete doch aus ihrer Treue.
Ohne die verloren längst es schon wäre,
längst schon verwaist sich.

SMS/Tatsachenbewusstsein bezüglich meiner selbst (1248)21/ZUfällig aus einer Papierhalde gezogen (16.7.2008 im ICE nach Stuttgart zwischen ca. 8.00 und 9.00 Uhr)

Getrieben - ausweglos heteronom:
vor allem biochemisch Zufalls-Knecht,
gesellschaftlich bedürftiges Atom,
steh ich im doppelten Gefecht:

Der Schlacht um Selbs-Maß, Sinn, Bestand …
Der Schlacht mit Artgenossen;
dabei stets Pseudo-Sieger, in sich selbst gebannt,
als Mitgestalter dieser Sprossen
zu spaßumtobten Späzeit-Dysbulien*:

Adiaphora als Massen-Götzen,
sich ichschwach zu entziehen
Bewusstseins-Taumel und sozialen Hetzen 
um in Entfremdung dann von sich fliehen.

*Dysbulie: krankhaft schwacher Wille;
Unwilligkeit, gesund zu werden.

Gewalt der Einsicht (1249)22

Für mich dies alles. Nur für mich.
Ich wüsste niemand, ihm’s zu schenken.
Da lebt ein Körper und sein Ich,
die beide sich zu ihrem Vorteil lenken,
um durchzukommen möglichst ungeschoren.
Am Rande also und allein.
Zumal in was hineingeboren,
was nichts bedeuten kann, wo kein
Moralverhalten glaubhaft lohnt:
Gehalte zerrt aus Zellkernmächten
und Haben, Lust und Geltung sich betont …
Als ob die irgendeinen Inhalt brächten.

Erlebnisverbraucher (1250)23

In Stumpfsinn gekämmt,
phantasielos und fad.
Als Marktknecht enthemmt
zu stets gleicher Tat:
Zu mimen Person 
als sich pflegender Kunde.
Mit Drittselbst - obschon 
sich selbst eine Lunte …
Um nie zu begreifen:
Ihm fehlt eine Mitte.
Er muss sich verpfeifen
an Zeitgeistverschnitte.
Denn weigert er sich,
dann wird er gemieden
als lästiges Ich 
unter Schaumschlägernieten.

Entlarvungswut (1251)24

Ich pfeife auf alle en vogue-Ideale,
die niemand doch halten im Lot.
Sind leer. Wenn’s hoch kommt nur Schale.
Sind historisch tot.
Nicht dass ich dabei Bedenken auch hätte.
Im Gegenteil. Macht’s doch ein großes Vergnügen,
zu sprengen diese Korsette,
die weiter nichts decken als Lügen.
Und woher kommt’s, dass ich nicht traue
dem, was als Höchstes da gilt?
Dass ich auf dieses in keinem Fall baue,
weil’s doch nur ist ein Ichsuchtschild?
Nun daher, dass ich uns ganz gut kenne:
Ermöglicht doch ein Ideal, 
dass man den Moralisten trenne
vom Ich-Knecht ohne freie Wahl.

SMS//Zufällig aus einer Papierhalde gezogen/Nihilismus-Spielball (1252)25

Wen würden diese Zeilen nicht anöden;
zumal so fern doch aller Zuversicht?
Ich wollte nun mal Einsichts-Böden:
Ich wollte nichts als Fakten-Sicht.
Und die, die hat mich sehen lassen,
was besser sich mir wohl verborgen hätte:
Dass man sich nur noch kann verpassen,
dass einen nichts mehr vor dem Zugriff rette
von Staatsschauspielerei und Korruption,
von Wertverlusten und Verwahrlosungen,
Verbrechens- und Enthemmungsschüben …
Narzissmus-Barbarei und Technik-Fron …
In kommandierten Zukunfts-Trüben …
Dem homo sapiens-Schicksal als Objekt gelungen.

Lüste-Wüstenei (1253)26

Viel ist da nicht,
was Grund mir gäbe,
mir vorzugaukeln,
dass das alles sei:
Dies Dasein 
unter Marktgewicht
und schaler 
Medientyrannei …
Also ob man,
Ich-Kalkül,
nur noch erstrebe,
das, was es bietet:
Tauschkultsinn.
Und den erhasche,
wenn man sich erlebe.
Was sei an sich
der Hauptgewinn.
Effekt so als
Emotionen-Masche
verwertend sich 
zu gehen hin,
Narziss und Kind
und Geltungsasche
abstrakter Lüste-Wüstenei.

Sportsendung (Fußball) (1254)27

Endlich etwas Wohlbehagen.
Schaue ich doch Sport.
Frei von Satz, Bedeutung, Wort.
Lastendem Besagen.
Selbst die Emotionen greifen,
reißen mich vom Sessel.
Spür ich doch den Hexenkessel
metaphysisch schweifen.
Spüre ein Entlastungsbeben:
Rausch im Kollektiv.
Was mich packt, ist schicksalstief:
Darf mich Horden gottnah weben.

Selbstverklärungs-Süchte/Sonett (1255)28

Ich kann das immer noch - noch ziemlich gut.
Das, was an sich ist, in Sonette zwingen:
Die Mär von Würde, Menschlichkeit, Gelingen …
Und dass man immer sein muss auf der Hut
vor sich, den andern, all den Illusionen,
die ihre Schleier über Fakten breiten,
aus deren Eigensinn nicht abzuleiten,
dass nur Kalkül und Gier und Kälte lohnen.
So steh ich im Sonett noch gegen mich.
Denn derlei Kreaturen sind mir feind.
Denn Kreatur meint: Sich versunknes Ich
als Seelenkrampf, der um Banales weint:
Subjektverklärungssüchte … unterm Strich:
Das, was der Geist als Selbstbetrug verneint.

SMS//Zufällig aus einer Papierhalde gezogen (1256)29

Fade Hemmungslosigkeit.
Faktisch überall.
Und auch die
gibt’s nur auf Pump …
Lustkrieg ohne Heiterkeit.
Das ist jetzt der Fall.
Eine Spaßkultonanie,
fad, verlogen, 
laut und plump.

Wie’s nunmehr um uns steht I (1257)30
Vergleiche (33/1946)

Umlärmter Niedergang, der psychisch schleicht,
Erlebnisdröhnung mystisch immanent,
und als Konsumandacht das Selbst aufweicht
und Kindlichkeit in Hirne brennt.
Um ihr als hergestellter Trivialekstase
die gleichen Emotionen auszurichten
zu einem Sog globaler Perfektionskultblase,
sich wohlstandshörig umzuschichten
zu wesenloser Subjektivität.
Die, haltlos, Leeren zelebriert.
So eskapistisch sich 
zu einem Hauch von Ich auflädt
und sich, in Einheitsspaß befreit, verliert.
Ein Gaukelspiel genormter Posse.
Wir sind dabei die Herren wie die Knechte.
Und klammern uns an diese Formelgosse.
Obwohl sie führt ins letzte der Gefechte,
in dem der Niedergang in Barbarei umschlägt,
Gewalt allein sich dann in  alle Stunden trägt.
Doch niemand ist das anzulasten.
Niemand hat’s gewollt.
Die Gehirne nämlich tasten,
autonom dem Ich entrollt,
sich der Hyle einzubiegen,
unfrei intellektversessen, 
sich den Stoff abstrakt zu fügen:
Nihilistisch tristen Blässen.

Prosafetzen (35) (1258)31

So wie eure Gier, euer Stumpfsinn,
eure spaßhungrige Indolenz
und empfindsame Selbstaufgabe
euch schleichend überwältigen,
so mich, gewaltträchtig, mein Ekel 
vor diesem Evolutionsausschuss
kindisch-aggressiven Kreaturen-Gesindels,
das wir alle doch, ausnahmslos, sind.

SMS/Zufällig aus einer Papierhalde gezogen (1259)32

Wäre ich nicht 
so krankhaft luzide,
eine Art selbstzerstörerische 
Bewusstseinsinstanz,
ich überlöge mühelos
auch noch 
meine sonstigen Fragwürdigkeiten.
Verzichte aber darauf,
um mich nicht,
mir wissentlich etwas über mich
selbst vormachend,
hybrisdebil selbst
aus der Daseinsbahn zu werfen.
Vor allem auch,
um deren Hauptlinie:
die metaphysisch-imaginäre,
nicht zu verfehlen,
sei sie auch noch so 
gottverlassen.

Prosafetzen (38) (1260)33

Nichts und niemand kommt 
gegen meine Gleichgültigkeit auf.
Am allerwenigsten ich selbst*,
in ihr doch allein mir,
kerntief erfühlt und bedacht, 
enträtselt begegnend.

*Dann die Variante:
„verliebt doch 
in ihre Verrohungs-
Potenzen.“

Behelfs-Kopulieren. Sex-Geraune (1261)34

Instrumentalisierte* Unterleibsmetaphysik:
Verbraucherreligion.
Enigmatisch*-dionysische Magie
für psychisch und intellektuell 
in Tauschhörigkeit und 
Pan-Utilitarismus Herabgedrückte.
Mythisierte* der magisch-ekstatische Kapitalismus
freilich nicht die Zonen
rauschhafter Ichauflösung,
gelänge es ihm weit weniger,
die desorientierten Individuen 
effekthörig in den Käfigen 
technisch generierter Unfreiheit 
qua existenzieller Daseinsintensitätsverluste: 
Substanzbanaler Marktbefehlsvollzüge
selbstaufgabewillig zu kasernieren.

*instrumentell: als Mittel dienend
*enigmatisch: rätselhaft
*mythisieren, hier: irrational packend erdichten
*ekstatisch: rauschhaft

Bilderarchiv (1262)35

Einer dieser vergeblichkeitsekstatischen 
Frühsommerabende.
Schon warm genug,
mich, sentimentalitätslüstern, aufzuwühlen,
photographisch scharfe Bilder
aus der Kindheit zu erinnern:
Von Häusern, Höfen, Kirchen,
dem Friedhof auch des nächsten Dorfes,
2 km weit Richtung Pfälzer Wald,
in zwerghafter Verlassenheit 
auf einem Bergrücken gelegen,
wo ich oft auf einer alten Bank saß
und viel zu früh existenzluzide hin spähte
über die sonnendurchflutete Weite der Rheinebene.
Oder vom gemächlich dahinrollenden 
Ochsenkarren ‚Galopps’, 
so der Spitzname von L. M.,
der mir nie ein Lachen schuldig blieb,
dieser schlicht liebenswürdige Kleinbauer.
Oder vom blechern-ruckhaft ratternden Lanz
des stets launisch-aggressiven G.
Oder eben auch von Annis 
langsamen Gesichtsbewegungen,
warm vor Stumpfsinn 
und ohne jede Falschheit 
zwischen Trauer, Staunen  
und schwerfälliger Melancholie
sich traumstumm 
erdwärts verlierend.

Späte Erinnerung an M. I (1263)36
Vergleiche (29/1740)

Gedenke deiner,
weil schon Schatten fallen,
ich immer mehr dem Altersgram vergehe.
Gedenke jener gotterfüllten Stunden,
die uns verrauschten, 
ausgesetzt nicht einer 
der doch so zahlreich tiefen Daseinswunden …
Ach jene Stunden: Ein Ekstase-Wallen …
Als ob dein Leib, dies Rauschgefüge, 
mit seiner stoffgenialen Eros-Macht
sie mir als Sinn-Gruß bis ins Heute drehe …
Gedenke deiner ohne Lebenslüge,
einst Kreaturen-Glück verbracht,
in dem sich Sinn und Halt:
Vollendungsillusionen tauschten.

Eine triste Lagebeschreibung (1264)37

So fertig bin ich und so deprimiert,
bin nicht mal mehr erotisch anzusprechen.
Die Tage sind mir kaum noch durchzuhalten 
und an den Abenden herrscht Selbstverfehlen.

Ja, schlimmer noch, es ist die bloße Leere,
die über Blätter, Couch und Notebook kriecht.
Sogar Gedichte wollen nicht gelingen.
Doch geistig-intellektuelle Surrogate,
die kompensieren können Aggressionen,
Hilflosigkeit und Außenseiter-Nöte.

Das ganze Dasein ist mir so verleidet,
erscheint mir zudem völlig aussichtslos.
Ich mag mich probeweise wo auch immer,
zu Frau, Beruf, Erfolg und Kunst hinwenden -
Es hilft nichts. Nutzlos wär’s, ich fühl‘s,
mich hinzugeben Menschen, Zielen, Zwecken.

Mich widert zumal dieser Durchschnitt an, 
ob nun der oben, ob der in der Mitte - 
er war und ist mir stets ein Dorn im Auge.

Der Grad an Einsamkeit ist schon stupend,
ich existiere faktisch isoliert,
verliere mehr und mehr zudem Vertrauen,
genauer: Die gesund-naive Kraft, 
noch etwas ohne Misstraun wertzuschätzen.
Sei es Gesellschaft, sei es Einzelmensch. 
Indes ich wiederhole mich, will doch nur sagen,
Dass ich mich verloren habe.

Zumal auch überzeugt, 
die Zukunft wird prekäre sein, 
So schau ich zu nur noch dem allen. 
Zuweilen … immer öfter todvernarrt.

Was ich schätze (1265)38

Was ich schätze - über alles -,
das ist schnell gesagt:
Güte, Ehrfurcht, Scham und Geist,
Achtung vor was überragt
uns, den Affen, der entgleist,
immer nach sich selbst nur fragt …
Eben diesen Selbstanspruch,
über sich hinaus zu streben.
Ohne Täuschung, ohne Bruch
Herr von Einsicht sein zu sollen.
Einsicht in die eigne Lage
-  dass man die muss redlich wollen -,
ihren Nihilismus wage:
Scheitern könne dieses Leben.
Kulturell sich längst verwaist.

SMS//Zufällig aus einer Papierhalde gezogen (1266)39

Im gesellschaftlichen Zeichenkosmos 
lese ich
die programmierten Emotionsschemen-Pläne aus.
Lachgasumtost,
in sinnresistenter Besagungslosigkeit.
Da hilft es mir auch nicht, 
wenn ich sie mir entbergungslüstern 
mittels Gedichten 
ins Bewusstsein hebe.

Prosafetzen (1) (1267)40

Ich kann mich absolut nicht ändern;
bin das geworden, was ich werden musste;
schon gar nicht von mir selbst geschaffen.
Ein Kenner meiner Artgenossen,
sie meidend, wenn’s nur irgend geht.
Opportunistisch und perfide,
schon früh geübtes Täuschertum,
das sich im Stich muss lassen,
auch weil wohlstandshörig.
Nicht fähig freilich sei’s zu Glück,
sei’s Halt, der nicht nur morscher wäre …
Ein Haufen ziellos existierender,
auf Selbstbetrug verwiesener,
sich selber ewig fremder 
Gram-Schauspieler.
Mir darin immerhin doch gleich.

Prosafetzen (5) (1268)41

Schlafen, um redlich zu sein,
würde ich ja schon mit dir.
Doch hemmt es mich zuletzt,
wenn ich dran denke, 
dass Weiteres von mir
du sicherlich erwarten würdest.
Sei’s Anerkennung,
sei es Zuwendung,
sei’s Liebe gar, 
die’s gar nicht geben kann 
in einer Welt der Gleichung,
der Effektverfahren,
der außenvermittelten Identitäten 
als Warenabklatschphänomene.
Wäre all jenes von mir 
doch gar nicht zu leisten,
ohne zu lügen und ohne
wortreich zu delirieren.

ZINSJ (152) (1269)42

Alles,
aber auch alles,
profanieren
und besudeln 
die Konsumdiktaturen:
Gott,
Würde, 
Eros,
Heiterkeit,
Glück und Ehrfurcht sogar.
So zerstörungssüchtig,
primitiv und grobschlächtig 
sind sie im Kern.

ZINSJ (153) (1270)43

Wenn überhaupt etwas trägt,
dann sind es Illusionen und Selbstbetrug …
Als magisch-irrationale Anreicherungen 
von Welt, Wir und Du;
und seiner selbst vor allem
mit unausdeutbaren 
Verzauberungszuschreibungen.
An sich selbst und jenen
ohne Einsicht vorbei zu schrammen,
denn eine solche ließe erschauern,
erfüllte für immer mit Ekel, Trübsal 
und lähmender Melancholie.

Exzessprimitive Gesellschaft (1271)44

Geistig korrupte Sieger (Mittelmaßriegen),
nicht einmal ökonomisch rational genug, 
den Staub en gros zu kaufen,
in den sich zu werfen sie sich aus machtkalkulatorischen
Tugend-Gründen permanent bemüßigt fühlen …
Dauerergriffen. Dauerempört. Dauerplappernd.
Indes der Mensch ist nun mal eigensinnig,
aber gut und frei und vernünftig ist er nicht. 
Weil er’s nicht kann:
Der sein Leben verschludernde, 
weil es nur erlebende, aber nicht erfahrende, 
schon gar nicht begreifende Verbraucher 
(schon weil ihm die psychische Kraft fehlt, 
auf Realitätsverweigerung verzichten zu können),
sähe der sich als das, was er ist, 
er versänke, obwohl und weil entschämt, 
geradezu weinerlich hilflos in sich selbst:
prestigetrunken narzisstisch und angewiesen 
auf daseinsformale, ins Absurde laufende Spätzeitrituale.
Und dann puritanisierende Kreisklassenpowerfrauen,
sozusagen die Chariten*
eines fundamentalistischen Feminismus
mit Kita-Ethik-Metaphysik als Bollwerk gegen 
Macho-Machiavellismus,
charakterlich beängstigend gefestigt 
und vor allem frei von den Sottisen
der besternungsunterwürfigen Umfeldmännchen …
Da spürt man - auch - mal wieder 
die triebfaszinäre Macht der bijoux indiscrets* …
Mein Gott, was bin ich dagegen doch eine Null:
Verantwortungslos auf Begriffsschärfe drängend,
ein gewisses Maß an Selbstachtungsbasis, 
Wirklichkeitssinn 
und faktenkonforme Selbsteinschätzung …
ökonomisch ein Ding, existenziell ohnmächtig, 
politisch ein Spielball und geistig verabseitigt, 
ausgeliefert zumal 
einer ihrer selbst nicht mehr mächtigen,
eitelkeitssüchtig-pathologisch 
sich zerstörenden Globalwelt …
orgiastisch behelfsdemokratisch 
und wertinfantil rechtsstaatsideologisch 
am Tropf eines gottlosen Nihilismus nuckelnd.

*Chariten: griech.: Göttinnen der Anmut
*bijoux indiscrets franz.: indiskrete, aufdringliche Kleinode/Juwele; nach Denis Diderot: weibliche Geschlechtsteile

Prosafetzen (287) (1272)45

Ein paar beschönigte Erinnerungen 
an ein paar Augenblicke und Gesichter,
von vornherein bloßer Wesenstrübsal abgepresst,
nur einmal wenigstens ein Du zu treffen
in diesem Wirrwarr von Verfehlungszwang
und ohnmächtiger Selbstinszenierung 
dauerdeklassierter Entmündigungsinfantiler …
So ging es hin: Ein Trümmerfeld von Trancen,
sich selbst leichthin entlarvend als Behelfsmagie
in dieser krankhaft sich selbst belügenden Welt
von Selbst-, Gelingens-, Sinn-, Lust- 
und Medien-Mythen.

Prosafetzen (?) (1273)46

Ein Medienproletariat, 
hemmungslos seine 
Sprachlosigkeit und 
Desorientierung kommunizierend,
bespringt unbelehrbar 
die zeitgeistmythologischen 
Selbstbeweihräucherungsleerformeln,
trunken von seiner 
geistigen Dauerenteignung
und affekthysterischen 
Seelenarmut, Indolenz,
Gewissensatrophie*
und Verwahrlosungssehnsucht.

*Atrophie griech.: Auszehrung, Organschwund

Untergangsgesellschaft (1274)47

Täglich werde ich, 
manchmal verbunden mit subtil versteckten 
Wertungen und Drohungen, 
aufgefordert, 
mich politisch 
(demokratisch-freiheitlich, rechtsstaatlich liberal), 
weltanschaulich 
(tolerant, egalitär, antirassistisch, friedfertig usw.)
ethisch (vernünftig, gerecht, human, würdezentrisch, auf Menschenrechte pochend)
und kulturell (die entsprechende gesellschaftliche Vielfalt 
lobend und preisend, 
ohne, elitärer Versuchung unterliegend,
Unterschiede zu setzen oder gar zu diskriminieren)
unbedingt, 
den Wertpräferenzen 
eines logosverkümmerten Intellektualismus entsprechend, 
korrekt zu verhalten.
Offen gestanden, 
freue ich mich insgeheim zuweilen diebisch 
über diese Verlautbarungen,
bestätigen sie mir doch,
dass diese Gesellschaft 
humorfern,
unironisch, 
geistlos, 
schundsüchtig anmaßend, 
narzisstisch aufgeblasen, 
substanztotalitär ist 
und immer mehr gesinnungsfundamentalistisch wird
(es geht wohl um eine 
- durch eine vom Weltgeist und der Vorsehung 
bestellte Sekte von Taliban*innen zu erlösende -
psychisch in sich selbst gefangene 
Schwerstbeladenengemeinschaft). 
Sind sie doch - vor allem - auch ein Hinweis darauf,
dass wir in einer aggressiv-entheiterten,
neurotisch tugendterroristischen 
Verfalls- und Untergangsgesellschaft leben.
Wahrscheinlich dumpf erahnend,
was auf uns zukommen wird: 
Barbarei und Bestialität … 
Also das Übliche.
Und vor allem, 
dass wir gegen die werden nichts ausrichten können:
Dekadent, 
moralwirr, 
faktenresistent und 
letztlich gewissenlos und 
radikal wohllebensneurotisch dehumanisiert.

SMS/Indes: Wem ging’s denn nah? (1275)48//Zufällig aus einer Papierhalde gezogen

Es ist ne Illusion,
man könne
illusionslos leben.
Man braucht 
als Lebenslügen sie:
hat Illusionen
nötiger denn je:
Man lebt doch längst,
sich selbst zum Hohne,
muss täglich gar
sich selbst aufgeben:
Als Medien-, Markt-
und Waren-Klon.
Und tut man’s nicht,
wird man sich selbst
zum Weh:
Wird Einsamkeit,
an Dingen kleben,
die bilden eine 
Sonderzone
von Einsicht, Geist 
und stillem Leid:
Weil hier 
kein Platz mehr ist 
für sie,
in diesem Reich
perfider Harmonie.  

Banalophilie (Meint: Entlastungsdrastisch provozierte „Verflachungsbetörung“) (1276)49/Vgl. (71/3807)

Banalophile sind wir faktisch alle.
Weil das System uns braucht als Infantile,
zerstreuungseskapistisch stolpernd in die Falle
erlebnisintensiver Mühle.

Und die, die muss sich immer schneller drehen,
die Kunden von der Einsicht abzuhalten,
dass sie umsonst um Glücke flehen,
sich nur noch einer Kraft gestalten:
Der, die sie sanft und freundlich lässt gewähren,
sich Surrogaten aufzureiben.
Um sich, sich selber hörig, endlich zu verzehren
in unterwürfig würdelosem Treiben.

Blind steuernde Trivialwelt I/Engselbst (1277)50

Man handelt, unfrei, doch ins Folgenlose.
Und weiß das auch besonders dann,
wenn man sich Geist verpflichtet hat statt Pose:
Sich ihm verweigern kann, dem Großen Man …
Erlebnishorten, Surrogat-Gefühlen,
dem kommandierenden Gerede
der Hochkorrupten und der Infantilen,
sich selbst belämmernd in der Wohlstands-Lethe:
Der Despotie des Mittelmaßes,
die alles tilgt, was sich ihr widersetzt,
damit der Zwang des kollektiven Grases
empfängliche Affekte letzt:
Personen deklassiert zu Marktstatisten
des anspruchslosesten Vollzugs
von Biederorgien, inszeniert auf Pisten
narzisstisch-rohen Selbstvollzugs.
Dem Geist verpflichtet? Was heißt Geist?
Realitätssinn, Einsicht in das Was:
Dass jeder Ismus auf Verbrechen weist,
kein Wille frei ist, Sex und Fraß,
die Sucht nach Anerkennung, Überragen,
Besitz, Bedeutungsgier zu Täuschung zwingen,
zu Wertphantasmen, die entlastend tragen 
durch dieses wesenlose Ringen 
um ökonomische Adiaphora,
substanzlos doch im Überfluss,
der sie verkommen lässt zu Trallala
und dieses Trallala sodann zum Muss.
Auch das kann nur der Geist begreifen:
Dass uns Notwendigkeit aufzwingt 
der Faktenräusche ungezieltes Schleifen.
Das auch als solches nur gelingt.
Dass wir uns gehen müssen in die eigne Falle,
ganz außerstande, uns durch uns zu bergen.
Dass unsre Ethik ist nur Traumweltkralle
von Trieb und Barbarei gelenkten Zwergen.
Hilflosigkeit, Bedürfnis, Schein gedungen,
der Unvernunft und Nihilismus-Schüben,
sind wir zu Destruktion gezwungen,
Realitätsverlust als Trance verschrieben.

Blind steuernde Trivialwelt II/Erfahrungsarmut (1278)51

Was hätte ich denn schon erfahren?
Nicht viel. Zumal ich meistens musste
mich stumm erleben als Normalgebaren:
Mir kernlos schwebend als der Lagen Kruste.
So will’s nun mal der Herr der Seelenwinter.
Der Markt, der lehrt, doch alles mitzunehmen.
So wie es tun verzogne Kinder:
entfesselt, ohne sich zu schämen.
Life ist Vollzug, Effekt, Erledigungen:
Die Wiederholung eines Immergleichen -
Nur noch als Kunde scheint man sich gelungen.
Beglückt gelenkt von Tinnef*-Reichen.

*Tinnef jiddisch: Schund

Blind steuernde Trivialwelt III/Ohnmacht (1279)52

Ganz Produkt und doch auch Ich
(Körper, Selbst, Sozialmonade),
bin ich ja unweigerlich.
Bin es auch im höchsten Grade.
Dialog und Einsamkeit.
Ich als Heteronomie.
Stets mir selbst nur das Geleit.
Nicht als Inhalt, nur als Wie.
Zeit und Wertzwang, Abstraktion
(nichts, was höbe, nichts, was trüge),
Büttel von Bedürfnis-Fron:
Sinnsucht, Leibdrang, Traumgefüge.
Völlig hilflos, ein Vollzug
hochkomplexer Zufallszwänge.
Virtuos der Selbstbetrug,
dass ich mir durch mich gelänge.
Keinem, der auf Einsicht setzt
(setzen muss, da wirkt kein Wollen),
bleibt verborgen es zuletzt,
dass ihn Lagen überrollen,
die in keiner Absicht lagen 
(keiner guten, keiner bösen).
Dann befehlend weiter tragen
durch dies Chaos ohne Wesen.

Blind steuernde Trivialwelt IV/ 
Vollendungsirrational (1280)53

Sei’s mystisch tief gebannt in Gottestrance,
sich selber los, die Welt, die anderen,
entronnen so der eignen Niedrigkeit,
zumal hinausgetragen über Drangsal-Wogen,
dem Herkunftsdruck entlaufen, Barbarei und Genen,
selbst Großhirntücken radikal entrückt …
Sei’s auch gewahr, dass man sich selber Falle,
prekär sich unverfügt ist, Illusion 
von Einheit, Halt, Vernunft und Ich,
Bewusstsein, das nicht Stoffkomplex nur sei,
Subjekt von Endlichkeit, Verfall und Deutungsleere,53auf allen andern ruhend, Staat, Gesellschaft und
sozialer Fügung, Prägung, Ratio-Ferne …
Sei’s dass gespiegelt im Gedicht,
sich finden mag ein Anhaltspunkt, 
dem Kollektivgebilde Sprache abgerungen,
der einen glauben machen mag, 
man habe faktisch sich entwunden 
der Fremdheit dieser ungreifbaren Welt …
So Wir und Du und Selbst zumal entzogen,
die Perspektiven sind in Augenblicken,
die man sich selber schuf, 
sie, Trug verwiesen, so zu deuten,
als ob real sie wären, 
Orientierung, Halt und Sinn-Sog zu gewinnen.

Zeitgeistzügel (Trias B, 25) (1281)54

Weltfremder Feind der Zeitgeistzügel
greife ich, der Epigone, zurück
auf vormoderne seelische Gehalte
metaphysisch geprägten Halluzinierens.

Nur um zu meiden Innenweltlenkung,
kapitalistisch gemodelte Emotionalität:
Erlebnisspuren speichernde Substanzlosigkeit
kommunikationsflockig zerstobener 
und längst zum Abklatsch gewordener
wohllebenslüstern gedungener Subjektivität.

Die, marktdevot sich entsagend,
verhehlt sich, ein Beispiel zu sein
technisch zerschlagener Intimität.

Lakaien-Körper-Festival (1282)55

Ein Kult-Primitivismus ohnegleichen:
Reklame-Leiber, die sich inszenieren;
sich nicht verhalten, vielmehr das aufführen,
was ihnen gilt als angesagtes Zeichen.

Die kleinen Seelen ihm gemäß zu eichen,
damit nicht ganz sie sich in Nichts verlieren;
denn schließlich geht man auch als Flair hausieren;
z. B. das der Schönen und der Reichen.

Welch ein Verknechtungs-Trivial-Gehabe
von seelenlosen Zeitgeist-Medien-Puppen,
die fast roboterhaft-gemütlos streben

ihr Leib-Gefüge als spezielle Gabe
von dazu, scheint es, vorbestimmten Truppen
in ein Vollendungs-Schmierenstück zu heben!

Würdelos hechelnd (Trias B, 29) (1283)56
Vergleiche (24/1459)

Selbstverwertungslocken der Marktbefehle
liefert uns unweigerlich rohstem Glück,
digitaler Sekundär-Wirklichkeit: Knästen
hirnlichen Zwangs aus.

Niemand kann entgehen dem Los der Sachen,
selber Mittel sich und Gewerk befangner 
Gleichungs-Meister. Ziel zu sein dem Errechnen
drastischen Leerlaufs.

Lieber lebe ich einsichtsvoll jener stillen
Ohnmacht unverschuldete Absurdität,
permanent vergeblich um Selbstbedeutung
würdelos hechelnd.

Unbehelligt würfeln (Trias B, 28) (1284)57

Nur Durchschnitt, kleiner Mann, der, Gewinnsucht 
verraten, wohlstandshörig stupider Gier 
erstrickt sein Ich bläht, fronend Formel, 
Phrase und schleichenden Selbstverzichten.

Doch nicht entrinnen kann er gezielten 
und steten Schlägen hirnlicher Abrichtung
durch Bild, Effekt und Internet-Maß,
Geilheit befohlen, Geld und Kinderspielen.

Indes will ich zufrieden sein, sein Recht
ihm zukommen lassen. Sorgt er doch dafür,
dass ich unbehelligt von ihm würfeln darf 
um die Leeren der Welt und der Verse.

Selbstwertbegehren unter kapitalistisch prägenden Daseinsbedingungen (21/1285)

Wenn man noch etwas machen will aus seinem Leben,
muss man das alleine tun, aus eigener Kraft.
Im Stich gelassen von Kultur, Staat und Institutionen,
muss man es tun jenseits der marktgenerierten Disziplinierungen 
von Psyche, Intellekt, Gewissen und Deutungsmacht,
die doch täglich abgerichtet werden
auf die alleinige Sinnstiftungskompetenz 
des Wohlleben generierenden Kapitalismus,
der zumal, davon gehe ich aus, schleichend untergeht,
die von ihm geformten Individuen mitreißend
in eine Orgie hilfloser Verwahrlosung ….

Schon auf ein Du sich einzulassen im Rahmen
dieses Stumpfsinn und Entlastungsberauschung
dauerproduzierenden Medial-Dschungel-Surrealismus
setzt einen in der Regel selbstzerstörerischer Normalität aus,
die als intellektuelle Nivellierung -
z. B. einer feindlichen Haltung gegenüber dem Geistigen,
dem ideologischen Erpressen von demokratischen Pseudowerten
wie etwa Gleichheit, Toleranz und Freiheit,
Anpassung an eudämonistisch-hedonistische Erlebnisabläufe 
und dem Zwang zur Finalisierung des Trivialen überhaupt -
einen perfide zu vereinnahmen sucht,
auf dass man sich den sozial erwünschten
Gefühls- und Emotions-Käfigen willenlos einpferche.

Und man entkommt dem nicht,
wenn man nicht das seltene Glück hat, 
die Seelenkräfte in sich zu spüren, 
die einen wenigstens ansatzweise befähigen,
jene schwer greifbare Berauschungsdeklassierung
dunkel als Selbstverlustgefahr zu erahnen 
und dann immer deutlicher zu begreifen.

Selbsttäuschungslakaien (1286)59

Wer kann sich denn noch diese Einsicht leisten,
dass wir ein Dasein als Verfügte fristen?
Verfügt uns selbst, den rational entgleisten
Effekt-Ichschauern, die sich brüsten,

sie seien von Natur aus Geisteswesen,
begabt, zum Selbstzweck sich zu machen:
Als personale Selbstdistanzsynthesen,
als diese Würdeträger, heißt: nicht Sachen. 

Als stoffbedürftig doch drauf angewiesen,
uns über uns hinwegzutäuschen,
bleibt indes nur, uns selber blendend zu zerfließen
im Wortgeklingel von Bedeutungsräuschen.

Frage an das bedürfnislose Absolute: An Gott* (21/1287)62/Sonett

Das wollte ich schon immer dich mal offen fragen:
Warum du, doch vollkommen und bedürfnislos,
zumal allwissend und ein absoluter Geist,
uns dennoch schufst, doch Wesen voller Widersprüche?

Die wir doch sind - von Selbstsucht und Gewalt getragen,
zugleich verblendet, amoralisch, dubios,
ein Wesen, dessen Streben um es selbst nur kreist,
ist hybriskrank auch ausgelegt auf Daseins-Brüche.

Indes ein absoluter Geist in sich nur ruht,
gar kein Bedürfnis kennen kann nach was auch immer;
auch weiß, dass, was er schüfe, unvollkommen wäre …

Warum also hast du, was war vollendet gut,
durch unsre Existenz gestürzt in Leid und - schlimmer - 
erlaubt so auch, dass dieser Affe dich entehre?                       
*Sich in sich selbst entweltlichungsselig vertaumelnde Hinweise:
(1) Hätte, wie in der Bibel beschrieben, ein absoluter Geist (Gott) diese Welt geschaffen, dann bliebe, weil dieser Gott als allmächtig, allwissend, allseiend (vollkommen), allgütig und der Materie vor und übergeordnet dargestellt wird, die Frage, was dieses vollkommene, also auch bedürfnislose, in sich selbst ruhende Wesen Gott veranlasst haben könnte, eine Welt und zumal ein Wesen in dieser Welt zu schaffen, nämlich den Menschen,  der die Vollendung seines, Gottes, Geistseins in Frage stellen würde … Kurzum: Was veranlasste Gott, außer sich, also: jenseits seiner als makellose geistige Vollendung, eine materielle also: hinfällige) Welt und ein in keiner Hinsicht gutes, widersprüchliches, seiner selbst nicht mächtiges, zumal gewalttätiges, bedürftiges und triebhaftes Wesen zu schaffen, obwohl er, Gott, noch einmal, ein Bedürfnis danach nicht gehabt haben kann, denn: das geistige Absolute („Losgelöste“) kann kein Bedürfnis kennen (nicht mal nach sich selbst, denn erst dies macht seine Vollendung makellos) …
(2) Sicherlich nicht, weil er sich gelangweilt hätte (was seinem Wesen widerspräche). Also aus Liebe? Aber ein absolutes Geistwesen (das sich nicht einmal selber liebt, weil, täte es das, dies sein perfektes In-sich-selbst-Ruhen negierte) kennt dergleichen Anwandlung, Bedürfnis, Neigung, Antrieb usw. nicht es nicht. Oder weil er sich einsam fühlte? Wiederum: Das geistig Vollendete ist affekt-, bedürfnis-, trieb- und drang-frei: Es bedarf nicht einmal seiner selbst.
(3) Die Antwort: Gott existiert nicht, kann es nicht. Allein die Materie ist: existiert, ist das einzige reale Sein; ein geistiges gibt es nicht. Es sei denn so etwas wie den menschlichen Geist, der ein Nebenprodukt der Gehirnentwicklung ist.
(4) Wenn aber Gott nicht existiert, dann ist auch unser menschliches Sein sinnlos, denn: wir sind zwar in der Lage, Sinn-Phantasmen sprachlich zu produzieren (ethische, politische: ideologische, ideelle usw.), aber nicht ansatzweise fähig, sie zu leben: Wir sind darauf angewiesen, zu glauben, dass unsere Existenz einen Sinn habe, was aber nichts weiter ist, als ein Entlastungs-Phantasma (oder auch: eine Lebenslüge). 
(5) Menschlich gibt es allenfalls die subjektive oder auch kollektive Fiktion, dass es auch etwas Geistiges, Übergeordnetes (übergeordnet unserem Bedürfnis-, Trieb-, Zeit- und Verfalls-Wesen) gebe, der freilich - außer, dass sie uns ruhig stellen, trösten und stabilisieren mag - tatsächlich nichts, aber gar nichts entspricht. Wie auch sonst, sondern wie auch in diesem Zusammenhang auf eine Lebenslüge angewiesen
(6) Gott existiere nicht? Doch. Er existiert: In mir als Kindheits-Erbe, als irrationale seelische Ergriffenheit, als metaphysische Sakral-Disposition, mir eingewoben, eingegeben, vermittelt, geschenkt von Erscheinungen wie rauschenden Winden, wunderweißen Schneeflächen, grauglatten Sandflächen, tiefen Stillen, monoton-dunkel tönenden Kirchenglocken (Totenglocken), Friedhöfen, vertrauten Tieren, bergender Einsamkeit usw., gegen die mein intellektueller Nihilismus und Atheismus nichts vermögen. Gott, das ist für mich die  menschenleere Mannigfaltigkeit der Materie als Acker, Feld, Weg, Pflanze, Tier, Naturerscheinung, als Steinhaufen, Himmelsweite, Wald, Sommernacht, Sternehimmel usw. … Gott ist dabei keine Person, keine überirdische Macht, kein Geistwesen, keine materielle Erscheinung, sondern: Ein innerlich flutender Zustand irrationaler Ergriffenheit, Sehnsucht, einer trauerlosen Ferne von allem Menschlichen und Menschengemachten … kurzum: Gott, das ist der Gefährte absoluter Ruhe, der erlösenden Flüchtigkeit alles dauerprekär Humanen, der Geber und Bewahrer eines einer Deutung nie bedürfenden Seelenfriedens: Unverletztlich Quasi-Todesgeborgenheit: Metaphysische Exzellenz zarter Unberührbarkeit durch menschliche Welt.

Tagelied (1288)61

Sei ruhig, bleibe einfach liegen.
Mein Mann fährt grade draußen vor.
Er wird gleich um die Ecke biegen,
schließt nur noch das Garagentor.

Ich sag ihm, dass du bei mir lagst
die ganze Nacht bis in die Frühe - 
Nun Liebster, wenn du dich nun fragst …
Doch lass es, mach dir keine Mühe.

Wieso mich das gelassen lässt,
so magst du so viel von uns wissen
- hab keine Angst, wirst nicht erpresst -:
Mein Mann, der übersieht‘s beflissen.

Der hat ja selber andre Frauen …
Zusammenschweißt uns nur das Geld:
wir woll’n uns Wohlstand nicht verbauen.
Begreifst du? - Die Fassade hält.

Er wird dich sicher nett begrüßen,
dir anbieten ein Praliné -
Und dann mit dir den Tage begießen.
Geh runter, mach schon den Kaffee!

Ich hüpf noch kurz mal in die Dusche
und zieh mich auch inzwischen an,
trag Rouge auf, etwas Wimperntusche …
Ach ja: Und Dank auch für den Fun!

Meinem herunterkommenden Deutschland (1289)62

Was nur ist aus dir geworden, 
mein Deutschland,
dir, dem Land der Trickser, Täuscher, Kleingauner;
der Tugendbewegten, Seelenstripper und 
Work-Life-Balance-Kalkulatoren?
Dem Land auch vieler, die gern anders wären:
smart, tough, cool, wow-motorisch
oberflächendifferenziert und bodylotion-exzellent,
deutsche Daseinsvollendungs-Phantome,
ausgewürgt von deutscher Verflachungs- 
und Scheinwelt-Anfälligkeit  …

Dir, dem Land, das seine Sprache verkommen ließ,
seine große Kultur, dem Land,
das seine Mentalitätsgefüge,
die es nach dem 2. Weltkrieg wieder aufblühen ließen,
aufgegeben hat zugunsten eines primitiven
emotionsagapistisch-globalistischen Seelsorger-Syndroms,
naturrechtlich-würdeergriffen unterfüttert …

Dir, dem Land des Gesinnungsfeminismus,
der seine Neurosen und Narzissmus-Wunden 
austobt auf deine Kosten -
linkisch, geistig ungewandt, ungelenk, steif 
und gewissensarm engstirnig,
manchmal geradezu charakterlos ,
jedenfalls unpragmatisch radikal…

Dir, dem Land der grandiosen ideologischen Unterwürfigkeit
und ethisch wirren Sakralisierungsmetaphysik,
das sich zuweilen - so scheint es - lieber aufgäbe:
selbstbetrugslüstern, reflexionsarm, politmessianisch,
dies eher, als dass es bereit wäre, 
für sich selbst, 
sich dabei aus politischer Klugheit selbst priorisierend,
den Fakten verpflichtet Sorge zu tragen …
tatsächlich aber feige ist und realitätsblind moralverkniffen?
Aber das ist ja auch deutsch: 
Im gierig gesuchten Verkommen, 
im schicksalsschweren Untergang,
im Extremistischen sein exklusives Glück zu finden:
Blieb also dies eines faszinierend
selbsthassträchtigen Wohlstandsdrogenrausches …

Dir, dem Land zumal, dessen Funktionseliten -
auch pseudofürsorglich 
aus machtstrategischen Überlegungen heraus:
Wie beeindrucke und verführe ich 
wahlberechtigte Kinder? - 
schlechterdings unfähig geworden sind,
einfache Lebenstatsachen zu würdigen, 
so Vertrauen zerstören, 
sich in albern-arrogante 
oder schlechterdings riskante 
Abhängigkeiten begeben,
Leerformeln wiederkäuend und dabei die Schalmei
ganz unbegründeter Zuversicht blasend …

Dir, dem Land 
der allverbreiteten politischen Inkompetenz,
die, kratisch-begrifflich-rhetorisch sich bezeigend,
den Staat schwächt, lächerlich macht, 
am Ende vielleicht gar ruiniert,
eine Inkompetenz, die sich, 
als Schlüssel-Eigenschaft von Selbstbestandslosen,
würdescheel geißelt 
mit einem Pseudo-Humanismus 
der Wirklichkeitsverluste,
sozialklerikalem Purismus
und weltanschaulichen Fiktionen und Phantasmen 
- oft messend dabei mit mehrerlei Maßen - …

Dir, dem Land geheiligter Erlebnisreligiosität,
die längst in eine kollektive Dekadenz,
Glücksunfähigkeit, Seelen-Öde
und mannigfaltige Formen plumpen Selbstverzehrs -
entzückungsstumm aggressiv angebetet
und dumpf, matt und schundverwöhnt vollzogen -
freizeitumhechelt überging …

Dir, dem Land, dem ich inzwischen 
jedwede Würde, jedweden Stolz, 
jedweden Realitätssinn, Maß und Mitte,
Selbstdistanzfähigkeit 
und Wahrhaftigkeitswilligkeit abspreche,
so hilflos entmutigt, resigniert, kleinmütig und verzagt, 
wie du es doch geworden bist,
hündisch devot, leerformelsüchtig, 
verscherbelt von einer Parteienoligarchie ichtrunken 
unmäßiger Gesinnung 
ohne politische Mindestfähigkeiten:
Anti-Narzissmus und das feine Gespür 
für die staatsruinöse Dekadenz-, Irrationalitäts-
und Nihilismus-Trächtigkeit der 
heutigen Konsumdiktaturen …

Und noch was, mein Deutschland, 
solltest du beachten: Dass nämlich die Hunde,
vor die zu gehen du schon auf dem Weg bist,
dich weder anwinseln noch anknurren könnten;
vielleicht weil erschnüffelnd,
dass du selbst ihnen 
nichts mehr würdest zu bieten haben.

Reiß dich also zusammen, mein geliebtes Land,
lege dich aus, rücksichtslos ehrlich, 
ohne Tugend- und Selbstbetrugs- Sentimentalität
und ohne irgend Anfälle deines 
mystischen Selbstglorifizierungsinfantilismus.

 

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.