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Diese Seite enthält 54 Gedichte (Prosa-, Reim-Gedichte und Sonette)
Stadtmitte-Eindrücke (747)1
Körper,
nachgestellte: starmimetisch zurechtgemachte,
buhlen um Aufmerksamkeit,
lechzen nach Bewunderung und Anerkennung.
Seelisch siechende Fleischpuppen,
die sich befehlsgemäß kalt, roh,
gewissensarm und ichbetont narzisstisch inszenieren.
So wurden sie abgerichtet,
schnippisch aufgeblasen ihre Marktbetriebs-(Verdinglichungs)-Masken zu modeln,
sich als deren Innenwelt-Abklatsch
gedankenleer in Szene zu setzen.
Cool,
herausfordernd,
keck und blasiert.
Geistig völlig mittellose Systemknechte.
Das signalisiert mir allein schon ihre sprachliche Ohnmacht.
Aber auch dies,
dass sie sich selbst als Dinge empfinden und so auch behandeln:
Waren sich zu sein unter dem Dauerbefehl optimistischen Selbstkonsums.
Sie,
die in den Blicken ihresgleichen hektisch und unermüdlich,
als gewähre es ihnen gleichsam
eine metaphysische Bestandsgarantie,
Selbstwertsteigerungsanzeichen,
ichsiech wühlend,
zu erspähen versuchen.
Gerade so,
als sei die Wirkung auf andere wichtiger
als jedwede Form von Welt distanzierender Selbstverfügung.
Ja: Die letztmögliche Form,
sich hie und da noch einmal trancestichig zu gewinnen.
Indes brodelt da mitnichten ein Markt der Eitelkeiten.
Sondern ein solcher radikal entmündigter
und psychisch deklassierter gleicher Pseudo-Subjekte,
die dieser Verflachungsseligkeit bedürfen
als allerletzter Möglichkeit,
sich noch irgendein Relevanzgewicht
wenigstens einbildungsweise zu verschaffen,
ihrer verfügten Gewöhnlichkeit
und Orientierungslosigkeit zu vergessen.
Ich versuche,
mich einzufühlen in die Psychen dieser Individuen.
Bis in die Tiefen,
wo Halt- und Hilflosigkeit ihrer selbst nicht mehr mächtiger,
perfekt infantilisierter Monaden unverstellt aufscheinen.
Als innere Widerstandslosigkeit durchgesetzter
Unterdrückungs- und Resignationsmechanismus.
Zumal ich die Ängste spüre,
sie fast drastisch wahrnehme in den leeren Augen dieser erlebnisgehetzten Marktfreischärler.
In sich selbst marodierend in dummfrecher Gewöhnlichkeit,
Vereinzelungslast und Verlassenheitsqual.
Sich totalitär heteronomisiert gossenaffin gehen zu lassen,
weil das von ihnen als Freiheit empfunden wird,
als die Freiheit entschämungsdeklassierter Behelfsnichtigkeit.
Indes doch noch,
kaum merklich,
in der Geborgenheit ihres Entlastungsstumpfsinns
ein schwacher Protest aufröchelt gegen die freilich
unabwendbar kommende Bedeutungslosigkeit dessen,
was einmal Zweck an sich selbst hieß
(der keinen Preis, sondern einen inneren Wert,
d. i. eine Würde hat).
Einmal abgesehen vom langsamen,
aber definitiv unaufhaltsamen Niedergang
von Demokratie und Rechtstaat.
Die,
so fundamental nihilistisch
(die kapitalistische Wohllebensmetaphysik muss
in Nihilismus enden,
weshalb ich auch jenen ihrer selbst benommenen Existenzschauspielern Unrecht tue:
Sie können ihm nicht entrinnen)
so weltfremd heruntergekommen tugenddebil
und machtunwillig,
so rabulistisch-hypersophistisch
sie auch sein mögen,
ohne Zweifel auch noch so entkernt
allemal jedweder Form
von Despotismus vorzuziehen sind.
Brüchigkeit (748)2
Die Tage trostlos, hektisch, stumpfsinnträchtig;
die einer Welt-Last ohne Wirklichkeit.
Im Tugendschein der hehren Worte
(polit- und machtstrategisch allgemeinplatztypisch)
sind diese ganz besonders brüchig.
Zumal an Hülsen leerer Halte saugend.
Verwerter-Paradies: Zersetzungsorgie.
In dem sich geistig zu erhalten,
nun, bin ich ehrlich,
auch nicht mehr zu leisten ist.
Befreiende Einschränkungen (749)3
Daraus,
dass sich keine verlässlichen Wert-Orientierungen mehr gewinnen lassen
- da allen alles gilt, was sie von sich entlastet;
indes sie selbst sich nichts,
weil sie sich dann doch übernehmen müssten,
was Selbstdistanz erforderte und Machtausübung
auf sich selbst -
folgt nicht,
dass sie tugendhypertroph-irrational
herbeigewispert werden sollten …
Was sowieso doch scheiterte,
weil Hedonismus,
Utilitarismus,
Infantilismus und Laisser-faire,
überhaupt alle psychisch steuernden Sinnsurrogate
längst tief in die Restseelen der Individuen
abgesickert sind.
Ich z. B. kann ganz gut ohne Wert-Orientierung leben,
ich bedarf keines metaphysischen Schicksals,
keiner nationalen Emotionsgemeinschaft,
keiner Tugendhypertrophie Realitäten verweigernder Gewohnheitsbetroffenheit,
keine in Geld,
Erfolg,
Ehre und Anerkennung fundierte Innenweltbasis,
keine primitivisierende Weltanschauung
- ob nun gängige Intellektuellen-Mythologie
oder Richtung Asien sehnende Entlastungsreligiosität -
keine Beziehung,
die mich sowieso
meiner feineren Begabungen berauben würde,
zöge sie doch unweigerlich Verflachung,
Verweichlichung und geistige Verarmung nach sich.
Ich habe genug Basis in Technik,
Naturwissenschaften,
Kapitalismus,
Kunst und einem rücksichtslos operierenden Realitätssinn,
der keinen Zweifel lässt
an der längst offen zu Tage liegenden Tragik jener drei,
unser Schicksal substantiell bestimmenden Mächte,
die zumal auch Kunst,
Metaphysik und Kultur die geistige Basis entziehen mussten.
Das ist in ihnen selbst,
gleichsam unausweichlich,
begründet.
ZINSJA 28 (750)4
Die Jahre, so kommt es mir vor,
vergehen schneller.
Jetzt, da mich das Alter angrinst.
Schneller indes greifen auch
die kapitalistischen Alltagszwänge aus,
Jahrzehnte schon reduziert
auf Erledigungs-, Termin- und Effizienz-Vollzüge.
Nunmehr alternativlos nur noch
schalheits- und leerformelgieriger
Behelfs-Ich-Träger.
Marionetten (751)5
Gesteuertes Vollziehen
standardisierter Existenz.
Dem allgemeinen Trend gediehen
subtilster Dependenz*.
Sich seiner selbst auch nicht mehr mächtig:
flexibel (meint wohl: standpunktlos).
Indes das macht sich prächtig.
Erhöht die Chance auf Moos.
Systembedingt. Es gilt nichts mehr.
Charakter nicht und nicht Moral.
Die Seelen laufen leer.
Sie haben keine Wahl.
Man lässt sich besser korrumpieren.
Sonst wird man schnell verdrängt.
Wird Macht und Geld und Ruhm verlieren.
Was die Gewöhnlichen im Ich-Kern kränkt.
*Dependenz: lat. Abhängigkeit
Subtiler Prozess (752)6
Auch das ein subtiler
gesellschaftlicher Prozess:
Die Marginalisierung
und das Ausblenden
von Phantasie,
sprachlicher Virtuosität,
wirklichkeitskonformer Besonnenheit
und ironischer Realitätstreue
durch mediale Dauerpropaganda:
Fadheit, Narzissmus, Obszönität
und Underdog-Star-Jargon
reproduzieren sich permanent.
Allgegenwärtig,
panaggressiv,
allerregend und subtil
die Innenwelten steuernd:
Totalitär.
Bitte um Scheintrost (753)7
Wunde Fremde,
tröste mich,
Schenk mir,
was du hast
an Glücken.
Bist du doch,
gleich mir,
ein Ich,
sich verbogen
zu berücken
durch der Physis
Nu-Orgiastik:
hochsubtile Einsamkeit,
biologisches Zerrinnen
einer Tagtraum-
Selbsteinheit.
Ungreifbar, unabänderlich (754)8
Umfänglich ausgeliefert Apparaten,
Vollzugsmonade marktfingierter Wirklichkeiten.
von Reizattacken chronisch angegangen,
vollzieht sich meine wirre Existenz.
Steril, erbärmlich, kickverfügt.
Abstrakt gesteuert, sich zu überlassen
Banalroutinen, Phrasen, Bilderströmen …
Mammontaktisch hirnfrisiert,
zu verdrängen, zu vergessen
dass nichts trägt mehr, nichts mehr hält.
Nur noch die Entseelungsformeln,
nicht bemerklich Waren-Ichen,
die sich, ihrer selbst entfremdet,
jenen selbstlos fügen müssen,
ihren Stumpfsinn zu entfalten.
ZINSJA 176 (755)9
Ein geistiges Zuhause ist nirgends mehr.
Weder ein äußeres noch ein inneres.
Welche Seelen könnten es auch möglich machen?
Gewiss nicht die,
die ihre ökonomische Behelfsexistenz
schon früh verinnerlichen,
Werte durch Reize ersetzen mussten und,
halbgebildet,
keine Selbstbestände aufzubauen vermochten.
Zumal spracharm-phrasentotalitär
gar nicht in der Lage sind,
Realitäten nicht
mit Tugendleerformeln zu verwechseln.
Immer weiter/Für … (756)10
Immer werd ich weiter schreiben.
Bis in letzte Tage.
Aus dem Grab dein Urbild treiben,
dass es mit mir noch mal jage
Stunden, die ich so vermisse,
weil sie, einzigartig groß,
Zwecke schenkten: seinsgewisse …
Heute gibt’s nur dieses Los:
Sich zu beugen dem Betrug,
dass das Dasein sei noch groß;
nicht nur Ramsch-Narzissmus-Mohn,
der es mit Verfallslust schlug.
Machte es zum Gossen-Floß
kommandierter Formel-Fron.
Für ... (757)11
Dich habe ich mir wohlbedacht erfunden.
erdichtet und erlogen.
An Stunden dich gebunden,
die haben aufgewogen
die äußre wie die innre Leere.
Die doch mein Sein ausmachen,
dies Paradigma einer Kehre
in ökonomisches Verflachen:
An Surrogate sich verlierend,
an Selbstbetrug und Rausch,
sich Inhalt delirierend
durch Selbst-Konsum in Körpertausch.
Überlegungen im Alter (758)12
Es wird nun langsam Zeit für mich, zu gehen;
ist doch mein Alter auch danach …
ist es das ganze Weltgeschehen:
im Kern verarmt und geistig völlig brach.
Dann: Die Gesellschaft wurde mir ganz fremd,
kommt mir neurotisch-glücklos vor,
sich selbst zur Last, weil sie an Wirklichkeit verlor,
von Drogen und Fiktionen überschwemmt.
Kommt noch hinzu: Ich werde immer schwächer,
werd kränker, isolierter auch;
gewissermaßen zum Miseren-Zecher
und Kostenfaktor endlich dann am Schlauch.
Doch lohnt sich das? Nein, tut es nicht.
Es wäre besser, wenn er käme …
Der stille Schatten ohne Zukunftslicht:
Der großen Leere Vorfeld-Scheme.
Fremd-Iche (759)13
Verschütteten Wein
von deiner Haut saugend,
trinke ich auch
die stumme Vergeblichkeit und Fremdheit mit,
die du,
gleichsam stellvertretend
für alle diese hermetischen Fremd-Iche,
meiner taumelnden Zunge
auch noch auf dem kleinsten Fleckchen Leibgewebe
unwissentlich
entgegen seufzst.
Gedichte II (760)14
Es sind Gedichte,
die das Sein vollenden.
Gedichte sind es
ganz allein.
Die sanft und groß gesinnt
sich ihm verschwenden,
und dabei adeln eben
dieses Sein.
Von dem sie wissen,
dass es nichtig ist:
Ein Stoffspiel
ohne Sinn und Ziel,
das Stunden, Zwecke,
Glücke frisst
und gar nicht weiß,
was es an Wunden
den Seelen schlägt,
die ihren Gram
ihm spenden.
Gegentraum (761)15
Nicht ansatzweise rage ich herüber
in diese digitale Welt.
Ein Vorvorgestriger, der stur an Geist festhält.
Und steht für hochkomplexes Daseinsfieber.
Steht gegen dieses psychisch destruktive
emotional versimpelnde Gehabe:
Des Kollektivbewusstseins Zeitgeistschiefe.
Die kleiner Seelen ohne Gabe.
Tatsächlich bin ich völlig außerstande,
auch nur im Ansatz zu begreifen,
wie dieser ichgiermilitante
Gewöhnlichkeitsnarzissmus könne jemals reifen.
Er richtet ab, schafft parallele
Bezugsphantasmen, die sich selbst bedeuten.
Und machen, dass man grade dann sich fehle,
wenn’s gälte, nicht sich inszenierend zu vergeuden.
Grundsatzerklärung I (762)16
Von Netto-Entgelten, diesen, lebe ich.
Von solchen, deutlich: ganz allein.
Und das heißt faktisch: Wachstumsproduktionen.
Nicht lebe ich aus Ethik-Schalen.
Die machen keinen Stich,
wenn’s geht um das konkrete Sein.
Zumal wenn dieses soll sich gängig lohnen.
Bei mir sind es die Monatszahlen,
die auf den ausgedruckten Bankauszügen,
die Freiheit mir vermelden:
Ich meine die von Kreaturen-Nöten:
Nicht müssen, etwa, sich erniedrigen,
sich selbst und andern dürfen etwas gelten:
Ein wenig Selbstwert sich zu löten.
Bin ich doch nur ein kleiner Angestellter.
Das heißt, ich muss sozial mich fügen
dem Wertmaß der verdienten Gelder.
Und die sind menschlich das An-Sich,
begründend Mein und Dein,
Moral und Recht. Und so auch deren Schein.
Ob das gerecht sei? Dumme Frage:
Gerecht ist, was da als gerecht sich spinnt:
Damit das Ganze fiktional sich trage.
Sich nicht sofort als Irrtumsträumerei zerrinnt.
Neuronal nicht zu steuernde Haltlosigkeit (763)17
Für uns gibt es gewiss kein Ziel.
Nimmt man’s, wie’s ist, exakt.
Wir, Stoffprodukt aus einem Teilchenspiel.
Rein neuronal indes ein Wunder-Takt.
Ein Wimpernschlag im Expandieren
des Kosmos in Entgrenzungsweiten,
muss Homo sich an Wert und Selbst verlieren.
Im Wort die eigne Nichtigkeit zu meiden.
Orientierung sind wir freilich längst entglitten.
Als Ich-Ding uns entzogen.
Heteronom erkünstelnd uns abstrakte Mitten.
Von Intellekt-Blindlauf despotisch aufgesogen.
Anmerkungen zum neuronalen Rettungs-Prinzip ‚Gott’ (764)18
Was für ein intellektueller Hochmut!
Was für eine sachfremde Diagnose!
Welch ein Verkennen metaphysischer Notwendigkeit -
Gott sei tot.
So formulierte es Nietzsche.
Und viele andere haben es seitdem wiederholt.
Gott …
Ich meine jenes Selbst-Entflechtungshecheln
eines molekular determinierten Großhirnknechtes
nach einer Geborgenheit,
die er sich selbst nicht schaffen kann.
Nach einer Seelengröße,
die er, sterblich, kreatürlich, haltlos
und sich permanent selbst ausgesetzt,
nicht aufzubringen vermag.
Nach einer Rettung noch aus brutalstem Unfassbaren
seiner unverschuldeten Orientierungslosigkeit.
Nach einem Entrinnen
aus biologisch-existenzieller Gefangenschaft:
physischer Begrenztheit
und geistig-psychischem Dauerversagen -
Dieser Gott mag an den Rand gedrängt,
vergessen, missbraucht, verleugnet werden.
Er mag als kindische Verstellung verlacht,
als Phantom belächelt,
gehasst, verspottet und verlästert werden ...
Nichts freilich, gar nichts wird all das
ihm anhaben können.
Diesem genialen Basis-Synthetiker
zu Eins und Ganzes:
Zu Plan, Ordnung, Sinn, Zweck und Ziel.
Geistiger Rettungsanker zumal kann nur er allein sein,
dieses Objekt tiefster menschlicher Sehnsucht,
der unsre Rationalität niemals genügen kann,
um so heimlich ihr zuweilen,
ins eigene Innere schauend, in die Trostzüge zu sinken.
Dieses Wesen,
in uns gegenwärtig als Trance eines Absoluten,
dieses Wesen wird wieder nach außen treten dann,
wenn wir, wieder einmal,
werden eingesehen haben müssen,
dass wir, uns selbst ausgesetzt,
definitiv unfähig sind,
uns auch nur ansatzweise selbst zu stabilisieren.
Unfähig zumal auch,
die uns wesenseigene Barbarei und Bestialität
durch uns selbst zu unterdrücken.
Ungefähr so I (765)19
Vergleiche (57/2949)
Was sollte ich denn noch erwarten?
Hab ich doch früh schon dies erfahren müssen:
Dass es kein Blatt gibt ohne falsche Karten.
Indes wer will das wissen?
So ist’s nun mal: Ein Jeder gegen Jeden,
sich Vorteil zu verschaffen.
Auch muss man Illusionen kneten,
aus ihnen Zweck sich dann raffen.
So ungefähr tatsächlich muss es laufen.
Obwohl man weiß, man wird Verluste zählen.
Meint Dasein doch, sich Nieten kaufen.
Indes auch, um’s nicht ständig zu verfehlen.
Rein faktisch wird es nie gelingen.
Stets höchstens Halbheit sein.
Es kann nicht mehr als eben diese bringen.
Vollendung? Geistig nur. Für sich allein.
Gelingende Abende (766)20
Abende gibt’s,
die gerade deshalb gelingen,
weil sie sich inhaltslos
und alle Reize abweisend
dahin stehlen.
Herausphantasiert auch
aus jener Gleichgültigkeit,
die entlastet von
medial dauerpropagierten,
notwendig ins Leere laufenden
Empörungs- und
Erregungsexzessen.
Tage der Gegensätze (767)21
Ich wüsste keinen Tag anzuführen,
an dem ich nicht von
Selbstzweifeln,
Ohnmachtsgefühlen,
Anwandlungen völliger Bedeutungslosigkeit
und Distanzierungssucht
heimgesucht worden wäre.
Keinen.
Aber auch keinen,
an dem nicht Augenblicke
völliger Losgelöstheit
von Du,
Wir,
Gesellschaft,
Moral- und Polit-Primitivismen
und substanztrivialer Gegenwartswelt
in mir aufgebrochen wären …
rasend vor
erfüllender Vergeblichkeit.
Ananke* (768)22
Für was auch immer mich hier einzubringen,
das kommt für mich, luzide, nicht in Frage.
Für was denn würde ich dann ringen,
wofür dann opfern meine Tage?
Für welche Ziele stünde ich dann ein?
Humane? Kratische? Für kulturelle?
Messianische (Gesinnungsethik-Schein)?
Für irgendeine Trostraumhelle?
Es ist absurd, darauf zu bauen,
wir seien gut, vernünftig, autonom.
Notwendig uns doch Grauen:
Determinismus, Ichsucht, Werttrance und Genom.
*Ananke = griech. Göttin der Notwendigkeit; hier: absolute Notwendigkeit
ZINSJA (?) (769)23
Wir alle sind auch roh, gemein, verlogen.
Um wenigstens zum Schein uns manchmal zu gelingen.
Aus Selbstfiktion, Materie und Wir gesogen,
sind wir drauf angelegt, auch auf Betrug zu dringen;
sind wir verdammt zu Illusionen,
zu Ich-Verklärungsprozeduren:
Wir müssen mit Moraltrost uns belohnen ...
mit Lebenslügen uns die Fakten spuren.
Realistische Sicht auf uns Westler (770)24
Was draus machen! Was erleben!
Intensiver sich gestalten!
Alles nehmen! Alles geben!
Lebensqualität erhalten!
Alles nutzen und erproben.
Wie die Werte, so die Koben.
Steigern, weitern und genießen:
Ungeteilt in Lust zerfließen.
Noch nie war das befriedete Dasein langweiliger,
noch nie intensitätsloser,
banaler, seichter,
stumpfsinniger und großmäuliger als heute.
Noch nie waren die Menschen so fad,
so albern, innerlich so verarmt,
ichschwach und kindisch eigensinnig.
Narzisstisch faktisch ihrer selbst entmächtigt:
Sich permanent selbst verfehlende,
sich ihre eigene Welt erdichtende Ich-Gierige.
Die Diktatur des Mittelmenschen ist’s.
der als Erlösungsahnung nun vertickt
Erlebnisdrogen und Belämmerungen,
Geschwätzigkeit und Firlefanz.
Lässt toben Pop-Musik zwecks Einübung
in Eskapismus, kollektiv-ekstatisch:
Entlastungszufuhr und Enthemmungskult.
Ein Idiotismus offensichtlich,
der keine Dauer haben kann.
Nicht subjektiv. Und auch nicht weltgeschichtlich.
Er bricht notwendig. Freilich: Wann?
Wenn überlegne Diktaturen greifen
die dekadenten West-Ruinen sich,
um sie auf ihre Art zu schleifen
hin auf ihr kollektives Ich:
Staatsmetaphysischer Gewalt ergeben,
dem Stolz der lückenlosen Führerschaft,
sich über sich hinauszuheben,
im Hochgefühl von Weltmachtträumen
und globaler Kraft.
Subjektive Erfahrungswerte (771)25
Es gibt sicher weit Schlimmeres
als Selbst- und Welt-Erkenntnis
(Folter etwa, Hunger, Todesangst …)
Indes ist jene doch auch eine Last,
freilich geistiger, nicht physischer Art.
Hat sie nämlich erst einmal den schützenden Schleier
des Verdrängens, der Realitätsverweigerung
und all der gängigen Lebenslügen aufgeweht,
dann kann sie leicht in einem existenziellen Fiasko enden:
Sei’s dass ein sozialer Niedergang
dann kaum noch zu vermeiden ist,
sei’s, dass jemand sogar durch Selbstmord endet,
sei’s psychisch aus dem Ruder läuft: innerlich verglimmt,
sei’s innerer Leere, seelischer Frigidisierung,
nihilistischer Melancholie oder völliger Antriebslosigkeit
hilflos anheimfällt.
Einhergehend mit einer wachsenden,
schleichend wahnhafte Züge annehmenden
Abdichtung gegen eine Wirklichkeit,
die, ähnlich wie jene Realitätsverweigerung,
mehr und mehr als allbedrückend wahrgenommen,
entsprechend konstruiert und so zuweilen
völlig verkannt wird:
Objektiv einfach nicht mehr zu fassen …
Und ich weiß, wovon ich rede.
ZINSJA 43 (772)26
Aus den konsumkapitalistisch
fratzenhaft verzauberten Gossen
singen die Restseelen auf.
Ungerührt indes
lausche ich ihnen,
überzeugt,
dass ich nichts für sie
würde tun können,
sie würde definitiv
zugrunde gehen
lassen müssen.
Weisheit des Außenseiters (773)27
Man hat doch keine Seelentiefe mehr.
Ich möchte freilich sagen: Gott sei Dank!
Wo käme man auch hin mit der!
Man sei, würd’s heißen, krank.
Zumindest ein dem Markt verlornes Schaf.
Das es zu retten gälte.
Durch Anpassung, damit es brav,
sich nicht noch um sein Schafsein prellte.
Sich also wieder Kicks hingäbe,
Effekten durch Erleben, Kauf.
Auf diese Weise wieder Herdenstrebe:
Beglückt geschoren im Verbraucherlauf.
Aus meinem Leben (774)28
Ich habe keinen Grund, die wunderbaren,
zuweilen sogar faszinierend schönen Augenblicke,
grad weil fernab von Gier und Waren,
vorbei am Lärm der Marktgeschicke,
mir selber oder sonst wem zu verschweigen.
War’n sie geprägt doch auch von Einsicht ins Geschehen
mit seinen Kernfiktionen, die sich nunmehr neigen:
Ihr Grundgebrechen lassen sehen:
Dass sich zersetzen Normen, Werte, Paragraphen,
der Staat sich vor sich selbst will schützen,
die Psychen trudeln ohne Hafen.
Korrupte sich in ihrem Amt aussitzen …
Bananen-, Tugendlügen,- Kita-Republik.
Bereits parteienoligarchisch unterlaufen.
Zerfallsgebilde ohne klaren Blick
auf infantil Ergriffne und Banditenhaufen.
Und denke ich an jene Glücksmomente,
nun dann auch an ein völlig andres Land.
Das nicht mehr ist, ist längst am Ende:
Noch hielt sich selbst in alliierter Hand.
Noch nicht war ein asiatischer Lakai.
Noch Rechtsstaat schien und Volksherrschaft.
Noch mied totalitäre Tugendbarbarei.
Noch hatte kulturelle Kraft.
All das indes ist nun Geschichte.
Ich gebe zu: Lang vor dem Internet.
Man las sogar zuweilen noch Gedichte.
Wiewohl doch auch schon brüchig war
das alte Wertkorsett.
Verschiedene Perspektiven (775)29
In meinen Augen sinnentleertes Streben.
Verfügt von Zeitgeist-Drill:
Formal sich nur und immer gleich auch zu erleben.
Weil’s das sei, was man, Kunde, will.
Ein hektischer Vollzug. Tagaus, tagein.
Von Leistung und Vergnügungs-Schmu.
Ein faktisch drangsaliertes Sein
des Leibdings, das man ist. Sich selbst tabu.
Ich sollte freilich mich beeilen,
zu sagen, dass notwendig es so ist:
Mir scheint es sinnlos. Sei’s drum. Aber teilen
muss ich es auch: Es trägt mich durch die Daseinsfrist.
Seit mehr als siebzig Jahren schon.
Und sehe ich es kalt:
Dann mag’s für mich zwar Nihilismus-Mohn,
doch andern Glück sein und Erfolg und Halt.
δοῦλος φύσει/Sonett (776)30
(Ü: Sklave von Natur; Wendung, bei Aristoteles,
384 - 322 v. Chr., gefunden)
Wer wäre der? Der von sich selbst geschlagen,
hat nicht die Wahl, sich anders auszulegen,
als so, dass fehlen ihm die Geistes-Hegen,
ihm zu erlauben, seine Daseinslagen
auch ohne Gier und Korruption zu tragen?
Nicht einmal fähig, sich zu stellen gegen
die eignen Großmanns-Süchte: wesensträgen,
die ihn in Scheitern drücken und Verzagen?
Es gibt ihn, diesen Sklaven von Natur*.
Man kann ihn überall und immer finden:
Ein Zwangs-Schauspieler seiner Ich-Tortur,
die ihn an dieses Schicksalslos wird binden,
dass er, sich kindisch inszenierend nur,
wird stets bombastisch doch in Trance sich gründen.
*δοῦλος φύσει: Man denke in diesem Zusammenhang vor allem daran, dass z. B. der Besitz von Macht tatsächlich versklaven kann:
Sei’s (1) dass man von ihr, ichschwach-selbstwertarm, nicht mehr lassen kann; sie also für einen zur Droge geworden ist; einer Droge, derer man bedarf, um sich existenziell über Wasser zu halten;
sei’s (2) dass man von der eigenen Macht - und je größer diese ist, um so mehr - übermächtigt, soll heißen: seiner Rationalität, seines Realitätssinnes und seines faktenkonformen Urteilsvermögens beraubt wurde so, dass man Entscheidungen trifft, die sich, weil falsch, gegen die eigene Macht auswirken;
sei’s (3) dass man Macht nicht begriffen hat als sittlich-geistige Verpflichtung(!) gegenüber denen, über die sie ausgeübt wird (nämlich sachlich und verantwortungsvoll; so Max Weber, korrekt); denn: Macht, die sich in einem gewissenlosen Spiel, maßlosem Selbstgenuss und diktatorischer/diktatorischem Eitelkeit/Narzissmus verliert, ist keine Macht, sondern letztlich eine Art Selbstinszenierungs-Farce eines sich geistig völlig verfehlenden Existenz-Schauspielers.
Um es deutlich zu sagen: A l l e Macht, auch die politische, beruht zuletzt auf geistig fundierter Selbststeuerungs- und Selbstverfügungsmacht; wer dieser ermangelt, wird niemals machtfähig sein; allenfalls es für einige Zeit scheinen dürfen. Und überhaupt: Alles Machthandeln - und sei es auch vollständig wertgebunden und rational - wird in der Regel scheitern, weil es die hyperkomplexe Irrationalität und Unwägbarkeit gesellschaftlicher Umstände nicht zu fassen vermag. Machthandeln, das ist immer und notwendig Agieren ins Ungefähre, Untergründige, Unfassbare, Unvorhersehbare.
Dazu Vittorio Hösle, Moral und Politik, München 1997, S. 298f.:
„Am gefährlichsten ist jener Machtmensch, der zwar die unbewussten Trieb der anderen kennt und benützt, aber das, was ihn selbst treibt, einer kritischen Analyse nicht zu unterwerfen vermag. Hitler ist das erste und bis heute unübertroffene Beispiel für diese Verbindung entwickelster analytischer Fähigkeiten, was die unbewussten Wünsche der Massen betrifft, mit dem Fehlen jeglicher kritischer Selbstwahrnehmung. Er ist der erste in einer ganzen Reihe moderner Despoten und Demagogen, bei denen sich gründliche Kenntnis der Manipulationsmöglichkeiten … verbindet mit vollständiger Blindheit sich selbst gegenüber.“
Ich bleibe dabei: Wer sich selbst gegenüber blind ist (nicht begreift, was er, warum und zu welchem Zweck kratisch durchsetzen will - was zu leisten schon deshalb sehr unwahrscheinlich ist, weil das, was er will, nicht eben genau das sein wird, was er erreichen wird), ist schlech-terdings nicht machtfähig; denn: er weiß nicht, was er tut, er wird von seinen Machtzielen blind getrieben, soll heißen: er wird sie verfehlen, weil er nicht weiß,
w o f ü r er seine Macht gebraucht (was schon sehr schwierig ist, auch w e n n er seine Machtziele kennt und entsprechend rational durch-/bedenkt); dies aber muss man wissen, um sich gegen sie, die eigne Macht, zu feien. Einmal abgesehen davon, dass es r a t i o n a l e Macht-ziele und -Zwecke gar nicht geben kann; d. h. Macht agiert immer/per se ins Ungefähre, ist immer zumindest teilblind.
„Die Verbindung entwickelster analytischer Fähigkeiten, was die unbewussten Wünsche der Massen betrifft“, ist in dem Augenblick völlig nutzlos/soll auch heißen: machtge-fährdend, dass man die eigenen unbewussten Wünsche nicht kennt: Man wird sich, wie mächtig auch immer, irgendwann an der Realität scheitern sehen, begreifen müssen, dass man seine Machtziele entweder überhaupt nicht oder nur insoweit hat realisieren können, dass man sie als verfehlte zur Kenntnis zu nehmen hat.
Noch einmal: Politische Macht, die sich selbst ernst nimmt und sich ihres wahrscheinlichen Scheiterns bewusst ist, bedarf als Voraussetzung unbedingt jener geistig fundier-ten Selbststeuerungs- und Selbstverfügungsmacht, um sich überhaupt irgendeinen Erfolg ausrechnen zu dürfen.
Und sollte Nietzsche richtig liegen mit seiner Behauptung, Leben sei Wille zu Macht, dann zeigte das nur die Fehl-leitung, Begrenztheit, ja: die Erbärmlichkeit der menschli-chen Existenz.
Ausweglos I (777)31
Verwirrungshilflos selbst sich überlassen
- Vereinzelung und Nihilismus greifen -
zerfällt man, marktkonforme Indolenz,
entlastungshungrig haltlos umgetrieben.
Auch ist man ohne Mittel, zu erfassen
die Zeitgeistzwangsgehabe, die verschleifen
der Selbsterniedrigung in Appetenz …
in All-Verdrängung sie zu schieben.
Und das System ist faktisch ausweglos.
Auch wenn wir wollten, könnten wir’s nicht ändern.
Denn nur als dieses mag es garantieren,
ein Zukunftsschicksal ohne Selbstverfügung.
Antwort an einen Kritiker (778)32
Sie kritisieren mich:
Ich sei ein Pessimist,
ja, nihilistisch, zynisch gar.
Ein andre drückender
Entlarvungsfatzke,
ein anstandsloser Zeitgenosse:
Determinist
und Idealbeschmutzer.
Ja: letztlich auch
ein Misanthrop
Das sagen Sie.
Und mehr noch.
Nun, so scheint’s.
Indes was glauben Sie,
in welcher Welt ich lebe?
Doch mittlerweile glücksfern
und erotisch tot.
Neurotisch aggressiv,
gewissensarm,
leerformelhörig
und narzisstisch fad.
Ein Ort zumal,
von Sinn verlassen,
Orientierungsfähigkeit
und Augenmaß.
Ein Ort der Geistesarmut,
und Charaktergülle,
der Gaunerei und
Wohlstandssklaverei.
In einer Welt
abstrakter Nullbezüge,
vereinzelter Systemmonaden,
nicht fähig mehr,
sich selbst zu steuern,
indes erpicht,
sich hämisch auszulassen,
zu provozieren
und verquer zu fühlen …
in Wirklichkeitsverlusten
sich abhanden.
In einer Welt, die
- kaum noch lebenswert -
Erlebnistyrannei ist
Selbstverramschung,
maßloser Hybris
Tugendmystik,
gebannt in
gleichungsinszenierte
Daseinsleeren.
*
Kurzum: In einer Welt der Untergänge,
sich selber ausgeliefert wohl verloren …
In einer Welt der digitalen Zwänge,
der Asozialität entkernter Seelen,
der linkisch-anmutslosen Wert-Pandoren,
der Daseinsmimen, die sich nicht mehr haben,
sich selber - seinsfremd - konstruieren wollen,
fragmentpathetisch sich an Zeichen laben
und jedem, der sie nicht vergottet, grollen …
Das sind sie, die barbarischen Gemenge
der Säuselsucht von Staatsschauspieler-Foren,
von Selbstwertkiffern, die Gehalt verfehlen,
Ekstatikern, die popdebil sich wählen,
Moralverwirrten ohne Einsichtsgaben.
Vernichtungswidersprüchlich (779)33
Vollendung könnte es für uns nur diese geben:
Die sehnsuchtsträumerisch ganz zarte, schlichte
uns wesenfremder Sinngewichte,
die wir aus uns nicht können weben:
Nur wenn von Macht- und Nutzen-Plänen frei,
von allen unsern Kreaturen-Zwängen
wir’s schafften, dass uns eine Stunde sei,
von Zahlen leer und Lust und Rängen.
Doch das wird bleiben eine Illusion:
Barbaren uns doch immer schon.
Wird bleiben totes Ideal.
Weil uns notwendig Widerspruch und Qual.
Bis ins Mark (780)34
Überschwemmt
von lähmender
Gleichgültigkeit
fällt mir
nicht eine Zeile ein.
Indes wozu auch?
Die eingelebte
Bedeutungslosigkeit
und sterile Rationalität
kapitalistischen Leerlaufs
sind offenkundig.
Sogar das Kopulieren
dient marktgängigen
Interessen.
Folgend der noch
in Träumen
wütenden Krake
systemkommandierter
Erlebnismetaphysik.
Selbsttäuschungszwänge (781)35
Vergleiche (35/2104)
Zwecke? Sinn? Verwirklichungen?
Das sind doch Kinderträume.
Verbalphantasmen, kryptisch abgerungen
den Trancen neuronaler Räume.
Das Dürftige im Zaum zu halten
durch Hoffnung in Entlastungsschüben.
Uns so Bewusstsein abzuspalten
von diesen objektiven Trüben,
die unser Dasein doch bestimmen:
Das Ausgesetztsein sich und andern,
das kategorische Verschwimmen
von Greifbarkeit. Und das Mäandern
von Inhalt, Streben und Gegebenheiten.
Nur Lebenslügen können uns erhalten.
Und auch zuweilen täuschend weiten.
Wir können faktisch nur vermittelt uns gestalten:
Nach Lagen. So uns selber nie gelungen.
Der früh geahnte Gott in mir (782)36
Ich weiß, du wirst mich nie verlassen.
Du meine Trance schon frühster Stunden.
Vor dir wird alles nichtig: Hassen,
Gewaltsucht, Rache … Alle Daseinslunten.
Du bist der Sinn, die Güte und die Stille,
mich über mich hinaus zu tragen.
Der absolute Wille,
die Transzendenz des Tiers zu wagen.
Schon deine Schatten können die erhellen:
Pleonexie, Bestialität, Phantasterei.
Die mir den Weg zu dir doch müssten stumm verstellen.
Du machst sie einerlei.
So gesehen II (783)37
Vergleiche (7/410)
Ich bin die Durchschnitts-,
bin die Standard-Existenz.
Erstrebe das, was auch
die meisten andern wollen:
Ne schöne Wohnung,
Urlaub, Geld, Vergnügen
und selbstverständlich auch
die coolsten Bands.
Kurz: Endlos schöpfen können
aus dem Vollen.
Und schreibe daher
auch Moral mir zu,
weil ich so viele mit ernähre.
Indem ich lebe
mein Produkt-Voodoo.
Man male sich nur aus,
was wäre,
wenn ich Verzichten
mich verschriebe:
Verelendung,
Verbittern
und Gewalt!
Am Ende wankte
das Gesamtgetriebe!
Behaupte also niemand,
ich sei kalt.
Ausgeliefert II (784)38
Von Einsicht verfolgt faktenflüchtig,
fällt es mir immer schwerer,
mich zu entscheiden,
ob ich dieses totalitäre Marktgeschehen
geradezu manisch dazu getrieben,
mir weiter entschleiern soll.
Ist es doch sinnlos,
Einsicht in etwas zu gewinnen,
das man nicht ändern kann,
dem man hilflos ausgeliefert ist.
Oder mich zu zwingen,
es, wenn das überhaupt noch möglich wäre,
zu verdrängen, zynisch hinzunehmen,
gar hedonistisch auszubeuten.
Wäre mich gängig-rücksichtslos auszuleben
doch gewiss ein Mittel,
drastisch von ihm abzulenken.
Tatsächlich ist es ein globales Phänomen,
das jeden verhöhnen muss,
der naiv glaubt,
seinen Fängen entgehen zu können.
Ich jedenfalls kann es nicht.
Geistessüchtig, wie ich bin,
habe ich längst auch
die Ohnmacht eben des Geistigen entlarvt,
das, wesensmäßig schlechterdings elitär,
allenfalls noch der Illusion nachhängen mag,
jenes innerlich meiden zu können.
Indes erweist sich auch das als Hochmut,
Verblendung und Realitätsverweigerung.
Knecht bin ich jenem, Ding und so
alltägliche Selbstwertschändung.
Das sind die unumstößlichen Tatsachen.
Luzide Amoralität (785)39
Der Moment, es dir zu sagen:
Lass uns Räusche konsumieren,
ineinander uns verlieren,
leibgebundne Glücke jagen.
Glücke, die nach Weltflucht gieren.
Die nur ein paar Stunden währen.
Länger auch nicht auszuhalten.
Würden sie doch auf uns zehren,
Faktenekel uns gestalten.
Letzte Einsicht lehren.
Dass die Lagen sich erweisen
als prekär globale Wirren,
Umstandslose, die entgleisen:
Hunger, Kriege, Viren, Dürren.
Elend, das uns kann zerreißen.
Lass das alles einfach stehen.
Dass wir nicht der Angst verfallen.
Eros wollen wir verwehen.
Letzte Räusche uns so krallen.
Unsrer Ichsucht Drang vergehen.
Unvereinbare Lebenswege (786)40
Ich habe wieder einmal mich gerettet
in diese griechische Schimäre: νοῦς.
In die ich traumweltlüstern dann gebettet,
auch mal gedenke jenes Dus,
dem einst mein Drang galt; auch nach Sinn.
Und das dann - mir nicht zu begreifen -
gab lieber Mνοῦς.arkterlösungsmacht sich hin:
Der, die’s erlaubt, vor einem selbst zu kneifen.
Doch konnte ich ihr das verdenken,
dass sie sich nicht verschreiben wollte
der Außenseiterwelt und ihren Senken,
verstellend das normal Gesollte?
Ich konnte nicht. Auch hat sie recht behalten:
Gut situiert ist sie, erfolgreich, angesehen.
Indes ich immer noch entlarve Psychen-Halden,
die sich die meisten coolblasiert erflehen.
*νοῦς: nus, griech.: Geist
Notwendiges Versäumen (787)41
Erbettelt. Dennoch immer nur gestreift
in Blicken und Berührungssehnen.
Ein Du, nach dem man selbstfremd greift,
um sich im Ichgenuss ihm an zu tränen.
Da gibt es nur noch das Verfehlen.
Und im Verfehlen, schuldlos, wird man sich,
Monade nur doch unter Marktbefehlen,
gewahr als lagensieches Ich.
Man ahnt, dass Wirklichkeit es nicht mehr gibt,
fühlt ihren Umsatz in Effekte:
So dass im Du auch man nur in sich selber kippt:
Zwei Seelenkrüppel. Hilflos sich verdeckte.
Abwägungen (788)42
Was Freiheit sei, ist leicht zu sagen.
Ein Selbstzwang, geistig auszuüben
als selbstbezogne Macht, zu überragen
sein Ich, von Kreaturen-Drangsal angetrieben.
Nicht möglich mehr Effektproleten,
sich selbst anbetenden Gewissenlosen,
die, Opfer tief verinnerlichter Wohlstandsöden,
narzisstisch ihre Leeren kosen.
So bleiben drei Fiktionen - Die:
Das Recht, die Volksherrschaft, die Selbstbestimmungs-Phrase.
Als Macher-Mär, politische Magie,
gefügig machende Verführungs-Blase.
Doch auch als solche vorzuziehen
der effektivsten Tyrannei.
Auch wenn sie Gossen-Nihilismus nicht entfliehen,
sind sie nicht Willkür-Knute: Barbarei.
Charakterzug der Massen (789)43
Menschlich
sind allein
die Massen.
Manchmal
sind sie’s,
sind’s nur sie.
Weil nur sie
im Kern erfassen
diese Lotterie,
die man Dasein,
Leben nennt:
Willkür,
Täuschung,
Lügerei.
Denen hilflos
man verbrennt.
Überhörter Schrei.
Einsichtstrauer (790)44
Einsichtstrauer. Vielschichtige.
Obwohl ich eigentlich
auf den Schultern
vieler Lehrer stehe,
ohne deren Arbeiten
ich nie etwas Nennenswertes
würde geleistet haben.
Es ist aber ein Unterschied,
ob man von der Autodestruktivität
der kapitalistischen Gesellschaft
nur liest oder sie auch
im persönlich Leben erfährt.
Als Dekadenz und Nihilismus,
als Seelenkälte, Gewissenlosigkeit,
Niedertracht, Ichsucht,
Verrat und Treulosigkeit.
Dann ist der Lebensekel
kaum noch zu verhindern.
Und man muss einfach Glück haben,
ihn dann halbwegs
noch meistern zu können.
Allgemeine Zusammenschau - und eine Abrechnung mit mir selbst (791)45
News, Formeln und Statistikdaten
entraffte anonyme Pseudowirklichkeit.
Fanatisierend infantile Bindungslose,
bedürftig permanenter Fremderregung.
Sich, deutungsimpotent, zuletzt zu retten
in Drogen, Coolness und Blasiertheitsdünkel:
Sich, Einsicht meidend, zu verhehlen,
dass da Gewöhnlichkeit und Stumpfsinn toben,
uns allen doch ein inhaltsschweres Los,
der Großen Tyche Würfelei verdankt.
Die bis zur Selbstauslöschung toben wird,
nie fragend nach Vernunft und Würde,
der Nichtbedachten leere Kampfbegriffe,
von Neid und unverschämten Dünkel doch besetzt …
Materie und Zufallsrinnen unbekannt.
*
Stündlich werde ich heimgesucht
von Propaganda, Empörungshysterie
und Tugendandachten.
Worum es dabei letztlich geht,
bleibt mir indes, bin ich ehrlich, im Kern verborgen.
Manchmal ist mir,
als schrie da eine finalnihilistische Welt auf,
sich ihrer selbst bewusst als nicht mehr beherrschbar,
zu Grunde gerichtet, definitiv vertan.
Wehren kann ich mich gegen sie nicht.
Ich kann sie nur ignorieren,
indem ich mich innerlich losmache von ihr:
Einer sich ins Ungreifbare inszenierenden Ramschkultwelt
sich selbst verachtender Orientierungsloser.
Genau das tue ich.
Gleichgültig gegenüber ihrem Schicksal.
Kunst machend für niemand.
*
Was ich hier schreibe, ist bedeutungslos.
Bin ich’s doch selbst. Bin’s lebenslang.
Materielle Laune bloß.
Verfügt prekärem Zwang:
Den sich benommnen Zeitgenossen,
die, Gleiche, Spaßschund sich ersticken müssen.
Hermetisch sich verschlossen
und spracharm Reizen nur beflissen.
Nicht dass mich alles das berührte.
Zu zynisch sehe ich dies Weltgeschehen:
Von Lotterien doch herbeigeführte
Vervielfachung von Kortex-Wehen.
*
Ich muss mir unser Scheitern nicht verhehlen.
Und auch nicht dies, dass Ungerechtigkeit,
Gram, Ausbeutung und Ohnmacht unabwendbar,
notwendig vielmehr unser Sein begleiten.
Und wahllos treffend diese oder jene
schon der Empörung spotten, die dann kommt.
Sich zu entlasten davon, dass sie ganz umsonst
erregt und lärmend durch die Straßen tobt.
Und doch sich heimlich eingestehen müsste:
Erhöbe sich zum Bessren diese Welt,
auch dann noch niemand seine Genüge fände.
*
Vollendung träumt sich heute keiner mehr.
Gewiefte Smarte ziehen Selbstbetrug längst vor,
Schaumschlägerei und coole Wortarmut,
flottierend in zerreizten Innenwelten,
sich technodionysisch zu ergattern
die Nieten intendierten Gängig-Glücks.
Zumal es andres nicht mehr gibt,
das nicht nach Marktbefehl gemachtes wäre.
Orientierungslosigkeit ersehnt.
Und diese sind wir, selbst uns unbekannt,
im Einklang fühlend mit den Konkurrenten,
heteronomen Ich-Monaden,
die doch, wie wir, nur darauf hoffen,
Selbstwert zu ziehen aus erhaschtem Blick:
Bedeutungsflut im Überragen,
Bestätigungen, mehr zu sein,
als nur ein Ich-Ding unter Artefakten,
ein gleiches Nichts im Raum entseelter,
Erlebnissen verbrachter Welt,
zur gleichungsstarren Leere umgeschaffen
für sich verähnelte Entfremdungsschatten.
*Sonett (792)46
All diesen Welt-Schmu hab ich ausgehalten,
weil nie ich ganz mich musste ihm verdingen.
Doch mir war klar, das konnte nur gelingen,
weil sich die meisten seinen Lockgestalten
verschreiben mussten. Oder gar ihn krallten,
weil sie an seinen simplen Süßen hingen:
Obsiegen, Raffen, Gelten, Niederringen.
Verstehe ich. Das sind Genom-Gewalten.
Ich hatte Glück, weil mir die Würfel fielen,
wie sie wohl selten fallen. Wirklich selten.
Ich lief da durch, als wäre das ein Spielen.
Als würden Ichsucht und Verrat und Kälten,
ja selbst die Fron banaler Alltagsmühlen
geworden sein, mich Glückskind zu bezelten.
*
Ein radikaler Gegner dieser Welt,
das bin ich in der Tat. Bis in die Kerne.
So, dass ich gerne sie gebändigt sähe.
Sie, diese Mammonhure. Geil, zerstörungssüchtig.
Und doch meist Selbstbetrug und Scheitern bietend:
Verblendungsarrogante Gossendionysien.
Und doch sind die es, die Entlastung bieten,
den Schein von Glück und Zwecken. Immerhin.
Verdrängungsvirtuosen Marktanbetern.
Die sich verhehlen ihren Dauerstatus:
Dass sie fanatisch sich sich selbst verweigern.
Das müssen. Selbstsuchtquanten dem System.
Und doch muss ich mich, redlich, korrigieren.
Muss eingestehn, dass Plumpes ich da sage.
Weiß ich doch allzu gut, dass diese Techniksause
nicht umkehrbar, auch nicht zu bremsen ist.
Und allzu gut, dass, wenn ihr Wohlstand schwände,
die Barbarei die Oberhand gewänne.
Ein radikaler Gegner dieser Welt?
Indes hat sie auch mich gehalten doch,
nie offen aufgezwungen mir, mich ihr zu beugen,
gar ihre Kindereien auch mir anzueignen
mich ihren Nichtigkeiten hinzugeben,
ihr tagtraumnihilistisch ausgeliefert.
Und zumal sie war’s, die mich zu der Einsicht brachte,
dass zufallsblind sie über mich entscheidet,
ich meine Existenz nicht selbst bestimmen kann,
ich ein bedeutungsloses Individuum,
Marionette bin der ihr doch selbst oft unbegriffnen Lagen.
Sie also geistig - und nur das zählt - übersteige.
Was war’s wohl?/Sonett (793)47
Was war das alles, was mir widerfuhr?
Ich weiß es nicht. Zumindest nicht genau.
Denn sehe scharf ich’s an, dann zeigt sich nur
definitiv diffuses Grau in Grau.
Was man erfährt, das lässt sich nicht erkennen.
Schon weil man wertet: Und das obsessiv.
Man muss sich in Verblendung so verrennen,
weil Wünschbarkeit man in die Falle lief.
Der Tugendhehre ist nur arrogant:
Ideologe, der sich Normen spinnt
als Emotionsgefüge ohne Band
zur Empirie, der es sofort zerrinnt.
Zumal von Ideellem überrannt,
Realität und Wirklichkeit ausdünnt.
Erlösungs-Morgen (794)48
Ich weiß es wirklich nicht, was all das sollte.
Zumal mich Scheitern hob in Geistesqual:
In der ich glücklich griff dies ungewollte
Gewirr von Irren, Hoffen, Trieb und Zahl.
Von metaphysischen Entlastungssüchten,
erwählt zu sein und zumal gottgeborgen,
vor Leid und Nichtigkeit gefeit zu flüchten,
hob mich in tragendes Erlösungs-Morgen.
Das wird auch dieser Intellekt nicht ändern
durch Technik, Fortschritt, Masseneitelkeiten.
Auch seine Ratio wird am Ende kentern.
Zumal sie muss in Nihilismus leiten
von protodekadenten Zwangs-Verschwendern,
nicht fähig, nicht in Niedrigkeit zu gleiten.
Daseinsfloß (795)49
Obwohl es sinnlos ist und leer und fad,
muss ich doch sagen, dass in manchen Stunden,
es mir gelang zu meiden dieses Rad
von Wohlstandskitsch, Betrug und Sollens-Lunten.
Mich selbst vor allem, dieses Gramgewebe,
um diesem nicht so ganz anheimzufallen.
In schlichter Kindlichkeit mir eine Schwebe
von Stille-, Geist- und Eros-Trost zu krallen.
Sentimental, naiv und rücksichtslos
mir jener Schattentrancen umzudeuten
zu Gaben, unerwartet zart und groß.
Um sie dann ohne Rücksicht auszubeuten,
mir auszulegen gar als Daseins-Floß,
auf dem sich’s lohnt, sich haltlos vergeuden.
Selbsttäuschungen, Einsicht und Ausgesetztheit (796)50
Versteh’s ja. Sich was vorzumachen,
macht vieles leichter, was sofort bedrückte,
wenn man es sich vor Augen rückte,
anstatt es unbeholfen zu verlachen.
Wenn man’s durchdächte bis zum Grund,
um festzustellen irgendwann,
dass niemand je durch Einsicht sich gewann,
weil sie Vergeblichkeit tut kund:
Dass nichts uns trägt und keiner schützt,
dass auch nichts wirklich gelte,
das nicht an Geisteskraft zerschellte.
Die immer zeigt, dass man auf nichts sich stützt.
Ich mach mir also keine Illusionen.
Wenn’s Fundament des Wohlstands bricht,
dann halten Neid und Angst und Hass Gericht.
Dann steuern Tiefenhirnregionen.
Zynismus oder Hoffnungslosigkeit? (797)51
Ach dieses Jammern: Diese Welt sei böse.
sei rücksichtslos, brutal, auf Macht versessen.
Sei die der Gier, des Krieges, die der Barbarei.
Der Unterdrückung, Ausbeutung, der Amoral.
Sei, kurz gesagt, ein Ort der Hölle.
Wer wollte leugnen das?
Sie hat tatsächlich keine Größe,
ist arrogant, narzisstisch, gleichsam ganz versessen
auf jede vorstellbare Gaunerei.
Ist ungerecht, nichts als ein Tränen-Tal.
Scheint aller Rohheit Quelle.
Und dennoch nehme ich mir diese Haltung raus,
mich an Gedichten zu erfreuen,
dem seltnen Geist zu leben, diesem radikalen,
Macht-, Intellekt- und Phrasen-Antipoden,
gerichtet nie auf Perspektiven.
Was kümmert mich dann jener Elendsstrauß,
was die, die unermüdlich wiederkäuen
die Mär vom Ende aller Menschenqualen,
dem der Korrupten und Despoten …
all derer, die vor Unvernunft und Hybris triefen.
Wenn ich das alles distanziert betrachte,
so scheint’s mir eher doch ein Unvermögen,
sich gegen sich, die Lagen, andere zu stemmen.
Man läuft, scheint’s, ab nur. Ohne freien Willen,
Marionette, hilflos umgetrieben.
Als ob man selber sich verachte,
stellt man sich nicht mal sich entgegen,
verleugnet sich, kann Ängste nicht mehr hemmen.
Schon gar nicht Stolz und Würde stillen.
Definitiv, wenn Folterknechte einen schieben.
Ich will nur sagen, dass wir grausam sind.
Und zwar sind wir das alle.
Ob schwarz, ob weiß, ob gelb, ob rot.
Wir werden es zumindest recht geschwind,
wenn ein Verhasster fällt uns in die Kralle.
Der nur ersehnen kann dann schnellen Tod.
Und das, das liegt in unserer Natur.
Präsent in jedem Augenblick.
Da greift die Tiefenschichten-Diktatur
als rücksichtslos komplexes Ich-Geschick.
Eindrücke im Vorübergehen (798)52
Das Lachen falsch.
Die Witze schlecht.
Ein Spaßgehabe,
gängig inszeniert.
Ein wenig gossenwild
und angepasst
an was man
soll und muss.
Ein Kultgeschehen,
hoch erregt
narzisstischer
Belämmerung.
Verzweiflungs-
Stumpfsinn,
fremd verfügt,
als Selbstausdruck
indes gefühlt
und zeitgeistmagisch
optimiert.
Zu einer Einsamkeit,
die sich nicht weiß,
weil ohne Einsicht
ohne Worte ist.
Sehnsucht und Nostalgie (799)53
Geprägt noch in der alten Bundesrepublik
mit ihrer effizienten Marktwirtschaft,
hab ich’s trotz Herkunftsmängeln doch ganz gut getroffen:
Politisch, ökonomisch, kulturell.
Verdanke jener mich,
dem Nachkriegsdeutschland,
das trotz Besatzung, Kaltem Krieg und Psychen-Lasten
sozial mich trug, mir Chancen bot,
die halfen, jene auszugleichen.
So mag’s verständlich sein,
dass mich’s nicht selten treibt,
still zu gedenken ihrer: alter BRD:
sich mühend herrschender Funktions-Eliten,
der Massen, die sie schufen, hielten, trugen.
Und ihres angepassten Lebensstils:
naiv, verdrängungsstill, tabubeschwert …
diszipliniert, bescheiden, arbeitswillig.
Nur Nostalgei gewiss; nur Nostalgie.
War doch auch sie schon unterschwellig angekränkelt
von diesem Heilsversprechen mystischen Konsums.
.
Zumal ich einer bin, der lange schon
dem Land in keiner Weise mehr verbunden ist,
ihn weitaus schärfer sehen mag so,
seinen Niedergang,
als jene, die ihn, schuldaseptisch ungewollt,
mit einer Art Verblendungsinbrunst
ihn heraufbeschwörten:
Die Dilettanten der Parteien,
die tugendblinden Staatsschauspieler …
Kapitalisten, nicht mehr fähig, Nein zu sagen
zu jenen Diktatoren, deren Diener sie längst sind.
Und Intellektuelle, die, wie immer, Werte preisen,
die durch und durch realitätsfremd sind:
Gefühlsdiffuse Tagtraumhülsen,
als schicksalsmächtige Parolen,
doch jetzt am Ende, auch weil Wohlstandsopfer:
Autonomie und Würde, Recht und Gleichheit,
Vernunft und Volksherrschaft und Menschenrecht …
Zuletzt die Massen. Ohne Grundvertrauen.
Stramm ichsuchtvirtuos verbrauchsgewieft.
Auf Dekadenz als Glücksersatzkult angewiesen.
Staffage absurdclownesk
sich ruinierender Verfalls-Nation.
Es-Tandem (800)54
Du hast ihn selbst herbeigeschwiegen,
diesen Bruch.
Den hast du doch gewollt.
Doch bin ich ehrlich:
Er war mein Anliegen:
Du hast ihn auch
durch mich gesollt.
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